WM-Qualifikation 1954: Als das Saarland an Deutschland scheiterte

Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am 11. Oktober (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: Autor Michael Kipp über das Duell der deutschen Nationalmannschaft mit der Auswahl des Saarlandes in der Ausscheidung zur WM 1954.

Schon Tage vorher bestimmt das Spiel der Spiele die Schlagzeilen. "SAARELF will sich tapfer schlagen", steht in großen Lettern im Sportteil der Saarbrücker Zeitung (SZ), auf mehreren Seiten wird voller Vorfreude auf das "bisher größte Sportereignis an der Saar" eingegangen. Es war in der Tat ein historischer Tag, dieser 28. März 1954: In der Qualifikation zur WM in der Schweiz muss Deutschland in Saarbrücken gegen das Saarland antreten, nur wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg als Sportverband noch autonom und nicht in den DFB integriert. Das Hinspiel hat der große Nachbar 3:0 gewonnen, dennoch verbreitet die SZ Optimismus: Deutschland werde "nichts geschenkt" bekommen, "unsere Elf" werde ihre letzte Chance energisch und kraftvoll" nutzen.

Trainer der Saarländer ist Helmut Schön, mit dem die DFB-Auswahl 20 Jahre später den WM-Titel gewinnen sollte. Im März 1954 hätte der frühere deutsche Nationalspieler verhindern können, dass sich keine vier Monate später für Bundestrainer Sepp Herberger und den deutschen Fußball das Wunder von Bern ereignete. Denn das Saarland spielt in der Qualifikation gegen den späteren Weltmeister stark, wenn auch nicht erfolgreich - aber doch so eindrucksvoll und überzeugend, dass Herberger den Verbandstrainer Schön 1956 zum Assistenten an seine rechte Seite beordern sollte.

"Was die Politik gemacht hat, hat uns nicht interessiert"

Ihrem Duell in Saarbrücken 1954 schauen 53.000 Zuschauer im Ludwigspark zu. Die Kartennachfrage ist so groß, dass "Tausende keine Gelegenheit zum Besuch des Kampfes" haben. Sensationell hatten Herbert Martin, Herbert Binkert, Werner Otto und Co. im ersten Spiel Norwegen 3:2 besiegt, Deutschland hatte nur 1:1 gegen die "Wikinger" gespielt. Es stand einiges auf dem Spiel für Deutschland.

Doch warum durfte das Saarland überhaupt eine WM-Qualifikation spielen? "Formell durfte das Saarland keine Nationalspieler haben. Es war nur von der FIFA anerkannt, nicht aber von der Politik", erklärt der heute 90-jährige Herbert Binkert im Gespräch mit DFB.de. Er war damals Saarlands Toptorjäger, schoss in zwölf Spielen für das Saarland sechs Tore.

Sechs Jahre existierte diese Mannschaft. Zwischen 1950 und 1956 bestritt sie für das damals autonome Saarland insgesamt 19 Spiele. Sechs Siege, drei Remis, zehn Niederlagen stehen in den Statistiken. Da das Saarland politisch im Niemandsland wankte, bedeutete das für das Länderspiel: keine Nationalflaggen im Stadion, keine Hymnen. Stattdessen 200 Zivilpolizisten, die patriotische Ausschreitungen verhindern sollten. Die Polizisten mussten aber nicht eingreifen. Und den Spielern, so erzählt Binkert, war das ganze Politikum eh egal: "Wir wollten guten Fußball spielen, wir wollten gewinnen - was die Politik gemacht hat, hat uns nicht interessiert."

"1. FC Saarbrücken ist der beste Außenminister des Saarlandes"



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Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am 11. Oktober (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: Autor Michael Kipp über das Duell der deutschen Nationalmannschaft mit der Auswahl des Saarlandes in der Ausscheidung zur WM 1954.

Schon Tage vorher bestimmt das Spiel der Spiele die Schlagzeilen. "SAARELF will sich tapfer schlagen", steht in großen Lettern im Sportteil der Saarbrücker Zeitung (SZ), auf mehreren Seiten wird voller Vorfreude auf das "bisher größte Sportereignis an der Saar" eingegangen. Es war in der Tat ein historischer Tag, dieser 28. März 1954: In der Qualifikation zur WM in der Schweiz muss Deutschland in Saarbrücken gegen das Saarland antreten, nur wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg als Sportverband noch autonom und nicht in den DFB integriert. Das Hinspiel hat der große Nachbar 3:0 gewonnen, dennoch verbreitet die SZ Optimismus: Deutschland werde "nichts geschenkt" bekommen, "unsere Elf" werde ihre letzte Chance energisch und kraftvoll" nutzen.

Trainer der Saarländer ist Helmut Schön, mit dem die DFB-Auswahl 20 Jahre später den WM-Titel gewinnen sollte. Im März 1954 hätte der frühere deutsche Nationalspieler verhindern können, dass sich keine vier Monate später für Bundestrainer Sepp Herberger und den deutschen Fußball das Wunder von Bern ereignete. Denn das Saarland spielt in der Qualifikation gegen den späteren Weltmeister stark, wenn auch nicht erfolgreich - aber doch so eindrucksvoll und überzeugend, dass Herberger den Verbandstrainer Schön 1956 zum Assistenten an seine rechte Seite beordern sollte.

