Sammer: "Klares Bekenntnis zur Elite"

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Bei der am Montag beginnenden U 21-Europameisterschaft in Schweden geht die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit klaren Zielen an den Start.

"Wenn eine deutsche Mannschaft an einer Endrunde teilnimmt, muss sie auch um den Titel spielen", sagte Sportdirektor Matthias Sammer im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Frage: Herr Sammer, mit welchen Erwartungen blicken Sie der am Montag beginnenden U 21-EM in Schweden entgegen?

Matthias Sammer: Wir haben uns klar positioniert und ein Bekenntnis zur Elite abgegeben: Wenn eine deutsche Mannschaft an einer Endrunde teilnimmt, muss sie auch um den Titel spielen. Alles andere wäre - zumal bei der Qualität dieser Mannschaft - fahrlässig.

Frage: Wie sehen Sie die Chancen auf den Titelgewinn?

Sammer: Leider konnte diese Mannschaft sich in der Qualifikation häufig nicht so gegen Widerstände stemmen, dass sie ihre Qualität immer abrufen konnte. Aber dieser Kader ist gespickt mit Führungsspielern wie Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Jerome Boateng, Andreas Beck oder Sami Khedira, mit Individualisten wie Mesut Özil, Ashkan Dejagah oder Marko Marin und Mannschaftsspielern wie Dennis Aogo. Diese unterschiedlichen Typen müssen bereit sein, füreinander alles zu geben. Dann entwickelt sich eine Dynamik, sodass die Mannschaft ihre Qualitäten ausspielen kann. Und wenn das passiert und alles passt, sehe ich keinen, der uns schlägt. Auch die Spanier nicht.

Frage: Deutschland hat 16 Jahre auf einen Titel im Nachwuchsbereich warten müssen, nun gab es innerhalb eines Jahres zwei durch die U 19 und die U 17 bei ihren Europameisterschaften. Ist Deutschland dadurch schon wieder in der Weltspitze angekommen?

Sammer: Es war einmal ein großer Abstand da, den haben wir aufgeholt. Diese Titel waren ja kein Zufall, sondern sind das Ergebnis veränderter Strukturen. Dazu gehören viele Faktoren. Die Spanier waren in den vergangenen Jahren das Nonplusultra im Junioren-Bereich, aber auch vor ihnen müssen wir uns nicht mehr verstecken. An einem Top-Tag brauchen wir niemanden zu fürchten, an einem durchschnittlichen Tag reicht es noch nicht.

Frage: Wann werden sich die Entwicklungen und Erfolge auch für die A-Nationalmannschaft auszahlen?

Sammer: Ich hoffe natürlich, dass das relativ schnell geht. Wir haben ja nicht bei Null angefangen. Wir waren bei der WM 2006 Dritter, bei der EM 2008 Zweiter. Normalerweise bringen Erfolge im Jugendbereich mit einer zeitlichen Verzögerung von zehn Jahren Ertrag. Ich sage, es können auch sechs bis acht sein. Aber vielleicht können wir es sogar noch das ein oder andere Jahr früher schaffen. Am liebsten wäre mir natürlich, wenn Joachim Löw 2010 den WM-Pokal in Händen halten könnte.

Frage: Spieler wie Neuer oder Marin sind auf dem Transfermarkt heiß begehrt, bei manchen ist die Zukunft noch offen. Sie haben angekündigt, dass Sie im Teamquartier keinen Spielerberater sehen wollen. Wie konsequent werden Sie das durchziehen?

Sammer: In erster Linie ist der Trainer verantwortlich, welche Einflüsse er zulassen will. Ich würde aber keinem der Herren raten, mir zu begegnen. Es gibt in einigen Fällen noch etwas im Hinblick auf die kommende Saison zu klären und es wäre illusorisch, zu glauben, dass keine Telefongespräche geführt werden. Aber der Fokus muss ganz klar auf dem Turnier liegen. Jegliches Ablenkungspotenzial muss so gut es geht vermieden werden. Es geht hier um einen Titel. Ein Spieler will später Titel auf seiner Autogrammkarte stehen haben. Es gibt durchaus gute Berater, die einen positiven Einfluss haben. Aber es gibt auch andere, denen die notwendige Sensibilität in einer solchen Situation fehlt.

