3. Liga

Frymuth: "Beispiele wie Undav zeigen Mehrwert der 3. Liga"

16.01.2025
Ausgangspunkt seiner späteren Karriere: Nationalspieler Deniz Undav beim damaligen Drittligisten SV Meppen Foto: Getty Images

Peter Frymuth ist beim DFB Vizepräsident für Spielbetrieb und Fußballentwicklung. In dieser Rolle ist er zuständig für die 3. Liga. Dem DFB-Präsidium gehört der 68-Jährige aus Düsseldorf seit 2013 an. Im DFB.de-Interview spricht Frymuth über den Wert der 3. Liga für die Entwicklung junger Spieler, noch nicht ausgereizte Potenziale, den Weg der wirtschaftlichen Vernunft und Zahlen, die er selbst nicht für möglich gehalten hätte.

DFB.de: Herr Frymuth, noch nie standen in der deutschen Nationalmannschaft so viele Spieler mit einer Vergangenheit in der 3. Liga wie 2024. Zehn Nationalspieler haben mindestens 20 Einsätze in der 3. Liga absolviert, darunter die späteren Champions-League-Sieger Joshua Kimmich, Thomas Müller und Antonio Rüdiger. Auch Jamal Musiala machte dort seine ersten Schritte im Profibereich. Was sagt das über die 3. Liga?

Peter Frymuth: Es bestätigt das, was wir in den letzten Jahren immer wieder verdeutlicht haben, in der öffentlichen Betrachtungsweise aber oft noch zu kurz kommt: Man kann sich in der 3. Liga hervorragend entwickeln. Ich will die 3. Liga nicht als reine Ausbildungsliga bezeichnen. Das ist sie nicht, das kann sie auch nicht sein, weil ihre Struktur durch die Zusammensetzung der Klubs dafür zu gemischt ist. Aber sie ist ein sehr gutes Umfeld für Entwicklung und ein Sprungbrett – für Spieler, die aus der Jugend kommen, aber auch für Spieler, die nicht auf Anhieb in der Bundesliga oder 2. Bundesliga ankommen. Robert Andrich und Deniz Undav sind da aktuell Beispiele, die herausragen.

DFB.de: Was macht die 3. Liga für Entwicklung von Spielern wertvoll?

Frymuth: Jedes Spiel ist eine Herausforderung, der Wettbewerb ist sehr ausgeglichen. Man spielt vor 30.000 Zuschauern in Dresden oder Aachen und eine Woche später dann auch mal in einem kleinen 5.000-Personen-Stadion. Überall muss man Leistung abrufen, überall geht es sportlich sehr, sehr eng zu. Diese Kombination und das allgemein gestiegene Niveau der Liga auf allen Ebenen bilden eine gute Basis, um sich zu entwickeln und durchzubeißen – nicht zuletzt bei Spielern, deren Förderweg nicht wie am Reißbrett verläuft, sondern auch mal Umwege nimmt. Wie eingangs angemerkt: Das kommt in unserer Betrachtung oft noch zu kurz. Der Wert der 3. Liga in Bezug auf die Entwicklung von Spielern ist bei weitem nicht ausgereizt.

DFB.de: Wie lässt sich das weiter verbessern?

Frymuth: Zum einen braucht es Vereine, die den Mut dazu haben und jungen Spielern die Chance geben. Zum anderen ist es an uns Verbänden, die Motivationsanreize dafür zu erhöhen – beispielsweise beim Nachwuchsfördertopf. Das ist ein Zusammenspiel, zu dem alle Seiten beitragen. Dabei geht es nicht nur um weitere Beispiele des Kalibers Andrich oder Undav, also um die nächsten Nationalspieler, sondern auch um die Spieler, die Richtung 2. Bundesliga und Bundesliga weiterentwickelt werden. Davon profitiert das gesamte System. Darum sollte das Thema im Interesse von allen liegen – von DFB, DFL und den Vereinen. Hier sehe ich die 3. Liga auch nicht als Bittsteller, der aus reiner Rücksicht subventioniert werden sollte. Die beschriebenen Beispiele unterstreichen, welchen sportlichen Mehrwert die 3. Liga liefert und dass sich eine Intensivierung der Maßnahmen lohnen würde.

DFB.de: Über ein mögliches Etikett der 3. Liga als Ausbildungsliga wird immer wieder heiß diskutiert. Ein Manfred Schwabl würde es als bekennender Talentförderer bejahen, einige Traditionsklubs sehen es angesichts der dort vorherrschenden Spannungsfelder und des damit verbundenen Erfolgsdrucks anders.  

Peter Frymuth: Die Gedankenansätze von Manfred Schwabl gehen aus meiner Sicht grundsätzlich in die richtige Richtung. Als reine Ausbildungsliga würde ich die 3. Liga aber wie eingangs beschrieben nicht bezeichnen. Das kann sie vor dem Hintergrund der beschriebenen Spannungsfelder und hohen Herausforderungen in solch konsequenter Form nicht sein. Dafür steht für die Klubs zu viel auf dem Spiel. Gleichwohl ist die 3. Liga eine Liga für Entwicklung. Diesen Aspekt können wir noch stärker betonen und verfolgen – im Sinne des deutschen Fußballs. Gleichzeitig ist es auch legitim, wenn ein Drittligist kurzfristig mit erfahrenen Spielern den Weg in die 2. Bundesliga sucht.

