Auf den Spuren der großen Flut

Das zweite „Jahrhundert-Hochwasser“ im Juni 2013 richtete in einigen Regionen Deutschlands immensen Schaden an. Zahlreiche Landesverbände und Vereine waren betroffen. DFB und Ligaverband stellten umgehend jeweils eine Million Euro bereit, dazu spendeten FIFA und UEFA insgesamt 200.000 Euro. Wie aber sieht es heute aus, ein halbes Jahr, nachdem die Dämme brachen? Der DFB hat drei Klubs in Sachsen besucht, die exemplarisch für viele Vereine stehen, die mit dem Hochwasser zu kämpfen hatten. Und noch immer unter den Folgen leiden.

Christopher und Dominik verzahnten sich über Mitteleuropa, zwei weitere Tiefdruckgebiete strömten aus Italien und Slowenien um die Alpen herum und verbündeten sich zu einer bedrohlichen Wetterlage. Sicher, schon der Frühling war verregnet gewesen. Der Mai hatte gebietsweise die höchsten Niederschläge seit Beginn der Wetteraufzeichnung gebracht.

Doch dann folgte das Juni-Hochwasser. Meteorologen sprachen von einem Extremereignis, das es nur alle 100 Jahre gibt. 55 Landkreise in Deutschland lösten Katastrophenalarm aus, 19.000 Bundeswehrsoldaten und mehr als 75.000 Feuerwehrleute waren rund um die Uhr auf den Beinen. Quer durch alle Nachrichtensendungen schleppten Menschen Sandsäcke.

So war das Anfang Juni. Für drei Fußballklubs in Sachsen – Königsblau Gohlis an der Elbe, Eintracht Sermuth und BSC Motor Rochlitz an der Mulde – bedeutete das zweite Jahrhundert-Hochwasser binnen elf Jahren zum zweiten Mal den Untergang. Also sind wir hingefahren, ins Flutgebiet zwischen Elbe und Mulde. Ein Auswärtsspiel, und kein leichtes: Jeder zweite Ortsname endet auf „-itz“, und das Navi hilft wenig, weil wir durch gefühlte 20 Umleitungen müssen.

Brücke immer noch gesperrt

Was dann kommt, macht uns schlagartig deutlich, mit welcher Wucht das Wasser wütete. Die Brücke, die überquert werden muss, um das Vereinsgelände von Eintracht Sermuth zu erreichen, ist bis heute gesperrt – mehr als ein halbes Jahr nach dem Hochwasser. Wir parken am Straßenrand. Frank Müller erwartet uns schon. Ein kleiner, drahtiger Mann von Mitte 50, bestimmt mal ein richtig guter Fußballer.

„Um vier Uhr nachts klingelte die Feuerwehr an der Tür. Ich sollte schnell rausfahren und die Spundwände einsetzen“, erzählt Müller über die Nacht vom 1. auf den 2. Juni. Als er fünf Jahre alt war, hatte ihn sein Vater bei Eintracht Sermuth angemeldet, das damals noch Traktor Sermuth hieß. Damals lenkte sein Vater Eberhard die Geschicke des Klubs, heute ist sein Bruder Präsident.

Frank Müller hat hier Fußball gespielt und die 1. Mannschaft trainiert. Heute leitet der Berufsschullehrer die Fußball-Abteilung, sein Sohn wechselte gerade zu den Alten Herren, seine Enkel kicken hier. Für den 56-Jährigen ist der Verein keine Lebensaufgabe. Eintracht Sermuth ist für ihn ein Versprechen über Generationen. So verlor er keine Sekunde, kletterte in sein Auto, fuhr raus zum Vereinsgelände und setzte gemeinsam mit anderen herbeigeeilten Klubmitgliedern in die Türöffnungen Spundwände, die das Wasser abhalten sollten.

"Ales war vergebens."

Etwas außerhalb des Colditzer Stadtteils Sermuth gelegen, schmiegt sich das Gelände des 1897 gegründeten Klubs an die Mulde, die genau dort durch Zusammenfluss der Zwickauer und Freiberger Mulde entsteht. Was meist malerisch schön ausschaut, war im Juni ganz anders. Flutwelle nach Flutwelle rollte heran. Um zehn Uhr früh wusste Frank Müller: Alles war vergebens.

