"Die Wahrheit liegt unter dem Platz"

Millionen von Fußballfans blicken dieser Tage auf Polen und die Ukraine. Es ist ein farbenfrohes Festival des Fußballs, das zurzeit auf dem ganzen Kontinent gefeiert wird. Mehr als sechs Jahrzehnte nach Babij Jar und Auschwitz begegnen sich junge Ukrainer, Polen und Deutsche auf und neben dem Rasen zur Europameisterschaft. Millionen feiern, wo einst Millionen ermordet wurden. Aus diesem Anlass lud die DFB-Kulturstiftung am gestrigen Abend zu einer Lesung von Texten zumeist jüdischer Autoren im ehemaligen Galizien, die Grausamkeiten beschrieben, welche viele von ihnen wie auch die Angehörigen anderer Minderheiten nicht überlebten.

Es war ein zeitweise bedrückender Abend im Münchner Marstall. Im meterhohen Theater, das einst die Prachtpferde König Ludwigs beherbergte, herrschte für zwei Stunden eine konzentrierte Stille wie wohl selten zuvor bei einer Kulturveranstaltung. Nur die Worte und die Musik der Künstler beherrschten den Saal. Rund 120 Gäste, darunter der ehemalige DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger, hörten verschüttete, fast vergessene Geschichten, um an die Menschen, Künstler, Schriftsteller, auch Fußballer zu erinnern, die zwischen 1939 und 1945 in den Ghettos und Konzentrationslagern der Gebiete Polens und der Ukraine von den Nationalsozialisten und ihren Helfern misshandelt und vernichtet wurden.

Es sind Geschichten, die detailliert schildern, wie die Deutschen aus einer polyphonen Landschaft eine Blutlandschaft machten. Es sind Geschichten perfider und abscheulicher Unmenschlichkeit. So erzählte Bibiana Beglau über den jüdischen Boxer Hertzko Haft. Ein Mann mit großer Statur und starken Händen, der zur Unterhaltung von Nazioffizieren dazu genötigt wurde, an unzähligen Sonntagen gegen kranke und ausgehungerte Mithäftlinge zu boxen, „bis sie nicht mehr konnten“. Es waren ungleiche Kämpfe, deren einziger Zweck darin bestand, Menschen zur Belustigung von Soldaten im Ring zu töten, um selbst überleben zu können. Manfred Zapatka las aus Anatolij Kuszenows „Babij Jar – Die Schlucht des Leids“, der den Abtransport und den Massenmord in der Nähe von Kiew genauestens beschrieb.

Es fiel allen Beteiligten sichtlich schwer, den detaillierten Zeugnissen aus der Vergangenheit zuzuhören. Und doch muss man darüber sprechen. In einer anschließenden Diskussionsrunde sprachen der frühere ARD-Intendant Fritz Pleitgen, die Bundesvorsitzende der Grünen Claudia Roth, der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma Romani Rose, der ehemalige Nationalspieler Marco Bode sowie Peter Guttmann, Präsidenten von Makkabi Deutschland über die Verantwortung des Fußballs mit der Historie. Was sagt uns die Geschichte? Wie geht man mit ihr um? Was kann und muss der Fußball in diesem Zusammenhang leisten?

Die einhellige Meinung: Der Fußball hat wie keine andere Sportart die Chance Menschen zusammenzubringen, die sich sonst nicht begegnen. Er kann sich aktiv dafür einsetzen, dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung keinen Platz finden. Und so schwer es fällt Geschichten wie die von Julius Hirsch, Joseph Roth oder Oskar Rosenfeld zu hören, so wichtig ist es diese zu erzählen und ihre Schicksale niemals in Vergessenheit geraten zu lassen. Damit solches Gräuel nie wieder passiert.

Erinnern, gedenken, mahnen

Einen Dank richtete Romani Rosi an Dr. Theo Zwanziger und den DFB, die bereits im Vorfeld und während der Europameisterschaft durch Besuche in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz / Birkenau Zeichen gesetzt hatten.

Vor drei Wochen hatte eine Delegation des DFB mit DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, weiteren Präsidiumsmitgliedern und hochrangigen Vertretern der Nationalmannschaft der Gedenkstätte einen Besuch abgestattet. Auch Delegationen des englischen, niederländischen, kroatischen und italienischen Fußballverbandes nutzten die Europameisterschaft, um ein Zeichen der Erinnerung im ehemaligen Konzentrationslager zu setzen. Ebenso zahlreiche Zuschauer und Fans, für die die DFB-Kulturstiftung Theo Zwanziger im Vorfeld eine Handreichung zusammengestellt hat, in der Holocaust-Gedenkstätten in den EURO-Spielorten mit Anreisehinweisen vorgestellt werden.



