Frauen-Nationalmannschaft
Giulia Gwinn: "Momente, die für immer bleiben"
Die Fans haben gewählt: Giulia Gwinn ist Nationalspielerin des Jahres 2024. Die 25-Jährige hat in 18 Begegnungen acht Tore erzielt und drei weitere Treffer vorbereitet. Im DFB.de-Interview blickt die Abwehrspielerin des FC Bayern auf die vergangenen zwölf Monate zurück und verrät Ziele für 2025.
DFB.de: Giulia Gwinn, 2024 geht nun zu Ende. Knapp 50.000 User*innen haben Sie bei einer Abstimmung, die in Zusammenarbeit mit dem Fan Club Nationalmannschaft auf dem Instagram-Channel der Frauen-Nationalmannschaft stattfand, zur Nationalspielerin des Jahres gewählt. Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?
Giulia Gwinn: Das ist schon etwas, was mich extrem stolz macht. Es ist eine große Ehre, weil es für Konstanz und Leistung über einen längeren Zeitraum spricht. Besonders schön ist diese Auszeichnung natürlich, weil sie von den Fans kommt.
DFB.de: Sie erhalten diese Auszeichnung nach 2019 zum zweiten Mal. In den fünf Jahren dazwischen ist viel passiert...
Gwinn: Auch deshalb ist es etwas ganz Besonderes für mich, weil es mir zeigt, dass ich nach meinen zwei schweren Verletzungen wieder da bin und erneut auf meinem Toplevel spielen kann.
DFB.de: War 2024 für Sie also das perfekte Comeback-Jahr?
Gwinn: Ja, das kann man in jedem Fall so sagen. Ich war in allen 18 Begegnungen der Nationalmannschaft auf dem Platz. Es fühlt sich einfach sehr gut an, jetzt wieder regelmäßig dabei sein zu können. Auch mit der Nationalmannschaft mussten wir einige Herausforderungen lösen. Gemeinsam haben wir einen Trainerwechsel gemeistert, gemeinsam haben wir uns für die Olympischen Spiele qualifiziert, gemeinsam haben wir dort die Bronzemedaille geholt.
DFB.de: War Paris für Sie deshalb der Höhepunkt eines ereignisreichen Jahres?
Gwinn: Definitiv. Die meisten von uns waren noch nie bei Olympischen Spielen dabei. Und dieses Event hat wirklich alle Erwartungen übertroffen.
DFB.de: Das 1:0 gegen Spanien per Elfmeter haben Sie erzielt.
Gwinn: Ja, es hat mich gefreut, aktiv zum Erfolg beitragen zu können. Aber genauso wichtig war für mich, dass wir dieses besondere Flair erleben konnten, das nur während Olympischer Spiele herrscht. Anfangs sind wir viel durch das Land gereist, weil unsere Spielorte in ganz Frankreich verteilt waren. Die letzten Tage konnten wir dann mit den anderen Sportlerinnen und Sportlern in Paris verbringen. Das war einfach großartig. Da haben wir Momente erlebt, die für immer bleiben werden, die sich eingeprägt haben. Das werde ich nie mehr vergessen.
DFB.de: Sind das auch die Momente, für die Sie sich nach zwei Kreuzbandrissen jeweils acht oder neun Monate in der Reha gequält haben, um zurückzukommen?
Gwinn: Auf jeden Fall. Gerade in der zweiten Reha gab es Phasen, die wirklich zäh waren. Man sieht dann die Mitspielerinnen, die während des Trainings Spaß auf dem Platz haben und man selbst kann nicht dabei sein. Das kann sich brutal anfühlen. Das dann ein zweites Mal durchzumachen, war schon extrem hart. In diesen Zeiten habe ich oft Momente visualisiert, wie wir sie in Paris erleben durften. Ich habe mir immer wieder gesagt, dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen. Dass ich unbedingt zurück auf den Platz und dort Erfolge feiern möchte. Und im Kreise der Nationalmannschaft wieder dabei zu sein, ist tatsächlich etwas ganz Besonderes.
DFB.de: Weiß man solche Erfolge nach so schweren Rückschlägen also mehr zu schätzen?
Gwinn: Erst, wenn man nicht dabei sein kann, merkt man oft, was es bedeutet, Teil einer Mannschaft zu sein. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wenn man verletzt ist, ist man trotz aller Unterstützung durch den Verein und durch die Mannschaft in vielen Momenten auf sich alleine gestellt. Da ist man dann eben nicht aktiver Teil des Teams, da ist man nicht jeden Tag in der Kabine vor Ort. In den langen Monaten einer Reha fehlt einem manchmal dann dieses besondere Zugehörigkeitsgefühl, das man sonst immer hat. Heute empfinde ich durch diese Erfahrungen eine ganz andere Wertschätzung dafür, wie schön es ist, wenn man einfach täglich Fußball spielen kann. Dafür empfinde ich eine tiefe Dankbarkeit. Es ist etwas ganz Besonderes, Teil einer Mannschaft zu sein. Egal ob beim FC Bayern oder in der Nationalmannschaft.
DFB.de: Sie haben die Veränderungen in der Nationalmannschaft bereits angesprochen. Nach dem Rücktritt von Alexandra Popp haben Sie die Nationalmannschaft in den vergangenen vier Länderspielen als Kapitänin auf den Platz geführt. Was hat Ihnen das bedeutet?
Gwinn: Auch das ist natürlich einer der Höhepunkte 2024 für mich, eine große Ehre. Tolle Spielerinnen haben vor mir diese Rolle eingenommen. Vor Alex Popp waren es zum Beispiel Marina Hegering oder Svenja Huth. Ich übernehme gerne Verantwortung.
