Weltmeister-Trainer Weise wird 80

Andere Prominente sind in keinem Telefonbuch zu finden, Dietrich Weise steht gleich zweimal drin. Im hessischen Klein-Karben und in Heilbronn, wo er sich derzeit öfter aufhält, kann man ihn erreichen. Viele werden das heute wieder versuchen, der beliebte Fußball-Lehrer feiert seinen 80. Geburtstag. Weise aber ist woanders: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ehrt ihn in Neu-Isenburg mit einem Empfang.

Danach fährt Weise weiter nach Teuchern im Burgenland, wo seine Fußballkariere begann. Drei Mitspieler der BSG Traktor sind noch am leben und wollen dem berühmtesten Sprössling des Klubs die Hände schütteln. Schon beim 75. war er auf Reisen gegangen, da verließ er sogar das Land - freilich aus rein logistischen Gründen. "Mein Sohn lebt in der Schweiz und hat schulpflichtige Kinder", sagte er - und bei der Entfernung sei es eben einfacher, wenn Opa und Oma kommen. Also stieg das Fest in Winterthur. Denn Weise ging schon immer gern auf die Reise und ist durch den Fußball viel rumgekommen.

Weltenbummler und zweimal DFB-Pokalsiegeer

Geboren wurde er am 21. November 1934 in Gröben in Sachsen-Anhalt, gelebt hat er nach dem noch legalen Verlassen der DDR 1958 zunächst in Heilbronn, wo er für den örtlichen VfR spielte, und dann in Klein-Karben in der hessischen Wetterau. Wenn er denn mal zu Hause war. Auf Achse zu sein, machte dem Autofahrer Weise nie etwas aus. Das war er sein Leben lang, weshalb er heute zuweilen zweifelt, "ob ich das bei der Familie überhaupt wieder gut machen kann."

Mit dem Fußball um die halbe Welt, das ist das Los und Motto vieler Trainer gewesen und auch wenn Weise nicht gerade die Vita von Globetrottern wie Rudi Gutendorf oder Eckhard Krautzun hat, so ist er doch auf allen Kontinenten gewesen Als Nationaltrainer von Ägypten, wo er mit Al-Ahli 1989 auch Meister wurde, und von Liechtenstein beispielsweise, aber auch und vor allem mit den Talenten des deutschen Fußballs.

Weise hat in der Bundesliga in 16 Jahren 371-mal auf der Bank gesessen und stand mit all seinen Vereinen (1. FC Kaiserslautern, Eintracht Frankfurt und Fortuna Düsseldorf) im DFB-Pokalfinale, das er zweimal gewann - 1974 und 1975 mit Frankfurt. Und immer hat er auf junge Leute gesetzt, noch heute schwärmen sie in Frankfurt von den Weise-Bubis, die in der Rückrunde 1983/1984 den Abstieg verhinderten. Einige haben Karriere gemacht, allen voran Weltmeister Thomas Berthold und Ralf Falkenmayer, der es auch zum Nationalspieler brachte.

1981: Europa- und Weltmeister mit den DFB-Junioren

Aber alles überstrahlen seine Erfolge mit dem DFB, für den er fünf Jahre - von 1978 bis 1983 - als Juniorentrainer arbeitete. Die Krönung folgte im Jahr 1981. Da wurde Dietrich Weise binnen vier Monaten Europa- und Weltmeister - mit derselben Mannschaft, obwohl es sich bei der EM um ein U 18- und bei der WM um ein U 20-Turnier handelte.

"Ich hatte damals einige Probleme, denn die Vereine gaben ihre Spieler nicht heraus für die U 20-WM in Australien", erinnerte sich der Trainer später. "Ich wollte einen Thomas von Heesen, Reinhold Mathy oder Uwe Rahn mitnehmen. Aber die Bundesliga ging eben vor. Da habe ich halt meine U 18 genommen, weshalb wir in Australien die mit Abstand jüngste Mannschaft waren."

Entsprechend niedrig waren die Erwartungen an das DFB-Team um die Dortmunder Michael Zorc und Ralf Loose. Eine Mannschaft, die Juni 1981 im eigenen Land den EM-Titel gewonnen und im Finale Polen mit 1:0 besiegt hatte. Weise: "Wir wollten bei der U 20-WM dann nur die Vorrunde überstehen. Dass wir Weltmeister wurden, ist nur gelungen, weil jeder jeden kannte. Das war gewachsen und kein Zufall."

