WM 2007: Deutschland verteidigt den Titel

Am 20. Juli beginnt in Australien und Neuseeland die neunte Frauen-WMDeutschland war bisher immer dabei. Ein Rückblick auf die bisherigen WM-Turniere mit besonderem Fokus auf das DFB-Team. Heute: die WM 2007 in China.

Vor dem Turnier: Mit vier Jahren Verspätung kamen die Chinesen doch noch zu ihrer WM, es war bereits die zweie nach 1991. Das Turnier fand vom 10. – 30. September in fünf Spielorten statt, Eröffnungsspiel und Finale waren für Shanghai reserviert. Erstmals schüttete die Fifa Prämien an die Frauen aus, insgesamt waren 6,4 Millionen Euro im Topf.

Teilnehmer: Obwohl sich so viele Länder wie nie zuvor (119 Meldungen) um eine Teilnahme bemühten, waren unter den 16 Teilnehmern erstmals keine Neulinge. In den vier Vierergruppen versammelte sich das Establishment des Frauenfußballs um die bisherigen Weltmeister USA, Norwegen und Deutschland und die Dauergäste Schweden, Brasilien, China, Japan und Nigeria. Exotischster Teilnehmer war Neuseeland, das es nach 1991 zum zweiten Mal zu einer WM schaffte. An dem Proporzmodus änderte sich nichts: Europa fünf, Asien vier, der Rest bis auf Ozeanien (1) zwei Teilnehmer.

Turnierverlauf: Titelverteidiger Deutschland durfte das Turnier in Shanghai eröffnen und tat dies mit einem Paukenschlag – das 11:0 gegen Argentinien war WM-Rekord und stellte für beide Mannschaften in Gruppe A die Weichen. Die DFB-Frauen gewannen sie trotz eines 0:0 gegen England, das Zweiter wurde, Argentinien reiste punktlos und mit einem WM-Negativrekord von 18 Gegentoren heim. Ebenso wie die Japanerinnen, denen das zum vierten Mal bei fünf Teilnahmen passierte.

In der "Todesgruppe" B  patzte Topfavorit USA zum Auftakt gegen Nordkorea (2:2) und ließ es auch gegen Schweden (2:0) und Nigeria (1:0) unter allerdings fast irregulären Bedingungen (Wassermassen auf dem Rasen nach einen Taifun) an gewohnter Souveränität mangeln. Für den Gruppensieg langte es trotzdem – vor Nordkorea, das sich im letzten Spiel sogar eine 1:2-Niederlage gegen Vizeweltmeister Schweden leisten konnte und über die Tordifferenz weiterkam. Nigeria schlug sich achtbar, bekam für ein Tor in drei Spielen aber nur einen Punkt und flog wie Japan schon zum vierten Mal nach der Vorrunde heim.

In Gruppe C war das überforderte Ghana schon nach dem zweiten Spiel ausgeschieden, dafür kämpften die anderen bis zuletzt ums Halbfinale. Für Norwegen war es am leichtesten, durch ein 7:2 gegen Ghana war der Gruppensieg eingefahren. Australien rettete sich durch ein Tor in letzter Minute gegen Kanada (2:2) erstmals in ein Viertelfinale. In Gruppe D sah man das stärkste Brasilien aller Zeiten, das mit 10:0-Toren durchregierte und sogar Gastgeber China deklassierte (4:0). Die Chinesinnen retteten sich nach Siegen über Dänemark und Neuseeland trotz negativer Tordifferenz auf den zweiten Platz. Für Neuseeland gab es statt Prämien nur Lehrgeld, 0:9 Tore und Punkte standen im Abschlusszeugnis.

Vier der letzten Gruppenspiele, die in Shanghai hätten stattfinden sollen, wurden übrigens aus Sicherheitsgründen vom Winde (Taifun) nach Hangzhou verweht, was auch für das deutsche Team beim 2:0 gegen Japan galt. In Shanghai stand das Wasser knöchelhoch in den Straßen, 200.000 Menschen wurden evakuiert. Die Chinesen waren indes flexibel genug zu verhindern, dass nach 2003 auch diese WM ins Wasser fiel.

