Eva Herbergers Tod jährt sich zum 30. Mal

Viele Erinnerungen hat Michael Herberger (48) nicht an seine Urgroßtante, die für ihn "die alte Frau mit der Schürze in der Küche war", in deren Haus es "immer picobello sauber" war. Und so war auch das öffentliche Bild von Eva Herberger. Die treue Frau im Hintergrund des Weltmeister-Trainers Sepp Herberger verkörperte das Ideal des Familienbilds in der deutschen Nachkriegsgesellschaft.

Sepp Herberger hat einmal gesagt: "Wenn es stimmt, dass bei einer glücklichen Ehe der Mann draußen und die Frau im Hause zu sagen hat, dann führen wir seit 40 Jahren eine Musterehe." Die erst der Tod schied, durch seinen Tod am 28. April 1977. Eva, die von ihrem Mann nur "Ev" genannt wurde, lebte noch bis 1989 und starb heute vor 30 Jahren im Weinheimer Stadtteil Hohensachsen, an der Bergstraße gelegen. Damit wurde die Sepp-Herberger-Stiftung Alleinerbin der Eheleute, denn das Paar hatte keine Kinder. So viel ist allgemein bekannt.

Wer aber war die Frau an der Seite des Mannes, der das Wunder von Bern möglich machte? Für DFB.de geht Udo Muras auf Spurensuche.

Eva Herberger wird am 11. Dezember 1896 in Weinheim als eheliches Kind von Jakob und Anna Christina Müller geboren. Weil es nicht nur einen Jakob Müller in Weinheim gibt, wird ihm, wie damals üblich, eine römische Ziffer an den Namen gehängt. So ist ihr Vater für die Behörden Jakob III Müller.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1896 wird Eva getauft, die Familie ist evangelisch. Sie hat einen Bruder und eine Schwester. Über Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Sie macht eine zweijährige Lehre als Weißnäherin, ein heute ausgestorbener Beruf, der Ende des 19. Jahrhunderts noch seine Berechtigung hatte.

Heirat am 30. April 1921 in Weinheim

Damals wurde eine Frau, die den Bund der Ehe schloss, noch mit einer üppigen Aussteuer ausgestattet. Hierbei handelte es sich in erster Linie um Bettwäsche, Handtücher, Tischdecken und derartiges. Da die Aussteuer meist aus weißen Stoffen bestand, wurde sie auch allgemein als Weißwäsche bezeichnet. Wurden Laken, Tischtücher und Co. vor der Hochzeit genäht, gönnten sich manche Familien den Luxus und bestellten eine Weißnäherin. Diese half dann den Frauen beim Zurechtmachen der Aussteuer.

Ihren Seppl hat sie 1920 auf dem Platz von Waldhof Mannheim kennengelernt. Gesehen haben sie sich aber auch öfter im Lebensmittelladen im Waldhof. Nebenan wohnt Herbergers Bruder Johann, sie arbeitet im Laden und soll ihm immer mal was zugesteckt haben. Näheres verschweigt des Musikers Höflichkeit, aber warum sollte der angehende Nationalspieler des SVW nicht auch weibliche Bewunderer gehabt haben? Jedenfalls wird schon am 30. April 1921 in Weinheim geheiratet. Herbergers Verwandtschaft ist nicht begeistert, da seine Familie katholisch ist. Aber dass in Weinheim Pferdefleisch auf dem Festmenü steht, schmeckt Vertretern beider christlicher Konfessionen.

"Geld zurück. Der gute Geist hieß Ev"

Zweimal wird die Hochzeit übrigens verschoben, weil ein Fußballspiel dazwischen kommt. Und die Hochzeitsreise verbringen die Herbergers im Kreise der Waldhof-Mannschaft, die damals eine Schweiz-Reise macht und nicht auf ihren Stürmerstar verzichten will. Und er nicht auf sie. Es ist ein erster Vorgeschmack auf ein Leben in ewiger Rivalität zu Sepp Herbergers zweiter großer Liebe: dem Fußball.

