Festival "11mm": Der Weg zum "Maracanaço"

Ein 1:7 im Halbfinale einer Weltmeisterschaft im eigenen Land wäre für fast alle Nationen der absolute Tiefpunkt der eigenen Fußballhistorie. Nicht so im Lande des Rekordchampions. Noch lange vor der in dieser Höhe immer noch unglaublichen Niederlage in Belo Horizonte gegen die deutsche Nationalmannschaft ging das "Maracanaço" in die Annalen des brasilianischen Fußballs ein.

Als haushoher Favorit verlor der Gastgeber 1950 vor über 200.000 Zuschauern im "Estádio do Maracanã" in Rio de Janeiro nach 1:0-Führung gegen Uruguay und stürzte ein ganzes Volk in tiefe Verzweiflung. Die Zuschauer im Stadion waren fassungslos, weinten, drei Menschen starben an Herzinfarkten und einer sprang sogar von der Tribüne in den Tod. Die Seleção wurde vom Hoffnungsträger zur Schande der Nation und spielte seitdem nicht mehr in den bis dahin üblichen weißen Trikots. Die Geschichte dieses legendären Spiels erzählt der Film "Maracanã", der am Wochenende auf dem 11mm-Filmfestival im Berliner Babylon-Kino gezeigt wurde. Das Festival findet bereits zum zwölften Mal statt und wird von der DFB-Kulturstiftung gefördert.

Es geht um politische, soziale und sportliche Umstände

Die brasilianisch-uruguayische Koproduktion aus dem Jahr 2014 geht jedoch weit über eine einfache Fußball-Dokumentation hinaus. Die Regisseure Sebastián Bednarik und Andrés Varela steigen tief ein in die politischen, sozialen und sportlichen Umstände der Zeit und nehmen den Zuschauer mit auf eine Reise in zwei grundverschiedene Nationen. Während die Wirtschaft in Uruguay zu Beginn der 1950er Jahre floriert und in der Bevölkerung weit mehr Chancengleichheit herrscht als in den meisten anderen südamerikanischen Ländern, definiert sich Brasilien vor allem über den Fußball.

Ein ganzes Volk fiebert der Weltmeisterschaft im eigenen Land entgegen und erwartet von den Spielern vom Zuckerhut nicht weniger als den Titel. Auch die Politik sonnt sich gerne im Licht des Erfolgs, ganz besonders nach dem überzeugenden Finaleinzug. Alles was in Regierung oder Verwaltung Rang und Namen hat, zeigt sich im Stadion und versucht vor den bevorstehenden Wahlen Sympathiepunkte zu sammeln. Einige Spieler werden sogar als Kandidaten für öffentliche Ämter vorgeschlagen.

Erst "Olá, Weltmeister", dann tiefe Trauer

An der Forderung nach eben einer solchen Position in der Verwaltung wäre die Hoffnung Uruguays auf eine erfolgreiche Weltmeisterschaft beinahe zerschellt. Führungsspieler Obdulio Varela weigerte sich vor Turnierbeginn in der Nationalmannschaft zu spielen, sollte er kein öffentliches Amt bekommen. Die Beamten lenkten ein und Varela führte "La Celeste" als Kapitän durch die WM. Auf die Verbindungen zwischen Fußball und Politik kommen die Regisseure in der 75-minütigen Dokumentation immer wieder zurück.

Durch original Filmaufnahmen, Interviews mit den Spielern beider Mannschaften und die Schilderungen von Zeitzeugen entsteht ein Bild von zwei politischen Systemen, die sich zwar in vielen Punkten stark unterscheiden, den Sport aber jeweils als Plattform nutzen. Der Dokumentarfilm versteht es gut, beiden Seiten genug Raum zu geben, um die jeweiligen Umstände auf und neben dem Platz darzustellen. Sehr gelungen ist dabei auch das mit jedem Szenenwechsel einhergehende Alternieren der Sprachen Portugiesisch und Spanisch (mit englischen Untertiteln). Gemeinsam mit den eindrucksvollen schwarz-weiß Aufnahmen entsteht so ein authentisches Abbild der Weltmeisterschaft, das den Zuschauer nicht nur informiert, sondern durchaus fesselt.

Den Höhepunkt erreicht der Film eigentlich schon vor dem Endspiel. Euphorisiert von den klaren Siegen in der Zwischenrunde ist es für die Brasilianer unvorstellbar, dass ihre Mannschaft verliert. Eine Zeitung druckt bereits am Tag des Finales die Schlagzeile "Das sind die Champions", die Menschen auf der Straße begrüßen sich mit den Worten "Olá, Weltmeister" und der Bürgermeister von Rio de Janeiro, Mendes de Morais, hält unmittelbar vor dem Anpfiff eine siegessichere Rede: "Brasilianer, ich habe mit dem Bau dieses Stadions Wort gehalten. Nun haltet eures und gewinnt die Weltmeisterschaft." Der Rest ist Geschichte.

