Ferda Ataman: "Ich hoffe, unsere Mannschaft zieht durch"

"Die freundliche Streitbare" hat sie der Berliner Tagesspiegel mal genannt. Am Mittwoch war Ferda Ataman zu Gast in Frankfurt beim Fachtag Vielfalt und Antidiskriminierung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Im Juli 2022 war die Journalistin vom Deutschen Bundestag zur Unabhängigen Bundesbeauftragten für Vielfalt und Antidiskriminierung gewählt worden, zudem leitet sie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Direkt vor Beginn des Fachtags nahm sich die 44 Jahre alte Ferda Ataman im DFB-Campus die Zeit für ein DFB.de-Interview über Fußball, Altersdiskriminierung und schmerzhaft fehlende Rollstuhlplätze.

DFB.de: Frau Ataman, am 14. Juni beginnt die EURO 2024 mit dem Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Auswahl Schottlands. Was wünschen Sie sich von dem Turnier in Deutschland?

Ferda Ataman: Erst mal würde ich mich freuen, wenn es viele deutsche Siege gibt und unsere Mannschaft durchzieht. Zum anderen hat Deutschland nach 2006 und der Frauen-WM 2011 wieder die Gelegenheit, sich als guter Gastgeber zu präsentieren. Und das heißt, Inklusion, Vielfalt und Diversität zu leben.

DFB.de: Eines ist schon mal gut, in vielen Stadien wird es während der EURO mehr Rollstuhlplätze geben als sonst im Bundesligabetrieb. Haben Sie Einfluss darauf, dass das auch so bleibt?

Ataman: Leider habe ich darauf keinen direkten Einfluss. In punkto bauliche Barrierefreiheit muss aber auf jeden Fall mehr passieren. Dass die für die EURO zusätzlich installierten Rollstuhlfahrerplätze nach dem Turnier wieder zurückgebaut werden sollen, kann nicht richtig sein. Gleiche Rechte für alle - dem müssen wir gerecht werden. Inzwischen existieren doch auch kreative flexible Lösungen, so dass, wenn bei einer weniger attraktiven EM-Paarung Rollstuhlplätze ungenutzt bleiben, die Karten noch kurzfristig regulär verkauft werden können.

DFB.de: Es gibt ja beides durch den Fußball, mehr Zusammenhalt, manchmal aber auch Zoff und Spaltung. Wie erleben Sie den Fußball in Deutschland?

Ataman: Es klingt wie eine Plattitüde, aber es ist nun mal so: Fußball ist ein riesiger Integrationsmotor. Das meine ich nicht nur mit dem Blick auf Einwanderung, das gilt für alle Teile der Gesellschaft. Beim Fußball kommen junge und alte Menschen zusammen, aus verschiedenen Milieus, natürlich auch mit verschiedener Herkunft. Es gibt kaum eine andere Kraft, die uns alle mit Spaß und spielerisch zusammenbringt, wie dies über den Fußball gelingt. Wichtig ist: Der DFB, die DFL und der Fußball im ganzen Land müssen die Begegnungen managen. Nicht immer sind alle lieb und nett. Man muss reagieren können, wenn es mal zu Konflikten kommt.

DFB.de: Als es zu Beginn der U 17-Weltmeisterschaft 2023 auf Social Media zu rassistischen Anfeindungen gegen deutsche Spieler kam, leitete der DFB entsprechende Kommentare an die Staatsanwaltschaft weiter. Ihre Beurteilung?

Ataman: Ich finde es absolut richtig, gegen solche rassistischen Anfeindungen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln vorzugehen. Gerade die Zentralstelle gegen Hasskriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt ist im Umgang mit Hassrede in den sozialen Medien extrem gut aufgestellt. Das Vorgehen des DFB ist ein Musterbeispiel dafür, wie man mit solchen Vorfällen umgehen sollte.

DFB.de: Viele Menschen mit einer familiären Zuwanderungsgeschichte fremdeln bis heute mit der Nationalmannschaft. Oder wie erleben Sie es? Das müsste doch in der dritten oder vierten Generation anders sein, oder?

Ataman: Ich habe das bei der WM 2006 ganz anders erlebt. Nachdem sich die türkische Mannschaft nicht qualifizieren konnte, hatten alle schon die deutsche Fahne parat. Menschen mit einer familiären Einwanderungsgeschichte sind sehr wohl in der Lage, verschiedene nationale Identitäten leidenschaftlich auszuleben. Ich glaube, dass die Integrationskraft des Fußballs enorm ist, gerade weil diese deutsche Nationalmannschaft Menschen mit einer Migrationsgeschichte mitnimmt.

DFB.de: Ihre Eltern sind aus der Türkei eingewandert, Sie wurden in Stuttgart geboren und leben jetzt bedingt durch die politische Aufgabe in Berlin. Was ist Heimat für Sie?

