Schiedsrichter mit Pfiff: Bewachte Regelwächter

Noch immer denkt Peter Sailer gerne an seine Anfänge. Wenn der heute 64-Jährige Fußballspiele leitet, wenn er mitunter den Zorn der Spieler erdulden muss, dann blickt er nicht selten zurück und lässt Milde walten. Er war schließlich früher selbst nicht anders. Ein Heißsporn, der seine Emotionen nicht immer im Griff hatte. Zum Glück für das Schiedsrichterwesen, zum Glück auch für viele Strafgefangene in Deutschland; doch dazu später mehr.

Die Geschichte des Schiedsrichters Peter Sailer beginnt vor 34 Jahren. Sailer war damals Spieler, ein sehr emotioneller, wie gesagt. Mit schöner Regelmäßigkeit ärgerte er sich über die Fehlentscheidungen der Schiedsrichter, ärgerte sich ab und an auch über deren fehlenden Kompetenz. Eine aus seiner Sicht aberwitzige Fehlentscheidung eines Linienrichters hat ihn dann veranlasst, die Seiten zu wechseln. „Ich habe etwas Unfreundliches gesagt, bekam die Rote Karte und habe mich spontan entschieden, selber Schiedsrichter zu werden“, erzählt er. Meckern können schließlich viele, es besser machen nur wenige. Gesagt, getan: Sailer meldete sich im Jahr 1972 zum Schiedsrichter-Lehrgang an und hatte den Schein bald darauf in der Tasche.

Schiedsrichter-Lehrgänge für Strafgefangene

Erfreulich für Sailer, beinahe lebensnotwendig für Alois Iserle. Denn Iserle, so sagt er selbst, wäre heute möglicherweise kein glücklich verheirateter Familienvater, hätte er nicht von einer Idee Sailers profitiert. Die Wege der beiden heutigen Schiedsrichter kreuzen sich im Jahr 1982 in der Justizvollzugsanstalt Niederschönefeld. Sailer arbeitete damals als Vollzugsbeamter, Iserle an einer Karriere als Krimineller. Einigen galt er damals als hoffnungsloser Fall. Wo er konnte hat er als Jugendlicher Ärger gesucht – und gefunden. In zahlreiche Schlägereien war er verwickelt. „Die falschen Freunde“, „Alkohol“, „vielleicht auch Veranlagung“, nennt Iserle als Auslöser für seine Aggressivität. Die üblichen Faktoren eben, die das Abgleiten eines Menschen in die Kriminalität erklären, aber nicht entschuldigen können.

Es kam wie es kommen musste: Verhaftung, Verurteilung, Verzweiflung. Für 49 Monate musste Iserle wegen Körperverletzung hinter Gitter. Das Jahr 1982 war im Rückblick dennoch ein Glücksfall für den heute 45-Jährigen. Denn, wie gesagt, in der JVA Niederschönefeld kreuzten sich die Wege von Iserle und Sailer. „Ich war ungefähr ein Jahr lang im Knast“, erzählt Iserle, „ich war frustriert, hatte wenig Hoffnung auf Besserung.“

Die Wende kam, als er sich zum Schiedsrichter–Lehrgang für Strafgefangene anmeldete. Ein Projekt, das seit mehr als 30 Jahren in den Gefängnissen des Freistaates Bayern Erfolgsgeschichten schreibt. Sein Initiator ist Peter Sailer. Die Idee dazu kam ihm, als er 1973 als junger Vollzugsbeamter seinen Dienst in der JVA Niederschönefeld antrat. Die JVA ist eine Jugendstrafanstalt, mehr noch als ohnehin im Strafvollzug steht hier das Ziel der gesellschaftlichen Wiedereingliederung der Gefangenen im Vordergrund. „Ich habe mich gefragt, wie ich mich persönlich einbringen kann, um den Gefangenen zu helfen“, erzählt Sailer. Die Antwort auf diese Frage erschien im naheliegend: Wer Regeln überwachen lernt, lernt den Sinn von Regeln zu schätzen und diese zu akzeptieren. Schnell fand er Unterstützer für diese Vision, Schiedsrichter-Lehrwart Lothar Heller und Schiedsrichter-Obmann Horst Meissner waren sofort begeistert - fortan wurden für die Insassen der JVA Niederschönefeld Schiedsrichter-Lehrgänge angeboten. In Theorie und Praxis, an zwei Tagen in der Woche.

