DFB-Pokal
Saarbrückens Vorgänger: Von Hertha II bis Union Berlin
Zum achten Mal hat mit dem 1. FC Saarbrücken eine drittklassige Mannschaft das Halbfinale im DFB-Pokal erreicht. DFB.de blickt vor der diesjährigen Vorschlussrunde heute und am Mittwoch auf die sieben Vorläufer des FCS, der 2020 sogar als Viertligist ins Halbfinale eingezogen ist und heute (ab 20.45 Uhr, live in der ARD und bei Sky) auf den 1. FC Kaiserslautern trifft, zurück.
1989/1990 Kickers Offenbach
Am 28. März 1990 traf der Dritte der Oberliga Hessen auf den Vorletzten der Bundesliga 1. FC Kaiserslautern. Die Pfälzer hatten gerade ihren Trainer gewechselt, Karl-Heinz Feldkamp saß nun auf der Bank. Auf der Gegenseite stand mit Hans-Günter Neues ein ehemaliger Spieler Feldkamps und Ex-Lauterer. Feldkamp missfiel die Favoritenrolle: "Das ist für uns natürlich eine Riesenbelastung, während es für die Kickers das Spiel des Jahrhunderts ist." Der OFC hatte schon zwei Bundesligisten und einen Zweitligisten eliminiert und setzte auf den Heimvorteil. Der Bieberer Berg brodelte, 28.000 Fans füllten ihn bis unters Dach und die ARD übertrug live. Am Vormittag bekam der FCK quasi noch einen neuen Spieler. Bisher hatten alle gedacht, Reinhard Stumpf sei nach drei Verwarnungen gesperrt gewesen, doch was im Europacup galt, galt nicht im DFB-Pokal, wie Feldkamp zu seiner Freude erfuhr.
So konnte Stumpf an alter Wirkungsstätte auflaufen. Bei den Kickers spielte mit Axel Brummer ein Ex-Lauterer, es war ein Abend der Begegnungen. Bis zur Pause hielten die Kickers um Libero Ronald Borchers (6 A-Länderspiele) das Spiel absolut offen. Bruno Labbadia und Stefan Kuntz konnten ihre Chancen für die Gäste nicht nutzen. Das erledigte nach 52 Minuten Mittelfeldrecke Tom Dooley, er staubte nach einem Kuntz-Freistoß ab. Es blieb das Tor des Tages, der Finaltraum der Kickers platzte. Kleiner Trost: Die 300.000 DM, die sie von den Einnahmen behalten durften, verhinderten die Insolvenz. Störfeuer am Rande zündelten die OFC-Fans: Sie schossen Plastikbälle, die vor dem Spiel ins Publikum geschossen wurden, einfach zurück und provozierten Unterbrechungen.
1992/1993 Hertha BSC Amateure
Dass ein unterklassiger Verein das Finale erreichen würde, stand schon vor Anpfiff des Halbfinales am 31. März 1993 fest. Das Los hatte die drittklassigen Hertha-Bubis und Zweitligist Chemnitzer FC zusammengeführt. Und das Interesse an der ungewöhnlichen Paarung war so groß, dass schon das Halbfinale im Olympiastadion stattfand – quasi zur Generalprobe. 56.540 Zuschauer drückten mehrheitlich der Sensationsmannschaft von Hertha BSC die Daumen. Die Verbandsliga-Amateure beschämten die eigene, damals zweitklassige Profiabteilung, der es bis heute nicht gelungen ist, das Pokalfinale zu erreichen. Die Bubis von Trainer Jochem Ziegert aber nahmen alle Hürden, wobei allerdings nur ein Bundesligist ihren Weg kreuzte. In Runde 3 fegten sie den kommenden Bundesliga-Aufsteiger VfB Leipzig aus dem Rennen (4:2). Studenten, Schüler und Feierabend-Fußballer schlugen Profis. Auch den Titelverteidiger Hannover 96, der erste Zweitligist, der je den Pokal gewann.
