Olympia nach 1945: Erst unbelohnt, dann Bronze und Silber

Der Start ins Olympische Fußballturnier 2021 steht kurz bevor. Zeit für DFB.de, auf vergangene Teilnahmen zurückzuschauen. In Teil zwei der Olympiaserie: Die Nachkriegszeit mit vier vergeblichen Anläufen und zweimal Edelmetall bei den letzten Auftritten.

Nach dem Krieg war Deutschland zunächst vom internationalen Spielverkehr ausgeschlossen. Die Spiele 1948 in London wurden verpasst, weil es keinen deutschen Staat mehr gab. Das änderte sich 1949 mit Gründung von BRD und DDR. 1950 erfolgte die Wiederaufnahme des DFB in die FIFA und die Wiedergeburt der Nationalmannschaft.

Die durfte aber nun nicht mehr die Olympiaauswahl stellen, als es 1952 nach Helsinki ging. Mit Gründung der Oberligen gab es in Deutschland den Vertragsspieler, quasi ein Halbprofi, der maximal 320 DM im Monat verdienen durfte und noch einen bürgerlichen Beruf haben musste. Dennoch verstieß das Konstrukt gegen die Olympiastatuten und so reiste die DFB-Equipe mit 18 reinen Amateuren nach Helsinki, eine Qualifikation war damals nicht nötig.

Nur der Trainer war ein "Profi", Bundestrainer Sepp Herberger übernahm auch diesen Job und betreute Spieler aus Traunstein, Lübbecke, Eislingen oder Itzehoe. Nur drei Spieler hatten Oberligaerfahrung, der Rest war, gemessen an der Vereinszugehörigkeit, zweitklassig - aber hochtalentiert. Georg Stollenwerk (Düren 99), Willi Schröder (Bremen 1860), Hans Zeitler (VfB Bayreuth), Herbert Schäfer (Sportfreunde Siegen) und Matthias Mauritz (Fortuna Düsseldorf) sollten es immerhin noch zu A-Länderspielerehren bringen. Ein 2:3 im letzten Testspiel gegen die Schweizer B-Elf dämpfte die Erwartungen etwas, der Kicker titelte bescheiden: "Wir sind viel lieber Außenseiter." In Malente brachte Herberger seinen Kader in Olympiaform.

1952: Furios gegen Brasilien

Das Turnier begann mit einem Freilos, das gleich sieben Mannschaften erhielten, um auf die Achtelfinalgröße von 16 zu kommen. Zuerst wurde Ägypten in Turku 3:1 bezwungen, dank deutscher Gründlichkeit. Herberger hatte nach einer Platzinspektion den Rasen als "zu glatt" befunden und Zeugwart Adi Dassler musste noch schnell umstollen, von Gummi auf Leder. Details, die den Sieg ermöglichten und einen buchstäblichen Ausrutscher verhinderten.

Nun schrieb der Kicker vermeintlich originell: "Ägypten mit Abwehrpyramiden und überraschender Taktik erstürmt." Der Einsatz des "doppelten Mittelläufers" überraschte offenbar nicht nur den Reporter, sondern auch den Gegner. Nach 65 Minuten hatten Schröder (2 Tore) und Karl Klug ein 3:0 herausgeschossen, der ägyptische Ehrentreffer war zu verkraften.

In der nächsten Runde durften sie in der Olympiastadt antreten, 10.000 Zuschauer sahen in Helsinki ein furioses 4:2 gegen Brasilien. Nach 75 Minuten ging der Gegner mit 2:0 in Führung, "die deutschen Spieler scheinen zu resignieren, die ersten Zuschauer verlassen den Platz. Das Rennen ist gelaufen.", schildert der Kicker die Szenerie in jenem Moment. Doch schon im Gegenzug verkürzt Schröder per Kopf und weckt die "deutschen Tugenden", die eine Herberger-Elf offenbar schon vor Bern verinnerlicht hatte.

Bronze gegen Schweden verpasst

20 Sekunden vor Schluss drückt Klug den Ball nach einem mehrfach abgewehrten Freistoß über die Linie und das Publikum feiert: "Ra ra Germania!" Es freut sich auf eine Verlängerung, in der die Wende gänzlich vollzogen wird. Zeitler (95.) und noch einmal Schröder (120.) schießen Deutschland eine Runde weiter, nach dem 4:2 stürmen angeblich Hunderte deutsche Fans das Feld. Selbst der englische Schiedsrichter Ellis ist beeindruckt. "Was die deutsche Mannschaft an Konzentration und kämpferischer Leistung gezeigt hat, verdient Bewunderung." So ergeht es auch der mitgereisten Presse: "Bravo deutsche Mannschaft, bravo Sepp Herberger!", endet der Kicker-Bericht.