Frage: Bundestrainer Joachim Löw hat alle Spieler abgestellt, die schon zum A-Kader gehören. Zeigt das den gestiegenen Wert des Jugendfußballs?

Sammer: Die A-Mannschaft ist ganz klar das Aushängeschild. Alles andere dient dem Ziel, die Spieler zu gestandenen Nationalspielern zu formen. Es wird aber auch verstanden, dass im U-Bereich wichtige Grundlagen gelegt werden. Junge Spieler müssen eine Entwicklung durchlaufen, sie fallen nicht vom Himmel. Als die Spanier 2008 das EM-Finale gegen Deutschland gewonnen haben, standen außer dem gebürtigen Brasilianer Marcos Senna zehn Spieler auf dem Platz, die im U-Bereich Titel gewonnen haben. Das zeigt, wie wichtig ein solches Turnier ist.

Frage: Löw wird in Schweden genauso vor Ort sein wie sein Assistent Hansi Flick, Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, der künftige U 21-Trainer Rainer Adrion und natürlich Sie. Zeigt auch das die gesteigerte Wertigkeit?

Sammer: Natürlich. Ich werde während des gesamten Turniers bei der Mannschaft sein. Ein Turnier ist nur das Produkt der Planung. Ich will es anschließend im Hinblick auf unsere Nachwuchsarbeit bewerten, und ich kann mich nur über etwas äußern, dass ich wirklich beurteilen kann.

Frage: Sie sind im Sportsystem der DDR aufgewachsen. Welche Erkenntnisse konnten Sie aus diesem System übernehmen?

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Sammer: Ich habe konzeptionell einiges übernommen. Nicht nur aus der DDR, sondern auch aus Russland oder den USA, worüber ich mich informiert habe. Zum Beispiel, dass in verschiedenen Altersklassen verschiedene Konzepte angewendet werden müssen. Das wurde in der Vergangenheit häufig nicht berücksichtigt. Früher wurde der Fußball oft wegen seiner Konzeption belächelt, heute wird unser Konzept gelobt. Wichtig ist natürlich, dass man ein Konzept in der Praxis lebt. Da wurden in der DDR Fehler gemacht. Es war zu eindimensional, man hat nicht über den Tellerrand geschaut.

Frage: Selbst beim weltbesten Verein in Barcelona dürfen Lionel Messi oder Bojan Krkic in jungen Jahren in der ersten Mannschaft spielen. In Deutschland hat man das Gefühl, das Ausnahmetalente wie Toni Kroos zu stiefmütterlich behandelt werden...

Sammer: Das Problem ist die Übergangszeit zwischen Jugend- und Profifußball, weil oft die Zuständigkeiten nicht genau geklärt sind. Es sind viele Menschen im Umfeld der Spieler aktiv. Aber ein junger Spieler braucht einen konzeptionellen Trainingsaufbau. Bei dieser Steuerung gibt es in den Klubs große Unterschiede. Und auch bei uns im DFB muss das noch besser werden.

Frage: Sie haben in der vergangenen Woche offen das Trainer-Hopping in der Bundesliga kritisiert und es schien Ihnen ein echtes Bedürfnis gewesen zu sein. Inzwischen haben sich auch wichtige Funktionsträger wie Löw, Bierhoff, Rudi Völler oder Reinhard Rauball öffentlich auf Ihre Seite geschlagen...

Sammer: Ich sehe mich nicht als Moralapostel und habe keine Einzelfälle bewertet, aber natürlich freue ich mich über eine gewisse Resonanz. Ein Trainer muss authentisch, glaubwürdig und ein Vorbild sein. Diese Glaubwürdigkeit wurde in Einzelfällen mit Füßen getreten.

