Wolfgang Niersbach: "Eine Meisterleistung der Diplomatie"

Keinen Beschluss, sondern ausdrücklich nur eine Resolution hat der FIFA-Kongress am vergangenen Freitag in Sydney zur 6+5-Regel verabschiedet. Dies betont DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach in seinem Resümee zum Gipfeltreffen des Weltfußballverbandes in Australien.

Diese Resolution bringt den Willen für stärkere nationaler Identität im weltweiten Fußballgeschehen ebenso deutlich zum Ausdruck wie die Beachtung geltenden europäischen Rechts. So wird mit der erklärten Absicht zum Konsens bei diesem sensiblen Thema nicht nur eine Konfrontation zwischen FIFA und Europäischer Union, sondern auch eine Interessenkollision zwischen dem Weltverband und der UEFA verhindert, die, wie Wolfgang Niersbach im DFB-Exklusivinterview mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien erläutert, an einem guten Verhältnis zur EU stark interessiert ist.

Frage: Nach dem FIFA-Kongress in Sydney gibt es in der Öffentlichkeit bereits Gedanken- und Planspiele, wie sich vom Sommer 2010 an der erste Schritt zur Umsetzung der 6+5-Regel bei der Einführung der Mindestquote von nationalen Spielern konkret auswirken könnte. Wie berechtigt sind heute schon solche Überlegungen?

Wolfgang Niersbach: Der FIFA-Kongress hat in Sydney keinen Beschluss gefasst, sondern ganz bewusst nur eine Resolution verabschiedet. Diese Mindestquote soll nämlich im Einklang mit der Europäischen Union und nicht gegen geltendes EU-Recht angegangen werden. FIFA-Präsident Sepp Blatter hat dies glänzend gelöst und damit verhindert, dass die UEFA in eine Zwickmühle gerät. Das ganze Projekt soll ohne Zeitdruck umgesetzt werden – in einer stufenweisen Einführung mit zunächst vier, danach in der Saison 2011/2012 mit fünf und ab 2012 schließlich mit sechs nationalen Spielern. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass sich diese Regelungen immer auf den Spielbeginn beziehen sollen, durch Auswechslungen könnte man während des Spiels also wieder auf eine höhere Anzahl ausländischer Spieler kommen.

Frage: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die uneingeschränkte Befürwortung des Vorhabens seitens der internationalen Spielergewerkschaft FIFPro?

Niersbach: Dies zeigt, dass es zu diesem Thema keine zwei Meinungen gibt. Wenn überhaupt eine andere Auffassung herrschen sollte, dann könnte sie von Klubs wie Arsenal, Real Madrid oder Chelsea vertreten werden, bei denen kaum noch Spieler aufgeboten werden, die für die Nationalmannschaft der jeweiligen Liga spielberechtigt sind. Gerade am Beispiel England hat Franz Beckenbauer als Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees die Problematik deutlich gemacht. Dort freut man sich, dass mit Manchester United und Chelsea zwei Teams der Premier League das Champions League-Endspiel bestritten haben, gleichzeitig weint aber England, weil die Nationalmannschaft sich nicht für die Euro qualifizieren konnte.

Frage: Die EU sieht derzeit keinen rechtlichen Spielraum für die Einführung besagter Mindestquote. Könnte sich dies mit der Anerkennung der Besonderheit des Sports ändern, die mit dem Vertrag von Lissabon am 1. Januar 2009 in Kraft treten wird?

Niersbach: Gesetze sind nicht für alle Ewigkeit in Stein gemeißelt, sie können auch geändert und angepasst werden. Angepasst an die besonderen Verhältnisse zum Beispiel im Sport. Wir halten es nach wie vor für einen Grundfehler, dass mit dem Bosman-Urteil vom Dezember 1995 die Fußballprofis gleichgestellt wurden mit Werktätigen anderer Berufe. Die FIFA hat eine Statistik angefertigt, die besagt, dass in den fünf europäischen Topligen 43 Prozent ausländische Spieler beschäftigt sind, in allen anderen beruflichen Bereichen beträgt der Ausländer-Anteil dagegen nur zwei Prozent. Hier ist also ein Missverhältnis vorhanden, das korrigiert werden sollte. Ein Missverhältnis, dass übrigens nicht nur den Fußball betrifft, sondern alle professionell betriebenen Mannschaftsportarten. Deshalb ist es klug von der FIFA, das IOC und die anderen internationalen Sportverbände mitzunehmen.



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Keinen Beschluss, sondern ausdrücklich nur eine Resolution hat der FIFA-Kongress am vergangenen Freitag in Sydney zur 6+5-Regel verabschiedet. Dies betont DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach in seinem Resümee zum Gipfeltreffen des Weltfußballverbandes in Australien.

