UN-Lob für DFB-Flüchtlingsarbeit: "Vereine sind Gold wert für Integration"

Anerkennung von hoher Stelle: Die Vereinten Nationen loben in einem UNESCO-Bericht die entschiedene DFB-Position gegen jede Form des Rassismus. Der Journalist Rainer Kalb spricht im DFB.de-Interview mit dem Sportsoziologen Prof. Albrecht Sonntag, einem der Autoren des UNESCO-Berichts "Colour? What Colour?" darüber, was der Fußball für die Integration von Flüchtlingen leistet.

DFB.de: Herr Professor Sonntag, Sie sind gebürtiger Schwabe, heute im französischen Angers an der Universität ESSCA tätig und forschen seit Jahren zur sozialen Bedeutung des Fußballs. Gibt es die überhaupt?

Sonntag: Der Fußball hat einen immensen Einfluss und eine große soziale Verantwortung in Europa, aber man sollte nicht von ihm erwarten, alle Probleme in Europa zu lösen. Das kann er nicht.

DFB.de: Sie haben während der EM eine Podiumsdiskussion des Goethe-Instituts in Paris moderiert und dabei Reinhard Grindel kennengelernt.

Sonntag: Da saß kein Generalist auf dem Podium, sondern ein überzeugter und überzeugender Mensch. Im Übrigen finde ich es gut, wie der DFB durch seine Stiftungen klar zu seiner gesellschaftlichen Verantwortung steht, um die er ja nicht gebettelt hat. Sie fällt ihm zu, weil der Fußball eben in der Mitte der Gesellschaft steht. Und weil der DFB etwa durch Sepp Herberger und Egidius Braun eine lange "soziale" Tradition hat. Ich finde es beeindruckend, wie der DFB sich auch seiner symbolischen, sozialen und kulturellen Bedeutung bewusst ist und diese Herausforderung annimmt. Das wird übrigens auch im Ausland wahrgenommen.

DFB.de: Wird der DFB nicht mit Erwartungen überfrachtet?

Sonntag: Niemand darf erwarten, dass der Fußball die gesamten Probleme der heutigen Gesellschaft löst. Beispiel Frankreich: Da sollte der Fußball bei der EM das Land wieder vereinen und glücklich machen. Das geht nicht.

DFB.de: Wo würden Sie denn konkret die Kraft des Fußballs verankern?"

Sonntag: "Dem Fußball fällt zum Beispiel eine wesentliche Rolle bei der Integration von Minderheiten zu. Das ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Da hilft auch keine Verweigerungshaltung, wie sie von einigen politischen Gruppen betrieben wird. Die Menschen werden bleiben.

DFB.de: Wo kann der Fußball ansetzen?

Sonntag: Er hat zwei Hebel. Das ist zunächst die fast tägliche, ehrenamtliche Arbeit in den kleinen Vereinen. Dann ist da die symbolische Wirkung der Nationalmannschaft, wenn in ihr Spieler aus Familien mit einer Zuwanderungsgeschichte – die Boatengs, die Khediras etwa - sich ganz nach oben spielen.

DFB.de: Wie bewerten Sie die Initiative "1:0 für ein Willkommen" der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration mit der Fußballvereine gefördert werden, die sich für Flüchtlinge engagieren?

Sonntag: Das ist eine Anerkennung der Tatsache, dass auf die vielen ehrenamtlich tätigen Menschen in den Fußballvereinen eine zusätzliche Herausforderung zukommt. Das ist auch ein Ansporn, über die ohnehin schon beachtlichen Leistungen hinauszugehen. Und es ist ein wichtiger symbolischer Akt, der zeigt: Wir haben das Thema erkannt. Und der den Vereinen zeigt – auch weil die Bundesregierung mitzieht – "Ihr steht da nicht allein.

DFB.de: Der Fußball hat ab den 1960er-Jahren schon Italiener und Türken, die als Gastarbeiter kamen, integriert. Über die Maccabi-Vereine ist auch die jüdische Kultur präsent.

Sonntag: Sie können das weiter fassen. Es gab nach dem Krieg die Vertriebenen aus Mittel- und Osteuropa. Es gibt die Russland-Deutschen. Es gab die Spieler auf Schalke und anderswo, die aus Polen stammten. Auch wenn das andere Kategorien von "Flüchtlingen" waren: Eine der Stärken des deutschen Fußballs ist es schon so lange, zu wissen, wie man Menschen einbindet, so sie denn die Passion des Fußballs teilen.