[sid]

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Bei der am Montag beginnenden U 21-Europameisterschaft in Schweden geht die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit klaren Zielen an den Start.

"Wenn eine deutsche Mannschaft an einer Endrunde teilnimmt, muss sie auch um den Titel spielen", sagte Sportdirektor Matthias Sammer im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Frage: Herr Sammer, mit welchen Erwartungen blicken Sie der am Montag beginnenden U 21-EM in Schweden entgegen?

Matthias Sammer: Wir haben uns klar positioniert und ein Bekenntnis zur Elite abgegeben: Wenn eine deutsche Mannschaft an einer Endrunde teilnimmt, muss sie auch um den Titel spielen. Alles andere wäre - zumal bei der Qualität dieser Mannschaft - fahrlässig.

Frage: Wie sehen Sie die Chancen auf den Titelgewinn?

Sammer: Leider konnte diese Mannschaft sich in der Qualifikation häufig nicht so gegen Widerstände stemmen, dass sie ihre Qualität immer abrufen konnte. Aber dieser Kader ist gespickt mit Führungsspielern wie Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Jerome Boateng, Andreas Beck oder Sami Khedira, mit Individualisten wie Mesut Özil, Ashkan Dejagah oder Marko Marin und Mannschaftsspielern wie Dennis Aogo. Diese unterschiedlichen Typen müssen bereit sein, füreinander alles zu geben. Dann entwickelt sich eine Dynamik, sodass die Mannschaft ihre Qualitäten ausspielen kann. Und wenn das passiert und alles passt, sehe ich keinen, der uns schlägt. Auch die Spanier nicht.

Frage: Deutschland hat 16 Jahre auf einen Titel im Nachwuchsbereich warten müssen, nun gab es innerhalb eines Jahres zwei durch die U 19 und die U 17 bei ihren Europameisterschaften. Ist Deutschland dadurch schon wieder in der Weltspitze angekommen?

Sammer: Es war einmal ein großer Abstand da, den haben wir aufgeholt. Diese Titel waren ja kein Zufall, sondern sind das Ergebnis veränderter Strukturen. Dazu gehören viele Faktoren. Die Spanier waren in den vergangenen Jahren das Nonplusultra im Junioren-Bereich, aber auch vor ihnen müssen wir uns nicht mehr verstecken. An einem Top-Tag brauchen wir niemanden zu fürchten, an einem durchschnittlichen Tag reicht es noch nicht.

Frage: Wann werden sich die Entwicklungen und Erfolge auch für die A-Nationalmannschaft auszahlen?

Sammer: Ich hoffe natürlich, dass das relativ schnell geht. Wir haben ja nicht bei Null angefangen. Wir waren bei der WM 2006 Dritter, bei der EM 2008 Zweiter. Normalerweise bringen Erfolge im Jugendbereich mit einer zeitlichen Verzögerung von zehn Jahren Ertrag. Ich sage, es können auch sechs bis acht sein. Aber vielleicht können wir es sogar noch das ein oder andere Jahr früher schaffen. Am liebsten wäre mir natürlich, wenn Joachim Löw 2010 den WM-Pokal in Händen halten könnte.

Frage: Spieler wie Neuer oder Marin sind auf dem Transfermarkt heiß begehrt, bei manchen ist die Zukunft noch offen. Sie haben angekündigt, dass Sie im Teamquartier keinen Spielerberater sehen wollen. Wie konsequent werden Sie das durchziehen?

Sammer: In erster Linie ist der Trainer verantwortlich, welche Einflüsse er zulassen will. Ich würde aber keinem der Herren raten, mir zu begegnen. Es gibt in einigen Fällen noch etwas im Hinblick auf die kommende Saison zu klären und es wäre illusorisch, zu glauben, dass keine Telefongespräche geführt werden. Aber der Fokus muss ganz klar auf dem Turnier liegen. Jegliches Ablenkungspotenzial muss so gut es geht vermieden werden. Es geht hier um einen Titel. Ein Spieler will später Titel auf seiner Autogrammkarte stehen haben. Es gibt durchaus gute Berater, die einen positiven Einfluss haben. Aber es gibt auch andere, denen die notwendige Sensibilität in einer solchen Situation fehlt.

