Zinédine Zidane 2006 in Deutschland: WM der Extreme

19 Weltmeisterschaften, 19 Stars: Vor der Jubiläumsauflage im Sommer erinnert DFB.de in einer Serie an prominente und weniger bekannte Spieler, die den bisherigen WM-Turnieren ihren Stempel aufdrückten. Heute: Zinédine Zidane bei der WM 2006 in Deutschland.

Im August 2004 trat Zinédine Zidane aus der französischen Nationalmannschaft zurück. Warum auch nicht? Er war 32 und hatte alles gewonnen, wovon Fußballer so träumen. Er war Welt- und Europameister, Champions-League- und Weltpokalsieger, dazu dreimaliger Weltfußballer. Aber nun war die "Equipe tricolore" in der Talsenke, WM 2002 und EM 2004 waren enttäuschend verlaufen.

Zeit für einen Umbruch, "Zizou" wollte niemandem im Wege stehen. Die WM 2006, so wollte er es, würde ohne ihn stattfinden. Zum Glück kam es anders, er sollte noch einen weiteren Karrierehöhepunkt erleben, sie würden ihn zum Spieler des Turniers wählen - trotz eines unvergesslichen Abgangs im Skandal.

Zidane kommt erst langsam ins Rollen

Es konnte nur dazu kommen, weil Frankreich die WM zu verpassen drohte und Trainer Raymond Domenech seinen Spielmacher im September 2005 zur Rückkehr überredete. Mit ihm verlor Frankreich kein Spiel mehr und löste das WM-Ticket. Und so nahm der Sohn algerischer Eltern mit knapp 34, er feierte während der Vorrunde Geburtstag, an seiner dritten WM teil.

In der Vorrunde war er noch nicht der Alte, und mit ihm schwächelte ganz Frankreich. Beim einzigen Sieg gegen Togo fehlte er mit einer Gelb-Sperre, schon da deutete sich an, dass er sein Temperament, das ihm in seiner Karriere 13 Platzverweise eingebrockt hatte, nicht immer im Griff hatte.

Dann begannen die K.o.-Spiele, in denen die Führungsspieler besonders gefragt waren, es begann Zidanes große Zeit. Im Achtelfinale schlug Frankreich überraschend bis dahin starke Spanier mit 3:1, und Zidanes erstes Tor bei dieser WM wurde protokolliert - es war das 3:1 in der Nachspielzeit, wobei er den Abwehrrecken Carles Puyol austanzte und dann eiskalt abschloss. Das 2:1 von Patrick Vieira hatte er per Freistoß vorbereitet, und die Experten waren sich einig: Dieses 105. Länderspiel war eines seiner besten. Die Spanier hingegen bereuten ihre kecken Worte, hatten sie doch zuvor getönt: "Wir schicken Zidane in Rente!"

Brasilien und Portugal kapitulieren gegen Frankreich

Das aber war selbst Brasilien im Viertelfinale nicht vergönnt. Ein genialer Moment Zidanes genügte für die Entscheidung, sein Freistoß auf Thierry Henry überraschte die Abwehr der "Selecao" völlig - schon war Frankreich im Halbfinale. Dort kam es zum Treffen der "Galaktischen", bis Saisonende 2005/2006 hatten Zidane und Portugals Luis Figo gemeinsam für Real Madrid gespielt.

Nach dem Spiel sah man sie eng umschlungen beim Trikottausch, doch Trost brauchte nur Figo. Wieder reichte Frankreich ein Tor, diesmal durch Elfmeter, und der Vollstrecker hieß Zidane. "Ich sagte mir, dass wir im Finale sind, wenn ich treffe. An nichts anderes habe ich mehr gedacht", gab er später zu Protokoll. Portugals Torwart Ricardo ahnte noch die Ecke, aber Zidane schoss zu platziert.

Die französische Zeitung Le Parisien jubelte: "Zidane katapultiert Frankreich ins Finale." Spätestens jetzt hatte sich die Rückkehr von "Zizou" gelohnt. Wen störte das im Internet kursierende Foto vom rauchenden Kapitän Frankreichs wenige Stunden vor dem Halbfinale? Dieser Mann genoss das Recht auf jedes Privileg, er verkörperte Frankreichs Hoffnungen auf den zweiten WM-Titel.

Führung im Finale reicht nicht

Den wollten sie am 9. Juli 2006 in Berlin holen, gegen Deutschland-Bezwinger Italien. Und schon nach sieben Minuten war der Pokal zum Greifen nah: Wieder gab es einen Elfmeter, und wieder schoss Zidane. Er ging hohes Risiko, kaum ein anderer hätte sich das leisten können, als er den Ball an die Lattenunterkante schlenzte, ziemlich zentral, von wo er hinter die Linie sprang.

Wie 1998 brachte Zidane Frankreich in einem WM-Finale in Führung, es war schon sein drittes Finaltor - nur der große Pelé, sein brasiliansicher Landsmann Vava und der Engländer Geoff Hurst konnten da mithalten. Aber diesmal sollte es nicht zum Sieg reichen - und das lag vor allem an Marco Materazzi. Zunächst weil er schon nach 19 Minuten ausglich, und dann, schon weit in der Verlängerung, als er Zidane aus dem Spiel nahm.

Materazzi lässt Zidane ausrasten

In der 110. Minute kam es zu einer der legendärsten Szenen der WM-Historie. Nach einem Wortgefecht und Gerangel mit Materazzi, der auf Zidanes bissige Bemerkung, er könne sein Trikot doch auch nach dem Spiel haben, mit einer obszönen Anspielung auf Zidanes Schwester antwortete, rammte ihm der Franzose den Kopf auf die Brust. Nicht der erste Kopfstoß seiner Karriere, und bei weitem nicht das erste Rot - es war Nummer 14. Und das in seinem letzten Spiel überhaupt, sein Karriereende hatte er noch vor der WM angekündigt. Die Familienehre war gewahrt, seine Mutter erklärte, stolz auf "Zizou" zu sein, doch das Spiel war verloren. Nicht sofort, aber schon bald.

In Unterzahl rettete sich Frankreich ins Elfmeterschießen, wo aber nun sein sicherster Schütze fehlte. Es kam, wie es kommen musste: Italien wurde Weltmeister, Frankreich weinte. "Bitterer hätte der Abschied von Zidane nicht ausfallen können", schrieb Franz Beckenbauer in seiner Bild-Kolumne. "Auch wenn sein Kopfstoß unverzeihlich war und er seine Mannschaft geschwächt hat - ich hatte Mitleid mit ihm, weil ein Großer so nicht abtreten darf."

Die FIFA sperrte Zidane, der doch ohnehin abtreten wollte, für drei Spiele und kassierte zudem 7500 Schweizer Franken Strafe. Die Franzosen aber achteten ihren Kapitän auf ungewöhnliche Weise. 2012 wurde in Paris ein Denkmal enthüllt, das die Kopfstoß-Szene nachempfindet. Kritikern entgegnete der Künstler, es sei eine "Ode an die Niederlage", er habe "die Schattenseite des Helden“ zeigen wollen. Die hatte alle Welt schon am 9. Juli 2006 gesehen.

ZINEDINE ZIDANE

Geburtsdatum: 23. Juni 1972 in Marseille
Länderspiele/Tore: 108 Spiele/31 Tore
WM-Spiele/Tore: 12/7
Vereine als Spieler: AS Cannes (1988 bis 1992), Girondins Bordeaux (1992 bis 1996), Juventus Turin (1996 bis 2001), Real Madrid (2001 bis 2006)
Größte Erfolge: Weltmeister 1998, Europameister 2000, Champions-League-Sieger 2002, Weltpokalsieger 1996 und 2002, UEFA-Supercupsieger 1996, Spanischer Meister 2003, Italienischer Meister 1997, 1998
Auszeichnungen: Weltfußballer des Jahres 1998, 2000 und 2003, Europas Fußballer des Jahrhunderts 1998

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19 Weltmeisterschaften, 19 Stars: Vor der Jubiläumsauflage im Sommer erinnert DFB.de in einer Serie an prominente und weniger bekannte Spieler, die den bisherigen WM-Turnieren ihren Stempel aufdrückten. Heute: Zinédine Zidane bei der WM 2006 in Deutschland.