Anerkennung von hoher Stelle: Die Vereinten Nationen loben in einem UNESCO-Bericht die entschiedene DFB-Position gegen jede Form des Rassismus. Der Journalist Rainer Kalb spricht im DFB.de-Interview mit dem Sportsoziologen Prof. Albrecht Sonntag, einem der Autoren des UNESCO-Berichts "Colour? What Colour?" darüber, was der Fußball für die Integration von Flüchtlingen leistet.

DFB.de: Herr Professor Sonntag, Sie sind gebürtiger Schwabe, heute im französischen Angers an der Universität ESSCA tätig und forschen seit Jahren zur sozialen Bedeutung des Fußballs. Gibt es die überhaupt?

Sonntag: Der Fußball hat einen immensen Einfluss und eine große soziale Verantwortung in Europa, aber man sollte nicht von ihm erwarten, alle Probleme in Europa zu lösen. Das kann er nicht.

DFB.de: Sie haben während der EM eine Podiumsdiskussion des Goethe-Instituts in Paris moderiert und dabei Reinhard Grindel kennengelernt.

Sonntag: Da saß kein Generalist auf dem Podium, sondern ein überzeugter und überzeugender Mensch. Im Übrigen finde ich es gut, wie der DFB durch seine Stiftungen klar zu seiner gesellschaftlichen Verantwortung steht, um die er ja nicht gebettelt hat. Sie fällt ihm zu, weil der Fußball eben in der Mitte der Gesellschaft steht. Und weil der DFB etwa durch Sepp Herberger und Egidius Braun eine lange "soziale" Tradition hat. Ich finde es beeindruckend, wie der DFB sich auch seiner symbolischen, sozialen und kulturellen Bedeutung bewusst ist und diese Herausforderung annimmt. Das wird übrigens auch im Ausland wahrgenommen.

DFB.de: Wird der DFB nicht mit Erwartungen überfrachtet?

Sonntag: Niemand darf erwarten, dass der Fußball die gesamten Probleme der heutigen Gesellschaft löst. Beispiel Frankreich: Da sollte der Fußball bei der EM das Land wieder vereinen und glücklich machen. Das geht nicht.

DFB.de: Wo würden Sie denn konkret die Kraft des Fußballs verankern?"

Sonntag: "Dem Fußball fällt zum Beispiel eine wesentliche Rolle bei der Integration von Minderheiten zu. Das ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Da hilft auch keine Verweigerungshaltung, wie sie von einigen politischen Gruppen betrieben wird. Die Menschen werden bleiben.

DFB.de: Wo kann der Fußball ansetzen?

Sonntag: Er hat zwei Hebel. Das ist zunächst die fast tägliche, ehrenamtliche Arbeit in den kleinen Vereinen. Dann ist da die symbolische Wirkung der Nationalmannschaft, wenn in ihr Spieler aus Familien mit einer Zuwanderungsgeschichte – die Boatengs, die Khediras etwa - sich ganz nach oben spielen.

DFB.de: Wie bewerten Sie die Initiative "1:0 für ein Willkommen" der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration mit der Fußballvereine gefördert werden, die sich für Flüchtlinge engagieren?

Sonntag: Das ist eine Anerkennung der Tatsache, dass auf die vielen ehrenamtlich tätigen Menschen in den Fußballvereinen eine zusätzliche Herausforderung zukommt. Das ist auch ein Ansporn, über die ohnehin schon beachtlichen Leistungen hinauszugehen. Und es ist ein wichtiger symbolischer Akt, der zeigt: Wir haben das Thema erkannt. Und der den Vereinen zeigt – auch weil die Bundesregierung mitzieht – "Ihr steht da nicht allein.

DFB.de: Der Fußball hat ab den 1960er-Jahren schon Italiener und Türken, die als Gastarbeiter kamen, integriert. Über die Maccabi-Vereine ist auch die jüdische Kultur präsent.

Sonntag: Sie können das weiter fassen. Es gab nach dem Krieg die Vertriebenen aus Mittel- und Osteuropa. Es gibt die Russland-Deutschen. Es gab die Spieler auf Schalke und anderswo, die aus Polen stammten. Auch wenn das andere Kategorien von "Flüchtlingen" waren: Eine der Stärken des deutschen Fußballs ist es schon so lange, zu wissen, wie man Menschen einbindet, so sie denn die Passion des Fußballs teilen.

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DFB.de: Passion des Fußballs – klingt gut.

Sonntag: Ja und Nein. Es gibt ja auch einige wenige Vereine, die nur aus Griechen, Türken, Portugiesen oder anderen Nationalitäten bestehen. Da gibt es die Gefahr, dass sich Parallelwelten bilden. Nach unseren Recherchen können die Spruchkammern ein Lied davon singen. Aber das sind die Ausnahmen. Normalerweise gehen die dritten Halbzeiten harmonisch vonstatten. Auch da ist beeindruckend, was der Fußball geleistet hat.