Sie ging weiter mit dem Viertelfinale, das ein Festival der Favoriten wurde. Deutschland beendete Nordkoreas Fußballmärchen mit einem glatten 3:0, Norwegen warf die Gastgeber raus (1:0), die USA schossen gegen England binnen zehn Minuten nach der Pause alle Tore (3:0) und Brasilien verkraftete gegen Australien die ersten Gegentore unbeschadet (3:2). Der Spielplan wollte es, dass es kein europäisches Finale, aber gewiss einen europäischen Finalisten geben würde. Und der sollte Deutschland heißen – nach einem überraschend deutlichen 3:0 gegen Norwegen. Noch klarer und kaum zu glauben war das Resultat des zweiten Halbfinales: Brasilien fügte den US-Kickerinnen ihre höchste WM-Niederlage zu – 0:4. Dazu trug allerdings auch ein Platzverweis kurz vor der Pause bei. Shannon Box sah eine von zwei Ampelkarten (Gelb-Rot) des Turniers, glatt Rot gab es erstmals gar nicht bei einer Frauen-WM. Die sich selbst nach dem Aus der Chinesinnen großer Aufmerksamkeit erfreute, der Zuschauerrekord von 1995 wurde nur knapp verpasst. Die Halbfinals sahen insgesamt noch 100.000 Zuschauer. Über 60.000 kamen im kleinen, aber jeweils ausverkauften Stadion von Shanghai zu den Spielen um Platz 3, den sich die USA sicherte (4:1 gegen Norwegen) und zum Finale.

Das gewannen die Deutschen gegen Brasilien (2:0) mit einem noch gültigen WM-Rekord von sechs Spielen in Folge ohne Gegentor. Erstmals konnte zudem ein Weltmeister seinen Titel erfolgreich verteidigen!

Das Abschneiden der Deutschen: Zuversichtlich startete die Mannschaft von Bundestrainerin Silvia Neid, die am 1. September 2005 Tina Theune-Meyer abgelöst hatte, in ihr WM-Abenteuer. Alle Qualifikationsspiele wurden gewonnen, erst im achten und letzten gab es Gegentore (3:2 in Russland), was einen Hinweis auf die große Stärke der Mannschaft bei der WM 2007 gab.

Auch die letzten Vorbereitungsspiele hatten drei hohe Siege und ein Remis gegen Mitfavorit Norwegen (2:2) gebracht und den schlechten Eindruck beim Algarve-Cup im März in den Hintergrund gedrängt. Die Torhüterin von 2003, Silke Rottenberg, diesmal die Nummer zwei hinter Nadine Angerer, sagte: "Wir gehen davon aus, dass wir bis ins Finale kommen." DFB-Präsident Theo Zwanziger fand, die Spielerinnen hätten sich einen weiteren Titel "in hohem Maße verdient" und genehmigte dass sie sich dann auch etwas verdienen sollten: die Titelprämie wurde mehr als verdreifacht – von 15.000 auf 50.000 Euro pro Kopf.

Von Anfang an machte das deutsche Team deutlich, dass sie sich die Prämie und den Ruhm verdienen wollten. Das erste Spiel gegen Argentinien kam auf zwei TV-Sendern live (ZDF und Eurosport) und so konnte ganz Deutschland ein Schützenfest mitansehen: das 11:0 gegen überforderte Südamerikanerinnen, denen zwei Eigentore unterliefen, war das neue Rekordergebnis bei einer Frauen-WM. Im zweiten Gruppenspiel gab es das Kontrastprogramm: gegen die starken Engländerinnen, mit denen die DFB-Frauen dasselbe Hotel bewohnten, fielen gar keine Tore. Dennoch sagte Spielführerin Birgit Prinz nach der Partie: "Natürlich sind wir weiter davon überzeugt, Weltmeister werden zu können. Es ist ja nicht so, dass wir viel schlechter sind als andere Mannschaften." Immerhin stand die Null weiterhin bei Nadine Angerer und das sollte auch so bleiben, als die Vorrunde abgeschlossen war. Gegen Japan (2:0) wurde der Gruppensieg gesichert.

In Hangzhou sahen fast 40.000 Menschen ein "wenig glanzvolles Spiel", wie der Kicker vermeldete. Aber die Pflicht war erfüllt.

