Schiedsrichter mit Pfiff: Alt, aber nur dem Namen nach

Als Alt seine Karriere begann gab es noch keine Gelben und Roten Karten, sein erstes Schiedsrichter-Trikot bestand aus einem schwarzen Pullover, die Stollenschuhe waren Überbleibsel seiner unvollendeten Karriere als Spieler. „Wir hatten nicht viel“, sagt Alt. Auch keine Pfeife? Doch, das schon. „Wir konnten ja schlecht auf zwei Fingern pfeifen“, sagt er.

"Mit dem Messer sind sie mal auf mich los"

Schön sei sie gewesen, die erste Partie, sagt Alt. So wie mit wenigen Ausnahmen auch die 7179 Spiele, die bis heute folgen sollten. Was hat er alles erlebt? Triumphe, Debakel, Abstiege, Aufstiege, Entscheidungsspiele, schöne Tore, böse Fouls. Fast immer hat Alt alles im Griff gehabt, fast immer hat er es mit seiner ausgleichenden Art geschafft, erhitzte Gemüter zu beruhigen.

Vor 50 Jahren - und noch heute. Richtig Ärger hatte er also nie? Doch einmal. „Mit dem Messer sind sie mal auf mich los“, erzählt Alt. Und beendet recht bald diese Erzählung. Ein einziger Vorfall soll die Erinnerung nicht trüben.

Viel lieber denkt er an viele kleine Gegebenheiten, die seine größte Bestätigung waren. Wie die Zeichnung, die er vor drei Jahren von Kindern des TSV Diedorf geschenkt bekommen hat. „Nach Ihrer Pfeife tanzen wir am liebsten“, stand darauf in krakeliger Schrift geschrieben.

Stellungsspiel, Routine, Blick für die Situation

Es sind Erlebnisse wie diese, die verhindern, dass sich bei Alt der Gedanke an ein Ende seiner Karriere einschleicht. „Ich mache weiter, so lange es geht und solange ich in der Lage bin, Spiele vernünftig zu leiten“, sagt er. Fit hält er sich mit wöchentlichen Saunagängen und ausgiebigen Fahrradtouren. Zumeist an der Seite seiner Frau Gerda. Immer noch radelt das Ehepaar durchschnittlich 5000 Kilometer im Jahr, sicher kein Rekord, bemerkenswert bestimmt.

So behält Alt auch im Alter seine Kondition, wenn er auch einräumt: „Es gab schon immer Schiedsrichter, die mehr als ich gelaufen sind.“ Doch gelingt es ihm zunehmend und mühelos, dieses Defizit auszugleichen. Mit seinem Stellungsspiel, mit seinem Blick für die Situation, mit all seiner Routine.



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Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff!

Seit 71 Jahren firmiert er unter falscher Flagge. Zwar wächst er langsam in seinen Namen hinein, doch wenn der Name Programm wäre, dann müsste er eigentlich „Junggeblieben“, „Fleiß“ oder „Rekordmann“ heißen. Heißt er aber nicht.

Der Etikettenschwindel hat einen Namen: Gestatten, Artur Alt. Liebender Ehemann, liebender Vater und Großvater. Rüstiger Rentner. Und rastloser Referee. Letzteres seit nunmehr fünf Dekaden, mit Leib und Seele.

1280 Trainings besucht, 120.000 Spiele angesetzt

Alt ist nicht der älteste Schiedsrichter in Deutschland, der jüngste schon gar nicht, möglicherweise ist er auch nicht der der unfehlbarste Unparteiische, eines aber ist er mit großer Sicherheit: der Schiedsrichter, der in der deutschen Geschichte die meisten Fußballspiele geleitet hat. 7180, um genau zu sein.

Über jedes dieser Spiele führt Alt Buch, 115 Seiten sind mittlerweile vollgeschrieben, unzählige Seiten Papier, die stumme Zeugen eines bewegten Schiedsrichter-Lebens sind.

Ein paar Zahlen gefällig? Zehn Jahre hat Alt in der Landesliga gepfiffen, 21 Jahre in der Bezirksliga, 45 Jahre im Männerbereich. 1280-mal hat er an Schiedsrichter-Trainings teilgenommen. 35 Jahre war er als Schiedsrichter-Einteiler tätig, hat dabei die Ansetzungen für 120.000 Spiele vorgenommen. 30 Jahre stand er der Schiedsrichter-Vereinigung Augsburg als stellvertretender Obmann vor.

Ehrung für 7000. Spiel als Schiedsrichter

Ein halbes Leben als Schiedsrichter - bei dem 71-Jährigen beinahe eine Untertreibung. Wenn Alt die Stunden addiert, die er auf dem Fußballplatz verbracht hat, dann summieren sich 14.360 Halbzeiten à 45 Minuten auf über 400 Tage. Mehr als ein Jahr hat er mit der Pfeife in der Hand auf dem Platz verbracht, rund um die Uhr, 24 Stunden, bei Regen und Schnee, in Hitze und Kälte.

