DFB-Pokal
Funkel: "Wir sind in Saarbrücken Außenseiter"
Friedhelm Funkel ist nicht nur der aktuell erfahrenste Trainer im deutschen Fußball. Er ist auch ein wandelndes Fußball-Lexikon und kennt seine eigene Historie im DFB-Pokal genauestens. Heute (ab 20.45 Uhr, live in der ARD und bei Sky) will er mit seinem 1. FC Kaiserslautern mit einem Sieg beim 1. FC Saarbrücken in sein viertes DFB-Pokalfinale einziehen. Warum der 70 Jahre alte Fußball-Lehrer seinen FCK gegen den Außenseiter als Außenseiter sieht, verrät er im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Tobias Gonscherowski.
DFB.de: Herr Funkel, wissen Sie eigentlich, wie oft Sie als Spieler und Trainer bereits in einem DFB-Pokalhalbfinale gestanden haben?
Friedhelm Funkel: (überlegt) Ich gehe von siebenmal aus.
DFB.de: Respekt! Korrekt. Das Halbfinale mit Ihrem 1. FC Kaiserslautern beim 1. FC Saarbrücken wird Ihr achtes Semifinale sein. Sie haben mit 4:3 Siegen eine positive Bilanz. Bei Ihren Halbfinalerfolgen gewann ihre Mannschaft dreimal mit 1:0 und einmal im Elfmeterschießen.
Funkel: Ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn sich das wiederholen würde. Egal, wie.
DFB.de: Der FCK hat das Los 1. FC Saarbrücken gezogen. Das ist vom Papier her die leichteste Aufgabe, die Sie erwischen konnten. Aber...
Funkel: ... trotzdem sind wir der Außenseiter und zwar deshalb, weil der 1. FC Saarbrücken schon drei Bundesligisten und den Karlsruher SC, gegen den wir vor ein paar Wochen 0:4 verloren haben, ausgeschaltet hat. Sie haben gegen die Bayern gewonnen, eine der besten Mannschaften Europas, gegen Eintracht Frankfurt, das vor zwei Jahren Europa-League-Sieger wurde und Tabellen-Sechster der Bundesliga ist, und gegen eine gestandene Bundesliga-Mannschaft wie Borussia Mönchengladbach.
DFB.de: Ist es ein undankbares Los, weil die meisten Fußballfreunde die Favoritenrolle eher beim klassenhöheren Verein ansiedeln?
Funkel: In der Regel ist das auch so. Aber in diesem Jahr hat man gesehen, wie Saarbrücken gegen die Bundesligisten gespielt hat. Dann spielt es keine Rolle, ob wir Zweitligist sind und Saarbrücken Drittligist. Saarbrücken ist jetzt verdientermaßen im Halbfinale. Das ist Fakt und nicht von der Hand zu weisen. Der 1. FC Saarbrücken ist eine Mannschaft, die ganz, ganz schwer zu schlagen ist. Sie haben die wenigsten Niederlagen in der 3. Liga. Sie stehen in der Tabelle nur deshalb nicht weiter oben, weil sie zu häufig unentschieden gespielt haben. Das ist eine gute Mannschaft. Darum ist der 1. FC Saarbrücken für mich der Favorit in dem Spiel. Bisher sind sie immer als Außenseiter in die Partien gegangen. Sie haben das in den Heimspielen sehr gut gemacht. Wir wollen trotzdem natürlich alles daran setzen, um dieses Spiel zu gewinnen. Ich sehe uns als Außenseiter, aber Außenseiter haben auch immer die Möglichkeit, Spiele zu gewinnen.
DFB.de: Wie intensiv haben Sie den Weg von Saarbrücken verfolgt?
Funkel: Ich verfolge alle Pokalspiele und habe gerade die Spiele des 1. FC Saarbrücken intensiv verfolgt. Ich beobachte auch die 3. Liga. Ich habe mir bereits ein sehr gutes Bild von Saarbrücken machen können.
DFB.de: Was macht Saarbrücken gut?