Der bringt Herberger 1925 in große Schwierigkeiten. Er nimmt ein horrendes Handgeld (10.000 Mark) von Phönix Mannheim für einen Wechsel an und verstößt damit gegen das Berufsspielerverbot. Andere Spielerfrauen würden es begrüßt haben, Eva jedoch überredet ihn zur Rückzahlung. Herberger notiert: "Geld zurück. Der gute Geist hieß Ev." Zeit Lebens versteht sie es, das Geld zusammen zu halten, war nach eigener Aussage "vom alten Schlag" und damit sparsam. Ein Vorzug, der ihr auch nach dem ersten Umzug im August 1926 nach Berlin, wo ihr Seppl eine Anstellung als Trainerausbilder findet und für TeBe Berlin spielt, zum Vorteil gereicht.

"Ich hab' immer alles gern getan"

Zwar will sie zunächst nicht ins Sündenbabel des Reiches, das in den Golden Zwanziger besonders sündhaft ist. "Berlin? Ich bin die Ev vom Lande, aus Weinheim, was soll ich da?", wird sie in Jürgen Leinemanns Herberger-Biographie zitiert. Aber sie kommt mit und sie kommt klar, mit 19 Mark Haushaltsgeld in der Woche, denn "die Ev wusste schon, wo das Salz um einen Pfennig billiger war", lobte sie der "Chef". Sie ist nun, fern von Eltern und Familie, viel allein, Kinder haben sie ja auch nicht.

Aber sie beklagt sich nie, können wir den Hinweisen glauben. "Ich hab' immer alles gern getan und mich mitgefreut über die schönen Erfolge", sagt sie 1969. Mit den Erfolgen dauert es noch ein bisschen. 1932 wird ihr Mann also nach Duisburg versetzt, zum Westdeutschen Fußballverband und natürlich kommt sie mit. Neue Anschrift ab 1. August 1932: Kleiststraße 43 im Stadtteil Hamborn. Über diese Jahre ist auch nur wenig aus ihrem Leben bekannt. Da ihr Mann damals aber keine Mannschaft betreute, darf man annehmen, dass sie etwas mehr Zeit füreinander hatten.

"Ev ist ein Prachtkerl"

Im Mai 1937 aber ging es wieder nach Berlin, denn nun war Sepp Reichstrainer. Sie wohnen in Schöneberg, Bülowstraße 89, in der Nähe des Olympiastadions. Das heißt, sie wohnt dort, er kommt zuweilen zu Besuch. Leinemann schreibt, dass der Reichstrainer in jenen Tagen "Wohnung und Frau nur noch auf der Durchreise erlebte". Sepp notiert dankbar: "Ev ist ein Prachtkerl." Und nimmt sie 1939 mit nach Wien, wo er Spieler sichtet. Zu einem Spiel nimmt er sie nie mit und sie hat auch nie mitgewollt. Ein Bankangestellter nehme seine Frau ja auch nicht mit zur Sparkasse, hat sie mal gesagt.

Dann kommt der Krieg, im Herbst 1943 fallen Bomben auf Berlin und richten unvorstellbare Zerstörungen an. Eva wird geradezu depressiv und flieht zu den Eltern nach Weinheim, gerade noch rechtzeitig ehe die Bombe auch in ihrem Wohnhaus einschlägt. Sepp ist da auf Nordlandreise, zur Stärkung der Truppenmoral referiert er vor deutschen Soldaten in Skandinavien über Fußball. Als er von dem Unglück erfährt, schreibt er ihr einen für ihn ungewöhnlich liebevollen Brief. "Alles ist zu überstehen, wenn nur wir beide gesund bleiben, stark sind und feste zusammenstehen. Wenn nur Du mir bleibst, dann wird ja alles wieder gut werden. Sei stark, liebe Ev! Bitte! Du hast ja mich."

Schwere Zeiten schweißen zusammen

Das schon, aber unter der Obhut ihrer Eltern und der vertrauten Weinheimer Heimat fühlt sie sich sicherer. Und so zieht das Paar im Februar 1944 nach Weinheim. Ev, die laut Sepp "Zeichen starker Nervenschwäche" zeigt, muss nach Ausrufung des Kriegs wie alle deutschen Frauen Zwangsarbeit leisten. Vergeblich stellt Sepp wegen ihrer schlechten Gesundheit ein Befreiungsgesuch. Die Arbeit tut ihr zwar wider Erwarten gut, doch als der Vater im Januar 1945 stirbt, erleidet sie einen Rückschlag.