DFB.de: Alles sehr harmonisch. Pardon, Herr Professor, haben Sie selber jemals Fußball gespielt?

Sonntag: Über die Landesliga hinaus hab' ich's leider nicht geschafft. Aber schon lange vor meiner akademischen Karriere hat es mich überrascht, mit welcher Leichtigkeit der Fußball sozio-kulturelle Unterschiede überwinden kann. Da ist die Simplizität des Spiels, da ist der Spracherwerb auf und neben dem Platz - Fußball ist ein Eisbrecher und die Vereine sind Gold wert bei der sozialen Integration . Und da die Fußballbewegung inzwischen mit der deutschen Kultur unzertrennbar verwoben ist, ist auch das natürlich hilfreich.

DFB.de: Profitieren die Vereine eigentlich von den Migranten?

Sonntag: Wieder zwei Ebenen. Unsere Umfragen haben ergeben, dass Migranten in den Nationalmannschaften hoch angesehen werden. Sie werden als echte Vorbilder wahrgenommen.  Das ist schon einmal viel wert. Weiterhin haben unsere Analysen gezeigt, dass Türken beispielsweise gleichzeitig Fans von Besiktas, Galatasaray oder Fenerbahce bleiben, aber eben auch große Sympathien für deutsche Klubs und die Nationalelf haben. Unsere Forschungen geben Mut, zu glauben, dass zumindest im Fußball über Grenzen hinaus Identitäten möglich sind.

DFB.de: Die zweite Ebene?

Sonntag: Na ja, bei einem unleugbaren Bevölkerungsrückgang in Deutschland müssen auch deutsche Vereine anerkennen, dass begeisterte Kicker aus dem Ausland eine Win/Win-Situation herstellen können. Jeder gewinnt. Der Kreisliga-Verein kann eine zweite Mannschaft stellen, der Ausländer integriert sich. Aber klar ist auch: Die Flüchtlinge kommen nicht, um dem deutschen Fußball zu helfen.

DFB.de: Mit welcher Mentalität kommen die Flüchtlinge?

Sonntag: Dem Staat gegenüber haben wohl einige schon eine manchmal fast überzogene Erwartungshaltung. Aber dem Fußball und seinen Helfern sind sie unendlich dankbar. "1:0 für ein Willkommen" ist ein genialer Slogan, denn die Flüchtlinge fühlen sich nicht vom Staat, sondern von privaten Menschen – und nichts anderes ist ja ein Amateurverein – aufgehoben, akzeptiert. Ich persönlich glaube, dass die Fußballvereine noch gar nicht wissen, welchen wesentlichen, wichtigen, unersetzbaren Beitrag sie da leisten.

DFB.de: Die Mexico-Hilfe der DFB-Stiftung Egidius Braun besteht seit 30 Jahren. Wie kann nach dieser Spontan-Aktion "1:0 für ein Willkommen" die Idee der Integration weiter geführt werden?

Sonntag: Wie schnell ist das Geld weg? Wie schnell ist der gute Wille weg? Wie schnell ist die Belastbarkeit weg? Da müssen die Stiftung und der DFB dafür sorgen, dass das Level auf dem aktuellen Niveau bleibt. Das ist natürlich eine langfristige Herausforderung. Der Krieg in Syrien wird nicht im nächsten Jahr beendet sein, und je länger jemand in einem Land ist, desto mehr wird er bleiben wollen. Das belegt auch die Forschung. Entscheidend wird also die Nachhaltigkeit des Engagements sein. Da ist die gesamte Zivilgesellschaft gefragt, und der Fußball ist ein wesentlicher Teil dieser Zivilgesellschaft. "1:0 für ein Willkommen" - das ist ein guter Spielstand, aber es wird wichtig sein, das zweite Tor nachzulegen!

DFB.de: Ihr Fazit?

Sonntag: Der Fußball kann Vertrauen schaffen. Das Gefühl oder die Gewissheit zu vermitteln: "Ihr seid nicht allein." Von Vereinsseite den Migranten und Flüchtlingen gegenüber, vom DFB aus den Vereinen.

DFB.de: Welche Rolle kann die Sozialwissenschaft dabei spielen?

Sonntag: Sie hat in den letzten Jahren ja schon viel zum Thema Gewalt und Fußball erforscht. Sie könnte auch zum Thema Flüchtlinge die Arbeit unabhängig begleiten und in drei, vier Jahren die Ergebnisse der Anstrengungen des Fußballs neutral auswerten.

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