Funkel: Sie verteidigen sehr kompakt und sehr gut. Sie haben auch in der Liga mit die wenigsten Gegentore bekommen. Drei Bundesligisten haben es nicht geschafft, mehr als ein Tor gegen diese Mannschaft zu erzielen. Aus dieser wirklich sehr starken Ordnung sind sie immer gefährlich im Umschaltspiel und haben ihre Spiele gegen die Bayern und Gladbach im Umschaltspiel kurz vor Schluss entschieden. Da müssen wir höllisch aufpassen. Außerdem kommt noch die Brisanz dazu, dass es ein Derby ist. Da wird es schön zur Sache gehen.
DFB.de: Seitdem Sie den FCK vor ein paar Wochen übernommen haben, hat sich die Mannschaft stabilisiert und acht Punkte aus fünf Zweitliga-Partien eingefahren. Trotzdem konnte sich der Verein nicht von der Abstiegszone absetzen und schwebt immer noch in Abstiegsgefahr. Kommt Ihnen da ein Pokalspiel eher ungelegen? Stört es die Konzentration auf den Abstiegskampf?
Funkel: Nein, das stört uns überhaupt nicht, weil wir uns mit diesem Spiel noch gar nicht beschäftigt haben und das erst seit Sonntag tun. Wir haben uns zuletzt nur auf die Zweitliga-Spiele konzentriert. Das Pokalhalbfinale bereitet uns überhaupt keine Probleme. Wir können beide Wettbewerbe trennen. Wir wissen, dass wir bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt spielen werden. Zusätzlich dieses Pokalspiel zu haben, ist auf jeden Fall toll. Jeder wünscht sich, einmal in einem Pokalhalbfinale zu stehen. Das können wir losgelöst von der 2. Liga angehen.
DFB.de: Mit Ragnar Ache haben Sie einen sehr treffsicheren Stürmer in Ihren Reihen. Er ist aktuell verletzt. Wie abhängig ist die Mannschaft von ihm und seinen Toren?
Funkel: Abhängig würde ich nicht sagen. Aber er ist natürlich mit seinen Toren ein ganz wichtiger Spieler für uns. Er strahlt immer Zuversicht und Optimismus aus. Er geht auf dem Platz vorneweg. Er ist torgefährlich, das zeigen seine 15 Tore. Wahrscheinlich wird er uns auch in Saarbrücken noch fehlen. Das ist nicht schön, aber wiederum die Gelegenheit für einen anderen Spieler sich in so einem Spiel ins Rampenlicht zu spielen.
DFB.de: Was zeichnet den FCK aus?
Funkel: Unsere Stärke ist, dass die Mannschaft wieder Spielfreude gefunden hat. Sie tritt kompakter auf und steckt auch Rückschläge wie den zweimaligen Rückstand im Spiel gegen Osnabrück weg. Da haben wir aus der 0:4-Niederlage gegen den KSC gelernt. Wir spielen weiter gut organisiert nach vorne Fußball.
DFB.de: Jetzt würde ich gerne mit Ihnen in Ihren persönlichen Pokalerinnerungen schwelgen. Das absolute Highlight dürfte der Pokalsieg 1985 als Spieler mit Bayer 05 Uerdingen gegen Bayern München gewesen sein. Welche besonderen Momente sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
Funkel: Der Schlusspfiff, als feststand, dass wir tatsächlich die Bayern geschlagen haben. An dem Tag war es unglaublich heiß. Es war ein Pfingstsamstag, es waren bestimmt über 35 Grad. Ich erinnere mich an den Spielverlauf. Wir gerieten relativ früh durch ein Tor von Dieter Hoeneß in Rückstand, konnten aber fast im Gegenzug ausgleichen. Ich denke, wir hatten an dem Tag den größeren Willen, weil wir wussten, dass wir im Gegensatz zu den Bayern nicht so oft in einem Pokalendspiel stehen würden. Die Bayern haben dann noch einen Spieler, ich glaube es war Wolfgang Dremmler, durch Platzverweis verloren. Mit einem Mann mehr haben wir das Siegtor erzielt. Beim Schlusspfiff waren wir alle überglücklich. Den Moment vergisst man nie.
DFB.de: Bis 1984 fand das DFB-Pokalfinale immer in unterschiedlichen Finalorten statt. War die Atmosphäre im Berliner Olympiastadion schon damals vergleichbar mit heute?
