Amputierten-Fußball: Lange Rückreise nach hartem Aufprall

Seit Christian Heintz vier Jahre alt ist, spielt er Fußball aus Leidenschaft. Als Folge eines schweren Autounfalls vor nun sieben Jahren, damals war er gerade einmal 28 Jahre alt, musste ihm der rechte Unterschenkel amputiert werden. Für ihn bedeutete der Schicksalsschlag das Ende im Fußball. So dachte er jedenfalls. Zwei Tage nach der Amputation besuchten ihn seine Eltern. Jedoch nicht mit leeren Händen. Sie brachten einen Flyer mit, der im Ludwigshafener Krankenhaus auslag. Für den jungen Patienten brachten sie vor allem eins mit: Hoffnung. Christian Heintz war ziemlich schnell klar: das könnte sein Rückreiseticket ins Land des Fußballs sein.

Am Abend des 21. Februar 2010 ereignete sich auf einer Landstraße in der Eifel der tragische Unfall. Bei Minustemperaturen fuhr er zu schnell in eine Linkskurve, kam von der Straße ab und prallte mit voller Wucht gegen einen Baum. Ein vorbeifahrender Autofahrer fand den Verletzten nach etwa 15 Minuten und konnte so Schlimmeres verhindern. Er wurde ins Krankenhaus Trier eingeliefert. Der Kampf um sein Leben begann. Denn die Diagnose war erschreckend. Beide Arme und beide Beine waren gebrochen. Das rechte Bein wurde nur noch von Hautfetzen zusammen gehalten. Der rechte Lungenflügel war eingefallen. Man versetzte ihn in ein künstliches Koma, die Ärzte berechneten seine Überlebenschance bei zehn Prozent.

Während des Komas gelang es den Ärzten, alle Brüche zu richten, doch sein rechtes Bein bereitete den behandelnden Ärzten Probleme. Die keimbefallene Wadenmuskulatur musste entfernt werden und nachdem er aus dem Koma aufgeweckt wurde, stellte er fest, dass er auch in seinem Fuß keinerlei Gefühl mehr hatte. Es folgten Tests und Untersuchungen, dann noch mehr Test und Untersuchungen. Sein Bein hätte er behalten können, jedoch nur noch als "biologische Stelze", denn das Knie hätte versteift werden müssen. Nun stand er vor der wohl schwersten Entscheidung seines Lebens. Er dachte nach, grübelte, entschied sich und verwarf den Entschluss. Zehn Tage lang. Nach einem Besuch in der Prothesenwerkstatt, die im Krankenhaus integriert war, entschied sich der damals 28-Jährige für die Amputation seines rechten Unterschenkels. Diese wurde genau in der Kniemitte vorgenommen. Mehr als drei Monate hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits in der Klinik verbracht.

Seit 2015 Kapitän der Nationalmannschaft

Nur zwei Jahre später spielte er dann Amputierten-Fußball, wie sich sein neuer Sport nannte. Selbstironisch sieht Heintz das Glück im Unglück: "Ich war früher schon immer Linksfuß, mit dem rechte Bein konnte ich ohnehin nie viel anfangen", sagt er tapfer. Seit 2015 ist der heute 33-Jährige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. In ganz Deutschland gibt es nur drei Vereine: Sportfreunde Braunschweig, "Team Anpfiff ins Leben" aus Hoffenheim und die SpVgg 07 Ludwigsburg. Die Auswahl für das Nationalteam ist daher begrenzt, obwohl durchaus Potenzial vorhanden wäre. Hier zu Lande leben mehr als 260.000 Menschen, denen eine Gliedmaße amputiert werden musste.

Es sei ein Irrglaube, man müsse Profi auf zwei Beinen gewesen sein, um dann beim Amputierten-Fußball mitspielen zu können. Jeder sei eingeladen, wirbt Heintz. Jeder könne vorbeischauen und dann zeigen, was er kann. Dabei ist vor allem Mut gefragt. Doch es gibt auch Situationen, die den Kapitän veranlassen, Eigeninitiative zu ergreifen. Am 24. Mai dieses Jahres verletzte sich der 23-jährige Stefan Schmidt während eines Fußballspiels in der Kreisliga so schlimm, dass auch ihm der rechte Unterschenkel amputiert werden musste. Heintz besuchte den Patienten in Winterberg um ihm zu zeigen, dass das für ihn nicht das Ende ist. "Es ist wichtig, gerade den Menschen, die den Glauben verloren haben, zu zeigen, dass es eben doch weiter gehen kann". So wie es seine Eltern vor sieben Jahren für ihn taten.

