Männer-Nationalmannschaft
Europameister, Vizeweltmeister und DFB-Trainer: Stielike wird 70
Er war ein Globetrotter, der auf drei Kontinenten wirkte. Zurück in der Heimat verfolgt er nun das Spiel, das auch sein Leben prägte, mit der ihm eigenen Angriffslust. Im Kicker durfte Uli Stielike anlässlich seines 70. Geburtstags, den er heute feiert, eine Kolumne schreiben. "Die Umkleide war ein heiliger Raum, aus dem nichts nach draußen dringen durfte", sagt der Europameister und Vizeweltmeister dort. "Heute wird alles publikumswirksam auf dem Spielfeld erledigt."
Die Fußball-Moderne mit Begriffen wie "Box, Penalty und Holding Six" sieht er durchaus kritisch. Uli Stielike hat eine andere Epoche des Fußballs erlebt, und er hat sie mitgeprägt. Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, doch nicht nur, aber auch in seinem Fall, lohnt sich der persönliche Rückblick. DFB.de schaut zurück.
An einem Herbsttag 1972 kam der große Hennes Weisweiler nach Nordbaden, um sich einen 18-Jährigen anzusehen. Uli Stielike, den Libero der Jugendnationalmannschaft und der viertklassigen Sportvereinigung Ketsch 06. Stielikes Team verlor mit 0:2 bei Astoria Walldorf, aber er gewann das Vertrauen des Meistertrainers von Borussia Mönchengladbach, der ihn im Februar 1973 in die Bundesliga holte. "Stielike ist vom Talent her eine halbe Klasse besser als alle Fußballer seines Alters, die ich bisher auszubilden hatte."
Titelsammler mit Gladbach
Zwei Monate später war Stielike bereits DFB-Pokalsieger, drei Minuten vor Schluss wurde er im Finale gegen Köln eingewechselt. Es war das berühmte Endspiel, in dem ein anderer "Joker" Geschichte schrieb: Günter Netzer. Der Weltstar wechselte sich bekanntlich selbst ein und schoss mit dem ersten Ballkontakt das Siegtor, am nächsten Tag wechselte er zu Real Madrid.
Dass auch der zweite Borussen-Joker jenes Finales diesen Weg gehen würde, war damals natürlich nicht abzusehen. Aber Uli Stielike wurde schon mit 18 Stammspieler, gewann drei Meisterschaften in Folge, 1975 auch den UEFA-Pokal und gab noch im selben Jahr sein Länderspieldebüt. Nach den 90 Minuten von Wien überschlugen sich die Kritiker: "künftiger Weltstar", "zweiter Beckenbauer", "die Entdeckung des Jahres". Stielike, nun im Mittelfeld eingesetzt, stand vor einer Weltkarriere.
Bei Real "im Fußballhimmel"
Im April 1977 traf Borussia im Europacup auf Dynamo Kiew, und obwohl Stielike ausgewechselt wurde, erhielt er am nächsten Tag in einem Düsseldorfer Hotel ein Angebot von Real Madrid, das ein 22-Jähriger kaum ablehnen konnte. Borussia wurde mit 1,8 Millionen Mark entschädigt, Stielikes erster Vertrag lief über zwei Jahre.
Nun war er "im Fußballhimmel", wie der Jubilar rückblickend sagt. Der Nachteil daran: Der DFB wollte die Abwanderung seiner Nationalspieler bremsen und drohte, ihn nicht mit zur WM nach Argentinien zu nehmen. Aber Stielike, der schon immer einen eigenen Kopf hatte, ließ sich nicht halten. Das kostete ihn rund 20 Länderspiele und einige Sympathien. Nach der enttäuschenden WM 1978 wurde umgedacht. Helmut Schöns Nachfolger Jupp Derwall setzte sich 1978 für die Rückkehr des Legionärs ein - und 1980 wurde Deutschland mit Uli Stielike als Libero Europameister.
In Madrid eine Legende
1982 stand die DFB-Auswahl in Stielikes "Wohnzimmer", dem Bernabeu-Stadion von Madrid, im WM-Finale. Drei Tage zuvor hatte er im Halbfinaldrama von Sevilla gegen Frankreich einen Elfmeter vergeben, doch Toni Schumacher bügelte den Fehlschuss wieder aus. Auch mit Real wurde Stielike dreimal in Folge Meister (1978 bis 1980), zweimal Pokalsieger (1980, 1982) und zum krönenden Abschluss 1985 UEFA-Pokalsieger. Zweimal stand er im Landesmeisterfinale (1977 und 1981), verlor aber jeweils. "Diese beiden Finals hängen mir mehr nach, als das verlorene WM-Finale 1982", gestand er jetzt dem Kicker.
Als er nach acht - auch privat - sehr glücklichen Jahren in Madrid in die Schweiz ging, huldigte ihm Real-Präsident Ramon Mendoza: "Er war einer der wenigen Ausländer, die auch mit dem Herzen bei uns waren." Mehrmals wurde Stielike zum besten Ausländer der Primera Division gewählt, und erst Toni Kroos löste ihn als den Deutschen mit den meisten Spielen ab, nach Toren ist es immer noch Stielike. Seine Real-Bilanz: 215 Spiele, 41 Tore.
Bis 1988 spielte er noch für Xamax Neuchatel, auch hier ging er im Triumph - als Meister. Sein Karrierefazit: "Ich hatte das Glück, niemals unten gewesen zu sein." Danach stürzte sich Stielike sofort ins Trainerleben. Noch ohne Lizenz coachte er mit erst 34 Jahren die Nationalmannschaft der Schweiz. Danach trainierte er zwei Jahre den Ex-Klub Xamax, ehe es ihn 1994 nach Hause zog: Mit Waldhof Mannheim verpasste er die Bundesligarückkehr knapp und wurde wenige Monate später entlassen. Stielikes Erkenntnis: "Als Trainer sollte man am Besten im Wohnwagen leben."
Acht Jahre als Trainer beim DFB
Und doch hat er den Job noch oft gemacht: 1996 in Spanien bei Almeria, dann acht Jahre in verschiedenen Funktionen beim DFB. Im September 1998 wurde er Assistent von Bundestrainer Erich Ribbeck, in Erinnerung blieb vor allem sein kariertes Sakko bei der Präsentation ("Sakko des Grauens") und ein Missverständnis: Eigentlich hatte Stielike Bundestrainer werden wollen. Im April 2000 trat er nach Dissonanzen mit Ribbeck zurück, der bei der EURO im selben Jahr die Gruppenphase nicht überstand.
Von 2001 bis 2006 trainierte Uli Stielike diverse U-Nationalmannschaften des DFB, dann ging er nach Afrika, um die Auswahl der Elfenbeinküste zu betreuen (2006 bis 2008). Es folgten kurze Stationen beim FC Sion und in Katar, wo er binnen fünf Jahren drei Klubs betreute. Von September 2014 bis Juni 2017 betreute der Globetrotter die Nationalmannschaft von Südkorea und zum Schluss seiner Karriere, deren Endpunkt das Coronavirus setzte, coachte er den chinesischen Klub Tianjin Teda.
Uli Stielike: Zahlen und Fakten zu seiner Karriere.
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Autor: um
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