Zwanziger: "Fußball ist nicht alles"

Ihr könnt unglaublich viel dazu tun, wenn Ihr bereit seid, aufzustehen gegen Böses, wenn Ihr bereit seid, Euch zu zeigen, wenn Unrecht geschieht, wenn Ihr bereit seid, das Kartell der Tabuisierer und Verschweiger einer Gesellschaft, die insoweit nicht menschlich sein kann, zu brechen.

Ihr könnt mithelfen, mit Eurem ganz persönlichen Engagement.

Ich denke, so wie ich Euch hier in Hannover kennen gelernt habe und viele Fans in den Bundesligastadien, aber auch auf den Plätzen des Amateurfußballs kenne:

Ein Stück mehr Menschlichkeit, ein Stück mehr Zivilcourage, ein Stück mehr Bekenntnis zur Würde des Menschen, des Nächsten, des anderen, das wird Robert Enke gerecht.

Ich bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit.

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Bei der Trauerfeier für Nationaltorwart Robert Enke am Sonntag in Hannover hielt DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger eine Ansprache, die wir hier im Wortlaut veröffentlichen:

Liebe Frau Enke, liebe Familienangehörige, liebe Trauergemeinde! Liebe Fans von Hannover 96! Ich danke Euch, dass Ihr da seid.

Wir sind gekommen, um Abschied zu nehmen von Robert Enke.

Die Bilder dieser Woche, dieser Tage stehen vor unseren Augen, vor Euren und auch vor meinen: Diese unfassbare Nachricht am Dienstagabend, noch nicht wissend, was ist passiert. Es nicht fassen können.

Am nächsten Tag die Gespräche mit unseren Nationalspielern: Wie geht es weiter? Was können wir tun? - Jungs, ich bin stolz auf Euch.

Es gibt die Zeit, die wir brauchen, der Trauer, um dies alles zu verkraften.

Die Pressekonferenz am Nachmittag. Meinen großen Respekt, liebe Frau Enke, für das, was Sie glaubten, für Ihren Mann und, ich denke, auch für uns tun zu können.

Die Bilder aus den Medien, die uns betroffen machten, von der Unfallstelle. Das Mitgefühl für alle, die unbeteiligt doch beteiligt waren: die Lokomotivführer, die Rettungskräfte, die Polizei. Alle, die ihren Dienst leisten mussten. Und dann am Abend die Trauerfeier hier in Hannover. Die Spontaneität der Menschen in dieser Stadt, der Fans von Hannover 96, der Fans von Robert Enke. Danke an Euch!

Diese Bilder verändern sich. Sie werden mal stärker und verblassen. Die Zeit wird vergehen. Das Leben wird wieder seinen Anfang nehmen.

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Aber vor mir und vor meinen Augen stehen auch zwei Sätze, gesprochen von Bischöfen der Evangelischen Kirche. Der eine, am Mittwochabend von Bischöfin Käßmann: „Fußball ist nicht alles.“

Fußball, meine Damen und Herren, liebe Trauergemeinde, darf nicht alles sein. Das Leben, das uns geschenkt ist, ist vielfältig. Es ist interessant. Es ist lebenswert. Wir können auch auf das, was wir tun, ein Stück stolz sein. Wir können etwas leisten. Aber wir erfüllen uns immer nur in der Vielfalt und in der Gemeinschaft.

Fußball darf nicht alles sein, liebe Eltern, wenn Ihr daran denkt, ob Eure Kinder einmal Nationalspieler werden könnten. Denkt nicht nur an den Schein, an das, was sich dort zeigt, über die Medien verbreitet. Denkt auch an das, was im Menschen ist, an Zweifeln und an Schwächen. Fußball ist nicht alles.

Aber, meine Damen und Herren, es gibt auch den anderen Satz. Vor dreieinhalb Jahren begann die Weltmeisterschaft mit einem Gottesdienst in München. Damals, die Sonne begann genauso wie hier den Nebel und den Regen zu verdrängen, sprach Bischof Huber: „Fußball ist ein starkes Stück Leben.“

Ja, Fußball kann ein starkes Stück Leben sein. Wenn wir nicht nur wie Besessene hinter Höchstleistungen herjagen. Wir dürfen uns anstrengen, ja, aber nicht um jeden Preis. Denn, so formulierte er damals, den wirklichen Siegerpreis werden wir auf Erden nicht empfangen. Wir müssen uns dieses Preises würdig erweisen.

Ein wenig mehr - nach diesen schlimmen Tagen - an die Würde des Menschen zu denken, in seiner Vielfalt, nicht nur in seiner Stärke, sondern auch in seiner Schwäche, empfinde ich als Auftrag dieses an sich sinnlosen Sterbens.

Wir alle sind dazu aufgerufen, liebe Trauergemeinde, unser Leben wieder zu gestalten, aber einen Sinn nicht nur in überbordendem Ehrgeiz zu finden. Maß, Balance, Werte wie Fairplay und Respekt sind gefragt. In allen Bereichen des Systems Fußball. Bei den Funktionären, beim DFB, bei den Verbänden, den Klubs, bei mir, aber auch bei Euch, liebe Fans.

Ihr könnt unglaublich viel dazu tun, wenn Ihr bereit seid, aufzustehen gegen Böses, wenn Ihr bereit seid, Euch zu zeigen, wenn Unrecht geschieht, wenn Ihr bereit seid, das Kartell der Tabuisierer und Verschweiger einer Gesellschaft, die insoweit nicht menschlich sein kann, zu brechen.

Ihr könnt mithelfen, mit Eurem ganz persönlichen Engagement.

Ich denke, so wie ich Euch hier in Hannover kennen gelernt habe und viele Fans in den Bundesligastadien, aber auch auf den Plätzen des Amateurfußballs kenne:

Ein Stück mehr Menschlichkeit, ein Stück mehr Zivilcourage, ein Stück mehr Bekenntnis zur Würde des Menschen, des Nächsten, des anderen, das wird Robert Enke gerecht.

Ich bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit.