Wissenschaftskongress: Sensomotorisches Training gegen unsichere Gelenke

Die meisten Sportler kennen das Gefühl nach einer Verletzung. Man ist umgeknickt, hatte eine schwere Knieverletzung oder eine ausgekugelte Schulter. Die Bänder sind (hoffentlich) verheilt, trotzdem fühlt sich das Gelenk noch unsicher an. "Funktionelle Instabilität" nennt man das.

Prof. Dr. Heinz Lohrer vom Sportmedizinischen Institut Frankfurt am Main hat sich mit diesem Phänomen aus sportmedizinischer Sicht beschäftigt. Beim 3. DFB-Wissenschaftskongress am 21./22. Januar 2016 in Frankfurt wird der 60-Jährige einen Vortrag zum Thema „Sensomotorisches Training nach Verletzungen“ halten. Im Interview auf DFB.de erklärt er, was sensomotorisches Training ist, warum der Gang zum Physiotherapeuten wichtig ist und wie ein Balanceschuh funktioniert.

DFB.de: "Funktionelle Instabilität" – kann man sich darunter so etwas wie ein „ausgeleiertes“ Sprunggelenk vorstellen?

Prof. Dr. Heinz Lohrer: Nein, das wäre mechanisch. Bei der funktionellen Instabilität hat der Patient den Eindruck, dass das Gelenk nicht stabil ist. Es ist also eher ein Gefühl.

DFB.de: Wie kann man das als Arzt diagnostizieren?

Lohrer: Nur schwer. Wir haben es mit ausführlichen Fragebögen gemacht. Wenn man die Antworten der Patienten auswertet, kann man die funktionelle Instabilität relativ genau erkennen. Um sie von mechanischen Beschwerden zu unterscheiden, ist eine integrative Bewertung von Anamnese und Untersuchungsbefund erforderlich.

DFB.de: Ist propriozeptives Training – also das Trainieren der Wahrnehmung von Gelenkstellung, Muskelspannung, Bewegungsrichtung und Lage des Körpers im Raum - eine geeignete Gegenmaßnahme?

Lohrer: Hier ist es wichtig, auf die Begrifflichkeiten zu achten. Propriozeptives Training ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt bisher keinen Beleg dafür, dass all das trainierbar ist. Dabei müsste man zum Beispiel die Leitungsgeschwindigkeit in den Nervenbahnen verbessern. Das ist aber gar nicht möglich. Man kann allerdings die sensomotorischen Defizite ausgleichen.

DFB.de: Also sensomotorisches Training. Ein neuartiges sensomotorisches Trainingsmittel ist der Balanceschuh, dessen Wirkung Sie geprüft haben. Was genau ist das?

Lohrer: Es sieht aus wie ein Wackelbrett, bei dem ein Schuh integriert ist. In gewisser Weise gehen alle Trainingsmittel für sensomotorisches Training auf das Wackelbrett zurück. Dabei bekommt der Patient unwillkürliche, nicht vorhersehbare Reize in sein Gelenk und muss diese mit dem neuromuskulären System ausgleichen. Das stärkt die gelenkstabilisierenden Muskeln, verbessert die Koordination und verringert die funktionelle Instabilität.

DFB.de: Funktioniert sensomotorisches Training bei Profisportlern genauso wie bei Amateuren?

Lohrer: Auf jeden Fall kann man bei allen Probanden – Kinder einmal eingeschränkt - positive Effekte feststellen: Jung oder Alt, Mann oder Frau, Leistungssportler oder Breitensportler. Wie groß der Effekt von sensomotorischem Training ist, hängt aber natürlich ganz stark vom jeweiligen Ausgangsniveau ab.

DFB.de: Das heißt?

Lohrer: Wenn ein Anfänger zum ersten Mal in seinem Leben solch ein Training absolviert, werden Sie riesige Effekte feststellen können. Ist man aber schon gut trainiert und macht regelmäßig sensomotorische Übungen, werden die Fortschritte irgendwann kleiner, weil man einfach schon auf einem höheren Niveau ist.

DFB.de: Können Sie ein Trainingsprogramm für zuhause empfehlen?

Lohrer: Am besten ist es, wenn man sich ein Programm vom Physiotherapeuten zusammenstellen lässt oder es gleich bei ihm absolviert. In der Regel wendet man sensomotorisches Training ja in der Rehabilitationsphase nach einer Verletzung an. Da hängt es stark von der Art der Verletzung ab, also ob man am Knie, Sprunggelenk oder der Schulter verletzt ist. Dementsprechend wählt man logischerweise unterschiedliche Hilfsmittel. Auch der Zeitpunkt nach der Verletzung ist wichtig.

DFB.de: Macht sensomotorisches Training auch zur Vorbeugung von Verletzungen Sinn?

Lohrer: Der präventive Effekt ist geringer als bei einer vorbestehenden funktionellen Instabilität. Es kann sicher nichts schaden, besonders wenn man das Gefühl einer Instabilität hat. Mit Hilfsmitteln wie dem Balanceschuh, einem Wackelbrett oder einer Airex-Matte kann man die neuromuskuläre Kontrolle deutlich verbessern.

Der 3. DFB-Wissenschaftskongress findet am 21. und 22. Januar 2016 in Frankfurt statt. Die Teilnahmegebühr beträgt 300 Euro, Interessierte können sich online anmelden.

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Die meisten Sportler kennen das Gefühl nach einer Verletzung. Man ist umgeknickt, hatte eine schwere Knieverletzung oder eine ausgekugelte Schulter. Die Bänder sind (hoffentlich) verheilt, trotzdem fühlt sich das Gelenk noch unsicher an. "Funktionelle Instabilität" nennt man das.

Prof. Dr. Heinz Lohrer vom Sportmedizinischen Institut Frankfurt am Main hat sich mit diesem Phänomen aus sportmedizinischer Sicht beschäftigt. Beim 3. DFB-Wissenschaftskongress am 21./22. Januar 2016 in Frankfurt wird der 60-Jährige einen Vortrag zum Thema „Sensomotorisches Training nach Verletzungen“ halten. Im Interview auf DFB.de erklärt er, was sensomotorisches Training ist, warum der Gang zum Physiotherapeuten wichtig ist und wie ein Balanceschuh funktioniert.

DFB.de: "Funktionelle Instabilität" – kann man sich darunter so etwas wie ein „ausgeleiertes“ Sprunggelenk vorstellen?

Prof. Dr. Heinz Lohrer: Nein, das wäre mechanisch. Bei der funktionellen Instabilität hat der Patient den Eindruck, dass das Gelenk nicht stabil ist. Es ist also eher ein Gefühl.

DFB.de: Wie kann man das als Arzt diagnostizieren?

Lohrer: Nur schwer. Wir haben es mit ausführlichen Fragebögen gemacht. Wenn man die Antworten der Patienten auswertet, kann man die funktionelle Instabilität relativ genau erkennen. Um sie von mechanischen Beschwerden zu unterscheiden, ist eine integrative Bewertung von Anamnese und Untersuchungsbefund erforderlich.

DFB.de: Ist propriozeptives Training – also das Trainieren der Wahrnehmung von Gelenkstellung, Muskelspannung, Bewegungsrichtung und Lage des Körpers im Raum - eine geeignete Gegenmaßnahme?

Lohrer: Hier ist es wichtig, auf die Begrifflichkeiten zu achten. Propriozeptives Training ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt bisher keinen Beleg dafür, dass all das trainierbar ist. Dabei müsste man zum Beispiel die Leitungsgeschwindigkeit in den Nervenbahnen verbessern. Das ist aber gar nicht möglich. Man kann allerdings die sensomotorischen Defizite ausgleichen.

DFB.de: Also sensomotorisches Training. Ein neuartiges sensomotorisches Trainingsmittel ist der Balanceschuh, dessen Wirkung Sie geprüft haben. Was genau ist das?

Lohrer: Es sieht aus wie ein Wackelbrett, bei dem ein Schuh integriert ist. In gewisser Weise gehen alle Trainingsmittel für sensomotorisches Training auf das Wackelbrett zurück. Dabei bekommt der Patient unwillkürliche, nicht vorhersehbare Reize in sein Gelenk und muss diese mit dem neuromuskulären System ausgleichen. Das stärkt die gelenkstabilisierenden Muskeln, verbessert die Koordination und verringert die funktionelle Instabilität.

DFB.de: Funktioniert sensomotorisches Training bei Profisportlern genauso wie bei Amateuren?

Lohrer: Auf jeden Fall kann man bei allen Probanden – Kinder einmal eingeschränkt - positive Effekte feststellen: Jung oder Alt, Mann oder Frau, Leistungssportler oder Breitensportler. Wie groß der Effekt von sensomotorischem Training ist, hängt aber natürlich ganz stark vom jeweiligen Ausgangsniveau ab.

DFB.de: Das heißt?

Lohrer: Wenn ein Anfänger zum ersten Mal in seinem Leben solch ein Training absolviert, werden Sie riesige Effekte feststellen können. Ist man aber schon gut trainiert und macht regelmäßig sensomotorische Übungen, werden die Fortschritte irgendwann kleiner, weil man einfach schon auf einem höheren Niveau ist.

DFB.de: Können Sie ein Trainingsprogramm für zuhause empfehlen?

Lohrer: Am besten ist es, wenn man sich ein Programm vom Physiotherapeuten zusammenstellen lässt oder es gleich bei ihm absolviert. In der Regel wendet man sensomotorisches Training ja in der Rehabilitationsphase nach einer Verletzung an. Da hängt es stark von der Art der Verletzung ab, also ob man am Knie, Sprunggelenk oder der Schulter verletzt ist. Dementsprechend wählt man logischerweise unterschiedliche Hilfsmittel. Auch der Zeitpunkt nach der Verletzung ist wichtig.

DFB.de: Macht sensomotorisches Training auch zur Vorbeugung von Verletzungen Sinn?

Lohrer: Der präventive Effekt ist geringer als bei einer vorbestehenden funktionellen Instabilität. Es kann sicher nichts schaden, besonders wenn man das Gefühl einer Instabilität hat. Mit Hilfsmitteln wie dem Balanceschuh, einem Wackelbrett oder einer Airex-Matte kann man die neuromuskuläre Kontrolle deutlich verbessern.

Der 3. DFB-Wissenschaftskongress findet am 21. und 22. Januar 2016 in Frankfurt statt. Die Teilnahmegebühr beträgt 300 Euro, Interessierte können sich online anmelden.