WM 1962: Deutschlands hart erkämpftes 2:1 gegen die Schweiz

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

3. Juni in Santiago de Chile - zweites WM-Gruppenspiel in Chile: Deutschland - Schweiz 2:1

Vor dem Spiel:

Am Vortag wurden die Deutschen im Nationalstadion Zeugen der "Schlacht von Santiago" zwischen ihren Gruppengegnern Chile und Italien (2:0), bei der es zwei Platzverweise und eine Flut an Fouls gab. Kein Deutscher war bereit, einen Kommentar zu dem Spiel, über das die Weltpresse mit einigem Recht herfiel, abzugeben. Sie dachten an ihre eigenen Aufgaben. Die einzige Änderung: Willi Koslowski ersetzte Hansi Sturm.

Der Schalker war endlich einsatzbereit. Auch die Fragezeichen um Haller, Nowak und Schnellinger, die Andenken aus dem Italien-Spiel erhalten hatten, verschwanden in den letzten Stunden vor dem Anpfiff.

Die Schweiz stand nach der Auftaktniederlage gegen Chile schon gehörig unter Druck. Vielleicht auch deshalb ging die Mannschaft am Sonntagmorgen noch in den Gottesdienst.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

3. Juni in Santiago de Chile - zweites WM-Gruppenspiel in Chile: Deutschland - Schweiz 2:1

Vor dem Spiel:

Am Vortag wurden die Deutschen im Nationalstadion Zeugen der "Schlacht von Santiago" zwischen ihren Gruppengegnern Chile und Italien (2:0), bei der es zwei Platzverweise und eine Flut an Fouls gab. Kein Deutscher war bereit, einen Kommentar zu dem Spiel, über das die Weltpresse mit einigem Recht herfiel, abzugeben. Sie dachten an ihre eigenen Aufgaben. Die einzige Änderung: Willi Koslowski ersetzte Hansi Sturm.

Der Schalker war endlich einsatzbereit. Auch die Fragezeichen um Haller, Nowak und Schnellinger, die Andenken aus dem Italien-Spiel erhalten hatten, verschwanden in den letzten Stunden vor dem Anpfiff.

Die Schweiz stand nach der Auftaktniederlage gegen Chile schon gehörig unter Druck. Vielleicht auch deshalb ging die Mannschaft am Sonntagmorgen noch in den Gottesdienst.

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Brülls und Seeler treffen

Spielbericht:

Wieder gibt es die Hymnen ohne Mannschaften, in Chile ist einiges anders. Der Schiedsrichter kommt aus den Niederlanden und trägt dunkelrot, der Spielball ist aus Schweden. Denn der chilenische WM-Ball missfällt den Europäern.

Deutschland stößt an und spielt gegen die Sonntagssonne, Hans Schäfer hat die Seitenwahl gegen Charles Antenen verloren. Fahrian trägt diesmal eine Mütze mit Sonnenschirm. Die Deutschen spielen zunächst besser und als Haller gleich fünf Schweizer ausdribbelt, gibt's spontan Beifall. Der kicker-Reporter protokolliert: "Nach einer knappen Viertelstunde stellen wir fest, dass heute Fußball gespielt wird. Noch kein nennenswertes, das heißt böses Foul."

Kurz danach kommt es dann doch: Szymaniak rauscht in Eschmann hinein, der vom Feld getragen wird. In Überzahl kommen die Deutschen zu weiteren Chancen. Seeler schießt aus der Drehung drüber und der unter den Presseleuten sitzende Fritz Walter fordert: "Jetzt müssen wir unbedingt ein Tor machen, die Schweizer haben doch einen Mann weniger!" Stattdessen muss sich Fahrian strecken, als Nowak einen Ball abfälscht. Doch der "reaktionsschnellste Torwart, den ich je gesehen habe" (Zitat Herberger) bleibt unbezwungen.

Für ihren Kombinationsfluss bekommen nun auch die wackeren Schweizer Szenenbeifall und Fritz Walter unkt: "Der Faden ist gerissen!" Nach zehn Minuten Behandlungspause kommt Eschmann zurück (27.), auch dafür gibt es Beifall. Auch, als sich Nowak und Alleman nach einem Zusammenprall die Hände geben. "Es begeistert die Zuschauer, heute von diesen beiden europäischen Mannschaften fairen und auch fürs Auge schönen Fußball vorgeführt zu bekommen", interpretiert der kicker diesen Moment.

Uwe Seeler riskiert einen 30-Meter-Schuss, der am Pfosten endet. Spielerisch läuft wenig zusammen. Rudi Michel sagt in der Fernsehaufzeichnung: "Es schien so, als ob unsere Mannschaft in ihrem mittleren Vorrundenspiel auch nur den mittleren Gang eingelegt hätte."

Schalkes Willi Schulz rettet akrobatisch per Fallrückzieher für seinen Torwart vor Torjäger Vonlanthen. Dann leistet sich der Schweizer ein böses Foul an Schnellinger, streckt seinen Fuß in das Bein des Kölners, als der gerade abschlagen will, und "wir sehen Blut an seinem Knie" (kicker). Es wird nicht geahndet, Gelbe Karten gibt es noch nicht.