Es wird der letzte aus Helsinki, der von einem Sieg kündet, das Lob aber wird bleiben. Im Halbfinale trafen sie auf Jugoslawien, das wie alle Ostblockstaaten seine A-Nationalmannschaft schickte, sie waren ja offiziell nur "Staatsamateure". Gegen Stars wie Zebec, Cajkovski oder Horvat, alle 1954 noch bei der WM dabei und spätere Bundesligatrainer, kamen sie nicht an und verloren 1:3. So stand es schon zur Halbzeit. Stollenwerk traf zum Ausgleich, der nicht lange vorhielt.

Zur Enttäuschung gab es wenig Anlass: "Eine Niederlage, die uns Ehre macht", stand nun in der Überschrift des Kicker. So sah es auch der DFB, Präsident Peco Bauwens sagte: "Eurer Niederlage braucht ihr euch nicht zu schämen. So weit kam noch keine deutsche Olympiamannschaft." Und es blieb noch die Chance auf Bronze. Sie zerplatzte, durch ein frühes und ein spätes Gegentor. Auch das 0:2 im letzten Auftritt in Finnland wurde positiv bewertet, weil selbst die Schweden quasi mit ihrer A-Elf angetreten waren und noch fünf WM-Teilnehmer von 1950 aufboten. "Die Fußballer kehren stolz heim als die Vierten der Welt", war nun zu lesen.

1956: Weltreise für nur ein Spiel

Weit schneller erzählt ist die Geschichte von Melbourne. 1956 stand im Zeichen des kalten Krieges, den auch der olympische Geist nicht beenden konnte. Für das IOC gab es weiterhin nur ein Deutschland und deshalb auch eine gesamtdeutsche Olympiamannschaft - doch nicht im Fußball. Weil sich die DDR weigerte, ihre Spieler mit denen aus dem "kapitalistischen Westen" in eine Elf zu stecken und die daraufhin vereinbarten internen Ausscheidungsspiele kurzfristig absagte, flog nur eine Amateurauswahl des Westens im November 1956 nach Melbourne.

Hier gab es kein Losglück und mit der Sowjetunion in der Vorrunde den denkbar schwersten Gegner. Da weiterhin im K.o.-Modus gespielt wurde, war ein Kurzaufenthalt zu befürchten. "Auf dem Papier sieht unsere Mannschaft wie ein Schlachtopfer aus. Die Sowjetunion schickt ihre Gala-Nationalmannschaft. Selbst eine hohe Niederlage brächte niemandem in unserer Elf einen Vorwurf ein", bereitete Kicker-Chefredakteur Friedebert Becker die Heimat auf eine Pleite vor.

Es wurde keine, aber eben doch ein 1:2. Die immerhin nun vorwiegend aus Oberligaspielern bestehende Elf, von Georg Gawliczek betreut, schlug sich wacker und dem Kölner Ernst-Günter Habig war es vergönnt, dem großen Lew Jaschin einen einzuschenken - es war das Anschlusstor in der 85. Minute. Als Vorlagengeber Hans Zeitler darauf angesprochen wurde, knurrte er nur: "Das ist doch gar nicht so wichtig, das Tor haben wir alle elf gemacht."

Dass eine über 17.000 Kilometer angereiste Mannschaft nach 90 Minuten Fußball wieder abreisen musste, verdeutlichte indes, zu welcher Farce das olympische Fußballturnier (elf Teilnehmer, fünf Freilose) verkommen war, in dem Amateure gegen Profis spielten. Auch weil sich der DFB weiterhin strikt an die Bestimmungen hielt, scheiterte seine Auswahl danach dreimal in der Qualifikation.

1972: Comeback ohne Happy End

Ein Comeback erlebten sie erst 1972, als die Spiele nach München kamen. Noch immer standen formal Amateure auf dem Platz, aber die meisten waren Bundesligaspieler mit entsprechenden Vertragskonstruktionen, die sie nicht darben ließen. Uli Hoeneß war sogar schon Europameister geworden im Juni 1972, bei den Bayern aber offiziell auf der Geschäftsstelle beschäftigt. Das hatte sich das Cleverle 1970 extra ausbedungen, wollte er doch an Olympia teilnehmen. Auch ein gewisser Ottmar Hitzfeld gehörte dem Kader an, damals Stürmer beim FC Basel.