Im August 2004 trat Zinédine Zidane aus der französischen Nationalmannschaft zurück. Warum auch nicht? Er war 32 und hatte alles gewonnen, wovon Fußballer so träumen. Er war Welt- und Europameister, Champions-League- und Weltpokalsieger, dazu dreimaliger Weltfußballer. Aber nun war die "Equipe tricolore" in der Talsenke, WM 2002 und EM 2004 waren enttäuschend verlaufen.

Zeit für einen Umbruch, "Zizou" wollte niemandem im Wege stehen. Die WM 2006, so wollte er es, würde ohne ihn stattfinden. Zum Glück kam es anders, er sollte noch einen weiteren Karrierehöhepunkt erleben, sie würden ihn zum Spieler des Turniers wählen - trotz eines unvergesslichen Abgangs im Skandal.

Zidane kommt erst langsam ins Rollen

Es konnte nur dazu kommen, weil Frankreich die WM zu verpassen drohte und Trainer Raymond Domenech seinen Spielmacher im September 2005 zur Rückkehr überredete. Mit ihm verlor Frankreich kein Spiel mehr und löste das WM-Ticket. Und so nahm der Sohn algerischer Eltern mit knapp 34, er feierte während der Vorrunde Geburtstag, an seiner dritten WM teil.

In der Vorrunde war er noch nicht der Alte, und mit ihm schwächelte ganz Frankreich. Beim einzigen Sieg gegen Togo fehlte er mit einer Gelb-Sperre, schon da deutete sich an, dass er sein Temperament, das ihm in seiner Karriere 13 Platzverweise eingebrockt hatte, nicht immer im Griff hatte.

Dann begannen die K.o.-Spiele, in denen die Führungsspieler besonders gefragt waren, es begann Zidanes große Zeit. Im Achtelfinale schlug Frankreich überraschend bis dahin starke Spanier mit 3:1, und Zidanes erstes Tor bei dieser WM wurde protokolliert - es war das 3:1 in der Nachspielzeit, wobei er den Abwehrrecken Carles Puyol austanzte und dann eiskalt abschloss. Das 2:1 von Patrick Vieira hatte er per Freistoß vorbereitet, und die Experten waren sich einig: Dieses 105. Länderspiel war eines seiner besten. Die Spanier hingegen bereuten ihre kecken Worte, hatten sie doch zuvor getönt: "Wir schicken Zidane in Rente!"

Brasilien und Portugal kapitulieren gegen Frankreich

Das aber war selbst Brasilien im Viertelfinale nicht vergönnt. Ein genialer Moment Zidanes genügte für die Entscheidung, sein Freistoß auf Thierry Henry überraschte die Abwehr der "Selecao" völlig - schon war Frankreich im Halbfinale. Dort kam es zum Treffen der "Galaktischen", bis Saisonende 2005/2006 hatten Zidane und Portugals Luis Figo gemeinsam für Real Madrid gespielt.

Nach dem Spiel sah man sie eng umschlungen beim Trikottausch, doch Trost brauchte nur Figo. Wieder reichte Frankreich ein Tor, diesmal durch Elfmeter, und der Vollstrecker hieß Zidane. "Ich sagte mir, dass wir im Finale sind, wenn ich treffe. An nichts anderes habe ich mehr gedacht", gab er später zu Protokoll. Portugals Torwart Ricardo ahnte noch die Ecke, aber Zidane schoss zu platziert.

