Zwanziger: "Mit Platini verbindet mich sehr viel"

Frage: Gibt es ein besonderes Anliegen des DFB, dem Sie in der UEFA-Exko zum Erfolg verhelfen können?

Dr. Theo Zwanziger: Die wichtigste Rolle ist erst einmal unser Beitrag, die Strahlkraft der UEFA insbesondere über die großen Turniere und Events durch vernünftige Vergabe der Veranstaltungen zu stabilisieren und zu verstärken. Die Europameisterschaft und die europäischen Klubwettbewerbe der Männer bilden die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der UEFA. Dass das neue EM-Format mit erstmals 24 Teams im Jahr 2016 ein Erfolg wird, auch schon in der Qualifikation, darum will ich mich besonders bemühen.

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Mit großer Mehrheit wählten die Delegierten auf dem Kongress der Europäischen Fußball-Union (UEFA) am Mittwoch Dr. Theo Zwanziger in das UEFA-Exekutivkomitee. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erhielt unter den neun neu gewählten Mitgliedern die zweitmeisten Stimmen.

Welchen Stellenwert die Mitgliedschaft im höchsten Gremium des europäischen Fußballs für ihn und den DFB hat, welche Problemfelder die UEFA in nächster Zeit bearbeiten muss, welche konkreten Aufgaben er dabei übernehmen will und wie sein Verhältnis zu UEFA-Präsident Michel Platini ist, erläutert der DFB-Präsident im aktuellen DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteur Wolfgang Tobien.

Frage: Herzlichen Glückwunsch, Herr Dr. Zwanziger, zur heutigen Wahl ins Exekutivkomitee der UEFA. Wie empfinden Sie persönlich das überzeugende Votum der europäischen Mitgliedsverbände?

Dr. Theo Zwanziger: Man freut sich natürlich immer, wenn eine Kandidatur erfolgreich verläuft. Diesmal kommt hinzu, dass diese Wahl einen deutlichen Vertrauensbeweis vieler europäischer Mitgliedsverbände gegenüber dem DFB und auch meiner Person zum Ausdruck bringt. Daher erfüllt es mich mit großem Stolz, dass ich für den europäischen Fußball tätig sein und mich für seine Rolle in der Gesellschaft engagieren darf und dabei auch die Interessen des DFB vertreten kann.

Frage: Sehen Sie in dieser Wahl ins höchste Gremium des europäischen Fußballs einen weiteren Höhepunkt Ihres Wirkens für den Fußball?

Dr. Theo Zwanziger: Zweifelsfrei! Die Mitgliedschaft im Exekutivkomitee der UEFA ist in der Tat mit das Höchste, was man erreichen kann. Doch man sollte dabei nicht vergessen, dass damit irgendwie auch ein Endpunkt erreicht ist. Ich bin schon mit der Aufgabe, die ich beim DFB wahrnehmen darf, sehr glücklich. Dies ist eine große Herausforderung und ein absoluter Höhepunkt für mich. Mit ihr und über sie definiert und verbindet sich automatisch, was ich auf der europäischen Schiene machen soll und will. Insofern kann man also durchaus sagen, dass diese Wahl das i-Tüpfelchen ist.

Frage: Wie schon zuvor durch Ihre Vorgänger Egidius Braun und Gerhard Mayer-Vorfelder, ist der DFB nun weiterhin durch seinen Präsidenten in der Regierung des europäischen Fußballs vertreten. Entspricht dies dem Selbstverständnis des größten UEFA-Mitgliedsverbands?

Dr. Theo Zwanziger: Es ist richtig und wichtig, dass der DFB als der weltgrößte Fußball-Fachverband in den höchsten Gremien der FIFA und UEFA vertreten ist. Hinzu kommt, dass beide Organisationen in ihrem Exekutivkomitee bedeutsame Entscheidungen zu treffen haben, die häufig auch den professionellen Fußball und dessen wirtschaftliche Grundlagen betreffen. Daher spricht einiges dafür, dass der DFB als einer der fünf oder sechs Verbände, die nun einmal die wirtschaftliche Grundlage der europäischen und internationalen Fußball-Gemeinschaft bilden, dort mitsprechen und durch seinen Präsidenten in einem der beiden Spitzengremien präsent sein sollte.