Dann kommt das Ende des Kriegs, es kommt eine neue Zeit. Sepp wird in einem Entnazifizierungsverfahren als "Mitläufer" eingestuft und kann deshalb eine neue Stelle antreten. In Köln bildet er an der neuen Hochschule für Leibesübungen die ersten Trainer nach dem Krieg aus. Eva kommt wieder mit, sie hausen in einer Baracke, aber sie macht das Beste daraus und kocht den Lehrgangsteilnehmern warme Mahlzeiten.

"Mein guter Hausgeist hatte wieder mal alles geschafft"

Dann wird er wieder Bundestrainer, es geht zurück an die Bergstraße. 1951 beginnt der Hausbau in Hohensachsen, um den Umzug kann er sich leider nicht kümmern – er muss die Olympiaauswahl nach Helsinki begleiten. Wieder ein Fall für Ev, die zuhause ohnehin das Kommando hat. Sie fühle sich dazu berechtigt, weil sie drei Monate älter ist, witzelte der "Chef". Leinemann über jene Zeit: "Durchweg saß sie alleine in den noch einzurichtenden Räumen…" Als ihr Mann aus Helsinki zurückkehrt, stellt er beruhigt fest: "Mein guter Hausgeist hatte wieder mal alles geschafft." 

Er schafft auch etwas, das ihn unsterblich macht. In der Schweiz wird Deutschland 1954 Weltmeister. Ev ist nicht dabei, auch wenn erstmals bei einer WM etliche Spielerfrauen anreisen. Ev wird mit einem gemeinsamen Kurzurlaub in Bad Reichenhall entschädigt und bleibt in der zweiten Reihe, wo sie wertvolle Dienste leistet. Als der Weltmeister 1956 in die Krise gerät und der Trainer in die Kritik, notiert Herberger: "Sie war eine der wenigen, die mich in dieser Zeit getröstet hat." Sie unterschlägt sogar ein paar böse Briefe. Von denen sie selbst welche bekommt, privater Natur. Es gibt Erbstreitigkeiten mit den Geschwistern. Die Mutter, die sie unter Druck enterbt hat, verbringt die letzten 18 Monate ihres Lebens in Hohensachsen, von Ev gepflegt. Es sind keine glücklichen Tage Ende der Fünfziger.

Karibik-Kreuzfahrt nach Rücktritt

Vom Fußball versteht sie nichts, daraus macht sie keinen Hehl. Von den Menschen und ihren Schwächen schon und so setzt sie sich bei ihrem Mann für Helmut Rahn ein, als der DFB ihn für die WM in Schweden sperren will, weil er betrunken in eine Baugrube gefahren ist. Und als Erich Juskowiak im Halbfinale gegen die Schweden vom Platz fliegt, wirbt sie am Telefon um Gnade beim zunächst sehr verärgerten "Chef", für den sie ein "guter Kamerad" bleibt.

Sie fügt sich in den Alltag eines Mannes, der mit dem Spielplan lebt und jedes Wochenende durch die Lande fährt, um Spiele zu sehen, die das Fernsehen noch nicht zeigt. So geht es bis zu Herbergers Rücktritt im Juni 1964. Rund 30 Jahre haben sie keinen richtigen Urlaub gehabt, nun geht es auf Kreuzfahrt in die Karibik. Er will ihr die Welt zeigen, das hat er ihr versprochen. Aber er tut sich schwer damit, ohne Beruf zu sein und reist auch weiter zu Länderspielen. Im September 1965 nimmt er sie mit zum Entscheidungsspiel zur WM-Teilnahme nach Stockholm und nach dem 2:1-Sieg meint er, er hätte das wohl öfter tun sollen, da sie ja ein Glücksbringer sei.

Eva berichtet über das Leben des Alt-Bundestrainers: "Wenn er nicht unterwegs ist, sitzt er den ganzen Tag in seinem Arbeitszimmer und schreibt. Die Arbeit lässt ihn nicht in Ruhe." Die an seinem Archiv, das in über 360 Leitz-Ordner Eingang findet. Und wenn sie ihm was erzählt, muss sie es oft wiederholen. "Sag's noch einmal, Schätzele. Ich hab's nicht verstanden."