Spieler reisen aus ganz Deutschland an

Das Alter und die Geschichte spielen dabei keine Rolle. Denn im Endeffekt geht es nur ums eins: Fußball. Die Feldspieler beim Amputierten-Fußball haben ein Bein amputiert, während der Torwart mit nur einem Arm spielt. Gründe für die Amputationen sind Auto- und Motorradunfälle oder Tumorerkrankungen. Einige Spieler der Mannschaft, die zwischen 20 und 56 Jahre alt sind, leben mit dem Handicap schon seit ihrer Kindheit. Der Trainer, Klaus Bender, ist zufällig auf die amputierten Kicker aufmerksam geworden. Er war so begeistert, dass der B-Lizenz-Coach die Mannschaft übernahm. Ein Wochenende im Monat trifft man sich in Hoffenheim zum Training. Die Spieler reisen aus ganz Deutschland an, da die Gegebenheiten dort nahezu perfekt sind. "Dazwischen ist Selbstverantwortung gefragt", lächelt Heintz. Er hält sich zwei Mal die Woche bei einem Verein in seiner Nähe fit. Um an seiner Kraft und Kondition zu arbeiten, die für diesen Sport elementar wichtig sind, geht er wöchentlich fünf Kilometer auf Krücken joggen. 45 Minuten braucht er für die Strecke, eine unglaubliche Leistung.

Ganz so einfach ist es allerdings nicht, denn das Stoppen oder gar die Weitergabe mit den Krücken, wird als Handspiel gewertet. Außerdem darf der Torwart den Strafraum nicht verlassen. Die von Heintz angeführte Mannschaft besteht zwar aus elf Spielern, jedoch stehen immer nur sechs Feldspieler und ein Torwart auf dem Platz. Dementsprechend spielt man auf dem Kleinfeld und auch das Tor ist etwas kleiner als gewohnt. Auswechslungen sind aus gesundheitlichen Gründen nicht auf drei begrenzt. Die Spielzeit beläuft sich auf zwei Mal 25 Minuten, mit zehn minütiger Unterbrechung.



Seit Christian Heintz vier Jahre alt ist, spielt er Fußball aus Leidenschaft. Als Folge eines schweren Autounfalls vor nun sieben Jahren, damals war er gerade einmal 28 Jahre alt, musste ihm der rechte Unterschenkel amputiert werden. Für ihn bedeutete der Schicksalsschlag das Ende im Fußball. So dachte er jedenfalls. Zwei Tage nach der Amputation besuchten ihn seine Eltern. Jedoch nicht mit leeren Händen. Sie brachten einen Flyer mit, der im Ludwigshafener Krankenhaus auslag. Für den jungen Patienten brachten sie vor allem eins mit: Hoffnung. Christian Heintz war ziemlich schnell klar: das könnte sein Rückreiseticket ins Land des Fußballs sein.

Am Abend des 21. Februar 2010 ereignete sich auf einer Landstraße in der Eifel der tragische Unfall. Bei Minustemperaturen fuhr er zu schnell in eine Linkskurve, kam von der Straße ab und prallte mit voller Wucht gegen einen Baum. Ein vorbeifahrender Autofahrer fand den Verletzten nach etwa 15 Minuten und konnte so Schlimmeres verhindern. Er wurde ins Krankenhaus Trier eingeliefert. Der Kampf um sein Leben begann. Denn die Diagnose war erschreckend. Beide Arme und beide Beine waren gebrochen. Das rechte Bein wurde nur noch von Hautfetzen zusammen gehalten. Der rechte Lungenflügel war eingefallen. Man versetzte ihn in ein künstliches Koma, die Ärzte berechneten seine Überlebenschance bei zehn Prozent.