Ataman: Die einfache Antwort lautet: Nürnberg. Dort bin ich aufgewachsen. Immer, wenn ich dorthin fahre, spüre ich diese Heimatgefühle. Aber wie vielen anderen Menschen geht es mir so, dass ich inzwischen mehrere Heimaten habe. Wenn ich in Berlin bei mir zuhause ankomme, ist da auch das Gefühl von Zugehörigkeit, von Heimat. Manche erleben Deutschland und die Türkei als ihre Heimat. Menschen können mehrere Heimaten haben, so war es etwa für meine Eltern. Gerade auf die Frage nach der Heimat hat jeder von uns eine persönliche Antwort.

DFB.de: Rechtsruck, die Lage im Nahen Osten, Antisemitismus, viele Menschen empfinden Zukunftsängste - Sie hätten sich eine einfachere Zeit für Ihre Aufgabe als Unabhängige Beauftragte für Vielfalt und Anti-Diskriminierung aussuchen können...

Ataman: Bei meinem Job geht es um alle in unserem Land. Denn alle Menschen können aufgrund von persönlichen Merkmalen benachteiligt werden. Wenn wir hier vorankommen, kann uns das zusammenbringen. Ich habe einen Schwerpunkt auf Altersdiskriminierung gelegt. Das haben viele nicht erwartet. Aber gerade diese Art von Diskriminierung macht deutlich, dass früher oder später alle betroffen sind. Daraus folgt, dass wir Schutzmaßnahmen und Antworten brauchen. Antidiskriminierung erschwert nicht gesellschaftliche Probleme, sondern kann eine Lösung für die Konflikte und Probleme sein. Allzu oft wird meine Aufgabe so verstanden, dass ich mich nur um Belange von einzelnen Menschen kümmere. Tatsächlich geht es um einen proaktiven Umgang mit Vielfalt. Wo Menschen zusammenkommen, gibt es ab und zu Konflikte. Die muss man managen.

DFB.de: Heute nehmen Sie sich viel Zeit für den Fachtag des DFB und der DFL. Was hat Sie überzeugt, nach Frankfurt auf den DFB-Campus zu kommen?

Ataman: Das war völlig klar. Ich finde es großartig, dass DFB und DFL diese Aufgabe proaktiv angehen. Ein Fachtag gehört dazu. Nicht alle Bereiche unserer Gesellschaft sind schon so weit. Manche denken immer noch, dass regele sich von ganz allein. Wir alle freuen uns auf die Europameisterschaft. Und ich freue mich auf eine EM, bei der alle dabei sein können, niemand draußen bleibt und niemand aufgrund persönlicher Merkmale wie der Herkunft, einer Behinderung, des Geschlechts oder der sexuellen Identität schlechter behandelt wird.

[th]

"Die freundliche Streitbare" hat sie der Berliner Tagesspiegel mal genannt. Am Mittwoch war Ferda Ataman zu Gast in Frankfurt beim Fachtag Vielfalt und Antidiskriminierung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Im Juli 2022 war die Journalistin vom Deutschen Bundestag zur Unabhängigen Bundesbeauftragten für Vielfalt und Antidiskriminierung gewählt worden, zudem leitet sie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Direkt vor Beginn des Fachtags nahm sich die 44 Jahre alte Ferda Ataman im DFB-Campus die Zeit für ein DFB.de-Interview über Fußball, Altersdiskriminierung und schmerzhaft fehlende Rollstuhlplätze.

DFB.de: Frau Ataman, am 14. Juni beginnt die EURO 2024 mit dem Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Auswahl Schottlands. Was wünschen Sie sich von dem Turnier in Deutschland?

Ferda Ataman: Erst mal würde ich mich freuen, wenn es viele deutsche Siege gibt und unsere Mannschaft durchzieht. Zum anderen hat Deutschland nach 2006 und der Frauen-WM 2011 wieder die Gelegenheit, sich als guter Gastgeber zu präsentieren. Und das heißt, Inklusion, Vielfalt und Diversität zu leben.

DFB.de: Eines ist schon mal gut, in vielen Stadien wird es während der EURO mehr Rollstuhlplätze geben als sonst im Bundesligabetrieb. Haben Sie Einfluss darauf, dass das auch so bleibt?

Ataman: Leider habe ich darauf keinen direkten Einfluss. In punkto bauliche Barrierefreiheit muss aber auf jeden Fall mehr passieren. Dass die für die EURO zusätzlich installierten Rollstuhlfahrerplätze nach dem Turnier wieder zurückgebaut werden sollen, kann nicht richtig sein. Gleiche Rechte für alle - dem müssen wir gerecht werden. Inzwischen existieren doch auch kreative flexible Lösungen, so dass, wenn bei einer weniger attraktiven EM-Paarung Rollstuhlplätze ungenutzt bleiben, die Karten noch kurzfristig regulär verkauft werden können.

DFB.de: Es gibt ja beides durch den Fußball, mehr Zusammenhalt, manchmal aber auch Zoff und Spaltung. Wie erleben Sie den Fußball in Deutschland?