In der Gruppenphase gab es keine Probleme, mit 13:0 Toren ballerte sich die DFB-Auswahl gegen Malaysia (3:0), Marokko (3:0) und die USA (7:0) mühelos in die Zwischenrunde. Alleine sechs Treffer gingen auf das Konto des Frankfurters Bernd Nickel. In der Zwischenrunde gab es nichts mehr zu feiern für das Team von Jupp Derwall, dem 1:1 gegen Mexiko folgte ein ernüchterndes 1:4 gegen Ungarn.

Dann kam es am 8. September zum Duell gegen den Bruder aus dem Osten, der Sieger hatte noch eine Chance auf Bronze. Aber vor allem ging es ums Prestige, es war das erste Länderspiel zwischen den deutschen Staaten. 80.000 Zuschauer füllten das neue Olympiastadion und sahen ein 3:2 der DDR. Hoeneß und Hitzfeld schossen die West-Tore, die nur die Statistiker interessierten. Allerdings nur die westlichen, denn während die DDR alle anderen Spiele des Turniers als A-Länderspiele wertete, taucht das Bruderduell in ihren Annalen nicht auf. Noch immer war der Weg zur gegenseitigen Anerkennung weit - ebenso wie der zu olympischem Edelmetall, jedenfalls für "den Westen".

1984: Viertelfinalaus gegen Jugoslawien

Während die DDR-Auswahl 1976 in Montreal Gold gewann, blieb die Bundesrepublik bis 1984 wieder ganz außen vor. Nun waren die Bestimmungen aufgeweicht, Profis waren offiziell erlaubt, abgesehen von Spielern, die schon WM-Erfahrungen hatten. Der DFB bereitete sich auf Los Angeles vor indem er unter Leitung von Trainer Erich Ribbeck eine Olympiamannschaft bildete, die die deutsche Amateurnationalmannschaft ablöste.

Im November 1982 bestritt sie ihr erstes Spiel, in den Aufstellungen bis 1984 finden sich kommende Weltmeister wie Guido Buchwald, Andreas Brehme oder Frank Mill. Sie schafften die Qualifikation und liefen am 30. Juli in Palo Alto gegen Marokko (2:0) zu Hochform auf. Beobachter Berti Vogts war schier begeistert: "Das war die stärkste Leistung, die ich je von einer deutschen Seniorenelf gesehen habe." Uwe Rahn und Brehme schossen die Tore.

Schon zwei Tage später kehrte Ernüchterung ein, auch wenn das 0:1 gegen Brasilien keine Schande war. Über Saudi-Arabien fegten sie wie ein Sandsturm hinweg (6:0), Rudi Bommer und Christian Schreier trafen doppelt, Rahn und Mill einfach. Das Viertelfinale war erreicht - und Endstation. In Pasadena setzte es vor rund 60.000 Besuchern ein 2:5 gegen Jugoslawien, trotz einer Blitzführung durch Bommer in der ersten Minute.

Ribbeck mäkelte: "Von den fünf Toren waren drei bis vier selbstgemachte dabei." Milde befand er: "Trotzdem fühlen wir uns nicht als Versager, denn dazu waren wir in den ersten drei Spielen zu überzeugend." Mit dem Fazit der Los Angeles Times konnten die Verlierer gut leben: "West Germany was good, but Yugoslavia was excellent." Es wurde allmählich Zeit, dass mehr als nur Lob auf den Heimflug mitzunehmen war.

1988: Bronze bricht den Bann

In Seoul wurde der Bann gebrochen. Unter dem neuen Trainer Hannes Löhr kehrte man 1988 mit Bronze zurück von einem Turnier, wegen dem sogar die Bundesliga für vier Wochen unterbrochen wurde. Es war die Mühe wert. In der Vorrunde gab es fernab des Olympischen Dorfes Siege gegen China (3:0) und Tunesien (4:1) und eine Niederlage gegen Schweden (1:2). Im Viertelfinale erledigte Jürgen Klinsmann mit drei Toren Sambia fast allein (4:0).

