Männer-Nationalmannschaft
Mehr als ein Wasserträger: "Hacki" Wimmer wird 80
Seinen 80. Geburtstag wird Herbert Wimmer, den alle nur "Hacki" nennen, feiern wie immer. Er ist ja schließlich auch immer noch derselbe. Bloß kein Aufsehen um seine Person, bitte. "Eine kleine Feier wird's geben im Kreis der Familie", hat der zweifache Vater dem kicker verraten, der den Jubilar auf einer Doppelseite würdigte. Dazu gibt er sich noch her, aber eine "Hacki"-Wimmer-Biografie beispielsweise sucht man vergeblich bei den Buchhändlern. Dabei gäbe es viel zu erzählen aus seinem Fußballerleben.
Wimmer ist einer von 20 deutschen Männern, die sich Welt- und Europameister nennen dürfen. Er ist mit seinem einzigen Profiverein in zwölf Jahren, der Mönchengladbacher Borussia, fünfmal Meister geworden, gewann den UEFA-Pokal und den DFB-Pokal. Was ihm sein Entdecker Hennes Weisweiler, wohl halb im Scherz, zunächst nicht zutraute: "Mit so einem anständigen Menschen kann man nicht Meister werden", unkte der Trainer der beliebten "Fohlen", die ab 1965 durch die Bundesliga tollten und mit ihrem Spielstil das ganze Land begeisterten.
Noch immer speist sich die Popularität der Borussia, die zuhause stets vor vollen Rängen spielt und im ganzen Land Fanclubs hat, aus jenen Tagen, die nun schon ein halbes Jahrhundert zurückliegen. Wer an die große Gladbacher Zeit denkt, denkt an Netzer, Heynckes, Vogts und Bonhof und erst dann vielleicht an "Hacki" Wimmer. Er kann es verkraften und gut damit leben. "Durch Spieler wie Netzer, Jupp Heynckes und Berti Vogts bin ich groß geworden. Sie waren entscheidend für meine Entwicklung und meine Karriere."
Nur sechsmal nicht in der Startelf
Was war das für eine Karriere und wie war sie möglich? 1966 kam der Sohn eines Tabakwaren-Großhändlers von seinem Heimatklub Borussia Brand an den Bökelberg und startete voll durch: alle 34 Bundesligaspiele in der Startelf, in der er in 366 Einsätzen nur sechsmal nicht stand. Kaum war er da, bekam er seinen Spitznamen: "Hacki"! Warum? Die Haken, die er auf dem Flügel schlug, bevor er ins Mittelfeld versetzt wurde, brachten ihm diesen Spitznamen ein, auch wenn es im Haken kein "c" gibt. Aber Borussen-Torwart Manfred Orzessek rief den Neuling im Borussen-Kader einst so und fertig war der Spitzname.
Wimmer war für seine Trainer Hennes Weisweiler und Udo Lattek immer eine Bank, also setzten sie ihn nicht auf eine solche. Am wichtigsten aber war er für Spielmacher Netzer, der das Laufen nicht erfunden hatte und dankbar für jeden Meter war, den ihm einer abnahm. Wimmer fügte sich klaglos in diese Rolle: "Günter war mein Freund, ich bin immer gern für ihn gelaufen." Beide profitierten ja davon. Wimmer: "Dank ihm hab ich eine Karriere gemacht, an die ich nie gedacht hätte." So kamen das Genie und sein Wasserträger – so das Klischee – auch gemeinsam in die Nationalmannschaft, Netzer allerdings schon drei Jahre früher. Netzer sagte vor Jahren im Interview mit DFB.de: "Es verletzt mich immer, wenn ich lesen muss, er sei mein Wasserträger gewesen. Er war ein richtig guter Techniker, der Haken schlagen konnte wie kein Zweiter und torgefährlich war er noch dazu."
Bei Wimmers Premiere am 23. November 1968 wiederum fehlte er und "Hacki" stopfte eben die Löcher für Wolfgang Overath. Beinahe wäre er bei einer empfindlichen Schmach dabei gewesen, damals auf dem Hartplatz von Nikosia, als Gerd Müller das EM-Qualifikationsspiel auf Zypern mal wieder in letzter Minute entschied (1:0). Die Kritik war trotzdem hart, Wimmer aber bekam Lob. Im kicker lesen wir: "Herbert Wimmer feierte einen durchaus zufriedenstellenden Einstand. Die Befürchtung, dass er zu ballverliebt sein und nicht schnell genug abspielen würde, trat nicht ein."
Comeback in der Nationalmannschaft
Nach drei weiteren Einsätzen 1968 trat eine dreijährige Pause ein, die WM in Mexiko fand ohne ihn statt. Er tröstete sich mit den ersten Meistertiteln der Borussia 1970 und 1971, in deren Schwange auch Bundestrainer Helmut Schön wieder auf ihn und die Gladbacher Spieler zukam. Bei seinem Comeback in Istanbul lief Wimmer 1971 mit vier Borussen auf, es begann die Zeit der Blockbildung. Bayern und Gladbacher beherrschten auf Jahre die Nationalelf, weil sie die Bundesliga dominierten. 1972 stand er in England in jener Mannschaft, die das mythisch verklärte Länderspiel bestritt, manche hielten es für das beste aller Zeiten. Angesprochen auf den Gewinn der Europameisterschaft im Sommer 1972 in Brüssel sagte er: "Eigentlich war der Sieg in Wembley im Viertelfinale das größere Spiel, weil es unser erster Sieg in England war." Dafür gab es weltweit Beifall, einen Titel aber erst für das 3:0 im Finale gegen die Russen.