Weise: "Durch meine Hände gingen Matthäus, Klinsmann oder Thon"

Finalgegner Katar wurde am 4. Oktober 1981 souverän mit 4:0 geschlagen. Dass aus dieser verheißungsvollen Mannschaft nur zwei Spieler jemals A-Länderspiele bestritten und keiner bei einem großen Turnier mitwirkte, verwundert in der Retrospektive. Weise sieht darin aber nichts Besonderes, die Karrierewege junger Spieler seien von vielen Unwägbarkeiten beeinflusst. "Durch meine Hände gingen auch ein Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann, Thomas Berthold oder Olaf Thon", sagte er. "Mit denen haben wir in der Jugend nichts gewonnen, aber sie wurden 1990 Weltmeister."

Am Trainer lag es ja nicht, dass die Goldene Generation im Bundesligaalltag stagnierte. Weise erinnert sich noch gut, wie er einst versuchte, den damaligen Dortmunder Trainer Branko Zebec am Telefon zu überreden, Ralf Loose und Michael Zorc öfter aufzustellen: "Aber er hielt sie eben für zu unerfahren und ließ sie draußen. Dann entsteht bei jungen Spielern, die gerade noch mit stolzer Brust herummarschierten, ein Bruch im Selbstbewusstsein."

Kurzer Zoff mit Hölzenbein

Überhaupt erinnert er sich noch an vieles, in Heilbronn stöbert Weise oft in seinen umfangreichen Notizen und schmunzelt über so manches, was in der heutigen Zeit grotesk wirkt. Mit Frankfurts 74er-Weltmeister und damaligem Manager Bernd Hölzenbein etwa war er mal zwei Wochen überkreuz, und sie schwiegen sich an - wegen eines verweigerten Mietzuschusses von Vereinsseite über 200 Mark.

Darüber flachsten sie noch oft, wenn sie sich im Stadion bei der Eintracht sahen. Den Weg fand er aus gesundheitlichen Gründen zuletzt seltener, 2013 musste er einen Termin im Eintracht-Museum, auf den sich auch viele Fans gefreut hatten, kurzfristig absagen. Da wollte er eigentlich aus seinem erfahrungsreichen Leben erzählen. Im Jahr darauf, in diesem August, holte Weise das dann nach, es war ihm eine Herzensangelegenheit.

Kuriose Trainerentlassung: Im Mannschaftsbus gefeuert

Aber auch als noch alles okay war mit seinen Augen, verpasste Dietrich Weise mal ein Spiel. Im Herbst 1976 spielte Fortuna Düsseldorf ohne ihren Trainer in Berlin, denn der wollte nach einer Spielbeobachtung separat anreisen, aber sein Flieger durfte wegen Nebels nicht abheben. So verfolgte er den Spieltag im Studio des WDR und fieberte bei der Radiokonferenz mit.

Weise war auch bei zwei der kuriosesten Trainerentlassungen der Bundesligageschichte dabei. 1973 wurde er in Kaiserslautern im Mannschaftsbus gefeuert nach einem Streit mit dem Vorstand über den Einsatz eines Spielers. Und 1986 trennte sich die Eintracht von ihm, weil er mit dem Spieler Wolfgang Kraus nicht mehr arbeiten wollte. Dumm nur, dass der ab der Rückrunde als Manager sein Vorgesetzter hätte werden sollen. Da sah die Eintracht keine "gedeihliche Zusammenarbeit mehr".

Erster Nationaltrainer in Liechtenstein

Und weiter ging Weises Reise. Mit Al Ahly Kairo gewann er 1988 gleich zum Einstand den Asien-Cup, in Liechtenstein avancierte er auf Vermittlung von Günter Netzer 1993 zum ersten Nationaltrainer überhaupt im kleinen Fürstentum mit nur 25.000 Einwohnern - und baute wieder auf die Jugend. "Bis runter zur C-Jugend habe ich jeden Spieler gesichtet", sagte er mal der FAZ.

Einen Sieg gab es in 17 Länderspielen zwar nicht, aber immerhin ein 0:0 gegen Irland anno 1995. Ohnehin sieht Weise den Bau des ersten Stadions in Vaduz als größten Erfolg an, "dafür haben wir fünf Jahre gekämpft". Seit 1996 lässt er es etwas ruhiger angehen. Nur heute wird es wieder etwas turbulenter werden.

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Andere Prominente sind in keinem Telefonbuch zu finden, Dietrich Weise steht gleich zweimal drin. Im hessischen Klein-Karben und in Heilbronn, wo er sich derzeit öfter aufhält, kann man ihn erreichen. Viele werden das heute wieder versuchen, der beliebte Fußball-Lehrer feiert seinen 80. Geburtstag. Weise aber ist woanders: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ehrt ihn in Neu-Isenburg mit einem Empfang.