Funkel: Ein Pokalendspiel zu erreichen, war immer etwas Besonderes. Aber seitdem das Finale ständig in Berlin ausgetragen wird, hat der Stellenwert des DFB-Pokal unglaublich dazugewonnen. Wir verspürten damals schon eine wahnsinnig schöne Atmosphäre. Das Stadion war ausverkauft. Der DFB-Pokal wurde in ein ganz anderes Licht gerückt. Das Finale dauerhaft nach Berlin zu vergeben, war eine der besten Entscheidungen, die der DFB jemals getroffen hat.
DFB.de: Als Trainer haben Sie mit dem MSV Duisburg (1998) und Eintracht Frankfurt (2006) noch zwei weitere Male das Finale erreicht, wieder beide Male gegen Bayern München. Beide Partien waren sehr eng, mit dem MSV lagen Sie sogar bis zur 70. Minute in Führung.
Funkel: Wir haben lange geführt, waren auch die bessere Mannschaft und haben dann durch ein heftiges Foul von Michael Tarnat an Bachirou Salou, unserem besten Spieler und Torschützen, verloren. Während Salou noch behandelt wurde, gab es einen Eckball für die Bayern. Markus Babbel, dem Salou bei Ecken zugeteilt war, köpfte das 1:1. Das war sehr, sehr ärgerlich. Kurz vor Schluss hat Mario Basler einen Freistoß verwandelt, der zu unserer unglücklichen Niederlage führte. Später mit Eintracht Frankfurt 2006 waren wir nicht so gleichwertig, haben aber gut verteidigt. Claudio Pizarro köpfte dennoch irgendwann in der 2. Halbzeit das Siegtor. Das ging auch so in Ordnung.
DFB.de: Als Spieler standen Sie mit dem 1. FC Kaiserslautern 1981 im Endspiel gegen Eintracht Franfurt.
Funkel: Da hatten wir keine Chance beim 1:3. Bei der Eintracht spielten noch Stars wie Hölzenbein oder Körbel.
DFB.de: Wissen Sie noch, wann Sie Ihr erstes Halbfinale klar gemacht haben?
Funkel: Auch daran kann ich mich erinnern. Das war 1977 mit Bayer Uerdingen gegen Hertha BSC. Wir verloren knapp mit 0:1. Dabei fällt mir ein, dass unser Viertelfinale davor auch zu meinen absoluten Highlightspielen gehört. Wir haben als Zweitligist die in der Bundesliga seit 12 oder 13 Spielen ungeschlagene Frankfurter Eintracht besiegt. Kurz vor dem Abpfiff lagen wir mit 1:3 zurück, konnten dann noch ausgleichen und die Verlängerung erzwingen, in der wie nochmal drei Tore zum 6:3 nachlegten. Der DFB-Pokal ist schon etwas ganz Besonderes für mich.
DFB.de: Sie sind nun mit 70 Jahren noch einmal auf die Trainerbank zurückgekehrt. Was reizt Sie noch an dem Job?
Funkel: Das, was mich immer am Fußball gereizt hat: Die Arbeit mit jungen Menschen, die Atmosphäre in den Stadien, das Kribbeln, wenn es raus auf den Platz geht, wenn das Spiel angepfiffen wird. Das reizt mich immer noch. Solange ich das körperlich und gesundheitlich gut verkrafte, will ich das auch noch machen.
DFB.de: Das schließt dann nicht aus, dass es über das Saisonende hinaus weitergeht?
Funkel: Das wird schwierig. Im Moment kann ich mir das nicht vorstellen. Aber ausschließen will ich gar nichts.
DFB.de: Die letzte Frage stammt wieder aus der Abteilung Quiz. Auf dem Weg zum Pokalsieg mit Bayer Uerdingen 1985 - welchen Gegner besiegte Uerdingen im Halbfinale? Wissen Sie auch das noch?
Funkel: Ja, Saarbrücken mit 1:0. (lacht) Es wäre schön, wenn sich der Kreis für mich persönlich am Dienstag schließen würde.
Kategorien: DFB-Pokal, Männer
Autor: tg
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