Nun durften sie nach Seoul zum Halbfinale gegen Brasilien, da scheiterte die DFB-Auswahl erst im Elfmeterschießen. Kapitän Frank Mill baute die Kameraden wieder auf: "Jungs, lasst die Köpfe nicht hängen und seid nicht sauer. Jetzt wollen wir eben Bronze, das ist auch eine schöne Medaille." Gegner Italien hatte auch 120 Minuten in den Knochen und den Deutschen traditionell bei Turnieren Schwierigkeiten bereitet. Diesmal nicht.
"Wir fahren hier nicht ohne Medaille nach Hause", kündigte Jürgen Klinsmann an, der wie Wolfram Wuttke und Frank Mill im Juni bereits an der EM teilgenommen hatte. Weil weitere Nationalelfkandidaten im Team standen - wie Thomas Häßler - gab sich auch Teamchef Franz Beckenbauer die Ehre und nahm im Stadion von Seoul Platz. Als einer von 61.000 Zuschauern, das Fußballturnier zog die Massen in ihren Bann.

Schon nach 17 Minuten hatten Klinsmann und der Uerdinger Verteidiger Gerhard Kleppinger eine 2:0-Führung heraus geschossen. Für die Entscheidung sorgte der Leverkusener Christian Schreier, der auf 3:0 erhöhte (69.). Das war auch der Endstand. Von der Tribüne eilte Beckenbauer herunter und schüttelte allen die Hand. Im Hotel warteten schon die Glückwunschtelegramme von Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Es war wie bei einem WM-Triumph, die anfangs belächelte Olympiaauswahl hatte viel für das Ansehen des deutschen Fußballs getan. Auch der Kicker stufte das Ergebnis als erstklassig ein: "Bronze - das funkelt wie Gold!" Unvergessliche Erinnerungen brachten sie alle mit, Verteidiger Michael Schulz drei Jahrzehnte vor Selfies sogar ein Foto mit der amerikanischen Sprintlegende Carl Lewis.

2016: Finaleinzug unter Hrubesch

Der Erfolg von Seoul war nicht die erhoffte Initialzündung, an den folgenden sechs Turnieren, die ab 1992 nur über die U 21-EM zu erreichen waren, nahm die DFB-Auswahl nicht teil. Bis 2016 war die Bronzemedaille von Seoul der größte Erfolg, ehe sich Horst Hrubesch der Sache annahm. 2015 hatte er die U 21 in Tschechien ins EM-Halbfinale geführt. Das 0:5 gegen Portugal war zwar ernüchternd, das Trostpflaster aber kein kleines: Man war für Olympia in Rio de Janeiro qualifiziert.

In der Vorrunde gab es dort nach zwei dramatischen Remis gegen Mexiko (2:2) und Südkorea (3:3), als Serge Gnabry in letzter Minute ausglich, einen 10:0-Kantersieg gegen Fidschi, wobei Max Meyer noch einen Elfmeter verschoss. Nils Petersen traf fünfmal, immerhin Nachkriegsrekord für einen deutschen Olympioniken. Es reichte für den Viertelfinaleinzug und in Brasilia wurde gegen Portugal Revanche genommen - 4:0 für Deutschland nach Toren von Gnabry, Matthias Ginter, Davie Selke und Philipp Max.

Erst Neymar stoppt den Siegeszug

Im Halbfinale von Sao Paulo blieb das von Timo Horn gehütete Tor auch gegen Nigeria sauber, Lukas Klostermann und Joker Petersen, der nur fünf Minuten für seinen großen Auftritt benötigte, schossen die BRD ins erste Olympiafinale. Dort warteten Superstar Neymar und 63.000 revanchelüsterne Brasilianer auf den Rängen von Maracana, noch schmerzte das 1:7 vom WM-Halbfinale zwei Jahre zuvor.

Neymar hatte es verletzt verpasst, nun durfte er spielen und schoss Brasilien in Führung (17.), doch Max Meyer glich aus (59.) und es kam nach einer weiteren Stunde zum Elfmeterschießen. Eigentlich eine deutsche Domäne, aber Olympia hat seine eigenen Gesetze, die Premiere misslang an jenem 20. August. Ginter, Gnabry, Julian Brandt und Niklas Süle hatten getroffen, alle Brasilianer auch, nur Petersen zeigte Nerven beim letzten und mental schwierigsten Schuss. Neymar verwandelte den letzten Ball - Brasilien machte seinen Frieden mit den Deutschen. So endete das bis dato letzte Olympiakapitel der Deutschen mit einer kleinen Enttäuschung und zugleich dem größten Erfolg. Auch Silber ist eine sehr schöne Medaille.

