Wollscheid: Von der Oberliga ins A-Team in vier Jahren

Wollscheid: Das hat sich erst im Seniorenbereich entwickelt. Ich habe zunächst Landesliga gespielt, dann relativ schnell in der Oberliga und bin beim 1. FC Saarbrücken gelandet. Nach dem Aufstieg in die Regionalliga hat der Verein nicht mehr mit mir geplant. Das war ein Schlüsselmoment. Ich habe mir die Frage gestellt, ob ich mich voll auf Fußball konzentriere oder etwas Vernünftiges mache. (lacht) Ich habe mir dann gemeinsam mit meinen Eltern zwei, drei Jahre gegeben, um es mit Fußball zu versuchen. Ab diesem Zeitpunkt war der Schalter umgelegt. Ich bin zum 1. FC Nürnberg in die zweite Mannschaft gewechselt, von da an ging es beständig aufwärts.

DFB.de: Haben Sie sich mal überlegt, was passiert wäre, wenn Saarbrücken Sie nicht aussortiert hätte?

Wollscheid: Damals war die Enttäuschung natürlich groß. Heute sage ich: Gott sei Dank ist es passiert. Die Frage ist, ob ich auch so kapiert hätte, dass ich mehr erreichen kann, oder ob ich einfach weitergemacht hätte wie vorher.

DFB.de: Haben Sie durch die lange Zeit im Amateurbereich Dinge gelernt, die Sie vielleicht auf dem klassischen Weg über die Nachwuchsleistungszentren der Profiklubs nicht gelernt hätten?

Wollscheid: Das ist schwer zu sagen. Ich habe auf jeden Fall öfter mit und gegen ältere Jugendliche gespielt. Das waren zum Teil drei Jahre Altersunterschied. Da musste man lernen, sich durchzusetzen.

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Er ist einer von vier Neulingen in der deutschen Nationalmannschaft. Die Nominierung von Philipp Wollscheid für die USA-Reise ist die vorläufige Krönung einer ungewöhnlichen Fußballkarriere - vor vier Jahren spielte der Innenverteidiger noch in der Oberliga. Kaum zu glauben, aber wahr: Nach dem Aufstieg in die Regionalliga hatte sein damaliger Verein, der 1. FC Saarbrücken, keinen Platz mehr für ihn.

Was für andere das Ende aller Profiträume gewesen wäre, war für Wollscheid der Anfang. Er wechselte zum 1. FC Nürnberg in die zweite Mannschaft und startete durch. Heute trägt der 24-Jährige das Trikot von Bayer Leverkusen, hat sich in seiner ersten Saison für die Champions League qualifiziert und steht vor seinem Debüt in der A-Nationalmannschaft.

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Jochen Breideband spricht Philipp Wollscheid über seine Nominierung, seinen steilen Aufstieg und die Vorteile eines Spätzünders.

DFB.de: Philipp Wollscheid in der Nationalmannschaft: Wann haben Sie zum ersten Mal an eine solche Schlagzeile gedacht?

Philipp Wollscheid: Daran denkt man ja eigentlich schon als kleines Kind. Später ist das natürlich anders. Da konzentriert man sich auf die Leistung und macht seine Arbeit, ohne sich ständig mit der Nationalmannschaft zu befassen. Das würde vermutlich nur dazu führen, dass man verkrampft. Aber jetzt, wo es so weit ist, ist die Nominierung für mich ein unbeschreibliches Gefühl. Es ist eine Riesenehre und macht mich stolz, im Nationalteam dabei zu sein.

DFB.de: Wie und wann haben Sie von Ihrer Nominierung für die USA-Reise erfahren?

Wollscheid: Joachim Löw hat mich vor wenigen Tagen angerufen und mir auf die Mailbox gesprochen. Als ich ihn zurückgerufen habe, war ich sehr nervös. Ich musste mich ziemlich konzentrieren, um ein paar gerade Sätze herauszubekommen.

