Wormuth: "Werden eine große Fluktuation haben"

Seit 2007 ist Frank Wormuth als Nachfolger von Erich Rutemöller als Leiter der Fußballlehrerausbildung des DFB verantwortlich für den Fußballlehrerlehrgang an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Köln. Zuvor war er an der Seite von Joachim Löw Co-Trainer bei Fenerbahce Istanbul, Erfahrungen als Cheftrainer hat Wormuth beim SC Pfullendorf, dem SSV Reutlingen, dem 1. FC Union Berlin und dem VfR Aalen gemacht.

Nach vier Jahren Pause ist er nun auf die Trainerbank zurückgekehrt, Wormuth hat die U 20-Nationalmannschaft übernommen und zum Einstand gleich einen Sieg gefeiert: 3:2 in der Schweiz. Mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke hat er über die Doppelbelastung, seine Ziele mit der U 20, sowie die Entwicklungen im Fußball und die Konsequenzen für die Trainerausbildung gesprochen.

DFB.de: Herr Wormuth. Bisher waren Sie Trainer-Trainer, jetzt sind Sie Trainer-Trainer und auch selber wieder Trainer. Wie ist es dazu gekommen?

Wormuth: Matthias Sammer hat mich gefragt. Und ich hatte Lust darauf.

DFB.de: So einfach?

Wormuth: Die Vorgeschichte ist schon länger. Mit Matthias Sammer habe ich mich schon vor gut einem Jahr bei einem Smalltalk über diverse Optionen unterhalten. Ich habe ihm gesagt, dass ich es nicht schlecht finden würde, wenn ich wieder mehr praxisorientiert arbeiten könnte. Schon damals habe ich ihm gesagt, dass ich meine Trainer-Erfahrungen von früher und die Erfahrungen, die ich als Leiter der Ausbildung gemacht habe, gerne verbinden und in der Arbeit mit einer Mannschaft in der Praxis umsetzen würde. Auch Matthias Sammer hat dies damals für eine gute Idee gehalten. Als jetzt der Posten des U 20-Trainers neu zu besetzen war, war das für mich natürlich sehr reizvoll.

DFB.de: Für Sie ist es aber eine Mehrbelastung, glauben Sie, dass Sie den Posten als U 20-Trainer und den Job als Leiter der Fußballlehrerausbildung unter einen Hut bekommen?

Wormuth: Sonst hätte ich es nicht gemacht. Die U 20 hat ja den Vorteil, dass sie eher eine Sichtungsmannschaft ist. Sie spielt keinen Turnierwettkampf, nimmt nicht an Europameisterschaften und Weltmeisterschaften teil, weil die U 20 WM von der U19 gespielt wird. Wir haben mit der U 20 nicht mehr als sechs Spiele im Jahr, das werde ich gut vereinbaren können mit meiner Tätigkeit an der Hennes-Weisweiler-Akademie.



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Seit 2007 ist Frank Wormuth als Nachfolger von Erich Rutemöller als Leiter der Fußballlehrerausbildung des DFB verantwortlich für den Fußballlehrerlehrgang an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Köln. Zuvor war er an der Seite von Joachim Löw Co-Trainer bei Fenerbahce Istanbul, Erfahrungen als Cheftrainer hat Wormuth beim SC Pfullendorf, dem SSV Reutlingen, dem 1. FC Union Berlin und dem VfR Aalen gemacht.

Nach vier Jahren Pause ist er nun auf die Trainerbank zurückgekehrt, Wormuth hat die U 20-Nationalmannschaft übernommen und zum Einstand gleich einen Sieg gefeiert: 3:2 in der Schweiz. Mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke hat er über die Doppelbelastung, seine Ziele mit der U 20, sowie die Entwicklungen im Fußball und die Konsequenzen für die Trainerausbildung gesprochen.

DFB.de: Herr Wormuth. Bisher waren Sie Trainer-Trainer, jetzt sind Sie Trainer-Trainer und auch selber wieder Trainer. Wie ist es dazu gekommen?

Wormuth: Matthias Sammer hat mich gefragt. Und ich hatte Lust darauf.

DFB.de: So einfach?