DFB.de: In der aktuellen Saison sind drei zweite Mannschaften in der 3. Liga vertreten. Dort kommen zahlreiche junge Spieler zum Einsatz, andererseits sind die zweiten Mannschaften für die Fans vieler Vereine ein Reizthema.

Peter Frymuth: Ich habe Verständnis für die Fans, wenn sie zweite Mannschaften als weniger attraktiv für das Stadionerlebnis empfinden oder sie ein sportliches Störgefühl haben, wenn ein Spieler, der vorher in der Champions League im Kader stand, gegen ihren Klub in der 3. Liga zum Einsatz kommt. Dass die Fans lieber Kickers Offenbach oder die Stuttgarter Kickers in der 3. Liga sehen würden als eine zweite Mannschaft , ist klar. Aber Attraktivität kann nicht die einzige Komponente sein. Es gehören auch verschiedene sportliche Aspekte zur Gesamtbetrachtung.

DFB.de: Zu welcher Einschätzung kommen Sie dabei?

Peter Frymuth: Insgesamt sehe ich in den zweiten Mannschaften eher Chance als Risiko, weil sie einen wichtigen Beitrag zur Talentförderung leisten und die 3. Liga dafür ein gutes Umfeld bietet. In der 15-jährigen Geschichte der 3. Liga hat es sich aus meiner Sicht die Waage gehalten. Aktuell sind es drei zweite Mannschaften, oft waren es ein oder zwei, in manchen Jahren auch gar keine. Wir müssen uns die Entwicklungen aber immer wieder aufs Neue anschauen.

DFB.de: Ungeachtet dessen steigen die Zuschauerzahlen weiter. Nach der Bestmarke der Saison 2023/2024 mit 9.700 Besucher*innen im Schnitt ist die 3. Liga nun schon wieder klar auf Rekordkurs, der Durchschnitt liegt im fünfstelligen Bereich. Wo sehen Sie die Grenzen?

Peter Frymuth: Ich könnte jetzt salopp sagen, wir setzen uns keine Grenzen (lacht). Aber wir wollen ehrlich sein: Die 3. Liga profitiert bei diesen Zahlen gelegentlich von dem Abstieg großer Vereine aus der 2. Bundesliga. Auf der anderen Seite haben wir auch immer wieder Klubs, die zurück nach oben kommen und eine riesige Euphorie mitbringen. Ich denke da aktuell an Alemannia Aachen, vergangene Saison war es beim SSV Ulm und dem SC Preußen Münster ähnlich zu beobachten. Wir können guten Gewissens feststellen, dass die 3. Liga sehr attraktiv ist und sich äußerst positiv entwickelt hat.

DFB.de: Positiv entwickelt haben sich auch die Erträge der Drittligisten. In der vergangenen Saison lagen sie bei 18 Millionen Euro pro Klub, also insgesamt fast 300 Millionen Euro – ein Rekord. Das Eigenkapital ist im Durchschnitt positiv. Allerdings sind auch die Ausgaben gestiegen auf über 300 Millionen. In Summe ergeben sich deutliche Verbesserungen, aber auch immer noch ein Minus. Welche Erkenntnisse ziehen Sie daraus?

Peter Frymuth: Ich ziehe ein positives Fazit – auch wenn das etwas merkwürdig klingen mag bei einem Minus von 600.000 Euro im Schnitt. Wir müssen aber sehen, wo wir herkommen. Wir haben Zeiten erlebt, in denen mancher Verein seinen Spielbetrieb kaum noch ordnungsgemäß abwickeln konnte und die wirtschaftlichen Probleme erheblich waren. Gemeinsam mit den Klubs haben wir seitdem einen guten Weg eingeschlagen. Die Dinge entwickeln sich in die richtige Richtung, das ist für mich entscheidend. Die Zahlen unterstreichen das. Viele Vereine in der 3. Liga sind mittlerweile deutlich besser aufgestellt als noch vor einigen Jahren.

DFB.de: Hand aufs Herz: Hätten Sie solche Zahlen und diese steile Entwicklung in den Anfangsjahren der 3. Liga für möglich gehalten?

Peter Frymuth: Nein. Das ist schon bemerkenswert. Es zeigt auch deutlich, dass sich die Vereine immer besser auf die 3. Liga eingestellt haben und einen guten Job machen. Auch die Absteiger aus der 2. Bundesliga sind mittlerweile besser vorbereitet.

DFB.de: Jahrelang ist die 3. Liga in den Medien regelmäßig als Pleite- oder Todesliga tituliert worden.

Peter Frymuth: Davon kann keine Rede mehr sein. Die wirtschaftliche Stabilität hat deutlich zugenommen. Was nicht bedeutet, dass die 3. Liga keine Herausforderung ist. Das wird allein durch den großen Unterschied bei den TV-Geldern im Vergleich zur 2. Liga deutlich. Aber wie es zur 3. Liga passt: Die Klubs krempeln die Ärmel hoch und haben in Zusammenarbeit mit dem DFB als Liga-Träger etwas immer solider Werdendes geschaffen. Diesen Weg der Vernunft müssen wir alle beibehalten – im Wissen, dass der Grat manchmal schmal ist.

Kategorien: 3. Liga, DFB-Präsidium, Talentförderung

Autor: jb