Im Viertelfinale, das laut Spielplan Gegner wie Top-Favorit USA oder Vize-Weltmeister Schweden hätte bringen können, wartete überraschend Nordkorea. Der große Unbekannte hatte der USA überraschend einen Zähler abgetrotzt. Angerer gestand: "Ich kenne keine Spielerin von denen" und Prinz gewann dem noch etwas Gutes ab: "Ich spiele lieber gegen Teams, die ich nicht kenne. Das finde ich spannender." Gespannt war auch DFB-Präsident Theo Zwanziger, der zur Partie in Wuhan anreiste. Er sah einen deutlichen 3:0-Sieg, der etwas über den Spielverlauf hinwegtäuschte. Aber das 1:0 von Kerstin Garefrekes (44.) fiel zum vielbesungenen psychologisch wichtigen Zeitpunkt und Nadine Angerer verhinderte mit einer Glanzparade den Ausgleich. Renate Lingor (68.) und Annike Krahn (72.) stellten den Endstand her. Garefrekes gestand: "So einfach war das nicht. Wir mussten uns extrem konzentrieren und quälen. Wir haben einen richtig harten Brocken aus dem Weg geräumt. Dieser Sieg war wichtig für unser Selbstbewusstsein, jetzt ist alles möglich. "

Am Rande des Spiels wurde bekannt, dass Silvia Neid ihren Vertrag als Bundestrainerin bis 2009 verlängert hatte und Zwanziger sagte erfreut: "Ich kann mir keine bessere Trainerin vorstellen."

Im Halbfinale von Tianjin kam die Elf in unveränderter Aufstellung zu einem identischen Ergebnis, 3:0 hieß es auch gegen Norwegen. Wieder fiel die Führung kurz vor der Pause, eine Norwegerin fälschte eine Prinz-Flanke ins eigene Tor ab. Kerstin Stegemann (72.) und Martina Müller (75.) sorgten mit einem Doppelschlag Mitte der zweiten Hälfte für die Entscheidung. Es war beinahe eine Blaupause des Nordkorea-Spiels, nur mit anderen Schützinnen. Mit 19:0 Toren zogen sie ins Finale ein – es war ein WM-Rekord. Die Abwehr Stegemann- Krahn-Hingst - Bresonik hielt seit 507 Minuten dicht und was doch mal durchkam, wurde Beute von Angerer. "Die Abwehr stand wieder grandios, das gab den Ausschlag", lobte Spielmacherin Renate Lingor, "ich weiß gar nicht, wer da durchkommen soll."

Als letztes Team durften es die Brasilianerinnen versuchen, die im Halbfinale die USA souverän  ausschalteten (4:0) und in Marta die damals wohl beste Spielerin der Welt auf ihrer Seite wussten. Die Finaltorschützin von 2003, Nia Künzer, prophezeite aus der Ferne in einem Interview: "Bei uns ist jetzt eine Dynamik reingekommen. Wir sind psychologisch stark – wir schaffen das."

Am Sonntag, den 30. September 2007, hing Fußball-Deutschland ab 14 Uhr vor dem Bildschirm. Die Bundesliga war keine Konkurrenz, sie spielte erst ab 17 Uhr. So sahen über neun Millionen Menschen dem Finale zu, für Frauenfußball eine bis dato unvorstellbare Dimension.

Die Mannschaft durfte das Turnier dort beenden, wo sie es begonnen hatte – in Shanghai. Brasilien war vor der Pause überlegen und "nur mit viel Glück retteten Prinz und Co. das 0:0 in die Pause" (Kicker). Dann ging die Kapitänin, die mit ihrer dritten Finalteilnahme einen noch gültigen WM-Rekord aufstellte, voran: auf Vorarbeit von Sandra Smisek schoss Prinz das 1:0 (52.), es war schon ihr 14. WM-Tor. Brasilien gab sich nicht geschlagen und bekam nach 64 Minuten die große Ausgleichschance: Elfmeter! Beim Duell Frau gegen Frau behielt Angerer gegen Weltstar Marta die Oberhand und parierte, auch "wenn der Elfmeter schwach geschossen war" (Neid). Kurz darauf fischte "Natze" noch einen gefährlichen Freistoß aus dem Winkel und als Simone Laudehr mit ihrem ersten Turniertor per Kopf nach einer Ecke das 2:0 gelang, war der Titelgewinn nicht mehr zu verhindern. Der Rest war Jubel. Fifa-Präsident Sepp Blatter überreichte Birgit Prinz im Konfettiregen den Pokal. Angerer wurde in den Katakomben als "Fußballgott" gefeiert, im Mannschaftshotel Hua Ting Towers die Nacht zum Tage gemacht. Für Theo Zwanziger war es schlicht "der schönste Tag meines Lebens". Silvia Neid lobte ihre 21 Weltmeisterinnen, von denen 17 eingesetzt wurden: "Ich bin total stolz auf diese Truppe und auf den ganzen Turnierverlauf."

