Wörns über Leverkusen: "An Stolz und Ehre appellieren"

DFB.de: Im Gegensatz zu Ihrer Zeit in Leverkusen?

Wörns: Das war eine andere Welt - zumindest im Vergleich zu diesem einen Jahr. Eigentlich ist Paris ein guter Klub. Aber in dieser einen Saison war es eine Katastrophe.

DFB.de: Hätten Sie gedacht, dass das Aufeinandertreffen nun eine so klare Angelegenheit sein würde?

Wörns: Nein, für mich kam das durchaus überraschend. Ich hätte nie gedacht, dass Leverkusen im eigenen Stadion mit 0:4 verliert. Bayer 04 hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine gute Saison gespielt - auch in der Gruppenphase der Champions League. Paris hat an diesem Abend einfach einen Sahneauftritt hingelegt, bei Leverkusen hat nichts funktioniert.

DFB.de: Wie schwer ist es für einen Spieler, bei dieser Ausgangssituation nun noch in Paris antreten zu müssen?

Wörns: Das ist nicht angenehm. Wenn das Rückspiel wenigstens im eigenen Stadion stattfinden würde, wäre es noch in Ordnung. Das wäre eine andere Konstellation. Aber unter diesen Voraussetzung nach Paris fahren zu müssen, ist schon schwierig, vor allem für den Kopf. Wenn man es realistisch sieht, ist die Chance auf ein Weiterkommen kaum noch gegeben.

DFB.de: Sie sind inzwischen selbst als Trainer tätig. Wie bereitet man eine Mannschaft bei dieser Ausgangssituation vor?

Wörns: Ich würde an den Stolz und die Ehre der Jungs appellieren. Es muss der Anspruch eines deutschen Champions-League-Teilnehmers sein, dort zumindest ein ordentliches Ergebnis zu erzielen. Man darf es nicht laufen lassen. Sie sollten probieren, alles abzurufen. Und vielleicht passiert ja doch etwas Überraschendes. Wer weiß, womöglich führt Leverkusen nach einer halben Stunde mit 2:0. Dann beginnt Paris plötzlich zu überlegen. Das gab es im Fußball alles schon.



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Nach diesem Hinspiel ist die Sache eigentlich klar. Bayer 04 Leverkusen wird nach dem 0:4 im eigenen Stadion im Achtelfinale der Champions League an Paris St. Germain scheitern. Oder doch nicht? Der 66-malige deutsche Nationalspieler Christian Wörns hat für beide Klubs gespielt. Und er sagt im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Sven Winterschladen: "Unter diesen Voraussetzung nach Paris fahren zu müssen, ist schon schwierig, vor allem für den Kopf. Wenn man es realistisch sieht, ist die Chance auf ein Weiterkommen kaum noch gegeben."

Seit dem Sommer ist Wörns Trainer der B-Junioren von Schalke 04. Wie bereitet man eine Mannschaft bei dieser Ausgangslage auf das Rückspiel heute (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Paris vor? "Man darf es nicht laufen lassen", betont der frühere Abwehrspieler. "Sie sollten probieren, alles abzurufen. Und vielleicht passiert ja doch etwas Überraschendes."

DFB.de: Herr Wörns, Leverkusen muss nach Paris, zwei Ihrer ehemaligen Vereine treffen aufeinander. Welche Beziehungen haben Sie noch zu den beiden Klubs?

Christian Wörns: Paris ist schon lange her. Ich war ja auch nur ein Jahr dort, in der Saison 1998/1999. Ich habe deshalb logischerweise nicht mehr die ganz starke Bindung zu diesem Verein. Aber ich schaue schon regelmäßig auf die Tabelle und verfolge, wie es dort läuft. Zuletzt haben die wirklich wieder für Aufsehen gesorgt mit spektakulären Verpflichtungen wie Zlatan Ibrahimovic. An Leverkusen hingegen bin ich noch deutlich näher dran.

DFB.de: Ist das Paris von heute überhaupt noch mit dem Klub aus Ihrer Zeit zu vergleichen?