Wormuth: Die Vorgeschichte ist schon länger. Mit Matthias Sammer habe ich mich schon vor gut einem Jahr bei einem Smalltalk über diverse Optionen unterhalten. Ich habe ihm gesagt, dass ich es nicht schlecht finden würde, wenn ich wieder mehr praxisorientiert arbeiten könnte. Schon damals habe ich ihm gesagt, dass ich meine Trainer-Erfahrungen von früher und die Erfahrungen, die ich als Leiter der Ausbildung gemacht habe, gerne verbinden und in der Arbeit mit einer Mannschaft in der Praxis umsetzen würde. Auch Matthias Sammer hat dies damals für eine gute Idee gehalten. Als jetzt der Posten des U 20-Trainers neu zu besetzen war, war das für mich natürlich sehr reizvoll.

DFB.de: Für Sie ist es aber eine Mehrbelastung, glauben Sie, dass Sie den Posten als U 20-Trainer und den Job als Leiter der Fußballlehrerausbildung unter einen Hut bekommen?

Wormuth: Sonst hätte ich es nicht gemacht. Die U 20 hat ja den Vorteil, dass sie eher eine Sichtungsmannschaft ist. Sie spielt keinen Turnierwettkampf, nimmt nicht an Europameisterschaften und Weltmeisterschaften teil, weil die U 20 WM von der U19 gespielt wird. Wir haben mit der U 20 nicht mehr als sechs Spiele im Jahr, das werde ich gut vereinbaren können mit meiner Tätigkeit an der Hennes-Weisweiler-Akademie.

DFB.de: Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgabe als U 20-Trainer?

Wormuth: Darin, dass wir im U 20-Team die Spieler auf die U21 vorbereiten. Wir werden dabei eng mit Rainer Adrion zusammen arbeiten. Wir werden viele Spieler, die bei ihm auf dem Sprung sind, es aber nicht ganz in den Kader geschafft haben, zu uns in die U 20 holen. Mit diesen Spielern werden wir in der Philosophie des DFB weiter arbeiten, so dass diese Talente nicht verloren gehen. Auch bauen wir Spieler des Jahrgangs 1991 auf, die für die U21 in einem Jahr wieder dabei sein können.

DFB.de: Sichtung und Ausbildung nennen Sie als erste Ziele, lässt sich daraus schlussfolgern, dass die U 20 weniger ergebnisorientiert spielen wird?

Wormuth: Wir haben im Jugendbereich des DFB die klare Philosophie, dass wir jedes Spiel gewinnen wollen – was ja selbstredend ist. Daneben gibt es aber noch andere Ziele. Für mich als U 20-Trainer ist wie schon beschrieben auch die Sichtung für die U 21 ganz wichtig. In der letzten Analyse habe ich festgestellt, dass es im U-Bereich viele Spieler gibt, die bisher noch nicht Nationalspieler waren, die sich aber so gut entwickelt haben, dass es lohnt, sie jetzt noch einmal im Vergleich zu den aktuellen U 20-Spielern anzuschauen. Deswegen werde ich bei den Spielen mit der U 20 eine große Fluktuation haben und nicht nur um des Erfolges willen zwei Mal in Folge mit der gleichen Mannschaft auflaufen. Wie gesagt: Für mich geht es auch darum, Spieler für den U21-Trainer zu finden.

DFB.de: Ein Risiko sehen Sie in Ihrer Doppelfunktion also nicht?

Wormuth: Was sollte daran riskant sein?

DFB.de: Möglicherweise hören Ihnen die Trainer an der Akademie weniger genau zu, sollten die Ergebnisse mit der U 20 nicht positiv sein.

Wormuth: Zunächst einmal gehe ich davon aus, dass wir erfolgreich spielen. Das ist das Eine. Im Übrigen sehe ich die Problematik auch gar nicht. Die Leute, die hier im Kurs sitzen, sind alles Trainer. Sie wissen die Arbeit mit einer Auswahlmannschaft richtig einzuschätzen. Es ist ja eine ganz andere Sache, ob ich als Vereinstrainer Verantwortung übernehme oder als Auswahl-Coach. Zudem kennen mich alle angehenden Trainer, sie wissen, wie ich über Fußball denke, wie ich über Fußball rede und wie ich den Jahrgang führe. Ich bin selbstbewusst genug, zu behaupten, dass sie mit mir zufrieden sind – zumindest kommt dies in den anonymen Feedbackbögen am Ende des Lehrgangs immer rüber. Ich glaube, dass ich mir mittlerweile einen so guten Ruf erarbeitet habe, dass die Leute diese Tätigkeiten unabhängig voneinander betrachten. Daran würde auch eine Niederlage mit der U 20 nichts ändern. Im Gegenteil, die angehenden Fußballlehrer hier würden fragen, woran es lag und dann hätten wir wieder eine Diskussionsgrundlage. Meine Tätigkeit für die U 20 sehe ich also auch als gutes Mittel, um meine Erfahrungen aus der Praxis aktuell in den Lehrgang einfließen zu lassen. Ich bin überzeugt, dass der Kurs von meiner Trainertätigkeit profitiert. Und natürlich auch die U 20-Nationalmannschaft.