Es war ein Gemeinschaftswerk aus dem Bilderbuch, Teamwork schlug Individualismus. "Man muss ganz klar sagen: die besseren Einzelspielerinnen hatten andere", sagte Prinz ehrlich. So sehr alle den Teamgeist lobten, so wichtig war das Gerüst, auf dem der Erfolg errichtet war. Neun Spielerinnen bestritten alle Partien von Anfang an, fünf (Angerer, Stegemann, Hingst, Bresonik, Prinz) verpassten keine Minute.

Aber Heldinnen waren sie alle und wer den Empfang auf der Empore des Frankfurter Römer vor 15.000 Menschen an einem Montagabend erlebte, konnte sich nur wie ein Weltmeister fühlen.

Die Weltmeisterinnen 2007

Nadine Angerer 6 Spiele, kein Tor, Kerstin Stegemann 6/1, Ariane Hingst 6/0, Linda Bresonik 6/0, Kerstin Garefrekes 6/2, Renate Lingor 6/3, Melanie Behringer 6/1, Sandra Smisek 6/3, Birgit Prinz 6/5, Simone Laudehr 5/1, Annike Krahn 5/0, Lira Bajramaj 4/0, Martina Müller 4/0, Sandra Minnert 3/0, Petra Wimbersky 2/0, Anja Mittag 1/0, Saskia Bartusiak 1/0

Im Kader: Silke RottenbergUrsula HollBabett PeterSonja Fuss

Fakten

Tore: 111 (3,47)

Torschützenkönigin: Marta (Brasilien/7)

Beste Spielerin: Marta

Goldener Handschuh: Nadine Angerer

Zuschauer: 1.190.971 (37.218)

Stimmen

Theo Zwanziger (DFB-Präsident): "Wenn man solch ein emotionales Spiel erlebt und dann noch den WM-Titel holt, brechen alle Dämme. Brasilien war technisch gigantisch, aber wir haben deutsche Tugenden gezeigt. Das ist für den deutschen Fußball insgesamt, aber besonders für den Frauenfußball eine große Stunde."

Wolfgang Schäuble (Bundesinnenminister): "Es war ein furchtbar aufregendes Spiel und eine tolle Werbung für den Frauenfußball."

Joseph Blatter (Fifa-Präsident): "Die hervorragenden Einschaltquoten weltweit während der vergangenen Weltmeisterschaft der Frauen in China, die den außerordentlichen Zuschauerzuspruch in den Stadien sowie die ständig steigende Anzahl von Fußballspielerinnen auf der ganzen Welt widerspiegeln, sind der Beweis für den fantastischen Aufschwung im Frauenfußball insgesamt. Frauenfußball hat ohne Zweifel seinen Platz im internationalen Fußball gefunden, muss aber diesen Erfolg auch in den kommenden Jahren weiter bekräftigen."

As (Spanien): "Dies sollte die WM der Brasilianerin Marta werden, aber dann wurde es doch das Turnier der deutschen Oldtimerin Prinz. Allerdings hätten die Deutschen ohne die Hilfe der brasilianischen Torhüterin ihren Titel wohl kaum verteidigt."

Basler Zeitung (Schweiz): "Bollwerk bremst Tänzerinnen. Die Brasilianerinnen konnten es mit noch so vielen Finten, Übersteigern und Drehungen versuchen - am deutschen Bollwerk zerschellten all ihre Angriffsbemühungen. Kein Gegentor, so lautete die eindrückliche Bilanz Deutschlands vor dem Finale. Und dabei sollte es bis zum Schlusspfiff bleiben."

