Julius Hirsch Preis
Entehrt, entrechtet, ermordet: Zum 80. Todestag von Julius Hirsch
Heute jährt sich der offizielle Todestag des deutschen Nationalspielers und Karlsruher Kaufmanns Julius Hirsch zum 80. Mal. In der Nacht vom 3. auf den 4. März 1943 wurde Julius Hirsch, nur weil er Jude war, im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
Geboren am 7. April 1892 in Achern als siebtes Kind einer Karlsruher Kaufmannsfamilie, trat "Juller", so sein Rufname, mit zehn Jahren dem Karlsruher FV bei, damals einer der erfolgreichsten Vereine Deutschlands. Schon mit 16 Jahren stürmte er auf der Linksaußenposition für die erste Mannschaft und gewann 1910 mit dem KFV die Deutsche Meisterschaft. Zusammen mit Fritz Förderer und Gottfried Fuchs bildete er ein landesweit bekanntes Innentrio. Schnell wurden die gebückte Angriffsweise und der harte Schuss zu Hirschs Markenzeichen.
Mit gerade einmal 19 Jahren wurde er 1911 wegen seiner herausragenden Leistungen in die deutsche Nationalmannschaft berufen. Beim 5:5 gegen die Niederlande stellte er mit vier Toren einen neuen Länderspielrekord auf und nahm 1912 an den Olympischen Spielen in Stockholm teil. Nach seinem Militärdienst wechselte Julius Hirsch 1914 zur Spielvereinigung Fürth, als deren Mannschaftskapitän er im selben Jahr erneut die Deutsche Meisterschaft gewann und damit der erste Spieler war, der diesen Titel mit zwei unterschiedlichen Vereinen holte.
Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz
Hirsch diente im Ersten Weltkrieg als Soldat und erhielt 1916 das Eiserne Kreuz II. Klasse sowie die Bayerische Dienstauszeichnung. Im Unterschied zu seinem Bruder Leopold, der 1916 gefallen war, überlebte "Juller" den Krieg. 1919 kehrte er nach Karlsruhe zurück. Er arbeitete in der Firma seines Vaters, in der er mit seinem Bruder Max Hirsch 1926 Gesellschafter wurde. 1923 hatte er seine Laufbahn als aktiver Fußballer beendet, blieb seinem KFV aber weiter als Jugendtrainer verbunden.
Am 10. April 1933 muss für Julius Hirsch eine Welt zusammengebrochen sein. Er las in der Zeitung, dass die süddeutschen Spitzenvereine beschlossen hatten, jüdische Mitglieder auszuschließen. Darunter war auch sein Verein, der Karlsruher FV. Durch seinen sofortigen Austritt kam der verdiente Nationalspieler der Demütigung des Ausschlusses zuvor.
Nach der "Machtergreifung" der NSDAP und der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler begann für Julius Hirsch - wie für Millionen anderer Opfer des nationalsozialistischen Terrorstaats - ein schrecklicher Leidensweg, auf dem er entrechtet, verfolgt und ermordet wurde. Beginnend am 1. März 1943, wurde Julius Hirsch zusammen mit hunderten weiteren Jüdinnen und Juden in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Das Leben des Julius Hirsch steht beispielhaft für die Ausgrenzung zahlreicher jüdischer Sportlerinnen und Sportler aus deutschen Vereinen und der deutschen Gesellschaft.
März 1943: Auf den Spuren der Deportation
Die Lebensgeschichte von Julius Hirsch gilt, anders als die zahlreicher anderer jüdischer Sportlerinnen und Sportler, die Opfer des NS-Terrors wurden, als vorbildlich erschlossen, vor allem dank der umfangreichen Recherchen seines Biografen Werner Skrentny. Über Hirschs Deportation ins besetzte Polen und die Ankunft im Lager jedoch hieß es bis vor wenigen Jahren lediglich, mit der in Dortmund am 3. März 1943 abgestempelten Postkarte an seine Tochter Esther "verliert sich seine Spur".
Anlässlich des 75. Jahrestages seiner Ermordung begab sich deswegen im März 2018 auf Initiative der DFB-Kulturstiftung eine Gruppe von 30 Fans, Fanprojekt-, Vereins- und Verbandsmitarbeitende auf eine Gedenkstättenfahrt nach Oświęcim (Auschwitz). Fünf Tage setzten sich die Teilnehmenden mit den hier von den Nationalsozialisten verübten Verbrechen und den unterschiedlichen Biografien der Menschen auseinander, die zusammen mit Julius Hirsch, eingepfercht in den stickigen und kalten Holzwaggons des Deportationszuges, abtransportiert worden waren. Und sie legten im März 2018 Rosen dort an der alten Rampe nieder, wo bis heute einer der Waggons den Ankunftsort zahlreicher Deportationszüge markiert.