Beate Merk: "Sich durchsetzen, ohne die Fäuste zu gebrauchen

Auch die Politik spielte mit – und tut dies heute noch immer. Gerne werden die anfallenden Gelder bereit gestellt. „Wer zum Schiedsrichter ausgebildet wird, lernt sich durchzusetzen, ohne dabei die Fäuste zu gebrauchen“, sagt Bayerns Justizministerin Beate Merk. „Er lernt auch, seine Freizeit sinnvoll zu nutzen, statt auf dumme Gedanken zu kommen.“ Durchschnittlich 15 Insassen nehmen das Angebot an, in 36 Jahren hat sich die Anzahl der Schiedsrichter, die ihre Lizenz zum Pfeifen in Gefangenschaft erworben haben, auf eine beträchtliche Anzahl summiert. Alles dank Sailer, der in welcher JVA auch immer er arbeitete, dafür gesorgt hat, dass Schiedsrichter-Lehrgänge für die Insassen angeboten wurden. So war es seit 1991 in der JVA Kaisheim, so ist in der JVA Augsburg, der Sailer seit 2004 als Stellvertretender Leiter vorsteht.



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Noch immer denkt Peter Sailer gerne an seine Anfänge. Wenn der heute 64-Jährige Fußballspiele leitet, wenn er mitunter den Zorn der Spieler erdulden muss, dann blickt er nicht selten zurück und lässt Milde walten. Er war schließlich früher selbst nicht anders. Ein Heißsporn, der seine Emotionen nicht immer im Griff hatte. Zum Glück für das Schiedsrichterwesen, zum Glück auch für viele Strafgefangene in Deutschland; doch dazu später mehr.

Die Geschichte des Schiedsrichters Peter Sailer beginnt vor 34 Jahren. Sailer war damals Spieler, ein sehr emotioneller, wie gesagt. Mit schöner Regelmäßigkeit ärgerte er sich über die Fehlentscheidungen der Schiedsrichter, ärgerte sich ab und an auch über deren fehlenden Kompetenz. Eine aus seiner Sicht aberwitzige Fehlentscheidung eines Linienrichters hat ihn dann veranlasst, die Seiten zu wechseln. „Ich habe etwas Unfreundliches gesagt, bekam die Rote Karte und habe mich spontan entschieden, selber Schiedsrichter zu werden“, erzählt er. Meckern können schließlich viele, es besser machen nur wenige. Gesagt, getan: Sailer meldete sich im Jahr 1972 zum Schiedsrichter-Lehrgang an und hatte den Schein bald darauf in der Tasche.

Schiedsrichter-Lehrgänge für Strafgefangene

Erfreulich für Sailer, beinahe lebensnotwendig für Alois Iserle. Denn Iserle, so sagt er selbst, wäre heute möglicherweise kein glücklich verheirateter Familienvater, hätte er nicht von einer Idee Sailers profitiert. Die Wege der beiden heutigen Schiedsrichter kreuzen sich im Jahr 1982 in der Justizvollzugsanstalt Niederschönefeld. Sailer arbeitete damals als Vollzugsbeamter, Iserle an einer Karriere als Krimineller. Einigen galt er damals als hoffnungsloser Fall. Wo er konnte hat er als Jugendlicher Ärger gesucht – und gefunden. In zahlreiche Schlägereien war er verwickelt. „Die falschen Freunde“, „Alkohol“, „vielleicht auch Veranlagung“, nennt Iserle als Auslöser für seine Aggressivität. Die üblichen Faktoren eben, die das Abgleiten eines Menschen in die Kriminalität erklären, aber nicht entschuldigen können.

Es kam wie es kommen musste: Verhaftung, Verurteilung, Verzweiflung. Für 49 Monate musste Iserle wegen Körperverletzung hinter Gitter. Das Jahr 1982 war im Rückblick dennoch ein Glücksfall für den heute 45-Jährigen. Denn, wie gesagt, in der JVA Niederschönefeld kreuzten sich die Wege von Iserle und Sailer. „Ich war ungefähr ein Jahr lang im Knast“, erzählt Iserle, „ich war frustriert, hatte wenig Hoffnung auf Besserung.“

