U 21-Männer
Di Salvo: "Das EM-Turnier als Chance und etwas Cooles empfinden"
Mit einem 3:0 gegen Dänemark und einem 2:2 in Frankreich endete das Länderspieljahr 2024 für die deutsche U 21-Nationalmannschaft. Im DFB.de-Interview zieht Cheftrainer Antonio Di Salvo Bilanz und blickt Richtung Europameisterschaft 2025 in der Slowakei. Die Gruppenauslosung findet am 3. Dezember in der slowakischen Hauptstadt Bratislava statt.
DFB.de: Antonio Di Salvo, fünf Siege und drei Remis stehen in diesem Länderspieljahr zu Buche. Wie zufrieden sind Sie mit diesen acht Spielen, die Ihre Serie auf jetzt 13 Spiele ohne Niederlage ausgebaut haben?
Antonio Di Salvo: Mit Beginn des neuen Zyklus wollten wir an einem Weg bis zum Abschluss EM 2025 arbeiten und haben uns verschiedene Schwerpunkte gesetzt. Zum Beispiel den Umgang mit der Mannschaft zu verändern und unser Spiel zu verbessern, indem wir auch den Fokus verstärkt auf die Defensive richten. Nach der erfolgreichen EM-Qualifikation und einer Serie von 13 ungeschlagenen Spielen scheint das auch zu gelingen.
DFB.de: Zur Analyse des Länderspieljahres gehört auch die Betrachtung der einzelnen Positionen. Eine komfortable Situation stellt sich bei den Torhütern dar, oder?
Di Salvo: Von den vier Torhütern, die jetzt die ganze Zeit dabei waren, werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch drei mit zur Europameisterschaft fahren. Noah (Atubolu; Anm. d. Red.) hat sich innerhalb der vergangenen Saison enorm stabilisiert. Er hatte großen Druck, ist aber durch die Bundesligaspiele und Einsätze in der Europa League noch mal gereift. Bei Jonas (Urbig; Anm. d. Red.) hat die veränderte Situation im Verein dazu geführt, dass er nur noch Torwart Nummer zwei ist, was mir persönlich sehr leidtut, weil ich ihn für einen talentierten, sehr guten Torhüter halte. Der Kölner Trainer hat sich entschieden, etwas zu verändern, das bringt gerade Erfolg, deshalb gilt es für Jonas, diese Situation anzunehmen, was er auch tut. Tjark (Ernst; Anm. d. Red.) ist vor eineinhalb Jahren zur Hertha gekommen und hat sich einen Stammplatz erobert. Man merkt von Spiel zu Spiel, dass er selbstbewusster wird und noch klarer in seinen Aktionen. Er hat ja auch ein gutes Debüt bei uns gegen Dänemark gegeben. Und Felix (Gebhardt; Anm. d. Red.) hat bei uns immer überzeugt, sportlich wie menschlich, obwohl die Situation in Regensburg gerade nicht einfach ist.
DFB.de: Vor allem in den Spielen gegen Dänemark und in Frankreich lag der Fokus auch auf der defensiven Stabilität, dem Kerngeschäft der Abwehrspieler. Wie sind Sie mit der Verteidigung zufrieden?
Di Salvo: Wir hatten in der Abwehrkette immer wieder Veränderungen, zu Beginn der Qualifikation haben wir mit Colin Kleine-Bekel und Kenneth Schmidt gespielt, die sich beide verletzt haben. Auch Jamil Siebert verletzte sich, und Bright Arrey-Mbi konnte bei dieser Maßnahme nicht dabei sein. Dafür hat sich zuletzt Max Rosenfelder nach dreijähriger Verletzungsphase durch seine Bundesligaeinsätze in Freiburg empfohlen. Tim Oermann und Hendry Blank haben ihre Sache in den beiden letzten Spielen auch sehr gut gemacht. Wir hatten auf der Innenverteidigerposition deshalb einige Veränderungen, aber auch viele spannende Spieler. Auf den Außenbahnen hat es auf der linken Seite, nach der Verletzung von Luca Netz, Nathaniel Brown jetzt sehr gut gemacht, aber da gibt es in der Bundesliga und 2. Liga viele weitere Alternativen: Tom Rothe von Union Berlin, Lukas Ullrich in Gladbach, Aaron Zehnter in Paderborn, Max Finkgräfe vom 1. FC Köln, die Karlsruher David Herold und Lasse Günther, um nur einige zu nennen. Rechts sieht es da etwas anders aus, und ich bin froh, dass Nnamdi Collins in den vergangenen Wochen in Frankfurt gespielt und bei uns jetzt zwei sehr überzeugende Leistungen gezeigt hat.
DFB.de: Im Mittelfeld zeichnet sich eine Achse mit Eric Martel und Rocco Reitz ab. Werden Sie weiter darauf bauen?