Nach dem 4:3 im Mommsen-Stadion dichteten die Sieger den Finalsong um: "Berlin, Berlin, wir bleiben in Berlin!" Im verrückten Viertelfinale, nun schon vor 13.700 Zuschauern, kassierte Hertha in der 89. Minute gegen Bundesligist 1. FC Nürnberg den Ausgleich und schoss im Gegenzug das 2:1! Entsetzt sahen sich die Club-Profis um Andy Köpke, Hans Dorfner und Dieter Eckstein an, Letzterer stellte fest: "Schlimm daran ist, dass Hertha verdient weiter gekommen ist." Nicht ganz so schlimm war der spontane Rücktritt von BSC-Trainer Ziegert, im Hauptberuf Finanzbeamter, der stolz sagte: "Alles intelligente Jungs, da ist keiner darunter, der wegen dem Fußball seine Lehre abgebrochen hat. Die wissen alle, was sie wollen."
Am weitesten brachte es Carsten Ramelow, der 2002 im WM-Finale stand. Auch Torwart Christian Fiedler oder die Schmidt-Zwillinge wurden im eigenen Verein Bundesligaspieler.
Im Halbfinale gegen Chemnitz, von Hans Meyer trainiert, schoss Ramelow das frühe 1:0 (5.), das Sven Meyer ausbaute (22.). Steffen Heidrichs Elfmeter (36.) bedeutete schon den Endstand der Partie, die von RTL übertragen wurde. Die Gesamteinnahmen übertrafen alles, was die Hertha-Profis je im Pokal verdient hatten: 860.000 DM. Die jugendlichen Helden nahmen eine Platte auf, auch ein Buch erschien über den ungewöhnlichsten Finalisten der DFB-Historie. Erst Bayer Leverkusen konnte ihren Siegeslauf stoppen (1:0), doch selten war der Beifall für einen zweiten Sieger lauter.
1996/1997 FC Energie Cottbus
Noch heute schwärmen sie in der Lausitz von jener Saison, als Energie nicht mehr aus den Schlagzeilen herauskam. Nicht nur wegen des Siegeszugs im Pokal. Die Lausitzer blieben in 53 Pflichtspielen ungeschlagen, sicherten sich die Meisterschaft in der Regionalliga Nordost und in zwei dramatischen Entscheidungsspielen gegen Hannover 96 den Aufstieg in die 2. Liga. Und er lieferte rührende Geschichten, für die der gestrenge Zuchtmeister auf der Bank, Eduard Geyer, freilich weniger zuständig war. Er war für die Pokalwunder, die 1996/1997 in Serie gingen, verantwortlich. Die Stuttgarter Kickers, der VfL Wolfsburg, der MSV Duisburg und der FC St. Pauli – alle fuhren sie als Favoriten in die Lausitz und kehrten geschlagen zurück. Nun machte sich mit dem KSC der dritte Bundesligist auf den Weg. Und an diesem 15. April 1997 wurde sie geschrieben, die rührende Pokal-Geschichte. Von einem Fußballer, mit einem Edding.
Auch nach seinem großen Tag wusste man noch nicht viel von Willi Kronhardt – nur wie seine Freundin heiß. "Jule" stand auf seinem Unterhemd, das er nach dem Tor zum 1:0 (64.) einem Millionen-Publikum präsentierte. Der Drittligist gewann durch weitere Tore von Detlef Irrgang (68.) und Toralf Konetzke (82.) sogar mit 3:0 und zog sensationell ins Finale ein. Verdient, begeisternd, winterfest – denn es schneite heftig in der Lausitz. An sein Tor konnte sich Kronhardt noch 14 Jahre später erinnern. "Melle (Jens Melzig, d. Red.) legt mir den Ball auf, ich trampel voll gegen die Kugel und der Ball geht genau in den Knick." Das Jule-T-Shirt fertigte er erst in der Halbzeit an. Nun war das Paar in aller Munde, Kronhardt hatte die private Grußbotschaft im Fußball erfunden und alle Boulevardzeitungen forschten nach, wer eigentlich Jule ist. Die Freundin war weniger begeistert ob der ungewollten Popularität und bald nach dem gegen den VfB Stuttgart 0:2 verlorenen Finale war die Beziehung beendet. Aber die Erinnerung an den großen Tag lebt fort – auch dank "Jule". In Cottbus begann die große Zeit erst – mit Geyer, aber ohne Kronhardt, zog man 2000 in die Bundesliga, wo Energie mit Unterbrechung sechs Jahre blieb.
