Fußball und Migration im Ruhrgebiet: Ausstellung "Von Kuzorra bis Özil"

Fritz Pleitgen war neun Jahre alt, ein Stepke, als der große FC Schalke 04 in seinem Heimatdorf vorbeischaute. Der Klub aus Gelsenkirchen kam zu einem Freundschaftsspiel in den westfälischen Ort Bünde. Als Antrittsgage erhielten die Schalker Eier, Speck und Zigarren - damals in der Nachkriegszeit die übliche Bezahlung. Der kleine Fritz stand bei dem Spiel als Zuschauer am Rand. Ihn faszinierten die Namen der Schalker Spieler. „Die meisten hatten so einen herrlichen Klang. Georg Gawliczek, Otto Tibulski, Fritz Szepan, Ernst Kuzorra. Nach ihnen haben wir Kinder uns beim Fußballspielen auf der Straße oft benannt“, sagte der langjährige Intendant des Westdeutschen Rundfunks und der ARD im Gespräch mit DFB.de.

Deshalb war Pleitgens Besuch einer Zeche in Bochum für ihn selbst eben auch eine Reise in die Vergangenheit. Im Westfälischen Landesmuseum für Industriekultur besuchte er die Eröffnung der Ausstellung „Von Kuzorra bis Özil“ - die Geschichten von Fußball und Migration im Ruhrgebiet“. Das steht derzeit auf Plakaten vor dem Schacht. Die Politikwissenschaftler Daniel Huhn und der Sozialwissenschaftler Stefan Metzger hatten 2011 dieses Projekt angestoßen. Sie setzten sich mit Museumsleiter Dietmar Osses zusammen und feilten gemeinsam am Konzept. Der Unterstützung vom Dokumentationszentrum und Museum über die Migration (Domid) sowie der Förderung durch DFB-Kulturstiftung und dem Fonds Soziokultur ist es zu verdanken, das Fußballfans und andere in den kommenden Wochen die kleine, aber stimmungsvolle und immer wieder überraschende Ausstellung erleben können.

Fußball im Wandel: Kuzorra war Bergmann, Özil ist Weltstar

Die Ausstellung schlägt einen Bogen von den 30er-Jahren bis in die Gegenwart. Unter den 150 Exponaten befinden sich auch Bilder, Trikots und Medaillen von Ernst Kuzorra und Mesut Özil - zwei Spieler, die auf den ersten Blick Welten trennen. Kuzorra kam 1905 zur Welt, Özil ist Jahrgang 1988. Der eine arbeitete als Bergmann, der andere ist Weltmeister und Star in den sozialen Netzwerken. Trotzdem haben sie viel gemeinsam: Kuzorra und Özil wurden in Gelsenkirchen geboren. Kuzorra war das Idol seiner Generation, Özil ist es heute. Und: Beide stammen aus Zuwandererfamilien. Die Kuzorras zogen aus Masuren ins Ruhrgebiet. Die Özils verließen die türkische Schwarzmeerküste und fanden ihr neues Zuhause in Gelsenkirchen.

Ähnliche Biografien finden sich auf den Sportplätzen im Ruhrgebiet häufig. Schalke gewann zwischen 1934 und 1942 sechs Meisterschaften - auch dank seiner ruhrpolnischen Spieler. Neben Kuzorra und seinem Schwager Szepan wirbelten Ernst Kalwitzki, Valentin Przybylski oder Adolf Urban. Deren Familien kamen allesamt aus dem damaligen Ostpreußen. Özil trifft in der Nationalmannschaft ebenfalls auf Spieler, deren Eltern ebenfalls irgendwann die Heimat verließen. Auch Ilkay Gündogan kam als Sohn türkischer Einwanderer in Gelsenkirchen zu Welt. Heute jubeln ihm die Fans von Borussia Dortmund und der Nationalmannschaft zu. „Aus der Generation Kuzorra ist längst die Generation Özil und Gündogan geworden“, beschreibt Pleitgen Wandel und Kontinuität.



Fritz Pleitgen war neun Jahre alt, ein Stepke, als der große FC Schalke 04 in seinem Heimatdorf vorbeischaute. Der Klub aus Gelsenkirchen kam zu einem Freundschaftsspiel in den westfälischen Ort Bünde. Als Antrittsgage erhielten die Schalker Eier, Speck und Zigarren - damals in der Nachkriegszeit die übliche Bezahlung. Der kleine Fritz stand bei dem Spiel als Zuschauer am Rand. Ihn faszinierten die Namen der Schalker Spieler. „Die meisten hatten so einen herrlichen Klang. Georg Gawliczek, Otto Tibulski, Fritz Szepan, Ernst Kuzorra. Nach ihnen haben wir Kinder uns beim Fußballspielen auf der Straße oft benannt“, sagte der langjährige Intendant des Westdeutschen Rundfunks und der ARD im Gespräch mit DFB.de.

Deshalb war Pleitgens Besuch einer Zeche in Bochum für ihn selbst eben auch eine Reise in die Vergangenheit. Im Westfälischen Landesmuseum für Industriekultur besuchte er die Eröffnung der Ausstellung „Von Kuzorra bis Özil“ - die Geschichten von Fußball und Migration im Ruhrgebiet“. Das steht derzeit auf Plakaten vor dem Schacht. Die Politikwissenschaftler Daniel Huhn und der Sozialwissenschaftler Stefan Metzger hatten 2011 dieses Projekt angestoßen. Sie setzten sich mit Museumsleiter Dietmar Osses zusammen und feilten gemeinsam am Konzept. Der Unterstützung vom Dokumentationszentrum und Museum über die Migration (Domid) sowie der Förderung durch DFB-Kulturstiftung und dem Fonds Soziokultur ist es zu verdanken, das Fußballfans und andere in den kommenden Wochen die kleine, aber stimmungsvolle und immer wieder überraschende Ausstellung erleben können.