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Der Start ins Olympische Fußballturnier 2021 steht kurz bevor. Zeit für DFB.de, auf vergangene Teilnahmen zurückzuschauen. In Teil zwei der Olympiaserie: Die Nachkriegszeit mit vier vergeblichen Anläufen und zweimal Edelmetall bei den letzten Auftritten.

Nach dem Krieg war Deutschland zunächst vom internationalen Spielverkehr ausgeschlossen. Die Spiele 1948 in London wurden verpasst, weil es keinen deutschen Staat mehr gab. Das änderte sich 1949 mit Gründung von BRD und DDR. 1950 erfolgte die Wiederaufnahme des DFB in die FIFA und die Wiedergeburt der Nationalmannschaft.

Die durfte aber nun nicht mehr die Olympiaauswahl stellen, als es 1952 nach Helsinki ging. Mit Gründung der Oberligen gab es in Deutschland den Vertragsspieler, quasi ein Halbprofi, der maximal 320 DM im Monat verdienen durfte und noch einen bürgerlichen Beruf haben musste. Dennoch verstieß das Konstrukt gegen die Olympiastatuten und so reiste die DFB-Equipe mit 18 reinen Amateuren nach Helsinki, eine Qualifikation war damals nicht nötig.

Nur der Trainer war ein "Profi", Bundestrainer Sepp Herberger übernahm auch diesen Job und betreute Spieler aus Traunstein, Lübbecke, Eislingen oder Itzehoe. Nur drei Spieler hatten Oberligaerfahrung, der Rest war, gemessen an der Vereinszugehörigkeit, zweitklassig - aber hochtalentiert. Georg Stollenwerk (Düren 99), Willi Schröder (Bremen 1860), Hans Zeitler (VfB Bayreuth), Herbert Schäfer (Sportfreunde Siegen) und Matthias Mauritz (Fortuna Düsseldorf) sollten es immerhin noch zu A-Länderspielerehren bringen. Ein 2:3 im letzten Testspiel gegen die Schweizer B-Elf dämpfte die Erwartungen etwas, der Kicker titelte bescheiden: "Wir sind viel lieber Außenseiter." In Malente brachte Herberger seinen Kader in Olympiaform.

1952: Furios gegen Brasilien

Das Turnier begann mit einem Freilos, das gleich sieben Mannschaften erhielten, um auf die Achtelfinalgröße von 16 zu kommen. Zuerst wurde Ägypten in Turku 3:1 bezwungen, dank deutscher Gründlichkeit. Herberger hatte nach einer Platzinspektion den Rasen als "zu glatt" befunden und Zeugwart Adi Dassler musste noch schnell umstollen, von Gummi auf Leder. Details, die den Sieg ermöglichten und einen buchstäblichen Ausrutscher verhinderten.

Nun schrieb der Kicker vermeintlich originell: "Ägypten mit Abwehrpyramiden und überraschender Taktik erstürmt." Der Einsatz des "doppelten Mittelläufers" überraschte offenbar nicht nur den Reporter, sondern auch den Gegner. Nach 65 Minuten hatten Schröder (2 Tore) und Karl Klug ein 3:0 herausgeschossen, der ägyptische Ehrentreffer war zu verkraften.

In der nächsten Runde durften sie in der Olympiastadt antreten, 10.000 Zuschauer sahen in Helsinki ein furioses 4:2 gegen Brasilien. Nach 75 Minuten ging der Gegner mit 2:0 in Führung, "die deutschen Spieler scheinen zu resignieren, die ersten Zuschauer verlassen den Platz. Das Rennen ist gelaufen.", schildert der Kicker die Szenerie in jenem Moment. Doch schon im Gegenzug verkürzt Schröder per Kopf und weckt die "deutschen Tugenden", die eine Herberger-Elf offenbar schon vor Bern verinnerlicht hatte.

Bronze gegen Schweden verpasst

20 Sekunden vor Schluss drückt Klug den Ball nach einem mehrfach abgewehrten Freistoß über die Linie und das Publikum feiert: "Ra ra Germania!" Es freut sich auf eine Verlängerung, in der die Wende gänzlich vollzogen wird. Zeitler (95.) und noch einmal Schröder (120.) schießen Deutschland eine Runde weiter, nach dem 4:2 stürmen angeblich Hunderte deutsche Fans das Feld. Selbst der englische Schiedsrichter Ellis ist beeindruckt. "Was die deutsche Mannschaft an Konzentration und kämpferischer Leistung gezeigt hat, verdient Bewunderung." So ergeht es auch der mitgereisten Presse: "Bravo deutsche Mannschaft, bravo Sepp Herberger!", endet der Kicker-Bericht.

