Wormuth: "Der mündige Trainer hat es leichter"

Wormuth: Es folgte gleich eine dreiwöchige Praktikumsphase bei einem Profiverein, dort haben die angehenden Fußball-Lehrer eine Saisonvorbereitung miterlebt. Drei weitere Praktika absolvieren sie - übrigens stets im selben Klub - während der Saison: zwei Wochen in der Hinrunde, wobei sie die Nachwuchsleistungszentren kennenlernen; gleich zu Beginn des neuen Jahres sind sie drei Wochen in der Wintervorbereitung und später nochmal eine während der Rückrunde dabei. So erleben sie ständig neue Situationen und haben von Mal zu Mal aufgrund ihrer fortschreitenden Ausbildung einen höheren Wissensstand, den sie anwenden können. Zusätzlich gibt es eine Woche Praktikum in den Verbandssportschulen sowie fürs Selbststudium reservierte Phasen, in denen das Gelernte vertieft werden soll.

Frage: Und wie ist der Praxiseinfluss auf den Unterrichtsalltag an der Hennes-Weisweiler-Akademie?

Wormuth: Auch hier haben wir eine gute Mischung. In der Regel gab es in den zehn Wochen der Basisausbildung und gibt es in der momentanen, siebenwöchigen Anwendungsphase jeweils bis nachmittags Vorlesungen, zum Beispiel im neuen Fach Ernährungslehre, danach dann praktische Übungsformen auf dem Trainingsplatz. Hier haben wir sogenannte "Demogruppen" installiert: Normalerweise vier Aspiranten erarbeiten eine Einheit zu einem vorgegebenen Trainingsschwerpunkt - zum Beispiel Spielverlagerung -, zwei andere beobachten dies mit Kameras und Notizblöcken aus verschiedenen Blickwinkeln. Das Material wird danach in unserem neuen Medialabor bearbeitet und am nächsten Tag dem Plenum präsentiert. Bei dieser Analyse der Stärken und Schwächen kann sich der jeweilige Trainer auf dem "heißen Stuhl" rechtfertigen, warum er was wie gemacht hat. Eine Frage- und Feedbackrunde, die für alle sehr lehrreich ist - auch für mich in meiner Beurteilung der Teilnehmer.

Frage: Sie verlassen sich allerdings nicht nur auf ihr eigenes Urteil und eigene Lehrinhalte?

Wormuth: Genau, es ist uns wichtig, über den Tellerrand zu schauen und Experten aus ganz verschiedenen Fachgebieten zu Rate zu ziehen. Daher haben wir ein Wissenschaftsgremium etabliert, dem die Dozenten der vier Lehrbereiche ebenso angehören wie externe Fachleute. Beispielsweise Nationalmannschaftsarzt Professor Dr. Tim Meyer für die Sportmedizin. Außerdem laden wir regelmäßig hochkarätige Experten zu Gastvorträgen ein. Zuletzt haben etwa Bundestrainer Joachim Löw und sein Assistent Hansi Flick, davor Kölns Trainer Christoph Daum oder Augsburgs Manager Andreas Rettig zu verschiedenen Themen referiert. Das sind Highlights für die künftigen Fußball-Lehrer und eine absolute Bereicherung der Ausbildung.

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Seit fast einem Jahr ist Frank Wormuth Leiter der Fußball-Lehrer-Ausbildung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und damit Nachfolger von Erich Rutemöller - der derzeit laufende 55. Lehrgang mit prominenten Teilnehmern wie den aktuellen Zweitliga-Trainern Holger Stanislawski vom FC St. Pauli und Christian Hock vom SV Wehen Wiesbaden oder dem früheren Nationalspieler Steffen Freund ist der erste unter alleiniger Verantwortung des 48-jährigen Wormuth.

Und der erste mit deutlich erweitertem Lehrplan: Wer an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Köln die höchste deutsche Trainer-Lizenz - gleichbedeutend mit der UEFA-Pro-Lizenz - erwerben will, muss dafür nach erfolgreichem Eignungstest elf statt wie zuvor sechs Monate büffeln, ehe er oder sie in einer anspruchsvollen Prüfungsphase den Fußball-Lehrer "bauen" kann. Ausgearbeitet hat diese Reform der frühere Zweitligaprofi Wormuth, der insgesamt 94 Spiele für den SC Freiburg und Hertha BSC absolvierte, ehe er seine Trainer-Karriere startete und unter anderem Zweitligist SSV Reutlingen betreute.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Internetredakteur Christian Müller beschreibt Frank Wormuth die Inhalte und Grundsätze der Fußball-Lehrer-Ausbildung, philosophiert über die Rolle des Trainers im Spitzenfußball - und erklärt, warum der 96er-Europameister Christian Ziege den aktuellen Lehrgang in Köln nicht fortgesetzt hat.