Im Februar dieses Jahres wurde er anlässlich seines 7000. Spiels vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV) für dieses Engagement gewürdigt. Von der Schiedsrichter-Vereinigung Augsburg wurde er im Rahmen der Jahreshauptversammlung mit der höchsten Auszeichnung der Gruppe geehrt. Alt bekam die Karl-Riegg-Medaille überreicht, eine Medaille, die für ihn eine ganz besondere und persönliche Bedeutung hat.

„Wir sind stolz, dass wir so einen hervorragenden Schiedsrichter noch immer in unseren Reihen haben“, sagt Obmann Martin Mayer über Alt. Seit 16 Jahren kennen die beiden einander. Mayer schätzt Alt als Schiedsrichter, Kollegen und Menschen gleichermaßen. „Es ist bemerkenswert, wie er sich auch für die Gemeinde einsetzt“, sagt Mayer, „seine soziale Ader hat ihn schon immer ausgezeichnet. Das zeigt sich auch daran, dass er die Schiedsrichter in Augsburg nie hängen gelassen hat.“

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"Riegg war Vorbild und Freund"

Für Alt bedanken kann sich der deutsche Fußball bei einem ehemaligen FIFA-Referee und dessen Vorliebe für Süßspeisen und frisches Backwerk: Karl Riegg. In schöner Regelmäßigkeit war Riegg Kunde in der Bäckerei und Konditorei der Familie Alt, man lernte einander kennen, aus Nachbarn wurden Freunde. Und aus Freunden später Kollegen.

Für Alt war es deswegen besonders emotional, ausgerechnet mit der Karl-Riegg-Medaille geehrt zu werden. „Er war Vorbild und Freund. Und er war es, der mich überredet hat, den Schiedsrichterschein zu machen“, erinnert sich Alt an seine Anfänge in der Schiedsrichter-Zunft.

Schiedsrichterschein seit 1959

Im Jahr 1959 war es soweit, Alt meldete sich zum Anwärterlehrgang und machte den Schein. Sein erster Einsatz musste allerdings noch ein wenig warten, die Bundeswehr verlangte ihr Recht. So begann der lange Weg zum Rekord erst im Sommer 1960. Die erste Partie ist natürlich dokumentiert: TSV 1847 Schwaben Augsburg gegen BC Augsburg, C-Jugend. Besondere Vorkommnisse: keine. Schöne Erinnerungen: viele.

Als Alt seine Karriere begann gab es noch keine Gelben und Roten Karten, sein erstes Schiedsrichter-Trikot bestand aus einem schwarzen Pullover, die Stollenschuhe waren Überbleibsel seiner unvollendeten Karriere als Spieler. „Wir hatten nicht viel“, sagt Alt. Auch keine Pfeife? Doch, das schon. „Wir konnten ja schlecht auf zwei Fingern pfeifen“, sagt er.

"Mit dem Messer sind sie mal auf mich los"

Schön sei sie gewesen, die erste Partie, sagt Alt. So wie mit wenigen Ausnahmen auch die 7179 Spiele, die bis heute folgen sollten. Was hat er alles erlebt? Triumphe, Debakel, Abstiege, Aufstiege, Entscheidungsspiele, schöne Tore, böse Fouls. Fast immer hat Alt alles im Griff gehabt, fast immer hat er es mit seiner ausgleichenden Art geschafft, erhitzte Gemüter zu beruhigen.

Vor 50 Jahren - und noch heute. Richtig Ärger hatte er also nie? Doch einmal. „Mit dem Messer sind sie mal auf mich los“, erzählt Alt. Und beendet recht bald diese Erzählung. Ein einziger Vorfall soll die Erinnerung nicht trüben.

Viel lieber denkt er an viele kleine Gegebenheiten, die seine größte Bestätigung waren. Wie die Zeichnung, die er vor drei Jahren von Kindern des TSV Diedorf geschenkt bekommen hat. „Nach Ihrer Pfeife tanzen wir am liebsten“, stand darauf in krakeliger Schrift geschrieben.

Stellungsspiel, Routine, Blick für die Situation

Es sind Erlebnisse wie diese, die verhindern, dass sich bei Alt der Gedanke an ein Ende seiner Karriere einschleicht. „Ich mache weiter, so lange es geht und solange ich in der Lage bin, Spiele vernünftig zu leiten“, sagt er. Fit hält er sich mit wöchentlichen Saunagängen und ausgiebigen Fahrradtouren. Zumeist an der Seite seiner Frau Gerda. Immer noch radelt das Ehepaar durchschnittlich 5000 Kilometer im Jahr, sicher kein Rekord, bemerkenswert bestimmt.

So behält Alt auch im Alter seine Kondition, wenn er auch einräumt: „Es gab schon immer Schiedsrichter, die mehr als ich gelaufen sind.“ Doch gelingt es ihm zunehmend und mühelos, dieses Defizit auszugleichen. Mit seinem Stellungsspiel, mit seinem Blick für die Situation, mit all seiner Routine.

„Ich habe wirklich alles gesehen und alles erlebt. Mich kann nichts mehr überraschen“, sagt er. Kein Wunder - schließlich verfügt Alt über ein Maß an Erfahrung, wie kein anderer Schiedsrichter in Deutschland.