Es wird der letzte aus Helsinki, der von einem Sieg kündet, das Lob aber wird bleiben. Im Halbfinale trafen sie auf Jugoslawien, das wie alle Ostblockstaaten seine A-Nationalmannschaft schickte, sie waren ja offiziell nur "Staatsamateure". Gegen Stars wie Zebec, Cajkovski oder Horvat, alle 1954 noch bei der WM dabei und spätere Bundesligatrainer, kamen sie nicht an und verloren 1:3. So stand es schon zur Halbzeit. Stollenwerk traf zum Ausgleich, der nicht lange vorhielt.

Zur Enttäuschung gab es wenig Anlass: "Eine Niederlage, die uns Ehre macht", stand nun in der Überschrift des Kicker. So sah es auch der DFB, Präsident Peco Bauwens sagte: "Eurer Niederlage braucht ihr euch nicht zu schämen. So weit kam noch keine deutsche Olympiamannschaft." Und es blieb noch die Chance auf Bronze. Sie zerplatzte, durch ein frühes und ein spätes Gegentor. Auch das 0:2 im letzten Auftritt in Finnland wurde positiv bewertet, weil selbst die Schweden quasi mit ihrer A-Elf angetreten waren und noch fünf WM-Teilnehmer von 1950 aufboten. "Die Fußballer kehren stolz heim als die Vierten der Welt", war nun zu lesen.

1956: Weltreise für nur ein Spiel

Weit schneller erzählt ist die Geschichte von Melbourne. 1956 stand im Zeichen des kalten Krieges, den auch der olympische Geist nicht beenden konnte. Für das IOC gab es weiterhin nur ein Deutschland und deshalb auch eine gesamtdeutsche Olympiamannschaft - doch nicht im Fußball. Weil sich die DDR weigerte, ihre Spieler mit denen aus dem "kapitalistischen Westen" in eine Elf zu stecken und die daraufhin vereinbarten internen Ausscheidungsspiele kurzfristig absagte, flog nur eine Amateurauswahl des Westens im November 1956 nach Melbourne.

Hier gab es kein Losglück und mit der Sowjetunion in der Vorrunde den denkbar schwersten Gegner. Da weiterhin im K.o.-Modus gespielt wurde, war ein Kurzaufenthalt zu befürchten. "Auf dem Papier sieht unsere Mannschaft wie ein Schlachtopfer aus. Die Sowjetunion schickt ihre Gala-Nationalmannschaft. Selbst eine hohe Niederlage brächte niemandem in unserer Elf einen Vorwurf ein", bereitete Kicker-Chefredakteur Friedebert Becker die Heimat auf eine Pleite vor.

Es wurde keine, aber eben doch ein 1:2. Die immerhin nun vorwiegend aus Oberligaspielern bestehende Elf, von Georg Gawliczek betreut, schlug sich wacker und dem Kölner Ernst-Günter Habig war es vergönnt, dem großen Lew Jaschin einen einzuschenken - es war das Anschlusstor in der 85. Minute. Als Vorlagengeber Hans Zeitler darauf angesprochen wurde, knurrte er nur: "Das ist doch gar nicht so wichtig, das Tor haben wir alle elf gemacht."

Dass eine über 17.000 Kilometer angereiste Mannschaft nach 90 Minuten Fußball wieder abreisen musste, verdeutlichte indes, zu welcher Farce das olympische Fußballturnier (elf Teilnehmer, fünf Freilose) verkommen war, in dem Amateure gegen Profis spielten. Auch weil sich der DFB weiterhin strikt an die Bestimmungen hielt, scheiterte seine Auswahl danach dreimal in der Qualifikation.

1972: Comeback ohne Happy End

Ein Comeback erlebten sie erst 1972, als die Spiele nach München kamen. Noch immer standen formal Amateure auf dem Platz, aber die meisten waren Bundesligaspieler mit entsprechenden Vertragskonstruktionen, die sie nicht darben ließen. Uli Hoeneß war sogar schon Europameister geworden im Juni 1972, bei den Bayern aber offiziell auf der Geschäftsstelle beschäftigt. Das hatte sich das Cleverle 1970 extra ausbedungen, wollte er doch an Olympia teilnehmen. Auch ein gewisser Ottmar Hitzfeld gehörte dem Kader an, damals Stürmer beim FC Basel.