Die erste Hälfte scheint mit einem Missklang zu enden, aber dann verwertet Brülls ein scharfes Schäfer-Zuspiel, schlägt einen Haken um seinen Gegenspieler und trifft mit einem strammen Aufsetzer aus 18 Metern mit links zum 1:0. Halbzeit. Fritz Walter atmet durch: "Das Tor haben wir wie noch nie gebraucht!"

Die Schweizer kommen ohne Eschmann, der nur noch auf dem rechten Bein humpeln kann, aus den Kabinen zurück. 45 Minuten Überzahl, auch wenn Schnellinger nicht ganz bei Kräften ist.

Vergeblich hoffen die Deutschen nach einem Foul an Koslowski auf einen Elfmeter, aber ihr 2:0 bekommen sie kurz darauf doch. Schäfer schlägt einen 40-Meter-Pass auf Seeler, der Schneiter enteilt und Elsener eiskalt überwindet (59.). Lange Bälle sind das beste Rezept gegen den berüchtigten "Schweizer Riegel", wie sich wieder einmal erweist.

Fritz Walter diktiert in die Reporterblöcke: "Wenn sich jetzt unsere Nervosität nicht legt, dann verstehe ich die Mannschaft nicht." Seeler und Koslowski (an den Außenpfosten) vergeben das 3:0 und so dürfen die Schweizer noch einmal heran kommen: Nach einer indirekt ausgeführten Ecke faustet Fahrian den Ball unglücklich in die Mitte und Schneiter wagt einfach mal einen Volleyschuss aus 15 Metern – Tor. 

Es folgen unerwartet turbulente Schlussminuten, von der Überzahl der Deutschen, geschweige denn einer Überlegenheit, ist nichts mehr zu spüren. Zweimal muss Fahrian noch retten, auf der Gegenseite kratzt Schneiter einen allerdings nicht sehr scharfen Brülls-Schuss von der Linie. Dann folgt der erlösende Schlusspfiff. Aus deutscher Sicht ist das Ergebnis das Wichtigste, für eine schwächere Leistung als beim ersten Mal gibt es das Doppelte an Punkten. "Der deutsche Sieg war natürlich verdient, aber wir haben uns schwer getan, schwerer jedenfalls als erwartet", sagt Michel den TV-Zuschauern, die die Bilder erst am Dienstagabend zu sehen bekommen. Die Schweiz ist nach der zweiten Niederlage schon ausgeschieden.

Aufstellung: Fahrian – Nowak, Erhardt, Schnellinger – Schulz, Szymaniak – Haller, Schäfer – Koslowski, Seeler, Brülls.

Tore: 1:0 Brülls (44.), 2:0 Seeler (61.), 2:1 Schneiter (75.)

Zuschauer: 64.922

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"Kein Heldenstück der deutschen Mannschaft"

Stimmen zum Spiel:

Sepp Herberger: "Es war ein sehr schweres Spiel für unsere Mannschaft. Die Schweiz war schon immer einer unserer gefährlichsten Gegner. Auch diesmal wurde der deutsche Angriff mit der Riegelabwehr nicht fertig."

Hans Schäfer: "Die Schweizer haben ein großartiges Abwehrspiel geliefert. Ich glaube, es war ihre beste Leistung seit zehn Jahren. Aber ehrlich gesagt: Unser Angriff lief nicht, es war wie verhext."

Uwe Seeler: "Mit dem 2:1 müssen wir zufrieden sein. Die Schweizer waren ein großartiger Gegner. Der Riegel machte uns von Anfang an Schwierigkeiten."

Karl Rappan (Trainer der Schweiz): "Ich bin mit der Mannschaftsleistung zufrieden. Von Glück werden wir hier in Chile nicht verwöhnt. Eine Überraschung wäre heute, ohne die Verletzung Eschmanns, möglich gewesen. Was Szymaniak macht, ist gefährlich. Wenn er sich in den Ball hineingleiten lässt, geht es 25-mal gut, aber beim 26. Mal passiert es dann."

Gustav Wiederkehr (Schweizer Verbandspräsident): "Für ein Spiel mit zehn Mann bin ich sehr zufrieden."

"Das war kein Heldenstück der deutschen Mannschaft. Zehn Schweizer Spieler – der Halblinke Eschmann verletzte sich schon nach elf Spielminuten und schied nach der Pause ganz aus – setzten der deutschen Elf mehr als erwartet zu. Deutschland gewann zwar 2:1; aber dieser Sieg war bis zur Schlussminute gefährdet." (Die Welt)

"Ich kann mich nicht entsinnen, in den letzten Jahren so deprimiert, so trost- und ratlos einem deutschen Länderspiel beigewohnt zu haben." (Hans Fiederer/Sport Magazin)

"Das Spiel hat zwar die zweite Niederlage ergeben, aber unsere Burschen wurden wie die Sieger gefeiert, die sie moralisch tatsächlich auch waren." (Nationalzeitung/Basel)

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