1997/1998 Eintracht Trier
Im Herbst 1997 schaffte der Südwest-Regionalligist Eintracht Trier etwas Unglaubliches. Binnen 35 Tagen schlug dieser Verein zwei amtierende Europapokalsieger, was zumindest deutscher Rekord ist. Möglich machte es der DFB-Pokal. In der 2. Runde empfing die Eintracht den UEFA-Cup-Sieger Schalke 04 und gewann durch ein Tor von Rudi Thömmes 1:0. Im Oktober kreuzte Champions-League-Sieger Borussia Dortmund im Mosel-Stadion auf und wieder schlug Rudi, der Schrecken des Reviers, zu. Wieder erzielte er das 1:0, diesmal endete das Spiel 2:1. Das Anschlusstor von Weltmeister Jürgen Kohler war nur für die Statistik relevant. Im Viertelfinale räumten sie auch Zweitligist Waldhof Mannheim aus dem Weg (1:0).
Nach diesen Triumphen gab es Menschen, die der Eintracht im Halbfinale gegen den dritten Gegner aus dem Ruhrpott, dem MSV Duisburg, die Favoritenrolle zuschusterten. Aber an jenem 28. Februar war das Glück der Helden von der Mosel aufgebraucht. Im Spiel waren sie wieder nicht zu bezwingen gewesen, Waldhof-Schreck Dirk Fengler traf in der 89. Minute auch gegen den MSV zum 1:1. Nach 120 Minuten ging es ins Elfmeterschießen, bei dem alle Spieler antreten mussten. Tragisch, dass Eintracht-Keeper Daniel Ischdonat mit dem 22. Elfmeter des Abends an Kollege Thomas Gill scheiterte. So kam der MSV ins Finale, in dem er sich gegen Bayern tapfer schlug (1:2).
2000/2001 1. FC Union Berlin
Wie vier Jahre zuvor Energie Cottbus schafften die Köpenicker den Spagat zwischen Pokalerfolgen und Ligaaufgaben. Als sie am 26. Mai 2001 im Finale auf Schalke 04 trafen, stand der erste Aufstieg in die 2. Liga schon fest. Für seine sechs Pokalspiele musste Union die Hauptstadt nie verlassen. Bis zum Halbfinale hatten sie Heimrecht in der Alten Försterei, dann ging es ins Olympiastadion, wo sie den Schalkern einen großen Kampf lieferten und 0:2 verloren. Auf dem Weg dorthin schaltete die Mannschaft von Trainer Georgi Wassilev zunächst die Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen (2:0), SpVgg Greuther Fürth (1:0) und SSV Ulm (4:2) aus. Im Viertelfinale kam Bundesligist VfL Bochum vorbei, ein Treffer von Daniel Ernemann in letzter Minute schickte ihn 1:0 geschlagen nach Hause.
Schon dreieinhalb Monate vor dem Finale stieg am 6. Februar 2001 das Halbfinale gegen den designierten Aufsteiger Borussia Mönchengladbach. Dessen Trainer Hans Meyer erlebte zum zweiten Mal nach dem Reinfall gegen die Hertha-Bubis eine Halbfinal-Pleite gegen einen Drittligisten. Obwohl es danach nicht aussah, als Arie van Lent binnen sechs Minuten (61., 67.) die Union-Führung in ein 1:2 verwandelte. Ein Kopfball von Steffen Menze (80.) sorgte jedoch wieder für Gleichstand und Freudenfeste auf den vollbesetzten Rängen (18.100 Zuschauer). Es kam zum Elfmeterschießen, was Union vor jedem Pokalspiel extra geübt hatte. Es sollte sich auszahlen, Torwart Sven Beuckert hielt gleich die ersten Schüsse von van Lent und Max Eberl und legte die Basis für den 4:2-Sieg. Meyer seufzte: "Je weiter man kommt, ohne das Finale zu erreichen, desto mehr schmerzt es." Union wiederum konnte bei Einnahmen von über vier Millionen DM die Finalniederlage gegen Schalke leicht verschmerzen. Aber noch immer galt: Keine Berliner Mannschaft kann den Pokal gewinnen.