DFB.de: Was ist die USA-Reise für Sie: Belohnung, Bewährungschance oder auch zusätzliche Strapaze nach der Bundesligasaison?

Wollscheid: Nein, mit Strapazen haben die beiden Länderspiele für mich nichts zu tun. Es ist eine Riesensache für mich. Ob es eine Bewährungschance ist, darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich freue mich einfach darauf und will mich von meiner besten fußballerischen Seite zeigen.

DFB.de: Sie haben vor vier Jahren noch in der Oberliga gespielt. Müssen Sie sich manchmal zwicken, welch rasanten Verlauf Ihre Karriere seitdem genommen hat?

Wollscheid: Im Alltag wird alles relativ schnell zur Normalität. Da hat man selten Zeit, die Dinge mal Revue passieren zu lassen. Der Blick geht immer nach vorne. In ruhigeren Phasen jedoch kommen die Gedanken hoch, wie toll alles in den vergangenen Jahren gelaufen ist.

DFB.de: Wie groß ist die Gefahr abzuheben? Oder sind Sie dafür nicht der Typ?

Wollscheid: Jeder sagt, dass er nicht der Typ dafür ist. Ich denke, bei mir ist es wirklich der Fall. Ich bin ja relativ spät ins Profigeschäft gekommen. Ich konnte mich ruhig entwickeln, habe meine Jugend ganz normal zu Hause und mit Freunden verbracht. Ich weiß, dass die Fußballwelt nicht immer mit der Realität übereinstimmt - und wie tief man fallen kann.

DFB.de: Sie waren zwar drei Jahre an einem DFB-Stützpunkt, aber an keinem Leistungszentrum: Haben die Talentscouts Sie einfach übersehen, oder gab es damals noch nicht viel zu sehen?

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Wollscheid: Eine schwierige Frage. Es war wohl eine Mischung aus beidem. Irgendetwas muss bestimmt zu erkennen gewesen sein, aber die größten Schritte in meiner Entwicklung habe ich erst später gemacht. Ich bin froh, wie es gelaufen ist. Ich konnte meine Jugend in der Heimat genießen. Wer weiß, ob ich die Zeit in einem Internat erfolgreich überstanden hätte. Ich war mit 15, 16 Jahren noch sehr stark Kind.

DFB.de: Wie kam es zu Ihrem steilen Aufstieg?

Wollscheid: Das hat sich erst im Seniorenbereich entwickelt. Ich habe zunächst Landesliga gespielt, dann relativ schnell in der Oberliga und bin beim 1. FC Saarbrücken gelandet. Nach dem Aufstieg in die Regionalliga hat der Verein nicht mehr mit mir geplant. Das war ein Schlüsselmoment. Ich habe mir die Frage gestellt, ob ich mich voll auf Fußball konzentriere oder etwas Vernünftiges mache. (lacht) Ich habe mir dann gemeinsam mit meinen Eltern zwei, drei Jahre gegeben, um es mit Fußball zu versuchen. Ab diesem Zeitpunkt war der Schalter umgelegt. Ich bin zum 1. FC Nürnberg in die zweite Mannschaft gewechselt, von da an ging es beständig aufwärts.

DFB.de: Haben Sie sich mal überlegt, was passiert wäre, wenn Saarbrücken Sie nicht aussortiert hätte?

Wollscheid: Damals war die Enttäuschung natürlich groß. Heute sage ich: Gott sei Dank ist es passiert. Die Frage ist, ob ich auch so kapiert hätte, dass ich mehr erreichen kann, oder ob ich einfach weitergemacht hätte wie vorher.

DFB.de: Haben Sie durch die lange Zeit im Amateurbereich Dinge gelernt, die Sie vielleicht auf dem klassischen Weg über die Nachwuchsleistungszentren der Profiklubs nicht gelernt hätten?

Wollscheid: Das ist schwer zu sagen. Ich habe auf jeden Fall öfter mit und gegen ältere Jugendliche gespielt. Das waren zum Teil drei Jahre Altersunterschied. Da musste man lernen, sich durchzusetzen.