Guido Streichsbier: "Deshalb ist dieses Turnier so wertvoll"

Die deutsche U 18-Nationalmannschaft hat das Winterturnier in Israel auf dem zweiten Platz beendet. Nach einer Niederlage gegen den späteren Sieger Russland steigerte sich das Team von DFB-Trainer Guido Streichsbier im weiteren Turnierverlauf und gewann Spiel zwei. Im DFB.de-Interview zieht der Cheftrainer nach zehn Tagen in Herzliya ein geteiltes Fazit.

DFB.de: Herr Streichsbier, Ihr drittes Winterturnier in Israel geht zu Ende. Was glauben Sie, wird Ihnen von der diesjährigen Reise besonders im Gedächtnis bleiben?

Streichsbier: Die Vorzeichen waren schwierig. Aufgrund von Corona und einigen Pokalspielen mussten wir den Kader, für den die 2G-Regel galt, stark verändern. Unser Yad-Vashem-Besuch ist dieses Jahr leider ausgefallen – umso schöner war, dass Zvi Cohen uns hier mit seiner Geschichte beehrt hat. Dass wir in Tel Aviv die Möglichkeit hatten, die Atmosphäre dort am Strand und in der Stadt aufzuschnappen, war auch gut. So haben die Jungs einen Eindruck von dem Land abseits des Hotels und der Stadien bekommen. Wir haben am ersten Abend von Alon Meyer, dem Präsidenten von Makkabi Deutschland, die Info bekommen, welch große Energie hier im Land herrscht. Er hat uns berichtet, wie locker die Leute hier drauf sind. Das hat sich bewahrheitet: Wir wurden beim Spaziergang oft angesprochen (lacht). Das zeigt die Offenheit der Menschen hier. Das waren alles Dinge, die ich mitnehme, die die Jungs mitnehmen.

DFB.de: Sie haben es angesprochen: Normalerweise reist die Mannschaft auch immer nach Jerusalem und besucht zudem die Gedenkstätte Yad Vashem. Das war dieses Mal aufgrund der Pandemie nicht möglich. Wie sehr hat Corona die Reise geprägt?

Streichsbier: Erst mal sind wir froh, dass wir die Reise überhaupt machen konnten. Da war organisatorisch einiges zu bewältigen. Es war klasse, dass wir die Tage hier durchziehen konnten. Was Corona angeht, sind wir es mittlerweile leider gewöhnt, die Maßnahmen mit Maske und Abstand, mit all den Hygienevorschriften, durchzuziehen. Das war der fünfte Lehrgang unter Coronabedingungen. Trotz all dem überwiegt die Freude, dass wir hier her reisen konnten.

DFB.de: Dann kommen wir zum Sportlichen. Im ersten Spiel griff vor allem defensiv noch nicht jedes Rädchen in das andere. Wie beurteilen Sie den Auftritt gegen Russland mit etwas Abstand?

Streichsbier: Kurioserweise muss man beim Betrachten unserer Torchancen sagen, dass deren Qualität im ersten Spiel am höchsten war. Abgesehen davon war es schade, dass uns ein klarer Elfmeter verwehrt blieb, der vielleicht das 2:2 bedeutet hätte. Die Schiedsrichter haben das nach dem Spiel auch eingesehen, dass sie eine Fehlentscheidung getroffen hatten. Im ganzen Turnier haben wir insgesamt vier Gegentore bekommen – sehr viel mehr Chancen haben wir aber auch nicht zugelassen. Bei den vier Gegentreffern muss man klar sagen, dass wir dreimal einfache Fehler machen. Das muss eine Warnung für die Mannschaft sein: Wenn man in der Eliterunde das erste Spiel verliert, ist man schon so gut wie ausgeschieden. Das müssen die Jungs aus dem Russland-Spiel mitnehmen.

DFB.de: Für das Spiel gegen die Gastgeber reiste das Team nach Netanya. Direkt nach der Ankunft zückten viele Spieler erstmal das Handy und filmten – beeindruckt vom Stadion. Nach dem Anpfiff waren die Jungs voll fokussiert und ließen den Israelis kaum eine Chance. Wie nahe kam dieser Auftritt Ihrer Idealvorstellung?