Frage: Herr Wormuth, Sie verlangen viel von den künftigen Fußball-Lehrern und gestatten nur wenig Fehlzeit. Im aktuellen, dem 55. Lehrgang hat es den früheren Nationalspieler Christian Ziege "erwischt", er musste die Ausbildung abbrechen. Ein deutliches Signal dafür, dass es keine Ausnahmen mehr gibt?

Frank Wormuth: Sicher, und das ist mit den Verantwortlichen beim DFB um den Sportdirektor Matthias Sammer klar so festgelegt worden. Eine anspruchsvolle Ausbildung erlaubt eben keine Lücken im System, irgendwann lassen sich Defizite nicht mehr aufarbeiten. Wir verlangen in allen Lehrgangsdisziplinen eine Anwesenheit in der Hennes-Weisweiler-Akademie von 90 Prozent, in einem einzelnen Fach darf man bis zu 20 Prozent Fehlzeit haben. Das ist für manche Teilnehmer, die "nebenher" ja schon in Vereinen tätig sind, ein schwieriger Spagat - und das ist uns durchaus bewusst. Deshalb sind wir auch tolerant, bauen den Kandidaten Brücken und räumen beispielsweise die Möglichkeit ein, gewisse Fehlzeiten nachzuholen. Bei Christian Ziege wurde es jedoch wegen seiner Beanspruchung bei Borussia Mönchengladbach leider zuviel, da konnten wir kein Auge mehr zudrücken.

Frage: Was ist neu bei der Fußball-Lehrer-Ausbildung in Köln?

Wormuth: Zunächst einmal möchte ich die gute Basis herausstellen, die mir mein Vorgänger Erich Rutemöller hinterlassen hat und auf der sich prima aufbauen lässt. Bildlich gesprochen, hat unser Gebäude jetzt ein paar Etagen und Räume mehr, Fundament und Fassade sind aber geblieben. Wir erfinden den Fußball nicht neu, haben die Ausbildung aber hier und da modernisiert und ausgebaut - Reformen bedeuten natürlich Veränderungen.

Frage: Welche sind das konkret?

Wormuth: Das fängt bei der Lehrgangsdauer an: elf statt wie bisher sechs Monate. Auch in punkto Prüfungen ist der Umfang größer geworden: Die Kandidaten müssen vor dem Lehrgang ihre Eignung nachweisen, während der Ausbildung gibt es dann in den drei Fachbereichen Psychologie und Pädagogik, Trainingswissenschaft sowie Sportmedizin jeweils Modultests, nur in der Fußball-Lehre verzichten wir darauf. So haben wir eine Art Zwischenprüfung, durch die wir die Anwärter zum Lernen zwingen. In die Gesamtnote fließt auch die Dokumentation aus der Haus- und Praktikumsarbeit mit ein. Den größten Anteil hat natürlich die Abschlussprüfung im April 2009 mit Klausuren in allen vier Fachbereichen und einer mündlichen Prüfung, die in einer Art Gesprächsform über 45 Minuten mit allen Stammdozenten nicht nur stur Faktenwissen abfragt.

Frage: Das klingt, als hätten die angehenden Fußball-Lehrer bei Ihnen nicht viel zu lachen...

Wormuth: Na ja, ich bin schon ein Hundertprozentiger, akribische Detailarbeit und Sachverstand sind mein Selbstverständnis. Damit ecke ich natürlich schon mal an. Am Anfang habe ich die Teilnehmer eher hart angepackt: erstmal klare Vorgaben machen und lieber später die Zügel etwas lockern, wenn alle wissen, worauf es ankommt. Da ist durchaus der eine oder andere in mein Büro gekommen und hat gesagt: "Wenn es so weiter geht, kann ich bald nicht mehr." Von den 26 sind bis auf Ziege, der aus den bekannten Gründen passen musste, aber noch alle dabei. Die Jungs haben sehr gut gearbeitet, ziehen sehr engagiert mit und hinterfragen die Inhalte auch. Das wollen wir auch: Denn der mündige Trainer hat es später im Beruf leichter. Gerade im Spitzenfußball nämlich braucht es Persönlichkeiten, die in der Verantwortung stehen und dieser gerecht werden können.

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Frage: Ein paar der Anwärter stehen bereits mitten im Berufsleben. Was trauen Sie ihnen denn zu - und was können sie bei Ihnen noch lernen?