DFB.de: Dass Sie keine Erfahrungen als Nationaltrainer haben, lässt Sie nicht zweifeln?

Wormuth: Nein. Natürlich ist es ein Unterschied, ob man Vereinstrainer oder Auswahltrainer ist. Bei der Vorbereitung auf ein Spiel hast du als Auswahltrainer nur zwei oder drei Tage Zeit. In diesen zwei oder drei Tagen müssen die unterschiedlichen Spieler auf einen gemeinsamen Weg und eine gemeinsame Philosophie eingeschworen werden. Aber das alles ist für mich eine tolle Erfahrung, gerade weil dieser Bereich neu für mich ist. Ich freue mich darüber, mit den Spielern zu arbeiten und ihnen mein Wissen über Fußball zu vermitteln.

DFB.de: Wie sehr hat sich dieses Wissen in den letzten Monaten erweitert? Sie waren für den DFB bei der WM in Südafrika. Haben Sie dort Entwicklungen beobachtet, die auch in der Trainerausbildung eine Rolle spielen?

Wormuth: Klar. Große Turniere bringen immer neue Entwicklungen oder bestätigen andere, die sich schon zuvor angedeutet haben. Das war auch in Südafrika der Fall.

DFB.de: Zum Beispiel?

Wormuth: Da gibt es einiges. Unsere Beobachtungen haben wir auf dem Trainerkongress in Düsseldorf präsentiert, selbstverständlich habe ich diese auch hier dem Lehrgang vorgestellt. Ein Beispiel ist das Sechs-bis-acht-Sekunden-Prinzip bei Balleroberung in der eigenen Hälfte. Wir haben festgestellt, dass die Mannschaften nur noch sechs bis acht Sekunden Zeit haben, um aus einer Balleroberung in der eigenen Hälfte zu einem Torabschluss zu kommen. Nach dieser Zeit steht der Gegner hinter dem Ball und der klassische Spielaufbau ist angesagt. Für die Trainer in der Ausbildung heißt das, dass sie mit aller Konsequenz auf diese sechs bis acht Sekunden schauen und entsprechende Trainingsformen finden müssen.

DFB.de: Eine Ihrer Beobachtungen war, dass das Angriffsspiel, schnelle Konter ausgeklammert, immer mehr dem Handball ähnlich wird, weil die angreifende Mannschaft den Ball vor und um den Strafraum kreisen lässt. Ist es dann auch sinnvoll, sich Ideen für Spielzüge, für Ballstafetten aus dem Handball zu besorgen?

Wormuth: Die Frage ist, ob man auch im Fußball, wie im Handball oder Basketball, Spielzüge einstudieren kann. An dieser Frage arbeiten wir gerade mit dem aktuellen Lehrgang. Aktuell würde ich sagen ja, bis zum Dreiecks-Spiel, bis zum Vierecks-Spiel ist es möglich, aber dann entstehen so viele Veränderungen, die einstudierte Laufwege durcheinander bringen könnten. Wenn ich über den vierten Pass hinaus etwas einstudiere, dann verändert sich innerhalb der Passfolgen das Stellungsspiel des Gegners und damit die Situation. Aber genau solche Fragen sind Inhalt der Ausbildung hier, wir wollen neue Gedanken anstoßen und die angehenden Fußballlehrer aus ihrem ursprünglichen Kreis herausholen.

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DFB.de: Das heißt konkret?