Zwei Jahre später veröffentlichte die DFB-Kulturstiftung schließlich die Ergebnisse des Workshops in der historischen Dokumentation "Auf den Spuren von Julius Hirsch", in der die letzten drei Tage im Leben des Nationalspielers dokumentiert sind. Die von der Historikerin Juliane Röleke und Historiker Dr. Andreas Kahrs recherchierten Dokumente erschließen im Spiegel von Biografien und Zeitzeugenberichten das Grauen der Deportation vom 1. bis 3. März 1943 im Kontext der sogenannten "Fabrikaktion", der Deportation von rund 1500 Jüdinnen und Juden, eine der letzten Maßnahmen des NS-Staates auf dem Weg zur vollständigen Auslöschung jüdischen Lebens in Deutschland.
Ankunft im Lager, Ermordung ohne Stammbuch-Eintrag
Am 1. März 1943 fand sich Julius Hirsch um 10 Uhr auf Anordnung der Gestapo am Karlsruher Hauptbahnhof ein. Zusammen mit sieben weiteren Jüdinnen und Juden stieg er in einen Zug, der sie, wie es offiziell heißt, "zum Arbeitseinsatz im Osten" bringen soll. Tatsächliches Ziel der Fahrt: das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. "Es war ein strahlend schöner Tag", erinnert sich seine damals 15-jährige Tochter Esther, die ihn zum Bahnhof begleitet, viele Jahre später. "Noch heute kann ich nicht begreifen, dass an diesem Tag die Sonne scheinen konnte! Wir haben nicht geglaubt, dass wir ihn nicht mehr wiedersehen werden."
Drei Tage später, vermutlich unmittelbar nach seiner Ankunft an der alten Rampe südöstlich des im Ausbau befindlichen Lagers Auschwitz II in den frühen Morgenstunden des 4. März, wurde Julius Hirsch ermordet. Kein namentlicher Eintrag im Lager-Stammbuch. Keine Nummer. Klare Indizien dafür, dass der 50-Jährige noch am Gleis, im Schneefall des Morgengrauens, als "arbeitsuntauglich" aussortiert wurde. Abgeführt zusammen mit hunderten weiteren Männern, Frauen und Kindern und vergast in einem der beiden zu provisorischen Gaskammern ausgebauten Bauernhäusern, dem "roten" oder dem "weißen" Haus. Als Todesdatum wird später amtlich offiziell der der 8. Mai 1945 festgesetzt.
DFB ehrt Andenken mit Julius Hirsch Preis
Seit 2005 erinnert der DFB mit dem Julius Hirsch Preis an einen von nur zwei jüdischen Spielern in der Geschichte der Nationalmannschaft und an alle, insbesondere die jüdischen Opfer, des nationalsozialistischen Unrechtsstaates. Er gedenkt so seiner jüdischen Mitglieder und erinnert an ihre vielfältigen und prägenden Verdienste im deutschen Fußball.
Anlässlich seines 80. Todestages hat die DFB-Kulturstiftung die historische Studie "Auf den Spuren von Julius Hirsch" neu aufgelegt. Die Dokumentation kann kostenlos bei der DFB-Kulturstiftung bestellt werden. Sie richtet sich an Einzelpersonen oder Institutionen, die über den Ansatz des Fußballs einen biografischen Einstieg in die Auseinandersetzung mit der Verfolgung und Ermordung der deutschen und europäischen Jüdinnen und Juden in der NS-Zeit suchen oder zum Beispiel eine Bildungsreise in die die KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau vorbereiten. Für die Bestellung oder weitere Information nutzen Sie bitte folgenden Kontakt: maren.feldkamp@dfb.de.
Kategorien: Julius Hirsch Preis, Vielfalt und Anti-Diskriminierung
Autor: th
"Nach dem Spiel ist vor dem Spiel": Erster Nachhaltigkeitstag von DFB und DFL
160 Teilnehmer*innen trafen sich auf dem DFB-Campus in Frankfurt zum ersten gemeinsam von DFB und DFL organisierten Nachhaltigkeitstag. "Wir haben heute einen wichtigen Austausch erlebt", sagte DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich.
Watzke mit Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet
Besondere Auszeichnung für Hans-Joachim Watzke: Der 1. DFB-Vizepräsident hat in Berlin den Leo-Baeck-Preis erhalten, die höchste Auszeichnung, die der Zentralrat der Juden in Deutschland verleiht. "Das ist größte Ehre meines Lebens", sagte Watzke.
Julius Hirsch Preis: "Heute notwendiger denn je"
In der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern wurde gestern der Julius Hirsch Preis 2024 verliehen. Geehrt wurden Projekte, die sich in herausragender Weise gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung engagieren.