Wormuth: Einiges, hoffe ich, in Theorie und Praxis. Es hat ja schon einen Grund, dass nach der A-Lizenz nicht Schluss ist mit Lehren und Lernen. Wie sich jeder einzelne später bewähren wird, möchte ich nicht voraussagen. Nehmen wir stellvertretend einmal Holger Stanislawski, der in St. Pauli ja bereits erfolgreich arbeitet: Er ist durch und durch Trainer und wird seinen Weg gehen.

Frage: Und womöglich ist er auch ein gutes Beispiel für die Bedeutung von praktischer Erfahrung. Gerade deshalb haben Sie bei der reformierten Trainer-Ausbildung das Postulat des Praxisbezugs aufgestellt.

Wormuth: Ja, wir legen gesteigerten Wert auf zahlreiche und sinnvoll eingebundene Praxiselemente, natürlich immer auf einem theoretisch soliden Fundament. Begonnen hat der 55. Lehrgang etwa mit einer Spitzenniveau-Analyse. Bei der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz hat jeder Lehrgangsteilnehmer zwei EM-Spiele einer Mannschaft beobachtet, analysiert und dann die Aufgaben erhalten: Wie würde er sein Team taktisch auf diesen Gegner einstellen und die Trainingswoche vor dem Spiel gestalten?

Frage: Wie ging es nach der EM weiter?

Wormuth: Es folgte gleich eine dreiwöchige Praktikumsphase bei einem Profiverein, dort haben die angehenden Fußball-Lehrer eine Saisonvorbereitung miterlebt. Drei weitere Praktika absolvieren sie - übrigens stets im selben Klub - während der Saison: zwei Wochen in der Hinrunde, wobei sie die Nachwuchsleistungszentren kennenlernen; gleich zu Beginn des neuen Jahres sind sie drei Wochen in der Wintervorbereitung und später nochmal eine während der Rückrunde dabei. So erleben sie ständig neue Situationen und haben von Mal zu Mal aufgrund ihrer fortschreitenden Ausbildung einen höheren Wissensstand, den sie anwenden können. Zusätzlich gibt es eine Woche Praktikum in den Verbandssportschulen sowie fürs Selbststudium reservierte Phasen, in denen das Gelernte vertieft werden soll.

Frage: Und wie ist der Praxiseinfluss auf den Unterrichtsalltag an der Hennes-Weisweiler-Akademie?

Wormuth: Auch hier haben wir eine gute Mischung. In der Regel gab es in den zehn Wochen der Basisausbildung und gibt es in der momentanen, siebenwöchigen Anwendungsphase jeweils bis nachmittags Vorlesungen, zum Beispiel im neuen Fach Ernährungslehre, danach dann praktische Übungsformen auf dem Trainingsplatz. Hier haben wir sogenannte "Demogruppen" installiert: Normalerweise vier Aspiranten erarbeiten eine Einheit zu einem vorgegebenen Trainingsschwerpunkt - zum Beispiel Spielverlagerung -, zwei andere beobachten dies mit Kameras und Notizblöcken aus verschiedenen Blickwinkeln. Das Material wird danach in unserem neuen Medialabor bearbeitet und am nächsten Tag dem Plenum präsentiert. Bei dieser Analyse der Stärken und Schwächen kann sich der jeweilige Trainer auf dem "heißen Stuhl" rechtfertigen, warum er was wie gemacht hat. Eine Frage- und Feedbackrunde, die für alle sehr lehrreich ist - auch für mich in meiner Beurteilung der Teilnehmer.

Frage: Sie verlassen sich allerdings nicht nur auf ihr eigenes Urteil und eigene Lehrinhalte?

Wormuth: Genau, es ist uns wichtig, über den Tellerrand zu schauen und Experten aus ganz verschiedenen Fachgebieten zu Rate zu ziehen. Daher haben wir ein Wissenschaftsgremium etabliert, dem die Dozenten der vier Lehrbereiche ebenso angehören wie externe Fachleute. Beispielsweise Nationalmannschaftsarzt Professor Dr. Tim Meyer für die Sportmedizin. Außerdem laden wir regelmäßig hochkarätige Experten zu Gastvorträgen ein. Zuletzt haben etwa Bundestrainer Joachim Löw und sein Assistent Hansi Flick, davor Kölns Trainer Christoph Daum oder Augsburgs Manager Andreas Rettig zu verschiedenen Themen referiert. Das sind Highlights für die künftigen Fußball-Lehrer und eine absolute Bereicherung der Ausbildung.