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Am 20. Juli beginnt in Australien und Neuseeland die neunte Frauen-WMDeutschland war bisher immer dabei. Ein Rückblick auf die bisherigen WM-Turniere mit besonderem Fokus auf das DFB-Team. Heute: die WM 2007 in China.

Vor dem Turnier: Mit vier Jahren Verspätung kamen die Chinesen doch noch zu ihrer WM, es war bereits die zweie nach 1991. Das Turnier fand vom 10. – 30. September in fünf Spielorten statt, Eröffnungsspiel und Finale waren für Shanghai reserviert. Erstmals schüttete die Fifa Prämien an die Frauen aus, insgesamt waren 6,4 Millionen Euro im Topf.

Teilnehmer: Obwohl sich so viele Länder wie nie zuvor (119 Meldungen) um eine Teilnahme bemühten, waren unter den 16 Teilnehmern erstmals keine Neulinge. In den vier Vierergruppen versammelte sich das Establishment des Frauenfußballs um die bisherigen Weltmeister USA, Norwegen und Deutschland und die Dauergäste Schweden, Brasilien, China, Japan und Nigeria. Exotischster Teilnehmer war Neuseeland, das es nach 1991 zum zweiten Mal zu einer WM schaffte. An dem Proporzmodus änderte sich nichts: Europa fünf, Asien vier, der Rest bis auf Ozeanien (1) zwei Teilnehmer.

Turnierverlauf: Titelverteidiger Deutschland durfte das Turnier in Shanghai eröffnen und tat dies mit einem Paukenschlag – das 11:0 gegen Argentinien war WM-Rekord und stellte für beide Mannschaften in Gruppe A die Weichen. Die DFB-Frauen gewannen sie trotz eines 0:0 gegen England, das Zweiter wurde, Argentinien reiste punktlos und mit einem WM-Negativrekord von 18 Gegentoren heim. Ebenso wie die Japanerinnen, denen das zum vierten Mal bei fünf Teilnahmen passierte.

In der "Todesgruppe" B  patzte Topfavorit USA zum Auftakt gegen Nordkorea (2:2) und ließ es auch gegen Schweden (2:0) und Nigeria (1:0) unter allerdings fast irregulären Bedingungen (Wassermassen auf dem Rasen nach einen Taifun) an gewohnter Souveränität mangeln. Für den Gruppensieg langte es trotzdem – vor Nordkorea, das sich im letzten Spiel sogar eine 1:2-Niederlage gegen Vizeweltmeister Schweden leisten konnte und über die Tordifferenz weiterkam. Nigeria schlug sich achtbar, bekam für ein Tor in drei Spielen aber nur einen Punkt und flog wie Japan schon zum vierten Mal nach der Vorrunde heim.

In Gruppe C war das überforderte Ghana schon nach dem zweiten Spiel ausgeschieden, dafür kämpften die anderen bis zuletzt ums Halbfinale. Für Norwegen war es am leichtesten, durch ein 7:2 gegen Ghana war der Gruppensieg eingefahren. Australien rettete sich durch ein Tor in letzter Minute gegen Kanada (2:2) erstmals in ein Viertelfinale. In Gruppe D sah man das stärkste Brasilien aller Zeiten, das mit 10:0-Toren durchregierte und sogar Gastgeber China deklassierte (4:0). Die Chinesinnen retteten sich nach Siegen über Dänemark und Neuseeland trotz negativer Tordifferenz auf den zweiten Platz. Für Neuseeland gab es statt Prämien nur Lehrgeld, 0:9 Tore und Punkte standen im Abschlusszeugnis.

Vier der letzten Gruppenspiele, die in Shanghai hätten stattfinden sollen, wurden übrigens aus Sicherheitsgründen vom Winde (Taifun) nach Hangzhou verweht, was auch für das deutsche Team beim 2:0 gegen Japan galt. In Shanghai stand das Wasser knöchelhoch in den Straßen, 200.000 Menschen wurden evakuiert. Die Chinesen waren indes flexibel genug zu verhindern, dass nach 2003 auch diese WM ins Wasser fiel.

