Zorc: "Wachablösung? Schon das Wort ist mir fremd"

Michael Zorc weiß nicht mehr, wie viele Trainingslager er schon miterlebt hat. In der Saison 1981/1982 debütierte er bei Borussia Dortmund und blieb dann eine ganze Karriere - 17 Spielzeiten und 463 Bundesligabegegnungen lang, das ist Rekord beim BVB. Kurz nach Ende seiner aktiven Laufbahn übernahm Zorc die Aufgaben und Pflichten des Sportdirektors. Er sagt: "Zweimal im Jahr Trainingslager, da ist schon etwas zusammengekommen."

Der vergangene Sonntag war dennoch ein besonderer Tag für ihn, denn die deutschen Nationalspieler stießen wieder zum Dortmunder Team, das im schweizerischen Bad Ragaz sein Trainingslager zur Vorbereitung auf die 50. Bundesliga-Saison absolviert. Erste Pflicht für Mats Hummels, Mario Götze, Ilkay Gündogan, Marco Reus und Marcel Schmelzer: der Laktattest.

"So viele Nationalspieler wie diesmal hatten wir noch nie bei einem Turnier", sagte Jürgen Klopp dieser Tage, und da klang Stolz und Leid mit. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth hat BVB-Sportdirektor Michael Zorc über späte Einstiege, späte Begegnungen mit den Bayern und das Reizwort "Wachablösung" gesprochen.

DFB.de: Herr Zorc, Sie haben Ihre Nationalspieler nach knapp neun Wochen wieder live gesehen. Wie war der erste Eindruck?

Michael Zorc: Wir sind ganz am Anfang hier in Bad Ragaz, das erste gemeinsame Training der kompletten Mannschaft fand erst am Montag statt. Ilkay Gündogan stieß bereits am Samstag zur Mannschaft, also einen Tag früher als die anderen deutschen Nationalspieler. Jetzt freuen wir uns, dass wir unsere Truppe endlich komplett beisammen haben. Und ich glaube, die Jungs sind auch ganz froh, dass es wieder richtig losgeht.

DFB.de: Ist der späte Einstieg ein Problem? Dem BVB bleibt noch drei Wochen bis zur ersten DFB-Pokalrunde gegen Oberneuland rund ein Monat bleibt bis zum Saisonstart gegen Werder Bremen.

Zorc: Die Trainingssteuerung wird komplizierter. Jürgen Klopp muss jetzt bei nahezu jeder Einheit in mehreren Gruppen arbeiten, denn wir haben ja auch noch die Polen sowie den Kroaten Ivan Perisic, die sich früher aus dem EM-Turnier verabschiedet haben. Da gibt es spürbare Unterschiede. Die Spieler, die bereits seit dem 4. Juli mit uns arbeiten, sind bereits bei Spielformen angelangt, andere machen noch Ausdauerläufe, unsere deutschen Nationalspieler mussten erst mal zum obligatorischen Laktattest. Aber gut, das wird in den kommenden zehn bis 14 Tagen immer mehr zusammenfließen - wenn nötig, werden wir individuell nachbessern.

DFB.de: Und der moderne Profi legt ohnehin nie so ganz die Beine hoch.

Zorc: So ist es, jeder Spieler hatte im Urlaub ein spezifisches Programm zu absolvieren, abgestimmt etwa auch darauf, wie lange er im Wettbewerb stand. Die modernen Kommunikationsmittel erlauben heute doch ein ganz anderes Monitoring als zu meiner aktiven Zeit. Jürgen Klopp ist immer auf dem neuesten Stand, was die körperliche Verfassung eines jeden BVB-Spielers angeht. Da hat sich einiges verändert. Heute steigt jeder Spieler auf einem guten Level wieder ins Training ein.

DFB.de: Mit Mario Götze und Marco Reus stehen zwei junge deutsche Nationalspieler im Kader, die ein riesiges Potenzial haben, auf denen aber auch riesige Erwartungen lasten. Sorgt Sie das?

Zorc: Nein, da muss ich widersprechen, ich sehe diese besondere Drucksituation für Reus und Götze überhaupt nicht. Wir sind zweimal in Serie Deutscher Meister geworden und wissen, dass die Erwartungen immer größer werden. Wir haben in der vergangenen Saison bewiesen, dass wir damit sachlich und konstruktiv umgehen können. Wir werden keinem Spieler, auch nicht Marco Reus, der für 17,1 Millionen Euro zu uns gewechselt ist, zu viel Last auf die Schultern legen. Ganz im Gegenteil. Wir werden für Marco - wie auch für Mario Götze nach seiner langen Verletzungspause - ein gutes Umfeld entwickeln, so dass sie ihre besten Leistungen abrufen können.