Wormuth: Es besteht die Gefahr, dass viele Trainer nur altes Wissen weitergeben. Nach dem Prinzip, dass sie etwas als Spieler vom ihrem Trainer gelernt haben und dies nun, da sie selber Trainer sind, ihren Spielern ungefiltert weitergeben. Das ist in vielen Fällen gut und richtig, aber auf diese Weise können keine neuen Ideen entwickelt werden. Wenn ich ausbilden möchte, wie in fünf Jahren gespielt wird, dann muss ich jetzt aus diesem Kreis ausbrechen. Wir versuchen dies. Und zum Glück gibt es immer mehr Ansätze, die wir hier entwickelt haben und die in der Praxis erfolgreich umgesetzt wurden.

DFB.de: Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Wormuth: Es lässt sich ganz gut an den Wenn-dann-Strategien verdeutlichen. Wir müssen dahin kommen, dass die Trainer ihre Mannschaften besser in die Lage versetzen, auf die häufigen Eventualitäten des Fußballspiels zu reagieren. Wie verhalte ich mich als Mannschaft, wenn wir in Führung liegend in Unterzahl geraten, wie, wenn wir zurück liegen und plötzlich einen Mann weniger haben? Da gibt es viele Beispiele. Und da liegt noch einiges im Argen. Erst vor kurzem gab es eine schöne Geschichte, die uns darin bestätigt hat, dass die Trainer viel häufiger in diesen Wenn-dann-Strategien denken und arbeiten sollten.

DFB.de: Nämlich?

Wormuth: Einer unserer Trainer in der Ausbildung war Torsten Lieberknecht, der Trainer von Eintracht Braunschweig. In der Phase, als wir hier diese Wenn-dann-Strategien besprochen haben, hat er vor dem Spiel gegen Wacker Burghausen seinen Co-Trainer angerufen und ihn veranlasst, mit dem Team diese wahrscheinlichen Eventualitäten auf dem Platz durchzugehen und zu üben. Und was ist passiert? Die Situation kam, Braunschweig war ein Spieler weniger auf dem Platz und hat das Spiel dennoch gewonnen. Das Schöne war dann, dass die Spieler in Interviews nach dem Spiel als Grund für ihren Sieg genannt haben, dass sie auf diese Situation gut eingestellt waren und sie genau wussten, wie sie sich zu verhalten hatten. Das war für uns natürlich eine schöne Bestätigung und zeigt auch nach Außen, dass die hier entwickelten Ideen funktionieren können.

DFB.de: Welche Ideen haben Sie noch? Sie haben immer wieder mehr Kreativität bei Standardsituationen gefordert.

Wormuth: Das ist ein Feld, auf dem der Fußball noch nicht ausgereift ist. Insbesondere die Halbraumstandardsituationen. Die Bälle laufen immer wieder Richtung Tor, die komplette Mannschaft und die gegnerische Mannschaft laufen zum Torwart, der Torwart ist die ärmste Sau, kann nicht reagieren, der Ball ist am langen Pfosten und dann im Tor. Wie häufig hat man das schon gesehen.

DFB.de: Und wie ließe sich dies verhindern?

Wormuth: Da gibt es mehrere Ansätze. Ich habe in meiner Trainerkarriere immer wieder einen Spieler reinlaufen lassen, genau auf diesen langen Pfosten. Der hatte nur eine Aufgabe: mit hohem Tempo zurückzulaufen und die Bälle, die durchgerutscht sind, zu klären. Auch andere Lösungen sind vorstellbar. DFB-Trainer Jörg Daniel hat mal nebenbei gefragt, warum wir eigentlich nicht vom Torwart aus zum Ball laufen. Warum nicht? Solche Sachen werde ich im Training mit der U 20 ausprobieren. Ich habe ja nicht den Druck wie Rainer Adrion oder Ralf Minge, die unbedingt immer die Qualifikationen schaffen müssen. Und wenn es funktioniert, wer weiß, vielleicht gibt es Nachahmer.

DFB.de: Dann ist die U 20 so etwas wie ein Experimentierfeld?

Wormuth: Um Gottes Willen, nein. Es darf nicht falsch verstanden werden, wir werden keine verrückten Dinge machen. Wir werden natürlich innerhalb der Philosophie des DFB arbeiten, das Ziel besteht darin, die von den Vereinen gut ausgebildeten Spieler in ihren Leistungen zu bestätigen bzw. auch fortzubilden und der U21 ein guter Unterbau zu sein.