Sie ging weiter mit dem Viertelfinale, das ein Festival der Favoriten wurde. Deutschland beendete Nordkoreas Fußballmärchen mit einem glatten 3:0, Norwegen warf die Gastgeber raus (1:0), die USA schossen gegen England binnen zehn Minuten nach der Pause alle Tore (3:0) und Brasilien verkraftete gegen Australien die ersten Gegentore unbeschadet (3:2). Der Spielplan wollte es, dass es kein europäisches Finale, aber gewiss einen europäischen Finalisten geben würde. Und der sollte Deutschland heißen – nach einem überraschend deutlichen 3:0 gegen Norwegen. Noch klarer und kaum zu glauben war das Resultat des zweiten Halbfinales: Brasilien fügte den US-Kickerinnen ihre höchste WM-Niederlage zu – 0:4. Dazu trug allerdings auch ein Platzverweis kurz vor der Pause bei. Shannon Box sah eine von zwei Ampelkarten (Gelb-Rot) des Turniers, glatt Rot gab es erstmals gar nicht bei einer Frauen-WM. Die sich selbst nach dem Aus der Chinesinnen großer Aufmerksamkeit erfreute, der Zuschauerrekord von 1995 wurde nur knapp verpasst. Die Halbfinals sahen insgesamt noch 100.000 Zuschauer. Über 60.000 kamen im kleinen, aber jeweils ausverkauften Stadion von Shanghai zu den Spielen um Platz 3, den sich die USA sicherte (4:1 gegen Norwegen) und zum Finale.

Das gewannen die Deutschen gegen Brasilien (2:0) mit einem noch gültigen WM-Rekord von sechs Spielen in Folge ohne Gegentor. Erstmals konnte zudem ein Weltmeister seinen Titel erfolgreich verteidigen!

Das Abschneiden der Deutschen: Zuversichtlich startete die Mannschaft von Bundestrainerin Silvia Neid, die am 1. September 2005 Tina Theune-Meyer abgelöst hatte, in ihr WM-Abenteuer. Alle Qualifikationsspiele wurden gewonnen, erst im achten und letzten gab es Gegentore (3:2 in Russland), was einen Hinweis auf die große Stärke der Mannschaft bei der WM 2007 gab.

Auch die letzten Vorbereitungsspiele hatten drei hohe Siege und ein Remis gegen Mitfavorit Norwegen (2:2) gebracht und den schlechten Eindruck beim Algarve-Cup im März in den Hintergrund gedrängt. Die Torhüterin von 2003, Silke Rottenberg, diesmal die Nummer zwei hinter Nadine Angerer, sagte: "Wir gehen davon aus, dass wir bis ins Finale kommen." DFB-Präsident Theo Zwanziger fand, die Spielerinnen hätten sich einen weiteren Titel "in hohem Maße verdient" und genehmigte dass sie sich dann auch etwas verdienen sollten: die Titelprämie wurde mehr als verdreifacht – von 15.000 auf 50.000 Euro pro Kopf.

Von Anfang an machte das deutsche Team deutlich, dass sie sich die Prämie und den Ruhm verdienen wollten. Das erste Spiel gegen Argentinien kam auf zwei TV-Sendern live (ZDF und Eurosport) und so konnte ganz Deutschland ein Schützenfest mitansehen: das 11:0 gegen überforderte Südamerikanerinnen, denen zwei Eigentore unterliefen, war das neue Rekordergebnis bei einer Frauen-WM. Im zweiten Gruppenspiel gab es das Kontrastprogramm: gegen die starken Engländerinnen, mit denen die DFB-Frauen dasselbe Hotel bewohnten, fielen gar keine Tore. Dennoch sagte Spielführerin Birgit Prinz nach der Partie: "Natürlich sind wir weiter davon überzeugt, Weltmeister werden zu können. Es ist ja nicht so, dass wir viel schlechter sind als andere Mannschaften." Immerhin stand die Null weiterhin bei Nadine Angerer und das sollte auch so bleiben, als die Vorrunde abgeschlossen war. Gegen Japan (2:0) wurde der Gruppensieg gesichert.

In Hangzhou sahen fast 40.000 Menschen ein "wenig glanzvolles Spiel", wie der Kicker vermeldete. Aber die Pflicht war erfüllt.