Ein anderer Verein, ein anderer Fluss. Direkt am Vereinsheim von Königsblau Gohlis vorbei führt eine Schnellstraße, die an normalen Tagen Autofahrern die schnelle Fahrt ins nahegelegene Riesa ermöglicht. Anfang Juni 2013 aber funktionierte die Verkehrsader wie eine Rutsche, über die die Wassermassen der Elbe auf das Vereinsgelände schossen. Binnen Stunden waren Trainings- und Rasenplatz komplett überflutet. Am 7. Juni stand das Elbwasser 1,80 Meter hoch. Bis zur Kinnlade, bei großen Menschen. Aus dem Fußballplatz war ein Schwimmbecken geworden. „Ich wurde 2002 als Präsident des Klubs gewählt“, sagt der 40-jährige Kay Arnold mit gequältem Lächeln. „Für mich ist es also auch schon das zweite Hochwasser. Eigentlich wollte ich aufhören, wieder etwas mehr Zeit für die Familie haben.“

Dann kam das Hochwasser, und jetzt muss er weitermachen. Schließlich weiß der Finanzbeamte, was zu tun ist. 70 Kilometer weiter blickt Jens Gruttke auf den Sportplatz von Motor Rochlitz. „Wir sind schlimmer abgesoffen als 2002“, sagt der Vereinspräsident. Auch den Traditionsklub etwas südlich von Grimma hat es bereits zum zweiten Mal erwischt. Noch mal 20 Zentimeter höher als 2002 stieg die Flut, und weil das Vereinsgelände mitten in der Kleinstadt wie in einer Wanne liegt, floss das Wasser für eine Woche nicht ab.

Von drei eigenen Plätzen zu einem gemieteten

„Die Grasnarbe wurde total zerstört. Wir hatten mal drei Plätze, ab nächsten Sommer hoffen wir, zumindest einen Platz wieder in Betrieb nehmen zu können. Bis dahin spielen wir in einer Nachbargemeinde und zahlen 75 Euro pro Partie. Das addiert sich und ist eine große Belastung.“ Vor elf Jahren, als das letzte Hochwasser zurückgegangen und die Hilfsgelder geflossen waren und als versprochen wurde, die Dämme zu erhöhen, bauten Frank Müller und die Sermuther sich ein wunderschönes neues Vereinsheim. Kostete inklusive Bowlingbahn, Gastronomie, Tanzsaal für die Boogie-Woogie-Abteilung und Fitnessraum 2,3 Millionen Euro.

„Damals dachte doch keiner, dass das Wasser so schnell wiederkommen würde“, sagt Frank Müller. Schließlich datierte das letzte Hochwasser vor 2002 bis zurück ins Jahr 1954. Sie waren vorsichtig. Eine Betonwand von 60 Zentimetern ließen sie unter dem Erdgeschoss einziehen, sie sollte Schutz gegen den Anstieg des Grundwasserspiegels bieten. Bis zu zwei Metern. Doch das Wasser stieg immer höher und die Wand barst. Die Heizung, die Sanitäranlagen, der Fitnessraum im Untergeschoss – alles zerstört vom Wasser.

Auf den beiden Plätzen lagen hunderte Tonnen Schlamm. Müller: „Wir wussten, das wird ein Wettlauf mit der Zeit.“ Am Samstag schufteten 150 Vereinsmitglieder auf dem Platz. Mit Schaufeln und Schneeschiebern, mit Wasserschläuchen und manchmal mit bloßen Händen schoben und schleppten sie den Schlamm von den Fußballplätzen. „Leute aus der Gegend, die wir noch nie gesehen hatten, kamen mit dem Auto an und halfen mit. Da wusste ich: Du kannst nicht aufhören“, sagt Müller. Eintracht Sermuth und Königsblau Gohlis prosperierten im wiedervereinigten Deutschland.