Die französische Zeitung Le Parisien jubelte: "Zidane katapultiert Frankreich ins Finale." Spätestens jetzt hatte sich die Rückkehr von "Zizou" gelohnt. Wen störte das im Internet kursierende Foto vom rauchenden Kapitän Frankreichs wenige Stunden vor dem Halbfinale? Dieser Mann genoss das Recht auf jedes Privileg, er verkörperte Frankreichs Hoffnungen auf den zweiten WM-Titel.

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Führung im Finale reicht nicht

Den wollten sie am 9. Juli 2006 in Berlin holen, gegen Deutschland-Bezwinger Italien. Und schon nach sieben Minuten war der Pokal zum Greifen nah: Wieder gab es einen Elfmeter, und wieder schoss Zidane. Er ging hohes Risiko, kaum ein anderer hätte sich das leisten können, als er den Ball an die Lattenunterkante schlenzte, ziemlich zentral, von wo er hinter die Linie sprang.

Wie 1998 brachte Zidane Frankreich in einem WM-Finale in Führung, es war schon sein drittes Finaltor - nur der große Pelé, sein brasiliansicher Landsmann Vava und der Engländer Geoff Hurst konnten da mithalten. Aber diesmal sollte es nicht zum Sieg reichen - und das lag vor allem an Marco Materazzi. Zunächst weil er schon nach 19 Minuten ausglich, und dann, schon weit in der Verlängerung, als er Zidane aus dem Spiel nahm.

Materazzi lässt Zidane ausrasten

In der 110. Minute kam es zu einer der legendärsten Szenen der WM-Historie. Nach einem Wortgefecht und Gerangel mit Materazzi, der auf Zidanes bissige Bemerkung, er könne sein Trikot doch auch nach dem Spiel haben, mit einer obszönen Anspielung auf Zidanes Schwester antwortete, rammte ihm der Franzose den Kopf auf die Brust. Nicht der erste Kopfstoß seiner Karriere, und bei weitem nicht das erste Rot - es war Nummer 14. Und das in seinem letzten Spiel überhaupt, sein Karriereende hatte er noch vor der WM angekündigt. Die Familienehre war gewahrt, seine Mutter erklärte, stolz auf "Zizou" zu sein, doch das Spiel war verloren. Nicht sofort, aber schon bald.

In Unterzahl rettete sich Frankreich ins Elfmeterschießen, wo aber nun sein sicherster Schütze fehlte. Es kam, wie es kommen musste: Italien wurde Weltmeister, Frankreich weinte. "Bitterer hätte der Abschied von Zidane nicht ausfallen können", schrieb Franz Beckenbauer in seiner Bild-Kolumne. "Auch wenn sein Kopfstoß unverzeihlich war und er seine Mannschaft geschwächt hat - ich hatte Mitleid mit ihm, weil ein Großer so nicht abtreten darf."

Die FIFA sperrte Zidane, der doch ohnehin abtreten wollte, für drei Spiele und kassierte zudem 7500 Schweizer Franken Strafe. Die Franzosen aber achteten ihren Kapitän auf ungewöhnliche Weise. 2012 wurde in Paris ein Denkmal enthüllt, das die Kopfstoß-Szene nachempfindet. Kritikern entgegnete der Künstler, es sei eine "Ode an die Niederlage", er habe "die Schattenseite des Helden“ zeigen wollen. Die hatte alle Welt schon am 9. Juli 2006 gesehen.

ZINEDINE ZIDANE

Geburtsdatum: 23. Juni 1972 in Marseille
Länderspiele/Tore: 108 Spiele/31 Tore
WM-Spiele/Tore: 12/7
Vereine als Spieler: AS Cannes (1988 bis 1992), Girondins Bordeaux (1992 bis 1996), Juventus Turin (1996 bis 2001), Real Madrid (2001 bis 2006)
Größte Erfolge: Weltmeister 1998, Europameister 2000, Champions-League-Sieger 2002, Weltpokalsieger 1996 und 2002, UEFA-Supercupsieger 1996, Spanischer Meister 2003, Italienischer Meister 1997, 1998
Auszeichnungen: Weltfußballer des Jahres 1998, 2000 und 2003, Europas Fußballer des Jahrhunderts 1998