Ataman: Es klingt wie eine Plattitüde, aber es ist nun mal so: Fußball ist ein riesiger Integrationsmotor. Das meine ich nicht nur mit dem Blick auf Einwanderung, das gilt für alle Teile der Gesellschaft. Beim Fußball kommen junge und alte Menschen zusammen, aus verschiedenen Milieus, natürlich auch mit verschiedener Herkunft. Es gibt kaum eine andere Kraft, die uns alle mit Spaß und spielerisch zusammenbringt, wie dies über den Fußball gelingt. Wichtig ist: Der DFB, die DFL und der Fußball im ganzen Land müssen die Begegnungen managen. Nicht immer sind alle lieb und nett. Man muss reagieren können, wenn es mal zu Konflikten kommt.

DFB.de: Als es zu Beginn der U 17-Weltmeisterschaft 2023 auf Social Media zu rassistischen Anfeindungen gegen deutsche Spieler kam, leitete der DFB entsprechende Kommentare an die Staatsanwaltschaft weiter. Ihre Beurteilung?

Ataman: Ich finde es absolut richtig, gegen solche rassistischen Anfeindungen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln vorzugehen. Gerade die Zentralstelle gegen Hasskriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt ist im Umgang mit Hassrede in den sozialen Medien extrem gut aufgestellt. Das Vorgehen des DFB ist ein Musterbeispiel dafür, wie man mit solchen Vorfällen umgehen sollte.

DFB.de: Viele Menschen mit einer familiären Zuwanderungsgeschichte fremdeln bis heute mit der Nationalmannschaft. Oder wie erleben Sie es? Das müsste doch in der dritten oder vierten Generation anders sein, oder?

Ataman: Ich habe das bei der WM 2006 ganz anders erlebt. Nachdem sich die türkische Mannschaft nicht qualifizieren konnte, hatten alle schon die deutsche Fahne parat. Menschen mit einer familiären Einwanderungsgeschichte sind sehr wohl in der Lage, verschiedene nationale Identitäten leidenschaftlich auszuleben. Ich glaube, dass die Integrationskraft des Fußballs enorm ist, gerade weil diese deutsche Nationalmannschaft Menschen mit einer Migrationsgeschichte mitnimmt.

DFB.de: Ihre Eltern sind aus der Türkei eingewandert, Sie wurden in Stuttgart geboren und leben jetzt bedingt durch die politische Aufgabe in Berlin. Was ist Heimat für Sie?

Ataman: Die einfache Antwort lautet: Nürnberg. Dort bin ich aufgewachsen. Immer, wenn ich dorthin fahre, spüre ich diese Heimatgefühle. Aber wie vielen anderen Menschen geht es mir so, dass ich inzwischen mehrere Heimaten habe. Wenn ich in Berlin bei mir zuhause ankomme, ist da auch das Gefühl von Zugehörigkeit, von Heimat. Manche erleben Deutschland und die Türkei als ihre Heimat. Menschen können mehrere Heimaten haben, so war es etwa für meine Eltern. Gerade auf die Frage nach der Heimat hat jeder von uns eine persönliche Antwort.

DFB.de: Rechtsruck, die Lage im Nahen Osten, Antisemitismus, viele Menschen empfinden Zukunftsängste - Sie hätten sich eine einfachere Zeit für Ihre Aufgabe als Unabhängige Beauftragte für Vielfalt und Anti-Diskriminierung aussuchen können...

Ataman: Bei meinem Job geht es um alle in unserem Land. Denn alle Menschen können aufgrund von persönlichen Merkmalen benachteiligt werden. Wenn wir hier vorankommen, kann uns das zusammenbringen. Ich habe einen Schwerpunkt auf Altersdiskriminierung gelegt. Das haben viele nicht erwartet. Aber gerade diese Art von Diskriminierung macht deutlich, dass früher oder später alle betroffen sind. Daraus folgt, dass wir Schutzmaßnahmen und Antworten brauchen. Antidiskriminierung erschwert nicht gesellschaftliche Probleme, sondern kann eine Lösung für die Konflikte und Probleme sein. Allzu oft wird meine Aufgabe so verstanden, dass ich mich nur um Belange von einzelnen Menschen kümmere. Tatsächlich geht es um einen proaktiven Umgang mit Vielfalt. Wo Menschen zusammenkommen, gibt es ab und zu Konflikte. Die muss man managen.

DFB.de: Heute nehmen Sie sich viel Zeit für den Fachtag des DFB und der DFL. Was hat Sie überzeugt, nach Frankfurt auf den DFB-Campus zu kommen?

Ataman: Das war völlig klar. Ich finde es großartig, dass DFB und DFL diese Aufgabe proaktiv angehen. Ein Fachtag gehört dazu. Nicht alle Bereiche unserer Gesellschaft sind schon so weit. Manche denken immer noch, dass regele sich von ganz allein. Wir alle freuen uns auf die Europameisterschaft. Und ich freue mich auf eine EM, bei der alle dabei sein können, niemand draußen bleibt und niemand aufgrund persönlicher Merkmale wie der Herkunft, einer Behinderung, des Geschlechts oder der sexuellen Identität schlechter behandelt wird.

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