2005/2006 FC St. Pauli
Im Kader standen noch ein paar Klublegenden wie Thomas Meggle und Michel Mazingu-Dinzey, aber mit der goldenen Bundesliga-Zeit, als sie zum "Weltpokal-Sieger-Besieger" wurden, hatte der FC St. Pauli 2005/2006 wenig zu tun. Seit drei Jahren war man mittlerweile drittklassig, die Rückkehr in die 2. Liga war überfällig. Dass es wieder nicht klappte im Jahr, das ins deutsche WM-Sommermärchen mündete, lag auch am außerplanmäßigen Siegeszug im DFB-Pokal. Dort feierte Pauli am Millerntor einige magische Nächte. Nach Siegen über die Zweitligisten Wacker Burghausen (3:2 n.V.) und VfL Bochum (4:0) wurden auch die Bundesligisten gerupft. Kurz vor Weihnachten platzte der nächste Traum der Hertha, im Mai Gast im eigenen Zuhause zu sein. St. Pauli drehte ein zweimal verloren geglaubtes Spiel und gewann nach 0:2 und 2:3 in der Verlängerung noch 4:3.
Und so strömten am 25. Januar 2006 trotz bitterer Kälte wieder 18.900 Fans ans Millerntor, Werder Bremen kam. Die Nummer drei der Bundesliga wollte aber nicht spielen, als der vereiste Platz besichtigt wurde. Manager Klaus Allofs sprach von einem "Glücksspiel, mit erhöhtem Risiko für die Spieler" und legte Protest ein – als es verloren war. Wütend empfahl er den Gastgebern die Anschaffung einer Rasenheizung, auch weil sich Nationalstürmer Miroslav Klose verletzt hatte. St. Pauli gewann die "Rutschpartie" 3:1 und hatte neue Helden. Die Torschützen Dinzey, Fabian Boll und Timo Schultz sowie Torwart Achim Hollerieth, der beim Stand von 3:1 einen Elfmeter von Tim Borowski hielt. Den Spruch des Tages lieferte Timo Schultz vor dem Spiel: "Bei Werder kämpfen alle um die WM-Teilnahme, wir nur um die Eintrittskarten. Aber heute haben alle nur zwei Beine."
Im Halbfinale galt das auch, bloß lag kein Schnee mehr, als am 12. April die Bayern kamen. Es war der fünfte Gegner mit "B" für St. Pauli, aber das Omen versagte an diesem Tag. Auf tiefem Rasen unterlagen sie den Münchnern mit 0:3 durch Tore von Owen Hargreaves und Claudio Pizarro. In der Höhe etwas schmeichelhaft, fand nicht nur Pauli-Keeper Hollerieth: "Wir waren die bessere Mannschaft."
2014/2015 Arminia Bielefeld
Im Jahr nach dem Abstieg aus der 2. Liga sammelte Arminia in der 3. Liga neue Kräfte und stieg sofort wieder auf. Nebenbei legte sie einen Parforceritt durch die Pokalrunden hin und warf, jeweils auf der Alm, den SV Sandhausen (4:1) und die Bundesligisten Hertha BSC (4:2 i.E.), Werder Bremen (3:1) und Borussia Mönchengladbach (5:4 i.E.) raus.
Im Halbfinale waren nur noch die Topklubs der Liga Bayern, Dortmund und der VfL Wolfsburg. Mit dem VfL bekamen die Arminen das vermeintlich leichteste Los, doch auch das erwies sich als einige Nummern zu groß. Vor vollem Haus (26.137 Zuschauer) stand Arminia an jenem 29. April auf verlorenem Posten, der spätere Pokalsieger machte den Klassenunterschied frühzeitig deutlich. Die selbstbewussten Wolfsburger hatten schon vor Anpfiff auf der eigenen Homepage Finalkarten angeboten, angeblich ein Versehen. Maximilian Arnold (8.) und Luiz Gustavo (31.) trafen schon vor der Pause und ein schneller Doppelschlag nach der Pause durch Ivan Perisic (51.) und erneut Arnold ließ schon nach 55 Minuten die Luft raus aus diesem Halbfinale.
"Wir müssen lange zu Null spielen", hatte Manager Manuel Junglas die Parole ausgegeben, so wie in den Partien zuvor. Diesmal klappte es nicht, erstmals in diesem Wettbewerb waren sie sogar in Rückstand geraten – was für ihre großartige Performance spricht. Trainer Norbert Meier nahm das 0:4 gelassen: "Es ist schon eine kleine Sensation, dass wir überhaupt so weit gekommen sind, das Spiel gegen Wolfsburg war für uns ein Bonus." Schon zehn Tage später trösteten sie sich ausgiebig mit der Rückkehr in die 2. Liga.
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