Fußball im Wandel: Kuzorra war Bergmann, Özil ist Weltstar

Die Ausstellung schlägt einen Bogen von den 30er-Jahren bis in die Gegenwart. Unter den 150 Exponaten befinden sich auch Bilder, Trikots und Medaillen von Ernst Kuzorra und Mesut Özil - zwei Spieler, die auf den ersten Blick Welten trennen. Kuzorra kam 1905 zur Welt, Özil ist Jahrgang 1988. Der eine arbeitete als Bergmann, der andere ist Weltmeister und Star in den sozialen Netzwerken. Trotzdem haben sie viel gemeinsam: Kuzorra und Özil wurden in Gelsenkirchen geboren. Kuzorra war das Idol seiner Generation, Özil ist es heute. Und: Beide stammen aus Zuwandererfamilien. Die Kuzorras zogen aus Masuren ins Ruhrgebiet. Die Özils verließen die türkische Schwarzmeerküste und fanden ihr neues Zuhause in Gelsenkirchen.

Ähnliche Biografien finden sich auf den Sportplätzen im Ruhrgebiet häufig. Schalke gewann zwischen 1934 und 1942 sechs Meisterschaften - auch dank seiner ruhrpolnischen Spieler. Neben Kuzorra und seinem Schwager Szepan wirbelten Ernst Kalwitzki, Valentin Przybylski oder Adolf Urban. Deren Familien kamen allesamt aus dem damaligen Ostpreußen. Özil trifft in der Nationalmannschaft ebenfalls auf Spieler, deren Eltern ebenfalls irgendwann die Heimat verließen. Auch Ilkay Gündogan kam als Sohn türkischer Einwanderer in Gelsenkirchen zu Welt. Heute jubeln ihm die Fans von Borussia Dortmund und der Nationalmannschaft zu. „Aus der Generation Kuzorra ist längst die Generation Özil und Gündogan geworden“, beschreibt Pleitgen Wandel und Kontinuität.

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Viele Einblicke: Wosz, Keser und die B-Juniorinnen aus Hamburn

Die beiden Namensgeber der Ausstellung nehmen in der Zeche Hannover viel Raum ein. Doch im Museum geht es um mehr als Kuzorra und Özil. In Filmbeiträgen lassen Huhn und Metzger weitere prominente Fußballer zu Wort kommen. Sie redeten mit Dariusz Wosz, der in Schlesien aufwuchs und beim VfL Bochum zur „Zaubermaus“ und zum Nationalspieler wurde. Es gab einen Besuch bei Erdal Keser, der mit zehn Jahren noch Deutschland kam, und später das Trikot von Borussia Dortmund und der türkischen Nationalmannschaft trug. Aber auch die Amateure kommen in der Ausstellung nicht zu kurz. Den Eingangsbereich schmücken Wappen migrantisch geprägter Vereine - unter anderem von Genc Osman Duisburg, Croatia Mülheim und Polonia Bottrop. „Wir kommen ja beide vom Fußballplatz und haben erlebt, dass er ein Brennglas der Gesellschaft ist“, sagte Daniel Huhn. So besuchten sie für ihren Film die B-Juniorinnen von Rheinland Hamborn.

Und sie sprachen mit Hianick Kamba. Der gebürtige Kongolese flüchtete mit seiner Familie ins Ruhrgebiet. Kamba spielte für Essener Jugendteams und machte dort Scouts von Schalke 04 auf sich aufmerksam. Er wechselte nach Gelsenkirchen, spielte für die „Königsblauen“. Als er mit der Schalker A-Jugend um die Deutsche Meisterschaft spielte, erreichte Kamba eine niederschmetternde Nachricht. Seine Eltern mussten Deutschland verlassen. Nach der Abschiebung von Vater und Mutter ging es mit Kambas Leistungen bergab. Mittlerweile spielt er für den Verbandsligisten YEG Hassel, einem türkisch geprägten Klub aus Gelsenkirchen. Auf den Sportplätzen erlebt Kamba auch Schmähungen aufgrund seiner Hautfarbe. „Der Rassismus ist leider fast normal“, sagte der 29-Jährige bei der Ausstellungseröffnung. Mitten im Deutschland 2015 - man mag es kaum glauben, man mag es kaum hören.

Ausstellung in Bochum läuft bis 1. November

Diese Probleme behandelt die Ausstellung auch. Trotzdem will das Team um Osses, Huhn und Metzger das Positive in den Vordergrund stellen. Sie möchten den Besuchern zeigen, wie sehr die Faszination des Fußballs die Menschen im Ruhrgebiet zusammenführt, zusammenschweißt, vereint; sei es als Fan in der Bundesliga oder als Spieler in der Kreisliga. Wer einen Blick in die Geschichte von Fußball und Migration in dieser Region werfen will, kann das bis zum 1. November machen. So lange läuft die Ausstellung in der "Zeche Hannover" noch.

Die Zeche Hannover (Günnigfelder Straße 251, 44793 Bochum) hat mittwochs bis Samstag von 14 bis 18 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Neben der Ausstellung gibt es auch ein umfangreiches Begleitprogramm.