"Fußball ist ein Werkzeug, das Brücken baut"

Norbert Kron ist eines der Urgesteine der deutschen Autorennationalmannschaft (Autonama). Der 50-Jährige lebt seit 1992 in Berlin und arbeitet dort als Fernsehjournalist und Schriftsteller. Sein besonderes Interesse gilt dem Verhältnis von Deutschen und Israelis. In diesem Jahr jährt sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen der beiden Länder zum 50. Mal. Zusammen mit dem israelischen Autor Amichai Shalev hat Kron zu diesem Anlass die Anthologie "Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen" auf Deutsch und Hebräisch herausgegeben.

In dem Buch schreiben 19 Autoren aus Deutschland und Israel über die Erfahrungen mit Menschen aus der jeweils anderen Nation. Im Rahmen eines zweitägigen Symposiums spielt ein deutsch-israelisches Autorenteam am heutigen Montag in Berlin-Neukölln mit Schülern und Lehrern des Ernst-Abbe-Gymnasiums Fußball. Im Interview mit DFB.de sprechen Kron und Shalev über ihr Buch, die verbindende Kraft des Fußballs und die besondere Beziehung ihrer Länder.

DFB.de: Sie haben sich 2008 bei einem Spiel der Autonama in Berlin kennengelernt. Daraus hat sich in den folgenden Jahren nicht nur eine enge Freundschaft, sondern auch das Buch "Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen" entwickelt. Wie kam es zu der Idee für das Projekt?

Norbert Kron: 2008 haben wir erst in Berlin und dann in Israel gegeneinander gespielt. Es sind schnell freundschaftliche Verbindungen entstanden und man legt die deutsche Verunsicherung, mit der man nach Israel fährt, sehr schnell ab. Mich hat diese Lässigkeit im Umgang miteinander beeindruckt. Das heißt nicht, dass man vergisst, was war. Es unterscheidet sich aber enorm von dem diplomatischen Parkettauftreten der Politik, wo es eigentlich immer um den Holocaust oder den Nahostkonflikt geht. So entstand dann vor eineinhalb Jahren die Idee und bei Amichai habe ich damit offene Türen eingerannt.

Amichai Shalev: Nach dem Spiel haben sich tolle Sachen entwickelt. Freundschaften sind entstanden, wir haben diese Anthologie veröffentlicht und wer weiß, was noch alles passiert. Durch unsere Besuche und den engen Kontakt sehe ich die Deutschen, wie sie sind, ganz ohne Stereotype. Aus diesem Grund war uns das Buch und die Veranstaltung in Berlin sehr wichtig.

DFB.de: Da hat die integrative Kraft des Fußballs ja wieder ganze Arbeit geleistet.

Kron: Ja, das stimmt. Fußball ist ein Werkzeug, das Brücken baut. 22 mittelalte Männer, die einem Ball hinterherjagen wie Kinder. Das ist doch herrlich. Diese Reisen zu den Spielen der Autonama haben uns Türen geöffnet und neue Einblicke vermittelt.

Shalev: Der Fußball hat eine große Kraft, Menschen zusammenzubringen. Abgesehen von unserer persönlichen Geschichte ist er wichtig für die Integration von Migranten, Menschen verschiedener Kulturen und Religionen. Natürlich gibt es im Fußball auch Probleme wie Rassismus oder Gewalt, die positiven Effekte überwiegen meiner Meinung nach aber deutlich.

DFB.de: Das heutige Spiel findet mitten in Berlin-Neukölln, einem Bezirk mit einem hohen Anteil an Muslimen statt. War das eine bewusste Entscheidung?