Goldene Hochzeit 1971

Aber nun zeigt er sie der Sportöffentlichkeit. Auf den jährlichen Ball des Sports gehen sie gemeinsam. 1971 wird die Goldene Hochzeit in Mannheim in großem Rahmen gefeiert, da darf sie ja gar nicht fehlen. Und nun kommen die Reporter und fragen, ob sie zufrieden war mit ihrem Leben im Hintergrund. "Wieso im Hintergrund? Das stimmt einfach nicht, das ist nicht wahr. Ich habe mich nie unterdrückt gefühlt. Mein Mann versteht nichts von der Küche, ich nichts vom Fußball." Und ganz offen äußert sie den Wunsch nach ihm zu sterben, "damit ich bis zum letzten Tag für ihn sorgen kann. Ich glaube, ohne mich würde der Sepp verhungern."

Er kümmert sich auch um sie, bestellt beim Hohensachsener Bürgermeister eine Grabstelle für sich am Eingang des Friedhofs, damit "die Ev nicht so weit laufen muss".

Herberger erleidet während DFB-Spiel Herzinfarkt

Beschaulich verbringen sie die letzten gemeinsamen Jahre. Ihre Sehkraft lässt etwas nach, wie sie in Briefen beklagt und der "Chef" hat es am Herzen, wird 1975 operiert. Dann kommt der 27. April 1977, Deutschland spielt gegen Nordirland. An diesem Abend erleidet Herberger vor dem Fernseher einen Herzinfarkt, zur Halbzeit wird er ins Krankenhaus nach Mannheim eingeliefert und verpasst fünf deutsche Tore. Er wird auch keines mehr sehen. Zwar versichert er der Ev noch, schon bald zurückzukommen, doch er kann sein Wort nicht halten. In den früheren Morgenstunden des 28. April 1977 stirbt Sepp Herberger. Das Land trauert um einen Großen.

Ev Herberger, die vom DFB eine Pension bekommt, schaltet eine kurze Todesanzeige, die viel sagt über das Verhältnis der Eheleute. "Ich hatte einen guten Kameraden, Seppl Herberger." Als wollte sie diese Verbundenheit aller Welt beweisen, stirbt sie fast auf den Tag genau zwölf Jahre später am 27. April 1989.

Mit ihrem Tod wird die anlässlich des 80. Geburtstags Herbergers im März 1977 errichtete DFB-Stiftung Alleinerbin. Ein großes Erbe, das bis heute in Dankbarkeit verpflichtet. Für den Fußball. Für die Menschen.

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Viele Erinnerungen hat Michael Herberger (48) nicht an seine Urgroßtante, die für ihn "die alte Frau mit der Schürze in der Küche war", in deren Haus es "immer picobello sauber" war. Und so war auch das öffentliche Bild von Eva Herberger. Die treue Frau im Hintergrund des Weltmeister-Trainers Sepp Herberger verkörperte das Ideal des Familienbilds in der deutschen Nachkriegsgesellschaft.

Sepp Herberger hat einmal gesagt: "Wenn es stimmt, dass bei einer glücklichen Ehe der Mann draußen und die Frau im Hause zu sagen hat, dann führen wir seit 40 Jahren eine Musterehe." Die erst der Tod schied, durch seinen Tod am 28. April 1977. Eva, die von ihrem Mann nur "Ev" genannt wurde, lebte noch bis 1989 und starb heute vor 30 Jahren im Weinheimer Stadtteil Hohensachsen, an der Bergstraße gelegen. Damit wurde die Sepp-Herberger-Stiftung Alleinerbin der Eheleute, denn das Paar hatte keine Kinder. So viel ist allgemein bekannt.

Wer aber war die Frau an der Seite des Mannes, der das Wunder von Bern möglich machte? Für DFB.de geht Udo Muras auf Spurensuche.

Eva Herberger wird am 11. Dezember 1896 in Weinheim als eheliches Kind von Jakob und Anna Christina Müller geboren. Weil es nicht nur einen Jakob Müller in Weinheim gibt, wird ihm, wie damals üblich, eine römische Ziffer an den Namen gehängt. So ist ihr Vater für die Behörden Jakob III Müller.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1896 wird Eva getauft, die Familie ist evangelisch. Sie hat einen Bruder und eine Schwester. Über Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Sie macht eine zweijährige Lehre als Weißnäherin, ein heute ausgestorbener Beruf, der Ende des 19. Jahrhunderts noch seine Berechtigung hatte.