In der Gruppenphase gab es keine Probleme, mit 13:0 Toren ballerte sich die DFB-Auswahl gegen Malaysia (3:0), Marokko (3:0) und die USA (7:0) mühelos in die Zwischenrunde. Alleine sechs Treffer gingen auf das Konto des Frankfurters Bernd Nickel. In der Zwischenrunde gab es nichts mehr zu feiern für das Team von Jupp Derwall, dem 1:1 gegen Mexiko folgte ein ernüchterndes 1:4 gegen Ungarn.

Dann kam es am 8. September zum Duell gegen den Bruder aus dem Osten, der Sieger hatte noch eine Chance auf Bronze. Aber vor allem ging es ums Prestige, es war das erste Länderspiel zwischen den deutschen Staaten. 80.000 Zuschauer füllten das neue Olympiastadion und sahen ein 3:2 der DDR. Hoeneß und Hitzfeld schossen die West-Tore, die nur die Statistiker interessierten. Allerdings nur die westlichen, denn während die DDR alle anderen Spiele des Turniers als A-Länderspiele wertete, taucht das Bruderduell in ihren Annalen nicht auf. Noch immer war der Weg zur gegenseitigen Anerkennung weit - ebenso wie der zu olympischem Edelmetall, jedenfalls für "den Westen".

1984: Viertelfinalaus gegen Jugoslawien

Während die DDR-Auswahl 1976 in Montreal Gold gewann, blieb die Bundesrepublik bis 1984 wieder ganz außen vor. Nun waren die Bestimmungen aufgeweicht, Profis waren offiziell erlaubt, abgesehen von Spielern, die schon WM-Erfahrungen hatten. Der DFB bereitete sich auf Los Angeles vor indem er unter Leitung von Trainer Erich Ribbeck eine Olympiamannschaft bildete, die die deutsche Amateurnationalmannschaft ablöste.

Im November 1982 bestritt sie ihr erstes Spiel, in den Aufstellungen bis 1984 finden sich kommende Weltmeister wie Guido Buchwald, Andreas Brehme oder Frank Mill. Sie schafften die Qualifikation und liefen am 30. Juli in Palo Alto gegen Marokko (2:0) zu Hochform auf. Beobachter Berti Vogts war schier begeistert: "Das war die stärkste Leistung, die ich je von einer deutschen Seniorenelf gesehen habe." Uwe Rahn und Brehme schossen die Tore.

Schon zwei Tage später kehrte Ernüchterung ein, auch wenn das 0:1 gegen Brasilien keine Schande war. Über Saudi-Arabien fegten sie wie ein Sandsturm hinweg (6:0), Rudi Bommer und Christian Schreier trafen doppelt, Rahn und Mill einfach. Das Viertelfinale war erreicht - und Endstation. In Pasadena setzte es vor rund 60.000 Besuchern ein 2:5 gegen Jugoslawien, trotz einer Blitzführung durch Bommer in der ersten Minute.

Ribbeck mäkelte: "Von den fünf Toren waren drei bis vier selbstgemachte dabei." Milde befand er: "Trotzdem fühlen wir uns nicht als Versager, denn dazu waren wir in den ersten drei Spielen zu überzeugend." Mit dem Fazit der Los Angeles Times konnten die Verlierer gut leben: "West Germany was good, but Yugoslavia was excellent." Es wurde allmählich Zeit, dass mehr als nur Lob auf den Heimflug mitzunehmen war.

1988: Bronze bricht den Bann

In Seoul wurde der Bann gebrochen. Unter dem neuen Trainer Hannes Löhr kehrte man 1988 mit Bronze zurück von einem Turnier, wegen dem sogar die Bundesliga für vier Wochen unterbrochen wurde. Es war die Mühe wert. In der Vorrunde gab es fernab des Olympischen Dorfes Siege gegen China (3:0) und Tunesien (4:1) und eine Niederlage gegen Schweden (1:2). Im Viertelfinale erledigte Jürgen Klinsmann mit drei Toren Sambia fast allein (4:0).