Kron: Auf jeden Fall. Ich wollte nicht in eine Schule im gutbürgerlichen Charlottenburg gehen, das wäre wie Eulen nach Athen zu tragen. Wir wollen, dass diese Jugendlichen sich einen eigenen Eindruck verschaffen und gedanklich rauskommen aus den Medienbildern. Viele von ihnen haben sich wahrscheinlich noch nie mit einem Israeli oder einem Juden unterhalten. Deshalb gehen wir nach dem Spiel auch in die Klassen und wollen dort offen mit den Schülern reden. Hoffentlich entwickelt sich dabei eine lebhafte Diskussion und vielleicht schaffen wir es ja, ein paar Vorurteile abzubauen.

Shalev: Ich freue mich schon richtig darauf. Ich glaube, dass solche Projekte weit mehr zur Völkerverständigung beitragen als die Diplomatie. In Israel kommen Juden und Muslime eigentlich kaum in Kontakt, daher ist es für mich auch etwas ganz Besonderes.

DFB.de: Bei der ganzen Begeisterung hätten Sie ihr Buch eigentlich "Wir vergessen nicht, wir spielen Fußball" nennen können.

Kron: Das ist gar keine schlechte Idee. Das Motto lässt sich auf viele Bereiche des Lebens ausweiten. Uns war es allerdings wichtig, dass wir kein Fußballbuch machen. Da ist man recht eingeschränkt und wir hatten zuvor schon zwei veröffentlicht. Eine Geschichte von Moritz Rinke in der Anthologie beschäftigt sich aber mit Fußball und der Schwierigkeit, ein Spiel zwischen israelischen und türkischen Autoren zu organisieren.

DFB.de: In den vergangenen Jahren sind viele junge Israelis nach Berlin gezogen. Wie hat sich das Image der Stadt und Deutschlands in Israel verändert?

Shalev: Berlin ist eine sehr internationale Stadt und hierherzuziehen ist ein Trend geworden. Das Leben in Berlin ist günstiger und man hat eine Menge Möglichkeiten. Ich denke nicht, dass junge Isrealis Deutschland aufgrund der Geschichte für ein gefährliches Land halten. Die dritte Generation nach dem Krieg ist deutlich weniger emotional und schaut eher in die Zukunft als in die Vergangenheit.

[jul]

Norbert Kron ist eines der Urgesteine der deutschen Autorennationalmannschaft (Autonama). Der 50-Jährige lebt seit 1992 in Berlin und arbeitet dort als Fernsehjournalist und Schriftsteller. Sein besonderes Interesse gilt dem Verhältnis von Deutschen und Israelis. In diesem Jahr jährt sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen der beiden Länder zum 50. Mal. Zusammen mit dem israelischen Autor Amichai Shalev hat Kron zu diesem Anlass die Anthologie "Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen" auf Deutsch und Hebräisch herausgegeben.

In dem Buch schreiben 19 Autoren aus Deutschland und Israel über die Erfahrungen mit Menschen aus der jeweils anderen Nation. Im Rahmen eines zweitägigen Symposiums spielt ein deutsch-israelisches Autorenteam am heutigen Montag in Berlin-Neukölln mit Schülern und Lehrern des Ernst-Abbe-Gymnasiums Fußball. Im Interview mit DFB.de sprechen Kron und Shalev über ihr Buch, die verbindende Kraft des Fußballs und die besondere Beziehung ihrer Länder.

DFB.de: Sie haben sich 2008 bei einem Spiel der Autonama in Berlin kennengelernt. Daraus hat sich in den folgenden Jahren nicht nur eine enge Freundschaft, sondern auch das Buch "Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen" entwickelt. Wie kam es zu der Idee für das Projekt?

Norbert Kron: 2008 haben wir erst in Berlin und dann in Israel gegeneinander gespielt. Es sind schnell freundschaftliche Verbindungen entstanden und man legt die deutsche Verunsicherung, mit der man nach Israel fährt, sehr schnell ab. Mich hat diese Lässigkeit im Umgang miteinander beeindruckt. Das heißt nicht, dass man vergisst, was war. Es unterscheidet sich aber enorm von dem diplomatischen Parkettauftreten der Politik, wo es eigentlich immer um den Holocaust oder den Nahostkonflikt geht. So entstand dann vor eineinhalb Jahren die Idee und bei Amichai habe ich damit offene Türen eingerannt.