Die Geschichte des BSC Motor Rochlitz ist eine andere. „Sternradio“ hatte in der Kleinstadt einen Werkssitz, doch keiner wollte nach dem Mauerfall noch Musik aus Sternradios hören. Weitere Firmen schlossen, Rochlitz verlor ein Drittel seiner Einwohner. Aus knapp 10.000 Rochlitzern wurden 6.500, und weil vor allem die Jüngeren in den Westen wanderten, hat Rochlitz heute keine einzige Nachwuchsmannschaft mehr. „Alles nur Spielgemeinschaften“, sagt Jens Gruttke. „Wir sind für jede Hilfe dankbar.“

2,2 Millionen Euro aus der Fußballfamilie

Helfen wird der Fußball. Bereits wenige Tage nach der Flut schufen der Deutsche Fußball-Bund und der Ligaverband einen Hilfsfonds über zwei Millionen Euro. FIFA und UEFA spendeten ebenfalls, sodass in Summe 2,2 Millionen Euro auf Abruf stehen. Jeder Amateurverein mit einem Schaden von über 60.000 Euro an der Sportstätte kann eine Soforthilfe von 10.000 Euro erhalten. Schadensmeldungen aus 149 Vereinen sind beim DFB über seine Landesverbände eingegangen, mit einer Gesamtschadenssumme von 22,9 Millionen Euro.

„Dabei galt das Subsidaritätsprinzp“, erklärt DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch. „Wenn ein Verein private Spenden angesammelt hat, muss er nicht fürchten, dass der komplette Betrag von der Hilfssumme abgezogen wird. Damit würden wir Engagement bestrafen.“ Bei aller Großzügigkeit werden die Mittel nicht für alle Schäden reichen.

Jörg Gernhardt, Vizepräsident des Sächsischen Fußball-Verbandes, rechnet vor: „58 sächsische Vereine haben einen Hilfsantrag eingereicht. Unser Anteil an der Schadenssumme aus ganz Deutschland liegt bei 53 Prozent.“ In Gohlis wollen sie das letzte Saisonspiel auf dem neuen Rasenplatz austragen. Noch vor dem ersten Schnee in der Region soll der Rasen ausgerollt werden. Und Kay Arnold ist auch in anderer Beziehung optimistisch: „Nach dem Hochwasser 2002 hatten wir einen kleinen Mitglieder-Boom.“

Der BSC Motor Rochlitz hat für den Bau eines Kunstrasenplatzes bei der Sächsischen Aufbau Bank (SAB) einen Antrag über 350.000 Euro gestellt. Bis dahin muss und wird man sich behelfen. In Sermuth bei Colditz wird der Verein wohl umziehen, andere hochwassersichere Standorte sind bereits gefunden. Im Sommer könnte alles wieder in Schuss sein, dank der Bundesmittel, dank der privaten Spenden, dank der Hilfsgelder von DFB und DFL.

Klimawandel schuld?

Geht man von einer durchschnittlichen Erstattung aus dem öffentlichen Flutfonds von 80 Prozent aus, kann mit Mitteln aus dem Hilfsfonds des Fußballs die jeweilige Erstattung auf circa 90 Prozent erhöht werden. Doch die Flut hat Spuren hinterlassen, auch im Denken. „Ich glaube schon, dass der Klimawandel damit zu tun hat“, sagt Arnold. „Im Sommer ist es deutlich heißer als früher, und der Regen fällt immer länger. Die Flussränder sind oft zugebaut.“

Arnolds Haus in Gohlis blieb unbeschädigt, obwohl die Gemeinde evakuiert werden musste. Doch der Schaden auf dem Vereinsgelände ist riesig. Frank Müller zuckt müde mit den Schultern: „Dass wir wieder erwischt wurden, hat vielleicht mit dem Klimawandel zu tun, vielleicht ist es aber einfach nur Zufall, und die nächsten 200 Jahre passiert nichts mehr“.

Er war lange krankgeschrieben, litt an einer Lungenentzündung. „Noch mal mache ich das nicht mit. Und meine Enkel sollen so etwas auch nicht erleben müssen“, sagt er. Jens Gruttke zeigt auf den langen Gang, an dessen Wänden sie Fotos vergangener Erfolge und auch vom Flutschaden des Jahres 2002 aufgehängt haben. Keine Bilder von 2013. „Das schaffen wir noch nicht“, sagt Gruttke. Doch bis auf Kniehöhe musste im Rochlitzer Vereinsheim der Putz heruntergeschlagen werden. Die Flut hat ihre eigenen Bilder aufgehängt.