DFB.de: Was macht die beiden aus?

DFB.de: Beide, Marco und Mario, sind unglaublich starke Individualisten, technisch auf höchstem Niveau, beide sind mit guter oder sehr guter Schnelligkeit ausgestattet. Marco Reus sucht noch eher den eigenen Abschluss, Mario Götze hat dagegen im offensiven Mittelfeld große spielgestalterische Fähigkeiten und ist ein außergewöhnlicher Vorlagengeber. Für ihr Alter, Marco mit 23 Jahren, Mario mit 20 Jahren, sind beide erstaunlich weit in ihrer Entwicklung.

DFB.de: Das eingesprungene Tor zum 6:2 gegen Österreich hat noch jeder im Kopf. Haben Sie selbst einen besonderen Götze-Moment?

Zorc: Gegen Hannover 96 hat er mal die halbe Abwehr ausgespielt und dann selbst das Tor gemacht. Ich habe wirklich schon viel Fußball gesehen, dennoch, diese Szene war auch für mich ein wirkliches Erlebnis - absolute Spitzenklasse.

DFB.de: Den FC Bayern München haben Sie jetzt fünfmal in Folge geschlagen, Dortmund hat in der Rückrunde elf Punkte mehr geholt als der Konkurrent aus dem Süden, im Pokalfinale hieß es am Ende 5:2. Viele Journalisten und Fans sehen dies als Wachablösung - sehen Sie es anders?

Zorc:Wachablösung - schon die Wortwahl ist uns fremd, diese Diktion nutzen wir nicht. Damit kann ich persönlich auch relativ wenig anfangen, oder um es deutlicher zu sagen: gar nichts. Natürlich waren wir in den vergangenen beiden Jahren die beste deutsche Mannschaft, zumindest national. Aber wir wissen sehr genau, dass Bayern München ganz andere wirtschaftliche Rahmenbedingungen hat und diesen Vorsprung über die kommenden Jahre weiterhin haben wird. Deshalb ist und bleibt der FC Bayern nach wie vor der Topfavorit auf die Deutsche Meisterschaft.

DFB.de: Wirtschaftsfaktoren sind eine Sache, die personelle Besetzung ist eine andere. Fühlt sich Borussia Dortmund beim spielenden Personal mittlerweile dem FC Bayern ebenbürtig?

Zorc: Ob Sie es glauben wollen oder nicht: Wir führen keine Vergleiche mit Bayern München. Fakt ist: Wir fühlen uns mit unserem Kader sehr, sehr wohl. Unser Ansatz ist es, das Beste für Borussia Dortmund zu erreichen, und alles andere interessiert uns nicht.

DFB.de: Zum direkten Duell mit den Bayern kommt es am 15. und 32. Spieltag der Saison. Gefällt es Ihnen, so spät in der Hin- und Rückrunde aufeinander zu treffen?

Zorc: Auch das ist mir vollkommen egal. Das ist wie beim Wetter: Über Sachen, die ich nicht beeinflussen kann, mache ich mir nicht allzu viele Gedanken. Und egal, ob früher oder später in der Saison, es werden immer drei Punkte vergeben.

DFB.de: Wie ist die Dortmunder Zielsetzung für die Champions League?

Zorc: Wir wollen die Gruppenphase überstehen und in der Champions League überwintern. Wir werden allerdings höchstwahrscheinlich aus Topf 4 gelost, was ja bedeutet, dass zwei Topmannschaften in unserer Gruppe sein werden. Natürlich gibt es einen Anspruch an unsere Mannschaft, natürlich erwartet man vom Deutschen Meister auch international Ergebnisse. Aber es ist ja nicht so, dass wir in der vergangenen Saison keinen Fokus auf die Champions League gelegt hätten. Wir haben 2011 gelernt, und diese Erfahrungen werden wir in der kommenden Saison einbringen, davon bin ich überzeugt. Wir wollen in allen drei Wettbewerben unsere Leistung bringen. Das ist uns verganenes Jahr in zwei Wettbewerben mit dem optimalen Ergebnis gelungen, nun wollen wir es noch ein Stückchen besser machen.

DFB.de: Wie viele Nationalspieler stellt Dortmund für das WM-Aufgebot 2014?

Zorc: Die Prophezeiungskunst ist nicht mein Metier, bis dahin ist es ja auch noch eine Weile. Aber klar ist auch: Borussia Dortmund verfügt über zahlreiche sehr starke deutsche Spieler, die noch nicht ihren Leistungszenit erreicht haben. Wenn es um die Plätze im Nationalteam geht, werden wir auch 2014 in der Verlosung sein.