Die Wende kam, als er sich zum Schiedsrichter–Lehrgang für Strafgefangene anmeldete. Ein Projekt, das seit mehr als 30 Jahren in den Gefängnissen des Freistaates Bayern Erfolgsgeschichten schreibt. Sein Initiator ist Peter Sailer. Die Idee dazu kam ihm, als er 1973 als junger Vollzugsbeamter seinen Dienst in der JVA Niederschönefeld antrat. Die JVA ist eine Jugendstrafanstalt, mehr noch als ohnehin im Strafvollzug steht hier das Ziel der gesellschaftlichen Wiedereingliederung der Gefangenen im Vordergrund. „Ich habe mich gefragt, wie ich mich persönlich einbringen kann, um den Gefangenen zu helfen“, erzählt Sailer. Die Antwort auf diese Frage erschien im naheliegend: Wer Regeln überwachen lernt, lernt den Sinn von Regeln zu schätzen und diese zu akzeptieren. Schnell fand er Unterstützer für diese Vision, Schiedsrichter-Lehrwart Lothar Heller und Schiedsrichter-Obmann Horst Meissner waren sofort begeistert - fortan wurden für die Insassen der JVA Niederschönefeld Schiedsrichter-Lehrgänge angeboten. In Theorie und Praxis, an zwei Tagen in der Woche.

Beate Merk: "Sich durchsetzen, ohne die Fäuste zu gebrauchen

Auch die Politik spielte mit – und tut dies heute noch immer. Gerne werden die anfallenden Gelder bereit gestellt. „Wer zum Schiedsrichter ausgebildet wird, lernt sich durchzusetzen, ohne dabei die Fäuste zu gebrauchen“, sagt Bayerns Justizministerin Beate Merk. „Er lernt auch, seine Freizeit sinnvoll zu nutzen, statt auf dumme Gedanken zu kommen.“ Durchschnittlich 15 Insassen nehmen das Angebot an, in 36 Jahren hat sich die Anzahl der Schiedsrichter, die ihre Lizenz zum Pfeifen in Gefangenschaft erworben haben, auf eine beträchtliche Anzahl summiert. Alles dank Sailer, der in welcher JVA auch immer er arbeitete, dafür gesorgt hat, dass Schiedsrichter-Lehrgänge für die Insassen angeboten wurden. So war es seit 1991 in der JVA Kaisheim, so ist in der JVA Augsburg, der Sailer seit 2004 als Stellvertretender Leiter vorsteht.

Nicht alle seiner Schützlinge sind dem Fußball nach ihrer Entlassung erhalten geblieben, nicht allen hat der Schiedsrichter-Schein bei der Wiedereingliederung geholfen. Doch Sailer kann von vielen Geschichten und Lebensläufen berichten, die einen ähnlichen Verlauf genommen haben, wie die von Alois Iserle. Wenn dieser auch sein Vorzeige „Gefängnis-Schiedsrichter“ ist.

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Viele Faktoren haben dazu geführt. Ein wesentlicher war die Liebe für den Fußball. In seiner Jugend hatte Iserle beim TSV Hollenbach einst einen recht rustikalen Vorstopper gegeben, Fußball war schon immer seine Leidenschaft, nun sah er die Chance, seiner Leidenschaft auch in Gefangenschaft nachgehen zu können. „Mir hat das gleich großen Spaß gemacht“, sagt er und wählt Worte, die genau das beschreiben, was sich Sailer bei der Initiierung des Projekts gedacht hatte. "Ich habe immer Regeln gebrochen, nun sollte ich auf einmal Regeln überwachen, diese Perspektive hat mir die Augen für vieles geöffnet."

Heute ist Iserle stolzer Familienvater, ist glücklich verheiratet und hat sich als Handwerker eine Existenz aufgebaut. "Vieles davon verdanke ich dem Schiedsrichter-Kurs im Gefängnis", sagt Iserle. Nach seiner Entlassung trat er in die örtliche Schiedsrichter-Gruppe ein, hier fand er soziale Anbindung und lernte Verantwortung zu übernehmen. Bis in die Landesliga hat er es zu seinen Hochzeiten gebracht, heute pfeift er noch "fünf bis sechs Spiele" im Monat in den unteren Ligen. "Mir hat das Pfeifen immer Spaß gemacht", sagt Iserle, "ich weiß, was ich der Schiedsrichterei und Peter Sailer zu verdanken habe."

Die Dankbarkeit geht so weit, dass Iserle sporadisch Kontakt zu Sailer gehalten hat. Die SMS zu Sylvester ist inzwischen feste Ritual. "Ich warte jedes Mal richtig darauf", erzählt Sailer. Bisher wurde er von Iserle noch nie enttäuscht.