Frage: Franz Beckenbauer ist Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee, Sie sind es von nun an bei der UEFA. Ist der DFB in den Topgremien des Weltfußball also weiterhin gut positioniert, nachdem dort zuvor Egidius Braun als UEFA-Schatzmeister, Gerhard Mayer-Vorfelder bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden jetzt in Kopenhagen als UEFA-Vizepräsident und Hermann Neuberger vor etlichen Jahren als FIFA-Vizepräsident erfolgreich tätig waren?

Dr. Theo Zwanziger: Man sollte die verschiedenen Ausschüsse und Kommissionen bei der FIFA und UEFA nicht vergessen, in denen wesentliche Entscheidungen vorbereitet werden. Auch dort ist der DFB hochrangig vertreten. In der FIFA-Exekutive stellt Franz Beckenbauer mit seiner Persönlichkeit, seinem Können und seiner Ausstrahlung an jeder Stelle einen Gewinn für den DFB dar. Ich selbst versuche nun, bei der UEFA meine Pflicht zu erfüllen und das, was den deutschen und den europäischen Fußball verbindet, ein Stück in unserem Sinne weiter zu entwickeln.

Frage: Internationale Gremien sind für Sie bisher weitgehend Neuland gewesen. Mit welcher Einstellung betreten Sie jetzt die internationale Bühne?

Dr. Theo Zwanziger: Sicherlich ist die Mitarbeit in der UEFA-Exekutive etwas ganz Besonderes. Ich hatte nicht wie andere schon relativ früh den Kontakt zu den internationalen Gremien. Dass lag auch daran, dass ich mich wegen meiner beruflichen Tätigkeit in den 90er-Jahren im Wesentlichen auf meine Vorstandsarbeit beim DFB konzentriert habe. Durch die WM 2006 und in ihrem Vorfeld sind meine internationalen Begegnungen jedoch deutlich zahlreicher geworden. Zudem bin ich Mitglied in der FIFA-Organisationskommission für die WM 2010. Es gilt nun zu bedenken, dass das neue Amt mit viel zusätzlicher Arbeit verbunden ist und vor allem mit vielen Reisen. Jeder, der mich ein bisschen kennt, weiß genau, dass die Reiserei nicht unbedingt zu meinen größten Vorlieben zählt. Doch wie immer, wenn ich mich zu etwas bereit erkläre, wenn man mir das zutraut und mich wählt, dann mache ich das mit Herz und Verstand. Da gibt es keine halben Sachen. Und ich bin auch keiner, der dort lediglich Platz nimmt und nur zuhört. Zumal ich das sichere Gefühl habe, dass mich mit UEFA-Präsident Michel Platini inhaltlich sehr viel verbindet.

Frage: Welches sind Ihrer Meinung nach aktuell die größten Problemfelder, auf denen sich der europäische Fußball behaupten und seine Interessen vertreten muss?

Dr. Theo Zwanziger: Vieles hängt mit der Stellung des Sports in der europäischen Gemeinschaft zusammen. Die EU ist an Staatsverträge gebunden und macht damit auch dem Sport gesetzliche Vorgaben. Sie gibt aber dem Sport nicht die Bedeutung, die er insbesondere in seiner solidarischen Verästelung braucht. Zu den großen Problemfeldern zählen Themen wie Sportwetten, Doping, das Verhältnis zwischen großen und kleinen Klubs, Solidaritätsmechanismen, die Frage, wo Maßnahmen des Kartellrechts ihre Grenzen haben, oder das Ehrenamt mit seiner fiskalischen Problematik, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Der große Ansatzpunkt wäre die Ratifizierung des Lissabonner Vertrags. Darauf hoffen wir sehr. Geschähe dies, könnten wir mit guter Aussicht auf Erfolg mit der EU, ihrer Kommission und dem Parlament Lösungen erarbeiten, die dem Sport die Bedeutung zuweisen, die er braucht. Da würde ich mich wahnsinnig gerne einbringen.

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Frage: Mit welcher Zielrichtung?

Dr. Theo Zwanziger: Den Nationalverbänden zum Beispiel über die 6+5-Regel eine größere nationale Identität zu ermöglichen. Oder das Reizthema Gehaltsobergrenzen einer vernünftigen Lösung zuzuführen. Oder Maßnahmen zu ermöglichen, die zu mehr Solidarität zwischen großen und kleinen Klubs führen. Diese und alle weiteren Lösungsansätze sind aber ohne eine neue, klare Grundlage im europäischen Recht nicht zu diskutieren und zu verwirklichen. Deswegen hoffen wir sehr, dass „Lissabon“ endlich Realität wird.