Im Viertelfinale, das laut Spielplan Gegner wie Top-Favorit USA oder Vize-Weltmeister Schweden hätte bringen können, wartete überraschend Nordkorea. Der große Unbekannte hatte der USA überraschend einen Zähler abgetrotzt. Angerer gestand: "Ich kenne keine Spielerin von denen" und Prinz gewann dem noch etwas Gutes ab: "Ich spiele lieber gegen Teams, die ich nicht kenne. Das finde ich spannender." Gespannt war auch DFB-Präsident Theo Zwanziger, der zur Partie in Wuhan anreiste. Er sah einen deutlichen 3:0-Sieg, der etwas über den Spielverlauf hinwegtäuschte. Aber das 1:0 von Kerstin Garefrekes (44.) fiel zum vielbesungenen psychologisch wichtigen Zeitpunkt und Nadine Angerer verhinderte mit einer Glanzparade den Ausgleich. Renate Lingor (68.) und Annike Krahn (72.) stellten den Endstand her. Garefrekes gestand: "So einfach war das nicht. Wir mussten uns extrem konzentrieren und quälen. Wir haben einen richtig harten Brocken aus dem Weg geräumt. Dieser Sieg war wichtig für unser Selbstbewusstsein, jetzt ist alles möglich. "

Am Rande des Spiels wurde bekannt, dass Silvia Neid ihren Vertrag als Bundestrainerin bis 2009 verlängert hatte und Zwanziger sagte erfreut: "Ich kann mir keine bessere Trainerin vorstellen."

Im Halbfinale von Tianjin kam die Elf in unveränderter Aufstellung zu einem identischen Ergebnis, 3:0 hieß es auch gegen Norwegen. Wieder fiel die Führung kurz vor der Pause, eine Norwegerin fälschte eine Prinz-Flanke ins eigene Tor ab. Kerstin Stegemann (72.) und Martina Müller (75.) sorgten mit einem Doppelschlag Mitte der zweiten Hälfte für die Entscheidung. Es war beinahe eine Blaupause des Nordkorea-Spiels, nur mit anderen Schützinnen. Mit 19:0 Toren zogen sie ins Finale ein – es war ein WM-Rekord. Die Abwehr Stegemann- Krahn-Hingst - Bresonik hielt seit 507 Minuten dicht und was doch mal durchkam, wurde Beute von Angerer. "Die Abwehr stand wieder grandios, das gab den Ausschlag", lobte Spielmacherin Renate Lingor, "ich weiß gar nicht, wer da durchkommen soll."

Als letztes Team durften es die Brasilianerinnen versuchen, die im Halbfinale die USA souverän  ausschalteten (4:0) und in Marta die damals wohl beste Spielerin der Welt auf ihrer Seite wussten. Die Finaltorschützin von 2003, Nia Künzer, prophezeite aus der Ferne in einem Interview: "Bei uns ist jetzt eine Dynamik reingekommen. Wir sind psychologisch stark – wir schaffen das."

Am Sonntag, den 30. September 2007, hing Fußball-Deutschland ab 14 Uhr vor dem Bildschirm. Die Bundesliga war keine Konkurrenz, sie spielte erst ab 17 Uhr. So sahen über neun Millionen Menschen dem Finale zu, für Frauenfußball eine bis dato unvorstellbare Dimension.

Die Mannschaft durfte das Turnier dort beenden, wo sie es begonnen hatte – in Shanghai. Brasilien war vor der Pause überlegen und "nur mit viel Glück retteten Prinz und Co. das 0:0 in die Pause" (Kicker). Dann ging die Kapitänin, die mit ihrer dritten Finalteilnahme einen noch gültigen WM-Rekord aufstellte, voran: auf Vorarbeit von Sandra Smisek schoss Prinz das 1:0 (52.), es war schon ihr 14. WM-Tor. Brasilien gab sich nicht geschlagen und bekam nach 64 Minuten die große Ausgleichschance: Elfmeter! Beim Duell Frau gegen Frau behielt Angerer gegen Weltstar Marta die Oberhand und parierte, auch "wenn der Elfmeter schwach geschossen war" (Neid). Kurz darauf fischte "Natze" noch einen gefährlichen Freistoß aus dem Winkel und als Simone Laudehr mit ihrem ersten Turniertor per Kopf nach einer Ecke das 2:0 gelang, war der Titelgewinn nicht mehr zu verhindern. Der Rest war Jubel. Fifa-Präsident Sepp Blatter überreichte Birgit Prinz im Konfettiregen den Pokal. Angerer wurde in den Katakomben als "Fußballgott" gefeiert, im Mannschaftshotel Hua Ting Towers die Nacht zum Tage gemacht. Für Theo Zwanziger war es schlicht "der schönste Tag meines Lebens". Silvia Neid lobte ihre 21 Weltmeisterinnen, von denen 17 eingesetzt wurden: "Ich bin total stolz auf diese Truppe und auf den ganzen Turnierverlauf."