[dfb]

Ein 1:7 im Halbfinale einer Weltmeisterschaft im eigenen Land wäre für fast alle Nationen der absolute Tiefpunkt der eigenen Fußballhistorie. Nicht so im Lande des Rekordchampions. Noch lange vor der in dieser Höhe immer noch unglaublichen Niederlage in Belo Horizonte gegen die deutsche Nationalmannschaft ging das "Maracanaço" in die Annalen des brasilianischen Fußballs ein.

Als haushoher Favorit verlor der Gastgeber 1950 vor über 200.000 Zuschauern im "Estádio do Maracanã" in Rio de Janeiro nach 1:0-Führung gegen Uruguay und stürzte ein ganzes Volk in tiefe Verzweiflung. Die Zuschauer im Stadion waren fassungslos, weinten, drei Menschen starben an Herzinfarkten und einer sprang sogar von der Tribüne in den Tod. Die Seleção wurde vom Hoffnungsträger zur Schande der Nation und spielte seitdem nicht mehr in den bis dahin üblichen weißen Trikots. Die Geschichte dieses legendären Spiels erzählt der Film "Maracanã", der am Wochenende auf dem 11mm-Filmfestival im Berliner Babylon-Kino gezeigt wurde. Das Festival findet bereits zum zwölften Mal statt und wird von der DFB-Kulturstiftung gefördert.

Es geht um politische, soziale und sportliche Umstände

Die brasilianisch-uruguayische Koproduktion aus dem Jahr 2014 geht jedoch weit über eine einfache Fußball-Dokumentation hinaus. Die Regisseure Sebastián Bednarik und Andrés Varela steigen tief ein in die politischen, sozialen und sportlichen Umstände der Zeit und nehmen den Zuschauer mit auf eine Reise in zwei grundverschiedene Nationen. Während die Wirtschaft in Uruguay zu Beginn der 1950er Jahre floriert und in der Bevölkerung weit mehr Chancengleichheit herrscht als in den meisten anderen südamerikanischen Ländern, definiert sich Brasilien vor allem über den Fußball.

Ein ganzes Volk fiebert der Weltmeisterschaft im eigenen Land entgegen und erwartet von den Spielern vom Zuckerhut nicht weniger als den Titel. Auch die Politik sonnt sich gerne im Licht des Erfolgs, ganz besonders nach dem überzeugenden Finaleinzug. Alles was in Regierung oder Verwaltung Rang und Namen hat, zeigt sich im Stadion und versucht vor den bevorstehenden Wahlen Sympathiepunkte zu sammeln. Einige Spieler werden sogar als Kandidaten für öffentliche Ämter vorgeschlagen.

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Erst "Olá, Weltmeister", dann tiefe Trauer

An der Forderung nach eben einer solchen Position in der Verwaltung wäre die Hoffnung Uruguays auf eine erfolgreiche Weltmeisterschaft beinahe zerschellt. Führungsspieler Obdulio Varela weigerte sich vor Turnierbeginn in der Nationalmannschaft zu spielen, sollte er kein öffentliches Amt bekommen. Die Beamten lenkten ein und Varela führte "La Celeste" als Kapitän durch die WM. Auf die Verbindungen zwischen Fußball und Politik kommen die Regisseure in der 75-minütigen Dokumentation immer wieder zurück.

Durch original Filmaufnahmen, Interviews mit den Spielern beider Mannschaften und die Schilderungen von Zeitzeugen entsteht ein Bild von zwei politischen Systemen, die sich zwar in vielen Punkten stark unterscheiden, den Sport aber jeweils als Plattform nutzen. Der Dokumentarfilm versteht es gut, beiden Seiten genug Raum zu geben, um die jeweiligen Umstände auf und neben dem Platz darzustellen. Sehr gelungen ist dabei auch das mit jedem Szenenwechsel einhergehende Alternieren der Sprachen Portugiesisch und Spanisch (mit englischen Untertiteln). Gemeinsam mit den eindrucksvollen schwarz-weiß Aufnahmen entsteht so ein authentisches Abbild der Weltmeisterschaft, das den Zuschauer nicht nur informiert, sondern durchaus fesselt.

Den Höhepunkt erreicht der Film eigentlich schon vor dem Endspiel. Euphorisiert von den klaren Siegen in der Zwischenrunde ist es für die Brasilianer unvorstellbar, dass ihre Mannschaft verliert. Eine Zeitung druckt bereits am Tag des Finales die Schlagzeile "Das sind die Champions", die Menschen auf der Straße begrüßen sich mit den Worten "Olá, Weltmeister" und der Bürgermeister von Rio de Janeiro, Mendes de Morais, hält unmittelbar vor dem Anpfiff eine siegessichere Rede: "Brasilianer, ich habe mit dem Bau dieses Stadions Wort gehalten. Nun haltet eures und gewinnt die Weltmeisterschaft." Der Rest ist Geschichte.