Frage: Forcieren Sie in diesem Zusammenhang Ihre Idee, bei der UEFA eine Kommission für EU-Angelegenheiten einzurichten?

Dr. Theo Zwanziger: Das wäre die Konsequenz aus einer neuen rechtlichen Situation und natürlich Chefsache bei der UEFA. Alles was ich vom UEFA-Präsidenten höre, geht ja in diese Richtung. Doch wenn die grundlegenden rechtlichen Dinge nicht geordnet werden, dann können alle noch so gut gemeinten Ideen und Gedanken nicht realisiert werden.

Frage: Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Michel Platini über die bereits angesprochene inhaltliche Affinität hinaus?

Dr. Theo Zwanziger: Michel Platini war ein sehr wertvolles Mitglied in unserem Kuratorium für die WM 2006 und ist ein guter Freund von uns, ganz besonders von Wolfgang Niersbach. Er wusste und hat respektiert, dass wir damals im Januar 2007 bei der Wahl des UEFA-Präsidenten aus Dankbarkeit gegenüber Lennart Johansson, einem großen europäischen Sportführer, unsere Stimme gegeben haben. Wir hätten uns schäbig verhalten, wenn wir ihm, dem wir gemeinsam mit Egidius Braun die Ausrichtung der WM 2006 zu einem ganz großen Teil zu verdanken hatten, kurz danach unsere Stimme verweigert hätten. Michel Platini wusste aber auch, dass wir von seinen Fähigkeiten absolut überzeugt sind und dass er, sollte er die Wahl gewinnen, mit unserer vollen Unterstützung rechnen kann. Ich persönlich spüre, dass er nicht nur im operativen Alltagsgeschäft sehr professionell arbeitet, sondern dass er versucht, alle Mitgliedsstaaten mitzunehmen - und dass er der UEFA eine neue kluge Philosophie gibt, die ich ähnlich auch beim DFB mit seinen Mitgliedsverbänden sehe.

Frage: Haben Sie schon genaue Vorstellungen, welche konkreten Aufgaben Sie im UEFA-Exekutivkomitee übernehmen werden?

Dr. Theo Zwanziger: In den vergangenen Jahrzehnten habe ich mir einiges in Sachen Fußball und Gesellschaft angeeignet. Das werde ich bei der UEFA aktiv einzubringen versuchen. Meine Vorliebe für EU-Themen habe ich schon erwähnt. Darüber hinaus möchte ich dazu beitragen, dass die wirtschaftliche Stärke der UEFA genutzt wird, um den auch beim DFB geltenden Grundsatz wirken zu lassen, wonach die Großen nichts ohne die Kleinen sind, aber auch umgekehrt ohne das Große im Kleinen nichts läuft.

Frage: Welche Möglichkeiten sehen Sie in ihrem neuen Amt, den Frauen- und Mädchenfußball in Europa zu stärken und voranzubringen?

Dr. Theo Zwanziger: Wir sind den Freunden in Europa sehr dankbar, dass sie unsere Bewerbung für die Frauen-WM 2011 einmütig und erfolgreich unterstützt haben. Über diese Weltmeisterschaft werden wir die Struktur des Frauenfußballs voranbringen und stabilisieren. Auch hierbei gilt, dass man die Flaggschiffe, sprich starke Nationalmannschaften braucht, um die Nachwuchsförderung zu forcieren. Wir werden über den Frauenausschuss bei der UEFA, dem vom DFB ja Hannelore Ratzeburg und Heike Ullrich angehören, maßvolle, aber stetige Initiativen anstoßen.

Frage: Gibt es ein besonderes Anliegen des DFB, dem Sie in der UEFA-Exko zum Erfolg verhelfen können?

Dr. Theo Zwanziger: Die wichtigste Rolle ist erst einmal unser Beitrag, die Strahlkraft der UEFA insbesondere über die großen Turniere und Events durch vernünftige Vergabe der Veranstaltungen zu stabilisieren und zu verstärken. Die Europameisterschaft und die europäischen Klubwettbewerbe der Männer bilden die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der UEFA. Dass das neue EM-Format mit erstmals 24 Teams im Jahr 2016 ein Erfolg wird, auch schon in der Qualifikation, darum will ich mich besonders bemühen.