Heirat am 30. April 1921 in Weinheim

Damals wurde eine Frau, die den Bund der Ehe schloss, noch mit einer üppigen Aussteuer ausgestattet. Hierbei handelte es sich in erster Linie um Bettwäsche, Handtücher, Tischdecken und derartiges. Da die Aussteuer meist aus weißen Stoffen bestand, wurde sie auch allgemein als Weißwäsche bezeichnet. Wurden Laken, Tischtücher und Co. vor der Hochzeit genäht, gönnten sich manche Familien den Luxus und bestellten eine Weißnäherin. Diese half dann den Frauen beim Zurechtmachen der Aussteuer.

Ihren Seppl hat sie 1920 auf dem Platz von Waldhof Mannheim kennengelernt. Gesehen haben sie sich aber auch öfter im Lebensmittelladen im Waldhof. Nebenan wohnt Herbergers Bruder Johann, sie arbeitet im Laden und soll ihm immer mal was zugesteckt haben. Näheres verschweigt des Musikers Höflichkeit, aber warum sollte der angehende Nationalspieler des SVW nicht auch weibliche Bewunderer gehabt haben? Jedenfalls wird schon am 30. April 1921 in Weinheim geheiratet. Herbergers Verwandtschaft ist nicht begeistert, da seine Familie katholisch ist. Aber dass in Weinheim Pferdefleisch auf dem Festmenü steht, schmeckt Vertretern beider christlicher Konfessionen.

"Geld zurück. Der gute Geist hieß Ev"

Zweimal wird die Hochzeit übrigens verschoben, weil ein Fußballspiel dazwischen kommt. Und die Hochzeitsreise verbringen die Herbergers im Kreise der Waldhof-Mannschaft, die damals eine Schweiz-Reise macht und nicht auf ihren Stürmerstar verzichten will. Und er nicht auf sie. Es ist ein erster Vorgeschmack auf ein Leben in ewiger Rivalität zu Sepp Herbergers zweiter großer Liebe: dem Fußball.

Der bringt Herberger 1925 in große Schwierigkeiten. Er nimmt ein horrendes Handgeld (10.000 Mark) von Phönix Mannheim für einen Wechsel an und verstößt damit gegen das Berufsspielerverbot. Andere Spielerfrauen würden es begrüßt haben, Eva jedoch überredet ihn zur Rückzahlung. Herberger notiert: "Geld zurück. Der gute Geist hieß Ev." Zeit Lebens versteht sie es, das Geld zusammen zu halten, war nach eigener Aussage "vom alten Schlag" und damit sparsam. Ein Vorzug, der ihr auch nach dem ersten Umzug im August 1926 nach Berlin, wo ihr Seppl eine Anstellung als Trainerausbilder findet und für TeBe Berlin spielt, zum Vorteil gereicht.

"Ich hab' immer alles gern getan"

Zwar will sie zunächst nicht ins Sündenbabel des Reiches, das in den Golden Zwanziger besonders sündhaft ist. "Berlin? Ich bin die Ev vom Lande, aus Weinheim, was soll ich da?", wird sie in Jürgen Leinemanns Herberger-Biographie zitiert. Aber sie kommt mit und sie kommt klar, mit 19 Mark Haushaltsgeld in der Woche, denn "die Ev wusste schon, wo das Salz um einen Pfennig billiger war", lobte sie der "Chef". Sie ist nun, fern von Eltern und Familie, viel allein, Kinder haben sie ja auch nicht.

Aber sie beklagt sich nie, können wir den Hinweisen glauben. "Ich hab' immer alles gern getan und mich mitgefreut über die schönen Erfolge", sagt sie 1969. Mit den Erfolgen dauert es noch ein bisschen. 1932 wird ihr Mann also nach Duisburg versetzt, zum Westdeutschen Fußballverband und natürlich kommt sie mit. Neue Anschrift ab 1. August 1932: Kleiststraße 43 im Stadtteil Hamborn. Über diese Jahre ist auch nur wenig aus ihrem Leben bekannt. Da ihr Mann damals aber keine Mannschaft betreute, darf man annehmen, dass sie etwas mehr Zeit füreinander hatten.