Wörns: Es gibt noch gewisse Parallelen: Auch damals gab es mit dem französischen Fernsehsender Canal plus einen großen Geldgeber. Das ist jedoch sicher nicht zu vergleichen mit dem Konsortium aus dem arabischen Raum, das dort gerade investiert.

DFB.de: Wie war das Jahr in Paris?

Wörns: Sehr gegensätzlich. Die Stadt und das Leben dort sind wunderschön. Sportlich lief es für mich nicht so toll. Mich haben ein Präsident und ein Trainer geholt, die jedoch vor Saisonstart schon wieder weg waren. Während des Jahres habe ich dann zwei weitere Präsidenten sowie drei Trainer erlebt. Das war ziemlich chaotisch. Ich war zwar der französischen Sprache soweit mächtig, dass ich mich im Alltag gut zurechtfinden konnte. Aber diese sportpolitischen Diskussionen habe ich nie so richtig verstanden. Es ging drunter und drüber. Ein Wohlfühlklima wurde so nicht geschaffen.

DFB.de: Im Gegensatz zu Ihrer Zeit in Leverkusen?

Wörns: Das war eine andere Welt - zumindest im Vergleich zu diesem einen Jahr. Eigentlich ist Paris ein guter Klub. Aber in dieser einen Saison war es eine Katastrophe.

DFB.de: Hätten Sie gedacht, dass das Aufeinandertreffen nun eine so klare Angelegenheit sein würde?

Wörns: Nein, für mich kam das durchaus überraschend. Ich hätte nie gedacht, dass Leverkusen im eigenen Stadion mit 0:4 verliert. Bayer 04 hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine gute Saison gespielt - auch in der Gruppenphase der Champions League. Paris hat an diesem Abend einfach einen Sahneauftritt hingelegt, bei Leverkusen hat nichts funktioniert.

DFB.de: Wie schwer ist es für einen Spieler, bei dieser Ausgangssituation nun noch in Paris antreten zu müssen?

Wörns: Das ist nicht angenehm. Wenn das Rückspiel wenigstens im eigenen Stadion stattfinden würde, wäre es noch in Ordnung. Das wäre eine andere Konstellation. Aber unter diesen Voraussetzung nach Paris fahren zu müssen, ist schon schwierig, vor allem für den Kopf. Wenn man es realistisch sieht, ist die Chance auf ein Weiterkommen kaum noch gegeben.

DFB.de: Sie sind inzwischen selbst als Trainer tätig. Wie bereitet man eine Mannschaft bei dieser Ausgangssituation vor?

Wörns: Ich würde an den Stolz und die Ehre der Jungs appellieren. Es muss der Anspruch eines deutschen Champions-League-Teilnehmers sein, dort zumindest ein ordentliches Ergebnis zu erzielen. Man darf es nicht laufen lassen. Sie sollten probieren, alles abzurufen. Und vielleicht passiert ja doch etwas Überraschendes. Wer weiß, womöglich führt Leverkusen nach einer halben Stunde mit 2:0. Dann beginnt Paris plötzlich zu überlegen. Das gab es im Fußball alles schon.

DFB.de: Seit vergangenem Sommer betreuen Sie die B-Junioren des FC Schalke 04. Wie erleben Sie die Arbeit mit den Talenten?

Wörns: Es macht unheimlich viel Spaß. Denn im Kader stehen zahlreiche Spieler, die großes Potenzial haben. Allerdings muss ich es hinbekommen, dass wir eine bestimmte Mentalität in die Mannschaft bekommen. Das ist derzeit das größte Thema in unserer täglichen Arbeit.

DFB.de: Was meinen Sie damit genau?

Wörns: Heutzutage reicht es nicht mehr, wenn man technisch und taktisch auf höchstem Niveau ausgebildet ist. Der Charakter und die Einstellung müssen stimmen. Effektivität in Zweikämpfen ist aus meiner Sicht ganz besonders wichtig. Die Jungs dürfen nicht einknicken, wenn sie auf einen Gegner treffen, der gleich stark ist. Auch wenn es mal unangenehm wird, müssen sie sich durchsetzen. Diesen Lernprozess machen wir gerade durch. Man muss seinen persönlichen Zweikampf gewinnen.

