DER DFB
Gründerverein Victoria Hamburg: Einst die Nummer eins des Nordens

Am 24. Januar 2025 beging der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit einer feierlichen Gala an seinem Gründungsort Leipzig seinen 125. Geburtstag. In vielen Beiträgen und Reden wurde an die großen Erfolge des deutschen Fußballs und an dessen Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erinnert. Die Gäste sahen bewegende Bilder der Sternstunden bei Welt- und Europameisterschaften. Viele der noch lebenden Titelträger wohnten der Veranstaltung bei. So wurde die Verbindung von Tradition und Zukunft des deutschen Fußballs allen Beteiligten deutlich vor Augen geführt. In einer zehnteiligen Serie erinnert DFB.de an die Gründervereine des DFB. Heute im sechsten Teil: Victoria Hamburg.
Fußball am Millerntor, da denkt jeder sofort an den FC St. Pauli. Aber den Kiezklub gab es anno 1895 noch gar nicht, als im Billardzimmer einer dort ansäßigen Gaststätte eine Schar junger Burschen, von Männern konnte kaum die Rede sein, den FC Victoria Hamburg aus dem Taufbecken hob. Sie waren 14 bis 21 Jahre alt - und einen der Jüngsten machten sie zu ihrem ersten Präsidenten: Hugo Egon Kubaseck, der später einmal Vorsitzender im DFB-Spielausschuss werden sollte.
Auf der Gründungsversammlung im Mariengarten wurde die Victoria von Walter Sommermeier vertreten. Er sprach auch für fünf weitere Hamburger und sieben Bremer Vereine, was etwas über den Stellenwert der Victoria in der Pionierzeit des Fußballs aussagt. In der Kaiserzeit war sie Hamburgs führende Mannschaft und auch die Nummer eins des Nordens, in der Weimarer Republik hatte sie ihre meisten Nationalspieler. Wo der Verein heute spielt, wissen außerhalb der Elbmetropole vermutlich nur wenige Fußballfans - wohl vornehmlich aus der Oberliga Hamburg -, wo er zuhause ist wesentlich mehr.
"Die älteste überdachte Tribüne Norddeutschlands"
Der Sportplatz Hoheluft, die traditionelle Spielstätte, ist der ganze Stolz der Blau-Gelben. Nach ersten Schritten auf dem Heiligengeistfeld, St. Paulis Heimat, spielt die Victoria seit 1907 dort. Seit dem 15. Oktober 1911 steht oder stand, ganz wie man will, dort die älteste Sitztribüne Norddeutschlands. Zwei Wochen später saßen dort erstmals Menschen, um ein Länderspiel zu sehen - es endete 1:3 gegen Schweden. Die Tribüne bot 1000 Zuschauern Platz, brannte aber 1921 ab.
Schon ein Jahr später war eine neue errichtet, in die 1947 das Klubheim integriert wurde. Der Zahn der Zeit nagte an dem Bauwerk, dessen Erhalt aber nie in Frage stand für die Victoria. Schließlich hatten hier sogar fünf Länderspiele stattgefunden. Von 1978 bis 1985 gab es größere Renovierungsarbeiten. Es waren nicht die letzten, auch künftig wird an der Tribüne gearbeitet werden. Denn so kann Victoria auch weiterhin damit werben, die "älteste überdachte Tribüne Norddeutschlands" zu besitzen. So steht es auf der Homepage des Hoheluft-Stadions. Schon der Zugang rang Besuchern Respekt ab, auf älteren Fotos hatte es den Anschein, man betrete eine römische Garnison. Zwei hölzerne Türme erinnerten an Palisadenbauten, doch das Schild "Victoria-Sportplatz" zerstreute die Zweifel. Hier wurde nur mit Bällen geschossen.
Stammgast in der Endrunde
Und das anfangs sehr erfolgreich. 1905 wurde die Victoria erstmals Meister des Hamburg-Altonaer Fußball-Bunds und schlug im wegen Punktgleichheit nötigen Entscheidungsspiel Germania 1897 mit 5:4. Der Reporter des Rasensport war mit dem Torspektakel weniger zufrieden und mäkelte: "Mit wenigen Ausnahmen ist nicht gerade prima Sport geboten worden." Hermann Ehlers, der unter dem Tarnnamen Garrn spielte, erzielte die ersten drei Treffer. Victoria durfte an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft teilnehmen, wo sie im Viertelfinale mit 3:5 am Dresdner SC scheiterte.
1906 war sie wieder dabei, nun schon als Meister des neugeschaffenen Norddeutschen Fußballverbands. Auf dem Weg zur Endrunde um die Deutsche Meisterschaft musste Vitoria nun auch gegen Klubs außerhalb Hamburgs antreten und meisterte diese Aufgaben souverän. Gegen Holstein Kiel im Halbfinale und Eintracht Braunschweig im Endspiel gab es jeweils 5:2-Siege. Dabei hatte Eintracht sogar Heimrecht im Finale und musste erstmals nach fünf Jahren wieder eine Niederlage auf eigenem Platz quittieren.