DFB.de: Wie fühlt es sich an, die Mannschaft mit der Binde am Arm aufs Feld zu führen und dort dann die Hymne zu hören.
Gwinn: Das ist Gänsehaut pur. Aber unabhängig davon, ob ich Kapitänin bin oder eine andere Spielerin: Natürlich ist es eine große Ehre für mich. Ein Kindheitstraum ist für mich damit in Erfüllung gegangen.
DFB.de: Sind Sie ein Typ, der gerne Verantwortung übernimmt? Sie sind inzwischen ja auch die erste Elfmeterschützin.
Gwinn: Ich gehe gerne voran. Auch in Momenten, wenn es 0:0 steht oder wenn wir hinten liegen. Auch dann gehe ich selbstverständlich zum Punkt und drücke mich nicht. Aber es ist nicht nur bei den Elfmetern so. Ich möchte eine Spielerin sein, die es schafft, das Team mitzureißen. Ich möchte gerne eine emotionale Leaderin sein, natürlich auch Ansprechperson außerhalb des Platzes. Zum Beispiel für die jungen Spielerinnen, die womöglich neu dabei sind. Das gehört auch dazu. Es ist ein Prozess, so eine Person zu werden. Das geht nicht vom einen auf den anderen Tag. Aber ich glaube schon, dass ich durch meine Verletzungen zu einer ganz anderen Persönlichkeit herangewachsen bin und da einfach viel Erfahrung gesammelt habe.
DFB.de: Wie gehen Sie persönlich mit Druck um?
Gwinn: Ich habe da keine besondere Herangehensweise. Wenn man beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft spielt, hat man immer Druck. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Es ist immer unser Anspruch, möglichst jedes Spiel zu gewinnen. Aber den größten Druck mache ich mir sowieso selbst. Ich bin sehr perfektionistisch und extrem selbstkritisch. Ich versuche immer, das Maximale aus mir herauszuholen. Gleichzeitig muss das alles in einem gesunden Rahmen bleiben. Wichtig ist, dass man Spaß beim Fußball hat. Nur wenn das der Fall ist, wird man erfolgreich sein. Das habe ich auch gerade durch die Verletzungsphasen gelernt. Es ist einfach toll, auf dem Platz zu stehen und diese schöne Nebensache mit so vielen Leuten zu teilen und so viele Menschen auch dadurch begeistern zu können. Und das sollte man sich, glaube ich, immer beibehalten. Das bedeutet nicht, dass ich den Fokus verliere. Man muss ein gutes Gleichgewicht zwischen Leichtigkeit und Druck finden.
DFB.de: Wie blicken Sie auf die Hinrunde mit dem FC Bayern zurück?
Gwinn: Wir sind in allen Wettbewerben voll im Soll. Wir sind im DFB-Pokal und in der Champions League gut dabei. In der Google Pixel Frauen-Bundesliga sowieso. Es waren harte Wochen und Monate mit extrem vielen Spielen. Die Pause im Sommer war durch die Olympischen Spiele sehr kurz. Teilweise ist das wirklich ein extrem straffes Programm. Aber wir haben es gut gemacht und unser Soll mehr als erfüllt. Darauf können wir sehr, sehr stolz sein.
DFB.de: In der Google Pixel Frauen-Bundesliga ist es mit vier Teams, die um die Tabellenspitze spielen, so eng wie noch nie. Wie bewerten Sie diese Ausgangslage?
Gwinn: Das ist natürlich perfekte Werbung für den Frauenfußball in Deutschland. Das ist genau das, was die Fans wollen und was der deutsche Fußball auch angestrebt hat in den vergangenen Jahren. Es reicht nicht, nur 80 Prozent abzurufen. Damit gewinnt man auch gegen die vermeintlichen schwächeren Teams nicht. Frankfurt und Leverkusen haben sich ganz oben festgesetzt. Sie machen es wirklich sehr gut.
DFB.de: Nun steht die Winterpause auf dem Programm. Sind Sie froh, jetzt erstmal durchatmen und die Beine ein paar Tage hochlegen zu können?
Gwinn: Ich habe diese Pause wirklich herbeigesehnt. Das Programm war zuletzt extrem stressig mit etlichen englischen Wochen hintereinander. Aber ich will mich gar nicht beschweren. Ich glaube, für jede Sportlerin und jeden Sportler ist es das Allerschönste, wenn man viele Spiele hat und sich alle drei Tage mit den besten Gegnerinnen und Gegnern messen kann. Aber jetzt genießen wir erstmal unseren wohlverdienten Urlaub. Und ich freue mich auch darauf, dass sich nicht jedes Gespräch um den Fußball drehen wird. Ich werde die Zeit nutzen, um den Kopf freizubekommen und den Akku wieder aufzuladen.
DFB.de: Um dann mit welchen Zielen ins Jahr 2025 zu starten?
Gwinn: Wir wollen unsere gute Ausgangslage in den verschiedenen Wettbewerben vergolden und Titel holen. Gerne würde ich auch den DFB-Pokal mal gewinnen. Auch mit der Nationalmannschaft freue ich mich auf ein total spannendes Jahr. Wir haben kürzlich bereits in der Schweiz gespielt und dort 6:0 gewonnen. In diesem Rahmen konnten wir schon einmal erleben, was bei der Europameisterschaft im kommenden Sommer dort auf uns zukommen wird. Aber das ist noch lange hin. Jetzt kommen erstmal Weihnachten und der Jahreswechsel. Darauf freue ich mich.
Kategorien: Frauen-Nationalmannschaft
Autor: sw
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