DFB-Pokal
Müller: "Das hat es nie mehr gegeben"
Wenn am Mittwoch die aktuellen Zweitligisten 1. FC Köln und Hertha BSC im DFB-Pokal aufeinandertreffen, werden nur noch wenige Menschen spontan an das Finale denken, das diese beiden Vereine einst bestritten. Es ist schon zu lange her. Für Dieter Müller (70) gilt das nicht. Er hat es schließlich entschieden, jenes Drama in zwei Akten an Pfingsten 1977. DFB-Mitarbeiter Udo Muras sprach mit dem zwölfmaligen A-Nationalspieler darüber.
DFB.de: Herr Müller, wie war die sportliche Ausgangslage vor dem Finale 1977? Wer war der Favorit?
Müller: Wir Kölner hatten eine gute Mannschaft, aber lange keinen großen Erfolg gehabt. Einigen ging noch das Finale von 1973 durch den Kopf, das sie gegen Gladbach verloren hatten, obwohl wir nicht schlechter waren. Ich war vier Jahre in Köln und hatte noch keinen Titel gewonnen. Aber wir waren sehr fokussiert und von Trainer Hennes Weisweiler gut vorbereitet worden. Außerdem hatten wir einen Platz im UEFA-Pokal schon sicher. Die Hertha hatte auch eine gute Mannschaft mit Spielern wie Erich Beer, Uwe Kliemann und im Tor Norbert Nigbur - der zur neuen Saison eigentlich zu uns wechseln sollte.
DFB.de: Ihr Kölner hatten damals ein spezielles Führungsproblem…
Müller: Es gab eine gewisse Tragik um Wolfgang Overath. Er war unser Kapitän, aber mit fast 34 kurz vor dem Ende seiner Karriere. Er hatte zwei Wochen zuvor schon sein offizielles Abschiedsspiel absolviert. Er war auch nicht ganz einfach, wir hatten alle ein bisschen Angst vor ihm. Weisweiler nicht, der hatte sich bei seinen Ex-Klubs schon mit Günter Netzer und Johan Cruyff angelegt. Wir hatten mit Heinz Flohe einen weiteren Weltmeister, der auch Spielmacher war. Er war ein etwas anderer Typ und er war viel jünger. Dann hatten wir noch Herbert Neumann hintendran. Overath war einfach nicht mehr gesetzt. Ich weiß noch wie Weisweiler mich auf dem Rückweg vom Trainingsplatz fragte: "Jung, wat denkste? Können wir den Overath im Endspiel bringen?“
DFB.de: Sie gaben eine ausweichende Antwort, wie wir Ihrer Biographie entnehmen können. Tatsächlich spielte Overath dann an Pfingstsamstag in Hannover – jedenfalls bis zum Beginn der Verlängerung. Was wissen Sie noch über das Spiel?
Müller: Es war drückend heiß, richtig schwül. Von 54.000 Zuschauern waren 20.000 aus Köln. Nach der Pause köpfte ich nach Flanke von Harald Konopka das 1:0, aber Lorenz Horr glich ebenfalls per Kopf aus. Wir hätten auch verlieren können, es war ein sehr enges Spiel.
DFB.de: Das dann in die Verlängerung ging und keine weiteren Tore mehr erbrachte. Der DFB hatte zwar 1970 Elfmeterschießen eingeführt, aber Finals durften so weiterhin nicht entschieden werden. Hätten Sie lieber Elfmeter geschossen an jenem 28. Mai 1977?
Müller: Ich persönlich war kein guter Schütze, aber wir hatten einige in unseren Reihen wie Flohe oder Konopka. Und unser Toni Schumacher war ein Elfmetertöter, der Nigbur allerdings auch. Jedenfalls wäre uns das wohl allen lieber gewesen als zwei Tage später noch mal zu spielen. Wer sich das ausgedacht hatte, hat wohl nie Fußball gespielt. Zum Glück wurde das dann abgeschafft.
DFB.de: Es kam also am Pfingstmontag zum Novum, das ein Unikat bleiben dürfte – das Finale wurde wiederholt. Obwohl ihr schon ein Bankett hinter euch hattet, bei dem es nichts zu feiern gab – das aber niemand absagte. Wie war das Finalfeeling bei der Zweitauflage?
Müller: Schon etwas komisch. Viele Fans hatten keine Unterkünfte für diesen Fall gebucht, es kamen 20.000 Zuschauer weniger.
DFB.de: Dafür saß einer auf der Tribüne, der zwei Tage zuvor noch spielte: Wolfgang Overath. Was war passiert?
Müller: Ich werde diese Sitzung nie vergessen. Weisweiler lud nach dem Frühstück am Spieltag in den Besprechungsraum und sprach sofort Overath an: "Sie spielen heute nicht, ich habe mir eine andere Taktik überlegt. Wenn Sie wollen, können Sie aber auf die Bank." Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Dann sagte unser Kapitän: "Dann spiele ich überhaupt nicht mehr." So endete eine große Karriere, ich hätte das anders gemacht, aber das waren eben zwei Sturköpfe.
DFB.de: Rein sportlich zahlte es sich aus…
Müller: Diesmal waren wir jedenfalls die bessere Mannschaft und wie in jedem Pokalspiel jener Saison habe ich getroffen. Das hat es übrigens nie mehr gegeben, auch meine 14 Tore sind Rekord.
DFB.de: Es fiel in der 70. Minute und war fast eine Kopie des Tores aus dem ersten Finale, oder?
Müller: Ja und Nein. Wieder flankte Konopka von rechts, aber diesmal war ich bedrängt und segelte regelrecht im Tiefflug. Ich hechtete in den Ball und er schlug hoch unter der Latte ein. Es war eines der wichtigsten Tore meines Lebens, im ersten Moment hatte ich mir das gar nicht zugetraut. Schließlich war Uwe Kliemann mein Gegenspieler und gegen den gewann fast niemand ein Kopfballduell.
DFB.de: Diesmal kam die Hertha nicht zurück, nach 210 Minuten war der Pokal in Kölner Händen. Sie wurden danach noch Doublesieger, auch in Frankreich Meister und Torschützenkönig. Welchen Stellenwert hat der Pokalsieg von 1977 für Sie?
Müller: Der erste Titel ist immer der schönste, auch wenn wir ihn gar nicht richtig feiern konnten. Wir mussten schon zwölf Stunden später nach Japan fliegen. Aber wegen dieses Titels und meiner Leistungen in jener Pokalsaison wurde ich 2022 in den "Walk of Fame“ deutscher Pokalhelden aufgenommen, mein Fußabdruck wurde am Olympiastadion quasi verewigt.
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Autor: um
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