"Was die Politik gemacht hat, hat uns nicht interessiert"

Ihrem Duell in Saarbrücken 1954 schauen 53.000 Zuschauer im Ludwigspark zu. Die Kartennachfrage ist so groß, dass "Tausende keine Gelegenheit zum Besuch des Kampfes" haben. Sensationell hatten Herbert Martin, Herbert Binkert, Werner Otto und Co. im ersten Spiel Norwegen 3:2 besiegt, Deutschland hatte nur 1:1 gegen die "Wikinger" gespielt. Es stand einiges auf dem Spiel für Deutschland.

Doch warum durfte das Saarland überhaupt eine WM-Qualifikation spielen? "Formell durfte das Saarland keine Nationalspieler haben. Es war nur von der FIFA anerkannt, nicht aber von der Politik", erklärt der heute 90-jährige Herbert Binkert im Gespräch mit DFB.de. Er war damals Saarlands Toptorjäger, schoss in zwölf Spielen für das Saarland sechs Tore.

Sechs Jahre existierte diese Mannschaft. Zwischen 1950 und 1956 bestritt sie für das damals autonome Saarland insgesamt 19 Spiele. Sechs Siege, drei Remis, zehn Niederlagen stehen in den Statistiken. Da das Saarland politisch im Niemandsland wankte, bedeutete das für das Länderspiel: keine Nationalflaggen im Stadion, keine Hymnen. Stattdessen 200 Zivilpolizisten, die patriotische Ausschreitungen verhindern sollten. Die Polizisten mussten aber nicht eingreifen. Und den Spielern, so erzählt Binkert, war das ganze Politikum eh egal: "Wir wollten guten Fußball spielen, wir wollten gewinnen - was die Politik gemacht hat, hat uns nicht interessiert."

"1. FC Saarbrücken ist der beste Außenminister des Saarlandes"

Den Stamm der Saarauswahl stellte der 1. FC Saarbrücken. "Das war ein eingespieltes Team", erinnert sich Binkert, der selbst für den FCS spielte. Er erzielte in 174 Spielen in der Oberliga 110 Treffer, stand mit dem FCS 1943 (0:3 gegen den SC Dresden) und 1952 (2:3 gegen den VfB Stuttgart) im Finale um die Deutsche Meisterschaft. Damals gab es nach dem Spiel gegen Stuttgart 500 Mark Prämie. "Meine Frau und ich haben uns einen Kühlschrank gekauft - der kostete schon 750 Mark", so Binkert. Auch Fritz Walter oder Horst Eckel, die als einzige deutsche Spieler alle Partien der WM 1954 bestritten hatten, erhielten nach dem Titelgewinn "nur 2500 Euro", sagt er.

Aber egal: "Für uns gab es eh nur den Fußball", versichert Binkert. "Wir haben gewusst, dass wir uns über den Fußball eine bessere Position verschaffen und mit unserem Auftreten für das Saarland Werbung machen konnten." Gerne zitiert er den damaligen FIFA-Präsidenten Jules Rimet, der sagte: "Der 1. FC Saarbrücken ist der beste Außenminister des Saarlandes."

Sowieso habe das Saarland exzellente Fußballer gehabt. Nicht nur er, auch zum Beispiel Karl Ringel von Borussia Neunkirchen wären wohl bei der WM in der Schweiz dabei gewesen - wenn sie denn "Fußball-Deutsche" gewesen wären. "Das hatte Bundestrainer Sepp Herberger mir damals gesagt", erinnert sich Binkert.

"Wir haben den Deutschen den Weg zum WM-Titel geebnet"

Zurück zum Spiel: Wer sich einen Platz sichern konnte, erzählt heute wahrscheinlich seinen Enkeln davon. Nicht nur Hermann Neuberger, der damalige Präsident des Saarländischen Fußballbundes und spätere DFB-Präsident, war "sehr beeindruckt" von der Leistung der Saarländer: "Wir hatten Pech, sonst hätten wir bei der Pause führen müssen." Auch die SZ kam nach dem "unglücklichen" 1:3 zu einer eindeutigen Bewertung: "Dass sich die Saarvertretung so achtbar geschlagen und gegenüber dem hohen Favoriten Deutschland nach großem Kampf ein so ehrenvolles Ergebnis erzielt hat, erfüllt uns mit Stolz."

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Für Deutschland trafen Max Morlock (37./51.) und Hans Schäfer (83.). Für das Saarland Herbert Martin (67.). Sepp Herberger musste eingestehen, dass es "nichts zu beschönigen" gebe: "Wir wollen froh sein, dass wir diesen Tag überstanden haben." Und dabei fand das Spiel an seinem Geburtstag statt. Sein Kapitän, der große Fritz Walter, nannte "die Saar" einen "großen Gegner", und Torwart Toni Turek analysierte: "Es hat eine Halbzeit böse für uns ausgesehen, und ich weiß nicht, was geworden wäre, wenn die Saar einen Vorsprung erreicht hätte."

Ja, was wäre geworden? Womöglich hätte das Saarland ein Entscheidungsspiel (in Paris) erzwungen, und vielleicht wäre tatsächlich ein Wunder geschehen, und es hätte hingehauen mit der WM. Das "Wunder von Bern" jedenfalls, Deutschlands erster WM-Titel, wäre dann ausgefallen. Oder wie Binkert sagt: "Wir haben den Deutschen den Weg zum Weltmeister-Titel geebnet."