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"Ev ist ein Prachtkerl"

Im Mai 1937 aber ging es wieder nach Berlin, denn nun war Sepp Reichstrainer. Sie wohnen in Schöneberg, Bülowstraße 89, in der Nähe des Olympiastadions. Das heißt, sie wohnt dort, er kommt zuweilen zu Besuch. Leinemann schreibt, dass der Reichstrainer in jenen Tagen "Wohnung und Frau nur noch auf der Durchreise erlebte". Sepp notiert dankbar: "Ev ist ein Prachtkerl." Und nimmt sie 1939 mit nach Wien, wo er Spieler sichtet. Zu einem Spiel nimmt er sie nie mit und sie hat auch nie mitgewollt. Ein Bankangestellter nehme seine Frau ja auch nicht mit zur Sparkasse, hat sie mal gesagt.

Dann kommt der Krieg, im Herbst 1943 fallen Bomben auf Berlin und richten unvorstellbare Zerstörungen an. Eva wird geradezu depressiv und flieht zu den Eltern nach Weinheim, gerade noch rechtzeitig ehe die Bombe auch in ihrem Wohnhaus einschlägt. Sepp ist da auf Nordlandreise, zur Stärkung der Truppenmoral referiert er vor deutschen Soldaten in Skandinavien über Fußball. Als er von dem Unglück erfährt, schreibt er ihr einen für ihn ungewöhnlich liebevollen Brief. "Alles ist zu überstehen, wenn nur wir beide gesund bleiben, stark sind und feste zusammenstehen. Wenn nur Du mir bleibst, dann wird ja alles wieder gut werden. Sei stark, liebe Ev! Bitte! Du hast ja mich."

Schwere Zeiten schweißen zusammen

Das schon, aber unter der Obhut ihrer Eltern und der vertrauten Weinheimer Heimat fühlt sie sich sicherer. Und so zieht das Paar im Februar 1944 nach Weinheim. Ev, die laut Sepp "Zeichen starker Nervenschwäche" zeigt, muss nach Ausrufung des Kriegs wie alle deutschen Frauen Zwangsarbeit leisten. Vergeblich stellt Sepp wegen ihrer schlechten Gesundheit ein Befreiungsgesuch. Die Arbeit tut ihr zwar wider Erwarten gut, doch als der Vater im Januar 1945 stirbt, erleidet sie einen Rückschlag.

Dann kommt das Ende des Kriegs, es kommt eine neue Zeit. Sepp wird in einem Entnazifizierungsverfahren als "Mitläufer" eingestuft und kann deshalb eine neue Stelle antreten. In Köln bildet er an der neuen Hochschule für Leibesübungen die ersten Trainer nach dem Krieg aus. Eva kommt wieder mit, sie hausen in einer Baracke, aber sie macht das Beste daraus und kocht den Lehrgangsteilnehmern warme Mahlzeiten.

"Mein guter Hausgeist hatte wieder mal alles geschafft"

Dann wird er wieder Bundestrainer, es geht zurück an die Bergstraße. 1951 beginnt der Hausbau in Hohensachsen, um den Umzug kann er sich leider nicht kümmern – er muss die Olympiaauswahl nach Helsinki begleiten. Wieder ein Fall für Ev, die zuhause ohnehin das Kommando hat. Sie fühle sich dazu berechtigt, weil sie drei Monate älter ist, witzelte der "Chef". Leinemann über jene Zeit: "Durchweg saß sie alleine in den noch einzurichtenden Räumen…" Als ihr Mann aus Helsinki zurückkehrt, stellt er beruhigt fest: "Mein guter Hausgeist hatte wieder mal alles geschafft." 

Er schafft auch etwas, das ihn unsterblich macht. In der Schweiz wird Deutschland 1954 Weltmeister. Ev ist nicht dabei, auch wenn erstmals bei einer WM etliche Spielerfrauen anreisen. Ev wird mit einem gemeinsamen Kurzurlaub in Bad Reichenhall entschädigt und bleibt in der zweiten Reihe, wo sie wertvolle Dienste leistet. Als der Weltmeister 1956 in die Krise gerät und der Trainer in die Kritik, notiert Herberger: "Sie war eine der wenigen, die mich in dieser Zeit getröstet hat." Sie unterschlägt sogar ein paar böse Briefe. Von denen sie selbst welche bekommt, privater Natur. Es gibt Erbstreitigkeiten mit den Geschwistern. Die Mutter, die sie unter Druck enterbt hat, verbringt die letzten 18 Monate ihres Lebens in Hohensachsen, von Ev gepflegt. Es sind keine glücklichen Tage Ende der Fünfziger.