[TH]

Das zweite „Jahrhundert-Hochwasser“ im Juni 2013 richtete in einigen Regionen Deutschlands immensen Schaden an. Zahlreiche Landesverbände und Vereine waren betroffen. DFB und Ligaverband stellten umgehend jeweils eine Million Euro bereit, dazu spendeten FIFA und UEFA insgesamt 200.000 Euro. Wie aber sieht es heute aus, ein halbes Jahr, nachdem die Dämme brachen? Der DFB hat drei Klubs in Sachsen besucht, die exemplarisch für viele Vereine stehen, die mit dem Hochwasser zu kämpfen hatten. Und noch immer unter den Folgen leiden.

Christopher und Dominik verzahnten sich über Mitteleuropa, zwei weitere Tiefdruckgebiete strömten aus Italien und Slowenien um die Alpen herum und verbündeten sich zu einer bedrohlichen Wetterlage. Sicher, schon der Frühling war verregnet gewesen. Der Mai hatte gebietsweise die höchsten Niederschläge seit Beginn der Wetteraufzeichnung gebracht.

Doch dann folgte das Juni-Hochwasser. Meteorologen sprachen von einem Extremereignis, das es nur alle 100 Jahre gibt. 55 Landkreise in Deutschland lösten Katastrophenalarm aus, 19.000 Bundeswehrsoldaten und mehr als 75.000 Feuerwehrleute waren rund um die Uhr auf den Beinen. Quer durch alle Nachrichtensendungen schleppten Menschen Sandsäcke.

So war das Anfang Juni. Für drei Fußballklubs in Sachsen – Königsblau Gohlis an der Elbe, Eintracht Sermuth und BSC Motor Rochlitz an der Mulde – bedeutete das zweite Jahrhundert-Hochwasser binnen elf Jahren zum zweiten Mal den Untergang. Also sind wir hingefahren, ins Flutgebiet zwischen Elbe und Mulde. Ein Auswärtsspiel, und kein leichtes: Jeder zweite Ortsname endet auf „-itz“, und das Navi hilft wenig, weil wir durch gefühlte 20 Umleitungen müssen.

Brücke immer noch gesperrt

Was dann kommt, macht uns schlagartig deutlich, mit welcher Wucht das Wasser wütete. Die Brücke, die überquert werden muss, um das Vereinsgelände von Eintracht Sermuth zu erreichen, ist bis heute gesperrt – mehr als ein halbes Jahr nach dem Hochwasser. Wir parken am Straßenrand. Frank Müller erwartet uns schon. Ein kleiner, drahtiger Mann von Mitte 50, bestimmt mal ein richtig guter Fußballer.

„Um vier Uhr nachts klingelte die Feuerwehr an der Tür. Ich sollte schnell rausfahren und die Spundwände einsetzen“, erzählt Müller über die Nacht vom 1. auf den 2. Juni. Als er fünf Jahre alt war, hatte ihn sein Vater bei Eintracht Sermuth angemeldet, das damals noch Traktor Sermuth hieß. Damals lenkte sein Vater Eberhard die Geschicke des Klubs, heute ist sein Bruder Präsident.

Frank Müller hat hier Fußball gespielt und die 1. Mannschaft trainiert. Heute leitet der Berufsschullehrer die Fußball-Abteilung, sein Sohn wechselte gerade zu den Alten Herren, seine Enkel kicken hier. Für den 56-Jährigen ist der Verein keine Lebensaufgabe. Eintracht Sermuth ist für ihn ein Versprechen über Generationen. So verlor er keine Sekunde, kletterte in sein Auto, fuhr raus zum Vereinsgelände und setzte gemeinsam mit anderen herbeigeeilten Klubmitgliedern in die Türöffnungen Spundwände, die das Wasser abhalten sollten.

"Ales war vergebens."

Etwas außerhalb des Colditzer Stadtteils Sermuth gelegen, schmiegt sich das Gelände des 1897 gegründeten Klubs an die Mulde, die genau dort durch Zusammenfluss der Zwickauer und Freiberger Mulde entsteht. Was meist malerisch schön ausschaut, war im Juni ganz anders. Flutwelle nach Flutwelle rollte heran. Um zehn Uhr früh wusste Frank Müller: Alles war vergebens.