Während des Komas gelang es den Ärzten, alle Brüche zu richten, doch sein rechtes Bein bereitete den behandelnden Ärzten Probleme. Die keimbefallene Wadenmuskulatur musste entfernt werden und nachdem er aus dem Koma aufgeweckt wurde, stellte er fest, dass er auch in seinem Fuß keinerlei Gefühl mehr hatte. Es folgten Tests und Untersuchungen, dann noch mehr Test und Untersuchungen. Sein Bein hätte er behalten können, jedoch nur noch als "biologische Stelze", denn das Knie hätte versteift werden müssen. Nun stand er vor der wohl schwersten Entscheidung seines Lebens. Er dachte nach, grübelte, entschied sich und verwarf den Entschluss. Zehn Tage lang. Nach einem Besuch in der Prothesenwerkstatt, die im Krankenhaus integriert war, entschied sich der damals 28-Jährige für die Amputation seines rechten Unterschenkels. Diese wurde genau in der Kniemitte vorgenommen. Mehr als drei Monate hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits in der Klinik verbracht.

Seit 2015 Kapitän der Nationalmannschaft

Nur zwei Jahre später spielte er dann Amputierten-Fußball, wie sich sein neuer Sport nannte. Selbstironisch sieht Heintz das Glück im Unglück: "Ich war früher schon immer Linksfuß, mit dem rechte Bein konnte ich ohnehin nie viel anfangen", sagt er tapfer. Seit 2015 ist der heute 33-Jährige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. In ganz Deutschland gibt es nur drei Vereine: Sportfreunde Braunschweig, "Team Anpfiff ins Leben" aus Hoffenheim und die SpVgg 07 Ludwigsburg. Die Auswahl für das Nationalteam ist daher begrenzt, obwohl durchaus Potenzial vorhanden wäre. Hier zu Lande leben mehr als 260.000 Menschen, denen eine Gliedmaße amputiert werden musste.

Es sei ein Irrglaube, man müsse Profi auf zwei Beinen gewesen sein, um dann beim Amputierten-Fußball mitspielen zu können. Jeder sei eingeladen, wirbt Heintz. Jeder könne vorbeischauen und dann zeigen, was er kann. Dabei ist vor allem Mut gefragt. Doch es gibt auch Situationen, die den Kapitän veranlassen, Eigeninitiative zu ergreifen. Am 24. Mai dieses Jahres verletzte sich der 23-jährige Stefan Schmidt während eines Fußballspiels in der Kreisliga so schlimm, dass auch ihm der rechte Unterschenkel amputiert werden musste. Heintz besuchte den Patienten in Winterberg um ihm zu zeigen, dass das für ihn nicht das Ende ist. "Es ist wichtig, gerade den Menschen, die den Glauben verloren haben, zu zeigen, dass es eben doch weiter gehen kann". So wie es seine Eltern vor sieben Jahren für ihn taten.

Spieler reisen aus ganz Deutschland an

Das Alter und die Geschichte spielen dabei keine Rolle. Denn im Endeffekt geht es nur ums eins: Fußball. Die Feldspieler beim Amputierten-Fußball haben ein Bein amputiert, während der Torwart mit nur einem Arm spielt. Gründe für die Amputationen sind Auto- und Motorradunfälle oder Tumorerkrankungen. Einige Spieler der Mannschaft, die zwischen 20 und 56 Jahre alt sind, leben mit dem Handicap schon seit ihrer Kindheit. Der Trainer, Klaus Bender, ist zufällig auf die amputierten Kicker aufmerksam geworden. Er war so begeistert, dass der B-Lizenz-Coach die Mannschaft übernahm. Ein Wochenende im Monat trifft man sich in Hoffenheim zum Training. Die Spieler reisen aus ganz Deutschland an, da die Gegebenheiten dort nahezu perfekt sind. "Dazwischen ist Selbstverantwortung gefragt", lächelt Heintz. Er hält sich zwei Mal die Woche bei einem Verein in seiner Nähe fit. Um an seiner Kraft und Kondition zu arbeiten, die für diesen Sport elementar wichtig sind, geht er wöchentlich fünf Kilometer auf Krücken joggen. 45 Minuten braucht er für die Strecke, eine unglaubliche Leistung.

