Frauen-Nationalmannschaft

Alexandra Popp: "Wir haben die Wand eingerissen"

25.12.2024
Hat 2024 ihre Karriere in der Nationalmannschaft beendet: Alexandra Popp Foto: Getty Images

Für Alexandra Popp endet ein besonderes Jahr. Die 33-Jährige hat in 2024 ihre Karriere in der Nationalmannschaft beendet. Wie schaut die langjährige Kapitänin auf ihre Zeit in der DFB-Auswahl zurück? Was waren besondere Momente? Was bleibt in Erinnerung? Im exklusiven DFB.de-Interview schaut die Angreiferin des VfL Wolfsburg zurück auf bewegte und bewegende Augenblicke.

DFB.de: Alexandra Popp, ein sehr ereignisreiches Jahr für Sie persönlich geht zu Ende. Wie schauen Sie auf 2024 zurück?

Alexandra Popp: Sehr positiv. Natürlich war es auch ein Wechselbad der Gefühle mit vielen Emotionen. Es war ja auch das Jahr meines Rücktritts aus der Nationalmannschaft. Aber im Großen und Ganzen war es ein sehr erfolgreiches Jahr – vor allem mit dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen.

DFB.de: War es auch im Rückblick richtig, aus der Nationalmannschaft zurückzutreten?

Popp: Ja, auf jeden Fall. Diese Erkenntnis hat sich für mich auch zuletzt nochmal bestätigt. Es gab zum Jahresende einen Lehrgang, bei dem ich erstmals nicht dabei war. Es hat sich dennoch richtig angefühlt. Es war jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.

DFB.de: Mit der Nationalmannschaft haben Sie große Erfolge gefeiert, aber auch Rückschläge erlebt. Was sind Momente, die Ihnen in Erinnerungen bleiben?

Popp: Man spricht in erster Linie immer über Titel und Triumphe. Das ist auch wichtig. Aber für mich noch wichtiger sind die Menschen und die Kulturen, die ich kennenlernen durfte. Auch die Länder, die wir gemeinsam bereist haben. Es ist ein riesiges Privileg, das erlebt zu haben. Über den Fußball und die Nationalmannschaft sind Freundschaften entstanden, die für immer bleiben werden. Das ist für mich eigentlich das Schönste.

DFB.de: Es war eine emotionale Reise durch die Welt des Fußballs. War die EURO in England in 2022 mit all ihren Begleiterscheinungen ein besonderer Stopp?

Popp: Wir haben den Frauenfußball im Rahmen des Turniers in der öffentlichen Wahrnehmung und auch in der Beliebtheit auf ein neues Level gehoben. Es war Wahnsinn, was danach alles passiert ist. Wir haben lange und Jahr für Jahr gekämpft und geredet, damit sich endlich etwas tut. Ich hatte immer das Gefühl, gegen Wände zu sprechen. Aber dieses Turnier war wirklich ein Knotenlöser. Wir haben die Wand zum Einstürzen gebracht. Wir haben sie eingerissen. Das war extrem wichtig für den Frauenfußball in Deutschland. Wir haben hierzulande, aber auch international für Furore gesorgt. Das Turnier war ein sehr, sehr wichtiger Moment meiner Karriere in der Nationalmannschaft.

DFB.de: Sie waren das Gesicht dieser Entwicklung. Wie sind Sie damit umgegangen?

Popp: Es hatte Vor- und Nachteile. Ich konnte plötzlich nicht mehr durch eine größere Stadt gehen, ohne erkannt zu werden. Privat ist nicht mehr so privat, wie es mal war. Damit musste ich erstmal lernen, umzugehen. Das war ein Prozess, der etwas Zeit gebraucht hat. Ich habe auch heute noch Phasen, in denen es mit schwerfällt, damit klarzukommen. Klar ehrt es einen und es macht einen auch Stolz, so viel Lob und positives Feedback zu bekommen. Dennoch hätte ich mir im Rückblick gewünscht, dass dieser Erfolg auf mehrere Schulter verteilt worden wäre. Ja, ich war Kapitänin des Teams. Ja, ich habe wichtige Tore geschossen. Aber wir waren ein Team und deshalb so stark. Es war unglaublich, wie Marina Hegering und Kathy Hendrich die Defensive zusammengehalten habe. Es war unglaublich, wie Merle Frohms gegen Spanien gehalten hat. Aber das kam in der öffentlichen Wahrnehmung für meinen Geschmack leider manchmal zu kurz.

DFB.de: Ist es nicht so, dass Stürmerinnen und Stürmer wegen der Tore besonders im Fokus der Öffentlichkeit und in den Überschriften stehen?

Popp: Ja, das ist so. Hinzu kommt ja noch, dass ich Kapitänin der Mannschaft war und auch deshalb besonders im Fokus stand. Auch unabhängig von meiner Person finde ich es traurig, dass immer nur auf die Personen geschaut wird, die die Tore schießen. Das ist nicht in Ordnung, weil es immer Teamwork ist. Aber das werden wir vermutlich nicht ändern können.

DFB.de: Die Nationalmannschaft wird im kommenden Sommer die Europameisterschaft ohne Alexandra Popp spielen. Wie hört sich das an?

Popp: Es ist eine komische Vorstellung. Ich gehe davon aus, dass wir uns im Juli, wenn die EM startet, mit dem VfL Wolfsburg bereits in der Vorbereitung auf die neue Saison befinden. Das ist wirklich crazy. Aber selbstverständlich werde ich ganz genau verfolgen, wie die Mädels sich schlagen werden. Ich drücke beide Daumen und hoffe auf ein erfolgreiches Turnier.

DFB.de: Auch mit dem VfL Wolfsburg schauen Sie auf ein besonderes Jahr zurück – mit teils sehr wechselhaften Leistungen. Teilen Sie diesen Eindruck?

Popp: Ja, das stimmt. Wobei ich auch sagen muss, dass wir uns zuletzt stabilisiert haben. Wir sind in allen drei Wettbewerben gut dabei. Auch in der Champions League, aus der wir in der vergangenen schon vor der Gruppenphase ausgeschieden sind. Jetzt gehören wir wieder zu den besten acht Mannschaften in Europa. Wir gehen mit einer guten Ausgangslage ins neue Jahr. Ich freue mich darüber, was noch alles möglich ist.

DFB.de: Auch eine Saison mit drei Titeln?

Popp: Als VfL Wolfsburg ist es immer das Ziel, Titel zu gewinnen. Wir können schon klar und selbstbewusst sagen, dass wir den DFB-Pokal und die deutsche Meisterschaft gewinnen wollen. Was in der Champions League möglich ist, werden wir sehen. Es wird nicht einfacher in diesem Jahr, weil die Spitze extrem zusammengerückt ist. Aber wir sind dabei und es ist alles möglich. Mit uns ist zu rechnen.

DFB.de: Nun stehen zunächst Weihnachten und der Jahreswechsel an. Wie werden Sie die Zeit verbringen.

Popp: Ich freue mich wahnsinnig auf diese Tage, weil die vergangenen Wochen wirklich hart und zehrend waren. Ich weiß gar nicht, wie viele englische Wochen wir gespielt haben. Jetzt ist der Akku leer und muss wieder aufgefüllt werden. Ich werde zur Ruhe kommen und die Füße hochlegen. Endlich werde ich mal wieder Zeit haben, Familie und Freunde zu sehen. Und dann geht es auch schon relativ zügig mit der Vorbereitung auf die zweite Saisonhälfte weiter. Das ist jedoch noch weit weg im Moment. Erstmal wird jetzt durchgeatmet.

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Autor: sw