Frage: Bundestrainer Joachim Löw hat alle Spieler abgestellt, die schon zum A-Kader gehören. Zeigt das den gestiegenen Wert des Jugendfußballs?

Sammer: Die A-Mannschaft ist ganz klar das Aushängeschild. Alles andere dient dem Ziel, die Spieler zu gestandenen Nationalspielern zu formen. Es wird aber auch verstanden, dass im U-Bereich wichtige Grundlagen gelegt werden. Junge Spieler müssen eine Entwicklung durchlaufen, sie fallen nicht vom Himmel. Als die Spanier 2008 das EM-Finale gegen Deutschland gewonnen haben, standen außer dem gebürtigen Brasilianer Marcos Senna zehn Spieler auf dem Platz, die im U-Bereich Titel gewonnen haben. Das zeigt, wie wichtig ein solches Turnier ist.

Frage: Löw wird in Schweden genauso vor Ort sein wie sein Assistent Hansi Flick, Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, der künftige U 21-Trainer Rainer Adrion und natürlich Sie. Zeigt auch das die gesteigerte Wertigkeit?

Sammer: Natürlich. Ich werde während des gesamten Turniers bei der Mannschaft sein. Ein Turnier ist nur das Produkt der Planung. Ich will es anschließend im Hinblick auf unsere Nachwuchsarbeit bewerten, und ich kann mich nur über etwas äußern, dass ich wirklich beurteilen kann.

Frage: Sie sind im Sportsystem der DDR aufgewachsen. Welche Erkenntnisse konnten Sie aus diesem System übernehmen?

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Sammer: Ich habe konzeptionell einiges übernommen. Nicht nur aus der DDR, sondern auch aus Russland oder den USA, worüber ich mich informiert habe. Zum Beispiel, dass in verschiedenen Altersklassen verschiedene Konzepte angewendet werden müssen. Das wurde in der Vergangenheit häufig nicht berücksichtigt. Früher wurde der Fußball oft wegen seiner Konzeption belächelt, heute wird unser Konzept gelobt. Wichtig ist natürlich, dass man ein Konzept in der Praxis lebt. Da wurden in der DDR Fehler gemacht. Es war zu eindimensional, man hat nicht über den Tellerrand geschaut.

Frage: Selbst beim weltbesten Verein in Barcelona dürfen Lionel Messi oder Bojan Krkic in jungen Jahren in der ersten Mannschaft spielen. In Deutschland hat man das Gefühl, das Ausnahmetalente wie Toni Kroos zu stiefmütterlich behandelt werden...

Sammer: Das Problem ist die Übergangszeit zwischen Jugend- und Profifußball, weil oft die Zuständigkeiten nicht genau geklärt sind. Es sind viele Menschen im Umfeld der Spieler aktiv. Aber ein junger Spieler braucht einen konzeptionellen Trainingsaufbau. Bei dieser Steuerung gibt es in den Klubs große Unterschiede. Und auch bei uns im DFB muss das noch besser werden.

Frage: Sie haben in der vergangenen Woche offen das Trainer-Hopping in der Bundesliga kritisiert und es schien Ihnen ein echtes Bedürfnis gewesen zu sein. Inzwischen haben sich auch wichtige Funktionsträger wie Löw, Bierhoff, Rudi Völler oder Reinhard Rauball öffentlich auf Ihre Seite geschlagen...

Sammer: Ich sehe mich nicht als Moralapostel und habe keine Einzelfälle bewertet, aber natürlich freue ich mich über eine gewisse Resonanz. Ein Trainer muss authentisch, glaubwürdig und ein Vorbild sein. Diese Glaubwürdigkeit wurde in Einzelfällen mit Füßen getreten.