Di Salvo: Neben diesen beiden würde ich Merlin Röhl noch zur zentralen Achse hinzuzählen, den wir auch weiter vorne mal getestet haben. Zuletzt haben es Eric und Rocco sehr gut gemacht, die Abstimmung wurde immer besser, und ich glaube, dass sie sich auch neben dem Platz sehr gut verstehen. Deshalb können sie schon Fixpunkte unserer Mannschaft sein. In dieser Maßnahme hat es auch Aljoscha Kemlein gut gemacht. Mit seiner Ballsicherheit und Passqualität passt er gut zu unserem Spielstil. Auch hier gibt es einige Alternativen, wo wir die Entwicklung abwarten werden.
DFB.de: Toreschießen war in diesem Jahr kein Problem. Wie fällt Ihre Bewertung der Offensive aus?
Di Salvo: Wir haben in der Qualifikation in zehn Spielen 35 Tore geschossen, in den Testspielen in drei Partien sieben. Das zeigt, dass wir nach vorne immer gefährlich sein können und auch aus verschiedenen Phasen heraus, was für mich als Trainer schön und spannend zugleich ist. Wir sind sowohl aus dem ruhigen Spielaufbau im letzten Drittel in der Lage, Chancen zu kreieren, als auch bei Umschaltsituationen. Standardtore haben wir auch einige erzielt - ich hoffe, dass wir auch im nächsten Jahr diese Torgefahr bestätigen können. Wir haben unsere Effektivität beim Nutzen der Torchancen schon verbessert, aber wir können uns beim Herausspielen von Chancen noch steigern, indem wir den letzten Pass konsequenter an den Mann bringen und entschlussfreudiger agieren.
DFB.de: Gerade in den beiden letzten Spielen war kompaktes Verteidigen gefragt, also auch die Defensivarbeit der Offensivspieler. Wie haben Sie das gesehen?
Di Salvo: Nicht nur, was ich gesehen habe, hat mir gefallen, auch die Daten belegen, dass wir sehr viel gelaufen sind, um immer wieder eine gewisse Kompaktheit herzustellen. Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen müssen gering sein, das betrifft die Viererkette, die immer wieder nachschieben muss, ebenso wie die Stürmer, die immer wieder schließen müssen. Das hat die Mannschaft richtig gut gemacht und einen Fortschritt erzielt.
DFB.de: Richten wir den Blick nach vorne. Am 3. Dezember steht die Auslosung für die EM im kommenden Sommer an. Gibt es Wunschgegner?
Di Salvo: Gegner und auch Spielorte sind egal, in erster Linie zählt die Qualifikation. Ich bin mir sicher, dass es eine gut organisierte Europameisterschaft wird, mit guten Stadien und einer guten Organisation, auch was Hotels und den Transport betrifft. Mein Fokus liegt darauf, erfolgreicher zu spielen als letztes Mal, gegen wen und wo, ist dabei egal.
DFB.de: Vor der EM steht im März 2025 noch eine Abstellungsperiode an, welche Schwerpunkte möchten Sie dort setzen?
Di Salvo: Ziel wird es sein, in großen Teilen den Kader zusammen zu haben, der im Juni auch die EM spielt. Natürlich möchten wir an bestimmten Abläufen arbeiten und diese trainieren, aber viel wichtiger ist mir, das Gefühl zu haben, als Mannschaft eine Einheit zu sein, durch dick und dünn zu gehen, die Spiele erfolgreich gestalten zu wollen, Siege einzufahren. Und dass die Mannschaft an sich glaubt und durch ihre Art und Weise Fußball zu spielen, Selbstvertrauen tankt. Da sind wir auf einem guten Weg, aber es kann immer viel passieren im Fußball - vor der letzten Europameisterschaft hatten wir großes Verletzungspech.
DFB.de: War der späte Ausgleich im Spiel gegen Frankreich in Bezug auf die Entwicklung dieses Mannschaftsgefühls ein wichtiger Lerneffekt?
Di Salvo: Natürlich hätten wir gegen Frankreich lieber gewonnen, weil wir die bessere Mannschaft waren. Das nervt, das war bitter und unnötig. Wenn man von dem Ganzen etwas Positives mitnehmen kann, dann, dass man den Fokus immer aufrecht halten muss und dass kleine Situationen entscheiden können, auch wenn man vorher die bessere Mannschaft war. Daraus müssen wir unsere Lehren ziehen.
DFB.de: Bis zu fünf Wochen kann die EM im Juni dauern. Sie sind erfahren in punkto EURO: Was werden wichtige Komponenten sein, um das Turnier erfolgreich zu gestalten?
Di Salvo: Als erstes braucht man einen konkurrenzfähigen Kader. Das wünsche ich mir und nicht, dass der Kader durch Verletzungen oder andere Gegebenheiten auseinanderbricht. Die Mannschaft soll das Turnier als Chance empfinden, als etwas Cooles, als Erlebnis. Und sie soll alles daransetzen, auch schon im Vorfeld bei der Vorbereitung körperlich fit zu werden, um bei der EURO erfolgreich zu sein. Nicht zuletzt braucht es Spaß untereinander, um als Mannschaft noch mal Dinge ausgleichen zu können, in denen andere Nationen eventuell besser sind. Etwas Spielglück und ein bisschen Matchglück schaden auch nicht. Und ein Quartier, in dem man sich wohlfühlt.
Kategorien: U 21-Männer
Autor: mb
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