Diese Resolution bringt den Willen für stärkere nationaler Identität im weltweiten Fußballgeschehen ebenso deutlich zum Ausdruck wie die Beachtung geltenden europäischen Rechts. So wird mit der erklärten Absicht zum Konsens bei diesem sensiblen Thema nicht nur eine Konfrontation zwischen FIFA und Europäischer Union, sondern auch eine Interessenkollision zwischen dem Weltverband und der UEFA verhindert, die, wie Wolfgang Niersbach im DFB-Exklusivinterview mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien erläutert, an einem guten Verhältnis zur EU stark interessiert ist.

Frage: Nach dem FIFA-Kongress in Sydney gibt es in der Öffentlichkeit bereits Gedanken- und Planspiele, wie sich vom Sommer 2010 an der erste Schritt zur Umsetzung der 6+5-Regel bei der Einführung der Mindestquote von nationalen Spielern konkret auswirken könnte. Wie berechtigt sind heute schon solche Überlegungen?

Wolfgang Niersbach: Der FIFA-Kongress hat in Sydney keinen Beschluss gefasst, sondern ganz bewusst nur eine Resolution verabschiedet. Diese Mindestquote soll nämlich im Einklang mit der Europäischen Union und nicht gegen geltendes EU-Recht angegangen werden. FIFA-Präsident Sepp Blatter hat dies glänzend gelöst und damit verhindert, dass die UEFA in eine Zwickmühle gerät. Das ganze Projekt soll ohne Zeitdruck umgesetzt werden – in einer stufenweisen Einführung mit zunächst vier, danach in der Saison 2011/2012 mit fünf und ab 2012 schließlich mit sechs nationalen Spielern. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass sich diese Regelungen immer auf den Spielbeginn beziehen sollen, durch Auswechslungen könnte man während des Spiels also wieder auf eine höhere Anzahl ausländischer Spieler kommen.

Frage: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die uneingeschränkte Befürwortung des Vorhabens seitens der internationalen Spielergewerkschaft FIFPro?

Niersbach: Dies zeigt, dass es zu diesem Thema keine zwei Meinungen gibt. Wenn überhaupt eine andere Auffassung herrschen sollte, dann könnte sie von Klubs wie Arsenal, Real Madrid oder Chelsea vertreten werden, bei denen kaum noch Spieler aufgeboten werden, die für die Nationalmannschaft der jeweiligen Liga spielberechtigt sind. Gerade am Beispiel England hat Franz Beckenbauer als Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees die Problematik deutlich gemacht. Dort freut man sich, dass mit Manchester United und Chelsea zwei Teams der Premier League das Champions League-Endspiel bestritten haben, gleichzeitig weint aber England, weil die Nationalmannschaft sich nicht für die Euro qualifizieren konnte.

Frage: Die EU sieht derzeit keinen rechtlichen Spielraum für die Einführung besagter Mindestquote. Könnte sich dies mit der Anerkennung der Besonderheit des Sports ändern, die mit dem Vertrag von Lissabon am 1. Januar 2009 in Kraft treten wird?

Niersbach: Gesetze sind nicht für alle Ewigkeit in Stein gemeißelt, sie können auch geändert und angepasst werden. Angepasst an die besonderen Verhältnisse zum Beispiel im Sport. Wir halten es nach wie vor für einen Grundfehler, dass mit dem Bosman-Urteil vom Dezember 1995 die Fußballprofis gleichgestellt wurden mit Werktätigen anderer Berufe. Die FIFA hat eine Statistik angefertigt, die besagt, dass in den fünf europäischen Topligen 43 Prozent ausländische Spieler beschäftigt sind, in allen anderen beruflichen Bereichen beträgt der Ausländer-Anteil dagegen nur zwei Prozent. Hier ist also ein Missverhältnis vorhanden, das korrigiert werden sollte. Ein Missverhältnis, dass übrigens nicht nur den Fußball betrifft, sondern alle professionell betriebenen Mannschaftsportarten. Deshalb ist es klug von der FIFA, das IOC und die anderen internationalen Sportverbände mitzunehmen.

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Frage: Wie kann die UEFA den Spagat bewältigen, einerseits die Einführung 6+5-Regel zu unterstützen, andererseits aber das gute Verhältnis zur EU, an dem vor allem UEFA-Präsident Michel Platini sehr gelegen ist, nicht zu belasten?

Niersbach: Sydney war in meinen Augen eine Meisterleistung der Diplomatie. Durch diese sehr weise Resolution wurde eine Contrastellung zwischen der FIFA und der UEFA verhindert. Die UEFA, in der Michel Platini den gesamten europäischen Fußball vertritt, ist natürlich an einem guten Verhältnis zur EU interessiert und kann daher nicht sehenden Auges einen Beschluss mit auf den Weg bringen, der gegen geltendes Recht verstößt. Exakt dies ist nicht geschehen, deswegen haben wir den Weg der Resolution gewählt, mit der Blatter und im konkreten Fall auch Platini das Mandat erhalten, mit Brüssel zu sprechen. Auf diese Weise gibt es keine zwei Meinungen zwischen diesen beiden Präsidenten und damit auch nicht zwischen FIFA und UEFA. Dieses Ergebnis hat den Kongress von Sydney so wertvoll gemacht.