"Alles in allem konnte die Victoria stolz darauf sein, trotz des Handicaps nach mehrstündiger Fahrt, auf dem Platz des Gegners spielend, über diesen triumphiert zu haben", lobte die Neue Sportwoche. In der Endrunde war dann für die Victoria am Hamburger Rothenbaum nach einem 1:3 gegen Union Berlin wieder im Viertelfinale Schluss. Man sprach hinterher von einem Skandalspiel, das kurz vor dem Abbruch gestanden habe.
Zehn deutsche Nationalspieler in Blau-Gelb
1907 glückte der Hattrick. Diesmal wurde Braunschweig im Nord-Finale mit 6:1 deklassiert, "in der Elf war kein schwacher Punkt vorhanden" (Sport im Wort). Im Halbfinale hatte Victoria Hamburg zuvor ein unfassbares 20:2 beim Schweriner FC gefeiert. Nun kam sie in der Meisterendrunde bis ins Halbfinale, dem furiosen 8:1 gegen den Düsseldorfer FC folgte die 1:4-Enttäuschung gegen Viktoria Berlin. 1908 gab es beim 2:3 gegen Eintracht Braunschweig erstmals eine Niederlage im Nord-Finale, dafür stand mit Hans Weymar ein Blau-Gelber in der ersten deutschen Nationalmannschaft, die mit 3:5 gegen die Schweiz in Basel verlor. Er war der erste von zehn deutschen A-Nationalspielern von Victoria Hamburg. Seit Hans Schwartz, der es als einziger 1934 zu WM-Ehren brachte, gab es keinen mehr.
In dem Jahr, in dem aus dem Fußballklub ein Sportclub wurde (seit Juni 1908 war man SC Victoria), erschienen allmählich andere Player auf dem Hamburger Fußballgrund: Altona 93 und der Eimsbütteler TV liefen Victoria in den letzten Tagen des Kaiserreichs den Rang ab. 1913 aber wurde sie noch einmal Meister des Bezirks und kam bis ins Finale des Nordens, wo sie wieder den Braunschweigern unterlag, diesmal mit 0:2. Für Aufsehen sorgte Victoria schon beim 2:0 im Halbfinale bei Holstein Kiel, als sie auf einen nach eigener Ansicht unberechtigten Elfmeter verzichtete.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam die große Zeit des HSV, und 1919 stand eine Fusion mit der Victoria zur Debatte, gegen die die Mitglieder des kommenden Großklubs am Rothenbaum letztlich votierten. Auch 1929 gab es noch mal Gespräche, die aber versandeten. So blieb Victoria bei sich und unabhängig. Nur der große Erfolg kam nicht mehr zurück, die Nordmeisterschaften gingen serienweise an den HSV.
1954 letztmals erstklassig
Als die Nazis 1933 die Gauligen einführten, fehlte Victoria im 16er-Feld der Nordmark und war erstmals zweitklassig. 1934 stieg sie auf und etablierte sich mit Platzierungen zwischen zwei und sechs, ehe 1943 überraschend die Meisterschaft gewonnen wurde. Unter den speziellen Bedingungen der Kriegsmeisterschaften gab es Ergebnisse wie 13:0 und 9:2, wirklich erstklassig war der Fußball jener Tage nicht immer. Es war das letzte Mal, dass die Victoria vor dem HSV einlief. Der Lohn war die Teilnahme an der Meisterendrunde, wo ihr der alte Widersacher Eintracht Braunschweig ein schnelles Ende bereitete und 5:1 obsiegte.
Nach dem Krieg, den die Tribüne wundersamer Weise unbeschadet überstand, gehörte Victoria der ersten Staffel der Oberliga Nord an, wurde aber 1948 abgeschlagener Letzter mit 6:38 Punkten. Zweimal stieg Victoria wieder auf (1951 und 1953), aber postwendend wieder ab. Im Mai 1954, kurz bevor die Deutschen ihr Wunder von Bern feierten, bestritt Victoria ihre letzte Partie auf Erstliganiveau. In Hardy Grünes "Enzyklopädie des Deutschen Ligafußballs" hieß es: "Heute ist vom alten Glanz nur noch die alte Hoheluft geblieben, die noch immer stolz und ein wenig trotzig am Lokstedter Steindamm steht."
Aber sie steht für eine große Vergangenheit, auf die nicht viele Gründervereine zurückblicken können. Übrigens: Ganz so erfolglos sind die Hamburger auch in unseren Tagen nicht: 2022 gewann Victoria die Deutsche Meisterschaft der über 32-jährigen Herren und warf unter anderem den großen FC Bayern München raus. Der Rekordmeister verdankt der Victoria übrigens seinen Meistertorwart von 1980, denn auch Walter Junghans flog einst im Stadion Hoheluft.
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Autor: um

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