DFB-Pokal

Vor 30 Jahren: Als Bayern an Vestenbergsgreuth scheiterte

14.08.2024
Bei den jubelnden Fans: Vestenbergsgreuths Torwart Ralf Scherbaum

Eine der größten Sensationen in der Geschichte des DFB-Pokals feiert Jubiläum. Es geschah heute vor 30 Jahren, als Bayern München vor einem Millionenpublikum an einem Dorfklub scheiterte. Man schrieb den 14. August 1994. Mit ihrem neuen Trainer Giovanni Trapattoni gastierte der amtierende Meister im Nürnberger Frankenstadion beim fränkischen Regionalligisten TSV Vestenbergsgreuth, der die Gunst der Stunde nutzte und sein 360-Einwohner-Dorf für das Spiel des Jahrhunderts verließ.

So forderten elf Nobodies unter ihrem Trainer Paul Hesselbach (Ex-Bundesligatorwart in Uerdingen), der in der ZDF-Einblendung einen falschen Vornamen bekam (Klaus), in für sie ungewohnter Atmosphäre vor 24.200 Zuschauern elf Superstars – von Kahn über Papin bis Matthäus. Am weitesten brachte es später noch Harry Koch (1998 Meister mit Kaiserslautern), Vater des deutschen Nationalspielers Robin Koch (jetzt Eintracht Frankfurt). Zumindest als Trainer kam Frank Schmidt rund 30 Jahre später in die Bundesliga und dort ist er noch – mit dem 1. FC Heidenheim schreibt er derzeit an einer weiteren unglaublichen Underdog-Geschichte mit und hat nächste Woche Europapokalpremiere.

"Die Bayern wurden total abgeschottet"

Die Partie war auch deshalb so peinlich für die Bayern, weil es an jenem Sonntagabend live im ZDF übertragen wurde - so als hätten die Mainzelmännchen die Sensation schon kommen sehen. Präsident Fritz Scherer machte sich Sorgen um seinen Welttrainer Trapattoni und sagte zynisch: "Er tut mir am meisten leid. Der Mann dachte, dass er hier eine Fußballmannschaft übernimmt."

Es war der Start einer verkorksten Saison ohne Titel, auf Platz 6 verließ der Italiener die Münchner wieder – freiwillig. Alles nur wegen Roland Stein. Der 21 Jahre alte Betriebsschlosser köpfte nach 43 Minuten aus kurzer Distanz das einzige Tor des Tages. Es war auch das Tor seines Lebens. Vergeblich bemühte er sich hinterher um die Handschuhe von Torwart Oliver Kahn, der damals ebenfalls sein Pflichtspieldebüt für den Rekordmeister gab, denn "die Bayern wurden total abgeschottet", erinnerte er sich.

Lothar Matthäus, der sich dem ZDF noch stellte, lobte: "Die Amateure sind verdient eine Runde weiter. Bei uns werden in der Kabine sicher harte Worte fallen. Es hat sich wieder mal gezeigt, dass im Pokal alles möglich ist."

Sieger-Trainer Hesselbach sagte pathetisch: "Heute ist ein Traum in Erfüllung gegangen." Dann belehrte er den Reporter Michael Palme, der meinte, auch der TSV sei eine Profimannschaft: "Da muss ich widersprechen. Wir arbeiten alle und trainieren nur drei- bis viermal die Woche."

Helmut Hack erfindet "1:0-Tee"

Stein wurde über Nacht berühmt wie sein ganzer Verein und kickte noch sieben Jahre drittklassig, ehe ihn Schweinfurt 05 verpflichtete. Dort kam er beim überforderten Absteiger 2001/2002 zu sieben Einsätzen. Zum großen Fußball hat es für ihn nicht ganz gereicht, zu einem großen Moment allemal. Zum zehnjährigen Jubiläum des Tores hat er übrigens auf seinem Hof ein Fest gefeiert und das Spiel auf Großleinwand präsentiert.

An den großen Tag des nicht mehr existierenden Klubs erinnert noch immer der "1:0-Tee", den der langjährige Präsident der Spielvereinigung Greuther Fürth, Helmut Hack, eigens erfand und der im Fan-Shop noch immer erhältlich ist. Bloß trägt der Verein nun einen anderen Namen und ist gar nicht mehr so klein.

1996 fusionierte der TSV nämlich mit der traditionsreichen Spielvereinigung Fürth und feierte als Spielvereinigung Greuther Fürth 2012/2013 ein Wiedersehen mit den Bayern – gleich bei der Bundesliga-Premiere (0:3) des aktuellen Zweitligisten. Geschlagen haben sie die Bayern aber nur als Amateure. Der Pokal macht's möglich.

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Autor: um