Karibik-Kreuzfahrt nach Rücktritt

Vom Fußball versteht sie nichts, daraus macht sie keinen Hehl. Von den Menschen und ihren Schwächen schon und so setzt sie sich bei ihrem Mann für Helmut Rahn ein, als der DFB ihn für die WM in Schweden sperren will, weil er betrunken in eine Baugrube gefahren ist. Und als Erich Juskowiak im Halbfinale gegen die Schweden vom Platz fliegt, wirbt sie am Telefon um Gnade beim zunächst sehr verärgerten "Chef", für den sie ein "guter Kamerad" bleibt.

Sie fügt sich in den Alltag eines Mannes, der mit dem Spielplan lebt und jedes Wochenende durch die Lande fährt, um Spiele zu sehen, die das Fernsehen noch nicht zeigt. So geht es bis zu Herbergers Rücktritt im Juni 1964. Rund 30 Jahre haben sie keinen richtigen Urlaub gehabt, nun geht es auf Kreuzfahrt in die Karibik. Er will ihr die Welt zeigen, das hat er ihr versprochen. Aber er tut sich schwer damit, ohne Beruf zu sein und reist auch weiter zu Länderspielen. Im September 1965 nimmt er sie mit zum Entscheidungsspiel zur WM-Teilnahme nach Stockholm und nach dem 2:1-Sieg meint er, er hätte das wohl öfter tun sollen, da sie ja ein Glücksbringer sei.

Eva berichtet über das Leben des Alt-Bundestrainers: "Wenn er nicht unterwegs ist, sitzt er den ganzen Tag in seinem Arbeitszimmer und schreibt. Die Arbeit lässt ihn nicht in Ruhe." Die an seinem Archiv, das in über 360 Leitz-Ordner Eingang findet. Und wenn sie ihm was erzählt, muss sie es oft wiederholen. "Sag's noch einmal, Schätzele. Ich hab's nicht verstanden."

Goldene Hochzeit 1971

Aber nun zeigt er sie der Sportöffentlichkeit. Auf den jährlichen Ball des Sports gehen sie gemeinsam. 1971 wird die Goldene Hochzeit in Mannheim in großem Rahmen gefeiert, da darf sie ja gar nicht fehlen. Und nun kommen die Reporter und fragen, ob sie zufrieden war mit ihrem Leben im Hintergrund. "Wieso im Hintergrund? Das stimmt einfach nicht, das ist nicht wahr. Ich habe mich nie unterdrückt gefühlt. Mein Mann versteht nichts von der Küche, ich nichts vom Fußball." Und ganz offen äußert sie den Wunsch nach ihm zu sterben, "damit ich bis zum letzten Tag für ihn sorgen kann. Ich glaube, ohne mich würde der Sepp verhungern."

Er kümmert sich auch um sie, bestellt beim Hohensachsener Bürgermeister eine Grabstelle für sich am Eingang des Friedhofs, damit "die Ev nicht so weit laufen muss".

Herberger erleidet während DFB-Spiel Herzinfarkt

Beschaulich verbringen sie die letzten gemeinsamen Jahre. Ihre Sehkraft lässt etwas nach, wie sie in Briefen beklagt und der "Chef" hat es am Herzen, wird 1975 operiert. Dann kommt der 27. April 1977, Deutschland spielt gegen Nordirland. An diesem Abend erleidet Herberger vor dem Fernseher einen Herzinfarkt, zur Halbzeit wird er ins Krankenhaus nach Mannheim eingeliefert und verpasst fünf deutsche Tore. Er wird auch keines mehr sehen. Zwar versichert er der Ev noch, schon bald zurückzukommen, doch er kann sein Wort nicht halten. In den früheren Morgenstunden des 28. April 1977 stirbt Sepp Herberger. Das Land trauert um einen Großen.

Ev Herberger, die vom DFB eine Pension bekommt, schaltet eine kurze Todesanzeige, die viel sagt über das Verhältnis der Eheleute. "Ich hatte einen guten Kameraden, Seppl Herberger." Als wollte sie diese Verbundenheit aller Welt beweisen, stirbt sie fast auf den Tag genau zwölf Jahre später am 27. April 1989.

Mit ihrem Tod wird die anlässlich des 80. Geburtstags Herbergers im März 1977 errichtete DFB-Stiftung Alleinerbin. Ein großes Erbe, das bis heute in Dankbarkeit verpflichtet. Für den Fußball. Für die Menschen.

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