Nun durften sie nach Seoul zum Halbfinale gegen Brasilien, da scheiterte die DFB-Auswahl erst im Elfmeterschießen. Kapitän Frank Mill baute die Kameraden wieder auf: "Jungs, lasst die Köpfe nicht hängen und seid nicht sauer. Jetzt wollen wir eben Bronze, das ist auch eine schöne Medaille." Gegner Italien hatte auch 120 Minuten in den Knochen und den Deutschen traditionell bei Turnieren Schwierigkeiten bereitet. Diesmal nicht.
"Wir fahren hier nicht ohne Medaille nach Hause", kündigte Jürgen Klinsmann an, der wie Wolfram Wuttke und Frank Mill im Juni bereits an der EM teilgenommen hatte. Weil weitere Nationalelfkandidaten im Team standen - wie Thomas Häßler - gab sich auch Teamchef Franz Beckenbauer die Ehre und nahm im Stadion von Seoul Platz. Als einer von 61.000 Zuschauern, das Fußballturnier zog die Massen in ihren Bann.

Schon nach 17 Minuten hatten Klinsmann und der Uerdinger Verteidiger Gerhard Kleppinger eine 2:0-Führung heraus geschossen. Für die Entscheidung sorgte der Leverkusener Christian Schreier, der auf 3:0 erhöhte (69.). Das war auch der Endstand. Von der Tribüne eilte Beckenbauer herunter und schüttelte allen die Hand. Im Hotel warteten schon die Glückwunschtelegramme von Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Es war wie bei einem WM-Triumph, die anfangs belächelte Olympiaauswahl hatte viel für das Ansehen des deutschen Fußballs getan. Auch der Kicker stufte das Ergebnis als erstklassig ein: "Bronze - das funkelt wie Gold!" Unvergessliche Erinnerungen brachten sie alle mit, Verteidiger Michael Schulz drei Jahrzehnte vor Selfies sogar ein Foto mit der amerikanischen Sprintlegende Carl Lewis.

2016: Finaleinzug unter Hrubesch

Der Erfolg von Seoul war nicht die erhoffte Initialzündung, an den folgenden sechs Turnieren, die ab 1992 nur über die U 21-EM zu erreichen waren, nahm die DFB-Auswahl nicht teil. Bis 2016 war die Bronzemedaille von Seoul der größte Erfolg, ehe sich Horst Hrubesch der Sache annahm. 2015 hatte er die U 21 in Tschechien ins EM-Halbfinale geführt. Das 0:5 gegen Portugal war zwar ernüchternd, das Trostpflaster aber kein kleines: Man war für Olympia in Rio de Janeiro qualifiziert.

In der Vorrunde gab es dort nach zwei dramatischen Remis gegen Mexiko (2:2) und Südkorea (3:3), als Serge Gnabry in letzter Minute ausglich, einen 10:0-Kantersieg gegen Fidschi, wobei Max Meyer noch einen Elfmeter verschoss. Nils Petersen traf fünfmal, immerhin Nachkriegsrekord für einen deutschen Olympioniken. Es reichte für den Viertelfinaleinzug und in Brasilia wurde gegen Portugal Revanche genommen - 4:0 für Deutschland nach Toren von Gnabry, Matthias Ginter, Davie Selke und Philipp Max.

Erst Neymar stoppt den Siegeszug

Im Halbfinale von Sao Paulo blieb das von Timo Horn gehütete Tor auch gegen Nigeria sauber, Lukas Klostermann und Joker Petersen, der nur fünf Minuten für seinen großen Auftritt benötigte, schossen die BRD ins erste Olympiafinale. Dort warteten Superstar Neymar und 63.000 revanchelüsterne Brasilianer auf den Rängen von Maracana, noch schmerzte das 1:7 vom WM-Halbfinale zwei Jahre zuvor.

Neymar hatte es verletzt verpasst, nun durfte er spielen und schoss Brasilien in Führung (17.), doch Max Meyer glich aus (59.) und es kam nach einer weiteren Stunde zum Elfmeterschießen. Eigentlich eine deutsche Domäne, aber Olympia hat seine eigenen Gesetze, die Premiere misslang an jenem 20. August. Ginter, Gnabry, Julian Brandt und Niklas Süle hatten getroffen, alle Brasilianer auch, nur Petersen zeigte Nerven beim letzten und mental schwierigsten Schuss. Neymar verwandelte den letzten Ball - Brasilien machte seinen Frieden mit den Deutschen. So endete das bis dato letzte Olympiakapitel der Deutschen mit einer kleinen Enttäuschung und zugleich dem größten Erfolg. Auch Silber ist eine sehr schöne Medaille.

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