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Millionen von Fußballfans blicken dieser Tage auf Polen und die Ukraine. Es ist ein farbenfrohes Festival des Fußballs, das zurzeit auf dem ganzen Kontinent gefeiert wird. Mehr als sechs Jahrzehnte nach Babij Jar und Auschwitz begegnen sich junge Ukrainer, Polen und Deutsche auf und neben dem Rasen zur Europameisterschaft. Millionen feiern, wo einst Millionen ermordet wurden. Aus diesem Anlass lud die DFB-Kulturstiftung am gestrigen Abend zu einer Lesung von Texten zumeist jüdischer Autoren im ehemaligen Galizien, die Grausamkeiten beschrieben, welche viele von ihnen wie auch die Angehörigen anderer Minderheiten nicht überlebten.

Es war ein zeitweise bedrückender Abend im Münchner Marstall. Im meterhohen Theater, das einst die Prachtpferde König Ludwigs beherbergte, herrschte für zwei Stunden eine konzentrierte Stille wie wohl selten zuvor bei einer Kulturveranstaltung. Nur die Worte und die Musik der Künstler beherrschten den Saal. Rund 120 Gäste, darunter der ehemalige DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger, hörten verschüttete, fast vergessene Geschichten, um an die Menschen, Künstler, Schriftsteller, auch Fußballer zu erinnern, die zwischen 1939 und 1945 in den Ghettos und Konzentrationslagern der Gebiete Polens und der Ukraine von den Nationalsozialisten und ihren Helfern misshandelt und vernichtet wurden.

Es sind Geschichten, die detailliert schildern, wie die Deutschen aus einer polyphonen Landschaft eine Blutlandschaft machten. Es sind Geschichten perfider und abscheulicher Unmenschlichkeit. So erzählte Bibiana Beglau über den jüdischen Boxer Hertzko Haft. Ein Mann mit großer Statur und starken Händen, der zur Unterhaltung von Nazioffizieren dazu genötigt wurde, an unzähligen Sonntagen gegen kranke und ausgehungerte Mithäftlinge zu boxen, „bis sie nicht mehr konnten“. Es waren ungleiche Kämpfe, deren einziger Zweck darin bestand, Menschen zur Belustigung von Soldaten im Ring zu töten, um selbst überleben zu können. Manfred Zapatka las aus Anatolij Kuszenows „Babij Jar – Die Schlucht des Leids“, der den Abtransport und den Massenmord in der Nähe von Kiew genauestens beschrieb.

Es fiel allen Beteiligten sichtlich schwer, den detaillierten Zeugnissen aus der Vergangenheit zuzuhören. Und doch muss man darüber sprechen. In einer anschließenden Diskussionsrunde sprachen der frühere ARD-Intendant Fritz Pleitgen, die Bundesvorsitzende der Grünen Claudia Roth, der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma Romani Rose, der ehemalige Nationalspieler Marco Bode sowie Peter Guttmann, Präsidenten von Makkabi Deutschland über die Verantwortung des Fußballs mit der Historie. Was sagt uns die Geschichte? Wie geht man mit ihr um? Was kann und muss der Fußball in diesem Zusammenhang leisten?

Die einhellige Meinung: Der Fußball hat wie keine andere Sportart die Chance Menschen zusammenzubringen, die sich sonst nicht begegnen. Er kann sich aktiv dafür einsetzen, dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung keinen Platz finden. Und so schwer es fällt Geschichten wie die von Julius Hirsch, Joseph Roth oder Oskar Rosenfeld zu hören, so wichtig ist es diese zu erzählen und ihre Schicksale niemals in Vergessenheit geraten zu lassen. Damit solches Gräuel nie wieder passiert.

Erinnern, gedenken, mahnen

Einen Dank richtete Romani Rosi an Dr. Theo Zwanziger und den DFB, die bereits im Vorfeld und während der Europameisterschaft durch Besuche in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz / Birkenau Zeichen gesetzt hatten.

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Vor drei Wochen hatte eine Delegation des DFB mit DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, weiteren Präsidiumsmitgliedern und hochrangigen Vertretern der Nationalmannschaft der Gedenkstätte einen Besuch abgestattet. Auch Delegationen des englischen, niederländischen, kroatischen und italienischen Fußballverbandes nutzten die Europameisterschaft, um ein Zeichen der Erinnerung im ehemaligen Konzentrationslager zu setzen. Ebenso zahlreiche Zuschauer und Fans, für die die DFB-Kulturstiftung Theo Zwanziger im Vorfeld eine Handreichung zusammengestellt hat, in der Holocaust-Gedenkstätten in den EURO-Spielorten mit Anreisehinweisen vorgestellt werden.

Am vergangenen Donnerstag waren Rose und Dr. Zwanziger ebenfalls Gäste der Gedenkstätte, in der seit den frühen 70er-Jahren ein Denkmal im ehemaligen "Zigeunerlager" an die ermordeten Sinti und Roma erinnert. „Aus dieser Erinnerung erwächst unsere Verantwortung für einen Fußball und eine Gesellschaft ohne Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten egal welcher Art“, so Zwanziger.