Wimmer war dabei und trat an diesem 18. Juni sogar aus Netzers Schatten, schoss er doch das vorentscheidende 2:0. "Eigentlich sollte ich ja den russischen Spielmacher Kolotow bewachen, aber als Mittelfeldspieler durfte man sich natürlich auch mal in den Angriff einschalten. Dann kam der Pass von Jupp Heynckes und zum Glück sprang der Ball noch mal auf, so dass ich auch mit meinem schwächeren linken Fuß Druck dahinter bekam. Wäre er nur gerollt, wäre das nix geworden und der Torwart sah ja auch nicht so gut aus dabei. Es war natürlich sehr schön, im Finale ein Tor zu schießen, aber dann ging es auch schon weiter. Man rannte damals nicht zur Eckfahne oder zog sich das Trikot übers Gesicht.“
Vergrößerte Fotos von dem nicht ganz unhaltbaren Aufsetzer hat er in seinem Keller in Brand, auch die Medaille und das Trikot seines Gegenspielers Kolotow. "Das Spiel habe ich auf Videokassette und wenn man weiß, dass es gut ausgeht, schaut man es sich gern an", sagte er dem DFB-Journal 2012, aber eigentlich sei er keiner, der so gerne zurückschaue. Aber manchmal muss er es doch, an runden Geburtstagen sowieso.
Sein größter Erfolg sei der DFB-Pokalsieg 1973 im legendären Finale gegen den 1. FC Köln (2:1 n. V.) gewesen. Da stand er zwar wieder in Netzers Schatten, aber wer stand das nicht bei der Dramaturgie? Dass Netzer nach seiner Selbsteinwechslung mit dem zweiten Ballkontakt im letzten Spiel für Borussia das Siegtor schoss, ist Allgemeingut. Das erste Tor aber schoss Wimmer, der das Team wegen Netzers "Banklehre" auch als Kapitän anführte. So durfte er den Pokal auch als erster anfassen und nie hat er mehr Freude empfunden: "Das waren unglaubliche Emotionen."
Bescheidener Titelsammler
So lohnt sich doch manche Nachfrage noch nach Jahrzehnten, darauf wäre wohl keiner gekommen. Schließlich wurde er ja 1974 sogar Weltmeister, fühlt sich aber wegen nur zweier Einsätze – seine Achillessehne plagte ihn zur falschesten Zeit – nicht als solcher. 1975 war er beim ersten UEFA-Cup-Sieg dabei, 1976 stand er im EM-Finale von Belgrad (sein letztes Länderspiel) und selbstredend war er Teil jener Mannschaft, der 1975 bis 77 der Meister-Hattrick gelang. Alles Erlebnisse, von denen die Borussen von heute nur träumen können. In der Anfangszeit der Bundesliga waren sie möglich, konnten auch kleine Vereine mit klugem Management Großes Erreichen. Aber dazu brauchten sie Typen wie Berti Vogts, Rainer Bonhof oder eben Hacki Wimmer! Bescheiden, bodenständig – seine Heimat Aachen-Brand hat er nie verlassen – selbstlos. Wie sagte doch Rainer Bonhof: "Ein Mann ohne Allüren." Bezeichnend: Nach dem Karriereende 1978, er ging mit einem 12:0 gegen Borussia Dortmund – war er quasi verschollen.
Wimmer war nie Bundesliga-Trainer, Manager oder TV-Experte. In ihm steckte kein Verkäufer in eigener Sache wie es ein Beckenbauer oder Netzer waren, sein Naturell ähnelte eher dem von Gerd Müller oder "Katsche" Schwarzenbeck, die erst aufblühten, wenn die Mikrofone und Kameras eingepackt waren. So übernahm er das Geschäft seines Vaters und blieb im gewohnten Umfeld. Der Boulevard hatte wenig Freude an ihm. Nach den Spielen sei er immer "zügig nach Hause" gefahren und in Netzers Disco, dem "Lovers Lane", da sei er nie gewesen. In der Disco braucht es auch keinen Wasserträger. Aber da, wo er gebraucht wurde, da war der "Hacki" immer.
Trotz fünf Hüftoperationen geht es ihm heute recht gut, regelmäßig sieht man ihn bei den Heimspielen seiner Borussia, die ihm das schönste Geschenk schon im Vorjahr machte. Da durfte "Hacki" Wimmer seine Titelsammlung noch einmal erweitern: Er ist nun Ehrenmitglied der Borussia, es hat ihn "sehr stolz" gemacht.
Kategorien: Männer-Nationalmannschaft
Autor: um
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