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Michael Zorc weiß nicht mehr, wie viele Trainingslager er schon miterlebt hat. In der Saison 1981/1982 debütierte er bei Borussia Dortmund und blieb dann eine ganze Karriere - 17 Spielzeiten und 463 Bundesligabegegnungen lang, das ist Rekord beim BVB. Kurz nach Ende seiner aktiven Laufbahn übernahm Zorc die Aufgaben und Pflichten des Sportdirektors. Er sagt: "Zweimal im Jahr Trainingslager, da ist schon etwas zusammengekommen."

Der vergangene Sonntag war dennoch ein besonderer Tag für ihn, denn die deutschen Nationalspieler stießen wieder zum Dortmunder Team, das im schweizerischen Bad Ragaz sein Trainingslager zur Vorbereitung auf die 50. Bundesliga-Saison absolviert. Erste Pflicht für Mats Hummels, Mario Götze, Ilkay Gündogan, Marco Reus und Marcel Schmelzer: der Laktattest.

"So viele Nationalspieler wie diesmal hatten wir noch nie bei einem Turnier", sagte Jürgen Klopp dieser Tage, und da klang Stolz und Leid mit. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth hat BVB-Sportdirektor Michael Zorc über späte Einstiege, späte Begegnungen mit den Bayern und das Reizwort "Wachablösung" gesprochen.

DFB.de: Herr Zorc, Sie haben Ihre Nationalspieler nach knapp neun Wochen wieder live gesehen. Wie war der erste Eindruck?

Michael Zorc: Wir sind ganz am Anfang hier in Bad Ragaz, das erste gemeinsame Training der kompletten Mannschaft fand erst am Montag statt. Ilkay Gündogan stieß bereits am Samstag zur Mannschaft, also einen Tag früher als die anderen deutschen Nationalspieler. Jetzt freuen wir uns, dass wir unsere Truppe endlich komplett beisammen haben. Und ich glaube, die Jungs sind auch ganz froh, dass es wieder richtig losgeht.

DFB.de: Ist der späte Einstieg ein Problem? Dem BVB bleibt noch drei Wochen bis zur ersten DFB-Pokalrunde gegen Oberneuland rund ein Monat bleibt bis zum Saisonstart gegen Werder Bremen.

Zorc: Die Trainingssteuerung wird komplizierter. Jürgen Klopp muss jetzt bei nahezu jeder Einheit in mehreren Gruppen arbeiten, denn wir haben ja auch noch die Polen sowie den Kroaten Ivan Perisic, die sich früher aus dem EM-Turnier verabschiedet haben. Da gibt es spürbare Unterschiede. Die Spieler, die bereits seit dem 4. Juli mit uns arbeiten, sind bereits bei Spielformen angelangt, andere machen noch Ausdauerläufe, unsere deutschen Nationalspieler mussten erst mal zum obligatorischen Laktattest. Aber gut, das wird in den kommenden zehn bis 14 Tagen immer mehr zusammenfließen - wenn nötig, werden wir individuell nachbessern.

DFB.de: Und der moderne Profi legt ohnehin nie so ganz die Beine hoch.

Zorc: So ist es, jeder Spieler hatte im Urlaub ein spezifisches Programm zu absolvieren, abgestimmt etwa auch darauf, wie lange er im Wettbewerb stand. Die modernen Kommunikationsmittel erlauben heute doch ein ganz anderes Monitoring als zu meiner aktiven Zeit. Jürgen Klopp ist immer auf dem neuesten Stand, was die körperliche Verfassung eines jeden BVB-Spielers angeht. Da hat sich einiges verändert. Heute steigt jeder Spieler auf einem guten Level wieder ins Training ein.

DFB.de: Mit Mario Götze und Marco Reus stehen zwei junge deutsche Nationalspieler im Kader, die ein riesiges Potenzial haben, auf denen aber auch riesige Erwartungen lasten. Sorgt Sie das?

Zorc: Nein, da muss ich widersprechen, ich sehe diese besondere Drucksituation für Reus und Götze überhaupt nicht. Wir sind zweimal in Serie Deutscher Meister geworden und wissen, dass die Erwartungen immer größer werden. Wir haben in der vergangenen Saison bewiesen, dass wir damit sachlich und konstruktiv umgehen können. Wir werden keinem Spieler, auch nicht Marco Reus, der für 17,1 Millionen Euro zu uns gewechselt ist, zu viel Last auf die Schultern legen. Ganz im Gegenteil. Wir werden für Marco - wie auch für Mario Götze nach seiner langen Verletzungspause - ein gutes Umfeld entwickeln, so dass sie ihre besten Leistungen abrufen können.