Ein anderer Verein, ein anderer Fluss. Direkt am Vereinsheim von Königsblau Gohlis vorbei führt eine Schnellstraße, die an normalen Tagen Autofahrern die schnelle Fahrt ins nahegelegene Riesa ermöglicht. Anfang Juni 2013 aber funktionierte die Verkehrsader wie eine Rutsche, über die die Wassermassen der Elbe auf das Vereinsgelände schossen. Binnen Stunden waren Trainings- und Rasenplatz komplett überflutet. Am 7. Juni stand das Elbwasser 1,80 Meter hoch. Bis zur Kinnlade, bei großen Menschen. Aus dem Fußballplatz war ein Schwimmbecken geworden. „Ich wurde 2002 als Präsident des Klubs gewählt“, sagt der 40-jährige Kay Arnold mit gequältem Lächeln. „Für mich ist es also auch schon das zweite Hochwasser. Eigentlich wollte ich aufhören, wieder etwas mehr Zeit für die Familie haben.“

Dann kam das Hochwasser, und jetzt muss er weitermachen. Schließlich weiß der Finanzbeamte, was zu tun ist. 70 Kilometer weiter blickt Jens Gruttke auf den Sportplatz von Motor Rochlitz. „Wir sind schlimmer abgesoffen als 2002“, sagt der Vereinspräsident. Auch den Traditionsklub etwas südlich von Grimma hat es bereits zum zweiten Mal erwischt. Noch mal 20 Zentimeter höher als 2002 stieg die Flut, und weil das Vereinsgelände mitten in der Kleinstadt wie in einer Wanne liegt, floss das Wasser für eine Woche nicht ab.

Von drei eigenen Plätzen zu einem gemieteten

„Die Grasnarbe wurde total zerstört. Wir hatten mal drei Plätze, ab nächsten Sommer hoffen wir, zumindest einen Platz wieder in Betrieb nehmen zu können. Bis dahin spielen wir in einer Nachbargemeinde und zahlen 75 Euro pro Partie. Das addiert sich und ist eine große Belastung.“ Vor elf Jahren, als das letzte Hochwasser zurückgegangen und die Hilfsgelder geflossen waren und als versprochen wurde, die Dämme zu erhöhen, bauten Frank Müller und die Sermuther sich ein wunderschönes neues Vereinsheim. Kostete inklusive Bowlingbahn, Gastronomie, Tanzsaal für die Boogie-Woogie-Abteilung und Fitnessraum 2,3 Millionen Euro.

„Damals dachte doch keiner, dass das Wasser so schnell wiederkommen würde“, sagt Frank Müller. Schließlich datierte das letzte Hochwasser vor 2002 bis zurück ins Jahr 1954. Sie waren vorsichtig. Eine Betonwand von 60 Zentimetern ließen sie unter dem Erdgeschoss einziehen, sie sollte Schutz gegen den Anstieg des Grundwasserspiegels bieten. Bis zu zwei Metern. Doch das Wasser stieg immer höher und die Wand barst. Die Heizung, die Sanitäranlagen, der Fitnessraum im Untergeschoss – alles zerstört vom Wasser.

Auf den beiden Plätzen lagen hunderte Tonnen Schlamm. Müller: „Wir wussten, das wird ein Wettlauf mit der Zeit.“ Am Samstag schufteten 150 Vereinsmitglieder auf dem Platz. Mit Schaufeln und Schneeschiebern, mit Wasserschläuchen und manchmal mit bloßen Händen schoben und schleppten sie den Schlamm von den Fußballplätzen. „Leute aus der Gegend, die wir noch nie gesehen hatten, kamen mit dem Auto an und halfen mit. Da wusste ich: Du kannst nicht aufhören“, sagt Müller. Eintracht Sermuth und Königsblau Gohlis prosperierten im wiedervereinigten Deutschland.