Es war ein Gemeinschaftswerk aus dem Bilderbuch, Teamwork schlug Individualismus. "Man muss ganz klar sagen: die besseren Einzelspielerinnen hatten andere", sagte Prinz ehrlich. So sehr alle den Teamgeist lobten, so wichtig war das Gerüst, auf dem der Erfolg errichtet war. Neun Spielerinnen bestritten alle Partien von Anfang an, fünf (Angerer, Stegemann, Hingst, Bresonik, Prinz) verpassten keine Minute.

Aber Heldinnen waren sie alle und wer den Empfang auf der Empore des Frankfurter Römer vor 15.000 Menschen an einem Montagabend erlebte, konnte sich nur wie ein Weltmeister fühlen.

Die Weltmeisterinnen 2007

Nadine Angerer 6 Spiele, kein Tor, Kerstin Stegemann 6/1, Ariane Hingst 6/0, Linda Bresonik 6/0, Kerstin Garefrekes 6/2, Renate Lingor 6/3, Melanie Behringer 6/1, Sandra Smisek 6/3, Birgit Prinz 6/5, Simone Laudehr 5/1, Annike Krahn 5/0, Lira Bajramaj 4/0, Martina Müller 4/0, Sandra Minnert 3/0, Petra Wimbersky 2/0, Anja Mittag 1/0, Saskia Bartusiak 1/0

Im Kader: Silke RottenbergUrsula HollBabett PeterSonja Fuss

Fakten

Tore: 111 (3,47)

Torschützenkönigin: Marta (Brasilien/7)

Beste Spielerin: Marta

Goldener Handschuh: Nadine Angerer

Zuschauer: 1.190.971 (37.218)

Stimmen

Theo Zwanziger (DFB-Präsident): "Wenn man solch ein emotionales Spiel erlebt und dann noch den WM-Titel holt, brechen alle Dämme. Brasilien war technisch gigantisch, aber wir haben deutsche Tugenden gezeigt. Das ist für den deutschen Fußball insgesamt, aber besonders für den Frauenfußball eine große Stunde."

Wolfgang Schäuble (Bundesinnenminister): "Es war ein furchtbar aufregendes Spiel und eine tolle Werbung für den Frauenfußball."

Joseph Blatter (Fifa-Präsident): "Die hervorragenden Einschaltquoten weltweit während der vergangenen Weltmeisterschaft der Frauen in China, die den außerordentlichen Zuschauerzuspruch in den Stadien sowie die ständig steigende Anzahl von Fußballspielerinnen auf der ganzen Welt widerspiegeln, sind der Beweis für den fantastischen Aufschwung im Frauenfußball insgesamt. Frauenfußball hat ohne Zweifel seinen Platz im internationalen Fußball gefunden, muss aber diesen Erfolg auch in den kommenden Jahren weiter bekräftigen."

As (Spanien): "Dies sollte die WM der Brasilianerin Marta werden, aber dann wurde es doch das Turnier der deutschen Oldtimerin Prinz. Allerdings hätten die Deutschen ohne die Hilfe der brasilianischen Torhüterin ihren Titel wohl kaum verteidigt."

Basler Zeitung (Schweiz): "Bollwerk bremst Tänzerinnen. Die Brasilianerinnen konnten es mit noch so vielen Finten, Übersteigern und Drehungen versuchen - am deutschen Bollwerk zerschellten all ihre Angriffsbemühungen. Kein Gegentor, so lautete die eindrückliche Bilanz Deutschlands vor dem Finale. Und dabei sollte es bis zum Schlusspfiff bleiben."

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