DFB.de: Sind das die Dinge, für die Sie selbst als Profi auch gestanden haben?

Wörns: Ja, durchaus. Aber nicht nur deshalb ist mir das wichtig, und ich fordere es ein. Heutzutage ist das einfach eine unabdingbare Voraussetzung. Als Spieler muss man das komplette Programm beherrschen. Nicht nur Technik und Taktik, da sind wir in Deutschland auf einem hervorragenden Weg. Aber es gehört mehr dazu. Die Persönlichkeit eines Spielers ist ebenfalls ganz wichtig. Es muss eine gewisse Siegermentalität vorhanden sein.

DFB.de: Hat sich die Einstellung verändert im Gegensatz zu Ihrer Zeit?

Wörns: Heute wird vieles anders vorgegeben und vorgelebt. Ich glaube schon, dass die Jungs deshalb etwas anders ticken. Aber das ist gar nicht schlimm, das ist eben die Generation heutzutage.

DFB.de: Können Ihre aktuellen Schützlinge mit dem Namen Christian Wörns noch etwas anfangen?

Wörns: Teilweise schon, ja. Ich betreue aktuell den Jahrgang 1997/1998 und habe meine eigene Karriere 2008 beendet. Die Jungs waren damals zehn oder elf Jahre alt. Die haben mich also wahrscheinlich noch gesehen. Aber es ist ihnen wohl nicht mehr so präsent. Sie können jedoch alles googeln, sie wissen ganz genau, wer vor ihnen steht.

DFB.de: Wird Ihre eigene Vergangenheit im Training manchmal thematisiert?

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Wörns: Nein, eigentlich nicht. Die Jungs haben schon Respekt vor dem, was ich gemacht habe. Aber wir arbeiten inzwischen seit acht Monaten zusammen. Da ist in gewisser Weise der Alltag eingekehrt. Die Trainingsinhalte müssen stimmen, Namen oder Erfolge in der Vergangenheit helfen da eher weniger.

DFB.de: Ist es ein Problem auf Schalke, dass Sie eine sehr erfolgreiche Dortmunder Vergangenheit haben?

Wörns: Nein, vom ersten Tag an gab es keine einzige negative Stimme gegen mich. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen.

DFB.de: Hatten Sie mit Problemen gerechnet?

Wörns: Eher nicht. Meine aktive Karriere hatte ich ja schon etwas länger beendet. Außerdem stehe ich im Jugendbereich nicht so im Fokus.

DFB.de: Jens Keller ist aus der U 17 heraus Cheftrainer auf Schalke geworden. Ist das der Weg, den Sie ebenfalls gehen wollen?

Wörns: Im Fußball ist nur sehr wenig planbar. Ich habe keine Ambitionen, in der nächsten Zeit Cheftrainer auf Schalke zu werden. Ich möchte meine Arbeit hier im Jugendbereich so gut wie möglich machen. Alles Weitere wird sich dann von selbst ergeben. Natürlich ist der Seniorenbereich irgendwann mein Ziel. Aber das wird sich ergeben.

DFB.de: Sie haben 66 Länderspiele für die A-Nationalmannschaft bestritten. Im Sommer steht die Weltmeisterschaft in Brasilien auf dem Programm. Was trauen Sie der deutschen Auswahl zu?

Wörns: Alles. Wir können Weltmeister werden. Aber in einem Turnier können auch immer viele Unwägbarkeiten passieren. Vielleicht scheiden wir auch in der Vorrunde, im Achtel- oder Viertelfinale aus. Ich hoffe es nicht. Ich drücke Joachim Löw beide Daumen. Ich glaube, dass seine klare Ansage in der vergangenen Woche genau richtig war. Wir haben viele gute und talentierte Spieler. Aber bei diesem Turnier reicht nur Talent nicht. Und da sind wir wieder beim vorherigen Punkt unseres Gesprächs.

DFB.de: Der Mentalitäts- und Charakterfrage?

Wörns: Genau. Wir müssen einen Killerinstinkt entwickeln, um ganz Großes zu erreichen. Nur mit Technik und Taktik werden wir nicht Weltmeister.