DFB.de: Was macht die beiden aus?

DFB.de: Beide, Marco und Mario, sind unglaublich starke Individualisten, technisch auf höchstem Niveau, beide sind mit guter oder sehr guter Schnelligkeit ausgestattet. Marco Reus sucht noch eher den eigenen Abschluss, Mario Götze hat dagegen im offensiven Mittelfeld große spielgestalterische Fähigkeiten und ist ein außergewöhnlicher Vorlagengeber. Für ihr Alter, Marco mit 23 Jahren, Mario mit 20 Jahren, sind beide erstaunlich weit in ihrer Entwicklung.

DFB.de: Das eingesprungene Tor zum 6:2 gegen Österreich hat noch jeder im Kopf. Haben Sie selbst einen besonderen Götze-Moment?

Zorc: Gegen Hannover 96 hat er mal die halbe Abwehr ausgespielt und dann selbst das Tor gemacht. Ich habe wirklich schon viel Fußball gesehen, dennoch, diese Szene war auch für mich ein wirkliches Erlebnis - absolute Spitzenklasse.

DFB.de: Den FC Bayern München haben Sie jetzt fünfmal in Folge geschlagen, Dortmund hat in der Rückrunde elf Punkte mehr geholt als der Konkurrent aus dem Süden, im Pokalfinale hieß es am Ende 5:2. Viele Journalisten und Fans sehen dies als Wachablösung - sehen Sie es anders?

Zorc:Wachablösung - schon die Wortwahl ist uns fremd, diese Diktion nutzen wir nicht. Damit kann ich persönlich auch relativ wenig anfangen, oder um es deutlicher zu sagen: gar nichts. Natürlich waren wir in den vergangenen beiden Jahren die beste deutsche Mannschaft, zumindest national. Aber wir wissen sehr genau, dass Bayern München ganz andere wirtschaftliche Rahmenbedingungen hat und diesen Vorsprung über die kommenden Jahre weiterhin haben wird. Deshalb ist und bleibt der FC Bayern nach wie vor der Topfavorit auf die Deutsche Meisterschaft.

DFB.de: Wirtschaftsfaktoren sind eine Sache, die personelle Besetzung ist eine andere. Fühlt sich Borussia Dortmund beim spielenden Personal mittlerweile dem FC Bayern ebenbürtig?

Zorc: Ob Sie es glauben wollen oder nicht: Wir führen keine Vergleiche mit Bayern München. Fakt ist: Wir fühlen uns mit unserem Kader sehr, sehr wohl. Unser Ansatz ist es, das Beste für Borussia Dortmund zu erreichen, und alles andere interessiert uns nicht.

DFB.de: Zum direkten Duell mit den Bayern kommt es am 15. und 32. Spieltag der Saison. Gefällt es Ihnen, so spät in der Hin- und Rückrunde aufeinander zu treffen?

Zorc: Auch das ist mir vollkommen egal. Das ist wie beim Wetter: Über Sachen, die ich nicht beeinflussen kann, mache ich mir nicht allzu viele Gedanken. Und egal, ob früher oder später in der Saison, es werden immer drei Punkte vergeben.

DFB.de: Wie ist die Dortmunder Zielsetzung für die Champions League?

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Zorc: Wir wollen die Gruppenphase überstehen und in der Champions League überwintern. Wir werden allerdings höchstwahrscheinlich aus Topf 4 gelost, was ja bedeutet, dass zwei Topmannschaften in unserer Gruppe sein werden. Natürlich gibt es einen Anspruch an unsere Mannschaft, natürlich erwartet man vom Deutschen Meister auch international Ergebnisse. Aber es ist ja nicht so, dass wir in der vergangenen Saison keinen Fokus auf die Champions League gelegt hätten. Wir haben 2011 gelernt, und diese Erfahrungen werden wir in der kommenden Saison einbringen, davon bin ich überzeugt. Wir wollen in allen drei Wettbewerben unsere Leistung bringen. Das ist uns verganenes Jahr in zwei Wettbewerben mit dem optimalen Ergebnis gelungen, nun wollen wir es noch ein Stückchen besser machen.

DFB.de: Wie viele Nationalspieler stellt Dortmund für das WM-Aufgebot 2014?

Zorc: Die Prophezeiungskunst ist nicht mein Metier, bis dahin ist es ja auch noch eine Weile. Aber klar ist auch: Borussia Dortmund verfügt über zahlreiche sehr starke deutsche Spieler, die noch nicht ihren Leistungszenit erreicht haben. Wenn es um die Plätze im Nationalteam geht, werden wir auch 2014 in der Verlosung sein.