Streichsbier: Wenn man diese Kulisse sieht: 20 Uhr, Flutlichtspiel, gegen den Gastgeber – wenn die Mannschaft da nicht voll motiviert ist, müsste man alles hinterfragen (lacht). Wir haben so gespielt, wie man das in einem künftigen Pflichtspiel machen müsste. Alle Spieler waren bereit, in der Defensive mitzuarbeiten und jede einzelne Szene konzentriert zu Ende zu verteidigen. Das ist der Kern. Die einfachen Fehler, die wir gegen Russland und die Emirate gemacht haben, sind uns gegen Israel nicht passiert. Von daher ist das defensiv die Messlatte. Offensiv waren wir an dem Tag sehr kaltschnäuzig. Da können wir aber auch noch zulegen – trotz fünf Toren.

DFB.de: Darunter waren vier Treffer nach Standards.

Streichsbier: Wobei die Art und Weise, wie wir da in den Strafraum bzw. Richtung Tor gehen, schon sehr gut war. Wenn der Gegner wie beim ersten Elfmeter oder vor dem Freistoß zweimal Foul spielen muss, dann ist das auch ein Zeichen, dass wir mit dem richtigen Tempo auf die Abwehr zugegangen sind.

DFB.de: Zum Abschluss bauten Sie die Startformation noch einmal um. Gegen die Vereinigten Arabischen Emirate gab es einen schwer erkämpftes 3:1. Inwiefern konnten Sie aus diesem Spiel noch einmal neue Erkenntnisse ziehen?

Streichsbier: Prinzipiell ermöglicht es die Reise, Jungs eine Chance auf internationalem Niveau zu geben, die sie sonst vielleicht nicht oder erst später bekommen würden. Deshalb ist dieses Turnier so wertvoll. Die Spielpraxis möglichst gleichmäßig zu verteilen, war der Grund für die personellen Wechsel in Spiel drei. In der Anfangsviertelstunde haben wir es schlau gemacht, den Gegner oft überspielt. Dann haben wir komischerweise, als wir in den Strafraum gezogen sind, das Tempo verschleppt. Das war zu umständlich. Starkregen setzte ein, der Gegner hat gemerkt, dass uns die Konsequenz fehlt und dann war es ein sehr unruhiges Spiel.

DFB.de: In das sich die Mannschaft nach dem Rückstand reingebissen hat.

Streichsbier: Ja, das war gut. Wir haben in der Halbzeit die komplette Offensive gewechselt. Der ein oder andere war nach drei Spielen ein bisschen platt. Die Intensität der zweiten Halbzeit war in Ordnung. Das Gegentor resultiert aus einem Eckball, den wir aufgrund zögerlichen Verteidigens abgeben. Das müssen wir abstellen. In der Eliterunde können Rückstände einem das Leben richtig schwer machen. Umso besser, dass die Jungs drangeblieben sind und dem teilweise rüde spielenden Gegner Paroli geboten haben – spielerisch. Wir haben uns auch von Spuckattacken nicht aus dem Takt bringen lassen. Letztendlich war das ein hochverdienter Sieg.

DFB.de: Wie fällt Ihr sportliches Fazit nach zehn Tagen Israel aus?

Streichsbier: Positiv. Wir konnten neun Spielern ihr Länderspieldebüt ermöglichen. Sie konnten hier neue Erfahrungen mitnehmen. Das war wichtig. Wir haben hier viel mit den Jungs gesprochen, ihnen auch Hinweise gegeben, wo sie sich noch verbessern können. Als Trainerteam haben wir nun einen guten Überblick über den Jahrgang 2004. Im Frühjahr liegt es nun an den Jungs, sich über ihre Vereine für die beiden Maßnahmen im März und im Mai zu empfehlen.

DFB.de: Und außerhalb des Platzes? Mohammed Tolba, Baran Mogultay und Hamza Anhari zeigten sich in ihren Interviews vor allem von Zvi Cohen beeindruckt.

Streichsbier: Zvi Cohen hat es selbst gesagt: Zeitzeugen wie er werden irgendwann aufgrund ihres Alters nicht mehr da sein. Die Jungs nehmen das hoffentlich als ihren "Schatz" mit, dass sie so eine Persönlichkeit live erleben durften. Wenn ein ehemaliger KZ-Häftling darüber berichtet, wie es dort zuging, wie er es in Theresienstadt empfunden hat – davon können die Spieler ihr Leben lang erzählen.

[jf]

Die deutsche U 18-Nationalmannschaft hat das Winterturnier in Israel auf dem zweiten Platz beendet. Nach einer Niederlage gegen den späteren Sieger Russland steigerte sich das Team von DFB-Trainer Guido Streichsbier im weiteren Turnierverlauf und gewann Spiel zwei. Im DFB.de-Interview zieht der Cheftrainer nach zehn Tagen in Herzliya ein geteiltes Fazit.

DFB.de: Herr Streichsbier, Ihr drittes Winterturnier in Israel geht zu Ende. Was glauben Sie, wird Ihnen von der diesjährigen Reise besonders im Gedächtnis bleiben?

Streichsbier: Die Vorzeichen waren schwierig. Aufgrund von Corona und einigen Pokalspielen mussten wir den Kader, für den die 2G-Regel galt, stark verändern. Unser Yad-Vashem-Besuch ist dieses Jahr leider ausgefallen – umso schöner war, dass Zvi Cohen uns hier mit seiner Geschichte beehrt hat. Dass wir in Tel Aviv die Möglichkeit hatten, die Atmosphäre dort am Strand und in der Stadt aufzuschnappen, war auch gut. So haben die Jungs einen Eindruck von dem Land abseits des Hotels und der Stadien bekommen. Wir haben am ersten Abend von Alon Meyer, dem Präsidenten von Makkabi Deutschland, die Info bekommen, welch große Energie hier im Land herrscht. Er hat uns berichtet, wie locker die Leute hier drauf sind. Das hat sich bewahrheitet: Wir wurden beim Spaziergang oft angesprochen (lacht). Das zeigt die Offenheit der Menschen hier. Das waren alles Dinge, die ich mitnehme, die die Jungs mitnehmen.

DFB.de: Sie haben es angesprochen: Normalerweise reist die Mannschaft auch immer nach Jerusalem und besucht zudem die Gedenkstätte Yad Vashem. Das war dieses Mal aufgrund der Pandemie nicht möglich. Wie sehr hat Corona die Reise geprägt?

Streichsbier: Erst mal sind wir froh, dass wir die Reise überhaupt machen konnten. Da war organisatorisch einiges zu bewältigen. Es war klasse, dass wir die Tage hier durchziehen konnten. Was Corona angeht, sind wir es mittlerweile leider gewöhnt, die Maßnahmen mit Maske und Abstand, mit all den Hygienevorschriften, durchzuziehen. Das war der fünfte Lehrgang unter Coronabedingungen. Trotz all dem überwiegt die Freude, dass wir hier her reisen konnten.

DFB.de: Dann kommen wir zum Sportlichen. Im ersten Spiel griff vor allem defensiv noch nicht jedes Rädchen in das andere. Wie beurteilen Sie den Auftritt gegen Russland mit etwas Abstand?

Streichsbier: Kurioserweise muss man beim Betrachten unserer Torchancen sagen, dass deren Qualität im ersten Spiel am höchsten war. Abgesehen davon war es schade, dass uns ein klarer Elfmeter verwehrt blieb, der vielleicht das 2:2 bedeutet hätte. Die Schiedsrichter haben das nach dem Spiel auch eingesehen, dass sie eine Fehlentscheidung getroffen hatten. Im ganzen Turnier haben wir insgesamt vier Gegentore bekommen – sehr viel mehr Chancen haben wir aber auch nicht zugelassen. Bei den vier Gegentreffern muss man klar sagen, dass wir dreimal einfache Fehler machen. Das muss eine Warnung für die Mannschaft sein: Wenn man in der Eliterunde das erste Spiel verliert, ist man schon so gut wie ausgeschieden. Das müssen die Jungs aus dem Russland-Spiel mitnehmen.

DFB.de: Für das Spiel gegen die Gastgeber reiste das Team nach Netanya. Direkt nach der Ankunft zückten viele Spieler erstmal das Handy und filmten – beeindruckt vom Stadion. Nach dem Anpfiff waren die Jungs voll fokussiert und ließen den Israelis kaum eine Chance. Wie nahe kam dieser Auftritt Ihrer Idealvorstellung?