Die Geschichte des BSC Motor Rochlitz ist eine andere. „Sternradio“ hatte in der Kleinstadt einen Werkssitz, doch keiner wollte nach dem Mauerfall noch Musik aus Sternradios hören. Weitere Firmen schlossen, Rochlitz verlor ein Drittel seiner Einwohner. Aus knapp 10.000 Rochlitzern wurden 6.500, und weil vor allem die Jüngeren in den Westen wanderten, hat Rochlitz heute keine einzige Nachwuchsmannschaft mehr. „Alles nur Spielgemeinschaften“, sagt Jens Gruttke. „Wir sind für jede Hilfe dankbar.“

2,2 Millionen Euro aus der Fußballfamilie

Helfen wird der Fußball. Bereits wenige Tage nach der Flut schufen der Deutsche Fußball-Bund und der Ligaverband einen Hilfsfonds über zwei Millionen Euro. FIFA und UEFA spendeten ebenfalls, sodass in Summe 2,2 Millionen Euro auf Abruf stehen. Jeder Amateurverein mit einem Schaden von über 60.000 Euro an der Sportstätte kann eine Soforthilfe von 10.000 Euro erhalten. Schadensmeldungen aus 149 Vereinen sind beim DFB über seine Landesverbände eingegangen, mit einer Gesamtschadenssumme von 22,9 Millionen Euro.

„Dabei galt das Subsidaritätsprinzp“, erklärt DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch. „Wenn ein Verein private Spenden angesammelt hat, muss er nicht fürchten, dass der komplette Betrag von der Hilfssumme abgezogen wird. Damit würden wir Engagement bestrafen.“ Bei aller Großzügigkeit werden die Mittel nicht für alle Schäden reichen.

Jörg Gernhardt, Vizepräsident des Sächsischen Fußball-Verbandes, rechnet vor: „58 sächsische Vereine haben einen Hilfsantrag eingereicht. Unser Anteil an der Schadenssumme aus ganz Deutschland liegt bei 53 Prozent.“ In Gohlis wollen sie das letzte Saisonspiel auf dem neuen Rasenplatz austragen. Noch vor dem ersten Schnee in der Region soll der Rasen ausgerollt werden. Und Kay Arnold ist auch in anderer Beziehung optimistisch: „Nach dem Hochwasser 2002 hatten wir einen kleinen Mitglieder-Boom.“

Der BSC Motor Rochlitz hat für den Bau eines Kunstrasenplatzes bei der Sächsischen Aufbau Bank (SAB) einen Antrag über 350.000 Euro gestellt. Bis dahin muss und wird man sich behelfen. In Sermuth bei Colditz wird der Verein wohl umziehen, andere hochwassersichere Standorte sind bereits gefunden. Im Sommer könnte alles wieder in Schuss sein, dank der Bundesmittel, dank der privaten Spenden, dank der Hilfsgelder von DFB und DFL.

Klimawandel schuld?

Geht man von einer durchschnittlichen Erstattung aus dem öffentlichen Flutfonds von 80 Prozent aus, kann mit Mitteln aus dem Hilfsfonds des Fußballs die jeweilige Erstattung auf circa 90 Prozent erhöht werden. Doch die Flut hat Spuren hinterlassen, auch im Denken. „Ich glaube schon, dass der Klimawandel damit zu tun hat“, sagt Arnold. „Im Sommer ist es deutlich heißer als früher, und der Regen fällt immer länger. Die Flussränder sind oft zugebaut.“

Arnolds Haus in Gohlis blieb unbeschädigt, obwohl die Gemeinde evakuiert werden musste. Doch der Schaden auf dem Vereinsgelände ist riesig. Frank Müller zuckt müde mit den Schultern: „Dass wir wieder erwischt wurden, hat vielleicht mit dem Klimawandel zu tun, vielleicht ist es aber einfach nur Zufall, und die nächsten 200 Jahre passiert nichts mehr“.

Er war lange krankgeschrieben, litt an einer Lungenentzündung. „Noch mal mache ich das nicht mit. Und meine Enkel sollen so etwas auch nicht erleben müssen“, sagt er. Jens Gruttke zeigt auf den langen Gang, an dessen Wänden sie Fotos vergangener Erfolge und auch vom Flutschaden des Jahres 2002 aufgehängt haben. Keine Bilder von 2013. „Das schaffen wir noch nicht“, sagt Gruttke. Doch bis auf Kniehöhe musste im Rochlitzer Vereinsheim der Putz heruntergeschlagen werden. Die Flut hat ihre eigenen Bilder aufgehängt.