Amichai Shalev: Nach dem Spiel haben sich tolle Sachen entwickelt. Freundschaften sind entstanden, wir haben diese Anthologie veröffentlicht und wer weiß, was noch alles passiert. Durch unsere Besuche und den engen Kontakt sehe ich die Deutschen, wie sie sind, ganz ohne Stereotype. Aus diesem Grund war uns das Buch und die Veranstaltung in Berlin sehr wichtig.

DFB.de: Da hat die integrative Kraft des Fußballs ja wieder ganze Arbeit geleistet.

Kron: Ja, das stimmt. Fußball ist ein Werkzeug, das Brücken baut. 22 mittelalte Männer, die einem Ball hinterherjagen wie Kinder. Das ist doch herrlich. Diese Reisen zu den Spielen der Autonama haben uns Türen geöffnet und neue Einblicke vermittelt.

Shalev: Der Fußball hat eine große Kraft, Menschen zusammenzubringen. Abgesehen von unserer persönlichen Geschichte ist er wichtig für die Integration von Migranten, Menschen verschiedener Kulturen und Religionen. Natürlich gibt es im Fußball auch Probleme wie Rassismus oder Gewalt, die positiven Effekte überwiegen meiner Meinung nach aber deutlich.

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DFB.de: Das heutige Spiel findet mitten in Berlin-Neukölln, einem Bezirk mit einem hohen Anteil an Muslimen statt. War das eine bewusste Entscheidung?

Kron: Auf jeden Fall. Ich wollte nicht in eine Schule im gutbürgerlichen Charlottenburg gehen, das wäre wie Eulen nach Athen zu tragen. Wir wollen, dass diese Jugendlichen sich einen eigenen Eindruck verschaffen und gedanklich rauskommen aus den Medienbildern. Viele von ihnen haben sich wahrscheinlich noch nie mit einem Israeli oder einem Juden unterhalten. Deshalb gehen wir nach dem Spiel auch in die Klassen und wollen dort offen mit den Schülern reden. Hoffentlich entwickelt sich dabei eine lebhafte Diskussion und vielleicht schaffen wir es ja, ein paar Vorurteile abzubauen.

Shalev: Ich freue mich schon richtig darauf. Ich glaube, dass solche Projekte weit mehr zur Völkerverständigung beitragen als die Diplomatie. In Israel kommen Juden und Muslime eigentlich kaum in Kontakt, daher ist es für mich auch etwas ganz Besonderes.

DFB.de: Bei der ganzen Begeisterung hätten Sie ihr Buch eigentlich "Wir vergessen nicht, wir spielen Fußball" nennen können.

Kron: Das ist gar keine schlechte Idee. Das Motto lässt sich auf viele Bereiche des Lebens ausweiten. Uns war es allerdings wichtig, dass wir kein Fußballbuch machen. Da ist man recht eingeschränkt und wir hatten zuvor schon zwei veröffentlicht. Eine Geschichte von Moritz Rinke in der Anthologie beschäftigt sich aber mit Fußball und der Schwierigkeit, ein Spiel zwischen israelischen und türkischen Autoren zu organisieren.

DFB.de: In den vergangenen Jahren sind viele junge Israelis nach Berlin gezogen. Wie hat sich das Image der Stadt und Deutschlands in Israel verändert?

Shalev: Berlin ist eine sehr internationale Stadt und hierherzuziehen ist ein Trend geworden. Das Leben in Berlin ist günstiger und man hat eine Menge Möglichkeiten. Ich denke nicht, dass junge Isrealis Deutschland aufgrund der Geschichte für ein gefährliches Land halten. Die dritte Generation nach dem Krieg ist deutlich weniger emotional und schaut eher in die Zukunft als in die Vergangenheit.