Streichsbier: Wenn man diese Kulisse sieht: 20 Uhr, Flutlichtspiel, gegen den Gastgeber – wenn die Mannschaft da nicht voll motiviert ist, müsste man alles hinterfragen (lacht). Wir haben so gespielt, wie man das in einem künftigen Pflichtspiel machen müsste. Alle Spieler waren bereit, in der Defensive mitzuarbeiten und jede einzelne Szene konzentriert zu Ende zu verteidigen. Das ist der Kern. Die einfachen Fehler, die wir gegen Russland und die Emirate gemacht haben, sind uns gegen Israel nicht passiert. Von daher ist das defensiv die Messlatte. Offensiv waren wir an dem Tag sehr kaltschnäuzig. Da können wir aber auch noch zulegen – trotz fünf Toren.

DFB.de: Darunter waren vier Treffer nach Standards.

Streichsbier: Wobei die Art und Weise, wie wir da in den Strafraum bzw. Richtung Tor gehen, schon sehr gut war. Wenn der Gegner wie beim ersten Elfmeter oder vor dem Freistoß zweimal Foul spielen muss, dann ist das auch ein Zeichen, dass wir mit dem richtigen Tempo auf die Abwehr zugegangen sind.

DFB.de: Zum Abschluss bauten Sie die Startformation noch einmal um. Gegen die Vereinigten Arabischen Emirate gab es einen schwer erkämpftes 3:1. Inwiefern konnten Sie aus diesem Spiel noch einmal neue Erkenntnisse ziehen?

Streichsbier: Prinzipiell ermöglicht es die Reise, Jungs eine Chance auf internationalem Niveau zu geben, die sie sonst vielleicht nicht oder erst später bekommen würden. Deshalb ist dieses Turnier so wertvoll. Die Spielpraxis möglichst gleichmäßig zu verteilen, war der Grund für die personellen Wechsel in Spiel drei. In der Anfangsviertelstunde haben wir es schlau gemacht, den Gegner oft überspielt. Dann haben wir komischerweise, als wir in den Strafraum gezogen sind, das Tempo verschleppt. Das war zu umständlich. Starkregen setzte ein, der Gegner hat gemerkt, dass uns die Konsequenz fehlt und dann war es ein sehr unruhiges Spiel.

DFB.de: In das sich die Mannschaft nach dem Rückstand reingebissen hat.

Streichsbier: Ja, das war gut. Wir haben in der Halbzeit die komplette Offensive gewechselt. Der ein oder andere war nach drei Spielen ein bisschen platt. Die Intensität der zweiten Halbzeit war in Ordnung. Das Gegentor resultiert aus einem Eckball, den wir aufgrund zögerlichen Verteidigens abgeben. Das müssen wir abstellen. In der Eliterunde können Rückstände einem das Leben richtig schwer machen. Umso besser, dass die Jungs drangeblieben sind und dem teilweise rüde spielenden Gegner Paroli geboten haben – spielerisch. Wir haben uns auch von Spuckattacken nicht aus dem Takt bringen lassen. Letztendlich war das ein hochverdienter Sieg.

DFB.de: Wie fällt Ihr sportliches Fazit nach zehn Tagen Israel aus?

Streichsbier: Positiv. Wir konnten neun Spielern ihr Länderspieldebüt ermöglichen. Sie konnten hier neue Erfahrungen mitnehmen. Das war wichtig. Wir haben hier viel mit den Jungs gesprochen, ihnen auch Hinweise gegeben, wo sie sich noch verbessern können. Als Trainerteam haben wir nun einen guten Überblick über den Jahrgang 2004. Im Frühjahr liegt es nun an den Jungs, sich über ihre Vereine für die beiden Maßnahmen im März und im Mai zu empfehlen.

DFB.de: Und außerhalb des Platzes? Mohammed Tolba, Baran Mogultay und Hamza Anhari zeigten sich in ihren Interviews vor allem von Zvi Cohen beeindruckt.

Streichsbier: Zvi Cohen hat es selbst gesagt: Zeitzeugen wie er werden irgendwann aufgrund ihres Alters nicht mehr da sein. Die Jungs nehmen das hoffentlich als ihren "Schatz" mit, dass sie so eine Persönlichkeit live erleben durften. Wenn ein ehemaliger KZ-Häftling darüber berichtet, wie es dort zuging, wie er es in Theresienstadt empfunden hat – davon können die Spieler ihr Leben lang erzählen.

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