Ganz so einfach ist es allerdings nicht, denn das Stoppen oder gar die Weitergabe mit den Krücken, wird als Handspiel gewertet. Außerdem darf der Torwart den Strafraum nicht verlassen. Die von Heintz angeführte Mannschaft besteht zwar aus elf Spielern, jedoch stehen immer nur sechs Feldspieler und ein Torwart auf dem Platz. Dementsprechend spielt man auf dem Kleinfeld und auch das Tor ist etwas kleiner als gewohnt. Auswechslungen sind aus gesundheitlichen Gründen nicht auf drei begrenzt. Die Spielzeit beläuft sich auf zwei Mal 25 Minuten, mit zehn minütiger Unterbrechung.

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Mit EM-Platz acht das WM-Ticket gelöst

Und diese Zeit nutzen die Bender-Männer sehr intensiv. Sie waren im Oktober bei der Europameisterschaft in der Türkei zu Gast. Im letzten Spiel der Platzierungsrunde traf die deutsche Nationalmannschaft der amputierten Fußballer auf Georgien. Kein unbekannter Gegner, denn bereits in der Gruppenphase waren sich beide Teams begegnet. Während man sich dort noch 1:1 trennte, zeigte sich das deutsche Team bei der Neuauflage entschlossener. Und vor allem treffsicherer. Nach den Toren von Florian Fischer, Lars Wurst und Kapitän Heintz ging es mit einer 3:1-Führung in die Pause.

Marco Reinecke erhöhte auf 4:1, ehe in der 37. Spielminute Heintz mit einem erneuten Treffer zum 5:1 alles klarmachte. Zwei Minuten vor Spielende traf Georgien dann noch zum 5:2-Endstand, wobei der deutsche Sieg zu keiner Zeit ernsthaft gefährdet war.

40.000 Fans beim EM-Finale

Damit belegte Deutschland den achten Platz der Europameisterschaft. Dieser sichert ihnen nun die Teilnahme an der Weltmeisterschaft im Juni 2018 in Mexiko. Für Heintz war schon die EM in der Türkei ein einmaliges Erlebnis, das Turnier sei perfekt und professionell organisiert gewesen. Sein persönlicher Gänsehautmoment war das Finale. In einem packenden Spiel besiegte der Gastgeber das Team aus England mit 2:1.  40.000 Fans verfolgten das Finale im Vodafone Park von Besiktas Istanbul, damit war das Stadion fast bis unters Dach gefüllt. "Eine absolut unvergessliche Atmosphäre", erinnert sich Heintz.

Aus der Türkei nimmt der Kapitän wichtige Erkenntnisse mit nach Hause. "Ich habe gesehen, dass andere Länder im Amputierten-Fußball schon viel weiter sind als wir". Wirklich neu ist diese Sportart nämlich nicht. Seit mehr als 25 Jahren wird in Russland und Brasilien bereits Amputierten-Fußball gespielt. Der diesjährige Europameister stellt sogar zwei Profiligen. Christian Heintz selbst sieht sich als "Pionier", der den Sport in Deutschland vorantreiben möchte. Bis zum Jahresende möchte sich der DAF nun beraten, ob eine Teilnahme an der WM 2018 überhaupt sinnvoll erscheint.

Unterstützung durch die DFB-Stiftung Sepp Herberger

Ihm persönlich scheint es aber wichtiger, seinen Sport an der Basis zugänglicher und nahbarer zu machen. Unterstützt wird der 33-Jährige, der mit Herzblut voran geht, auch von der DFB-Stiftung Sepp Herberger, die ihm dabei den Rücken stärke. Die Stiftung finanziert sich vor allem aus Zuwendungen des DFB, der Handicap-Fußball gehört zu den Säulen der Fördertätigkeit. Auch künftig möchte Deutschlands älteste Fußballstiftung mithelfen, den Amputiertenfußball in Deutschland weiter zu fördern.

Auf Unterstützung könnte sich die Mannschaft also in jedem Fall verlassen. Darüber hinaus verfolgt Heintz aber noch ein anderes großes Ziel. Er will daran mitwirken, dass der Fußball der Amputierten bei den Paralympics als Disziplin anerkannt wird. Dafür, dass er 2010 dachte, er müsse dem Sport für immer den Rücken kehren, spielt der Koblenzer immer noch jede Menge Fußball. Wer weiß, vielleicht auch noch 2024 bei den Paralympics in Paris.

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