Danach fährt Weise weiter nach Teuchern im Burgenland, wo seine Fußballkariere begann. Drei Mitspieler der BSG Traktor sind noch am leben und wollen dem berühmtesten Sprössling des Klubs die Hände schütteln. Schon beim 75. war er auf Reisen gegangen, da verließ er sogar das Land - freilich aus rein logistischen Gründen. "Mein Sohn lebt in der Schweiz und hat schulpflichtige Kinder", sagte er - und bei der Entfernung sei es eben einfacher, wenn Opa und Oma kommen. Also stieg das Fest in Winterthur. Denn Weise ging schon immer gern auf die Reise und ist durch den Fußball viel rumgekommen.

Weltenbummler und zweimal DFB-Pokalsiegeer

Geboren wurde er am 21. November 1934 in Gröben in Sachsen-Anhalt, gelebt hat er nach dem noch legalen Verlassen der DDR 1958 zunächst in Heilbronn, wo er für den örtlichen VfR spielte, und dann in Klein-Karben in der hessischen Wetterau. Wenn er denn mal zu Hause war. Auf Achse zu sein, machte dem Autofahrer Weise nie etwas aus. Das war er sein Leben lang, weshalb er heute zuweilen zweifelt, "ob ich das bei der Familie überhaupt wieder gut machen kann."

Mit dem Fußball um die halbe Welt, das ist das Los und Motto vieler Trainer gewesen und auch wenn Weise nicht gerade die Vita von Globetrottern wie Rudi Gutendorf oder Eckhard Krautzun hat, so ist er doch auf allen Kontinenten gewesen Als Nationaltrainer von Ägypten, wo er mit Al-Ahli 1989 auch Meister wurde, und von Liechtenstein beispielsweise, aber auch und vor allem mit den Talenten des deutschen Fußballs.

Weise hat in der Bundesliga in 16 Jahren 371-mal auf der Bank gesessen und stand mit all seinen Vereinen (1. FC Kaiserslautern, Eintracht Frankfurt und Fortuna Düsseldorf) im DFB-Pokalfinale, das er zweimal gewann - 1974 und 1975 mit Frankfurt. Und immer hat er auf junge Leute gesetzt, noch heute schwärmen sie in Frankfurt von den Weise-Bubis, die in der Rückrunde 1983/1984 den Abstieg verhinderten. Einige haben Karriere gemacht, allen voran Weltmeister Thomas Berthold und Ralf Falkenmayer, der es auch zum Nationalspieler brachte.

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1981: Europa- und Weltmeister mit den DFB-Junioren

Aber alles überstrahlen seine Erfolge mit dem DFB, für den er fünf Jahre - von 1978 bis 1983 - als Juniorentrainer arbeitete. Die Krönung folgte im Jahr 1981. Da wurde Dietrich Weise binnen vier Monaten Europa- und Weltmeister - mit derselben Mannschaft, obwohl es sich bei der EM um ein U 18- und bei der WM um ein U 20-Turnier handelte.

"Ich hatte damals einige Probleme, denn die Vereine gaben ihre Spieler nicht heraus für die U 20-WM in Australien", erinnerte sich der Trainer später. "Ich wollte einen Thomas von Heesen, Reinhold Mathy oder Uwe Rahn mitnehmen. Aber die Bundesliga ging eben vor. Da habe ich halt meine U 18 genommen, weshalb wir in Australien die mit Abstand jüngste Mannschaft waren."

Entsprechend niedrig waren die Erwartungen an das DFB-Team um die Dortmunder Michael Zorc und Ralf Loose. Eine Mannschaft, die Juni 1981 im eigenen Land den EM-Titel gewonnen und im Finale Polen mit 1:0 besiegt hatte. Weise: "Wir wollten bei der U 20-WM dann nur die Vorrunde überstehen. Dass wir Weltmeister wurden, ist nur gelungen, weil jeder jeden kannte. Das war gewachsen und kein Zufall."

Weise: "Durch meine Hände gingen Matthäus, Klinsmann oder Thon"

Finalgegner Katar wurde am 4. Oktober 1981 souverän mit 4:0 geschlagen. Dass aus dieser verheißungsvollen Mannschaft nur zwei Spieler jemals A-Länderspiele bestritten und keiner bei einem großen Turnier mitwirkte, verwundert in der Retrospektive. Weise sieht darin aber nichts Besonderes, die Karrierewege junger Spieler seien von vielen Unwägbarkeiten beeinflusst. "Durch meine Hände gingen auch ein Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann, Thomas Berthold oder Olaf Thon", sagte er. "Mit denen haben wir in der Jugend nichts gewonnen, aber sie wurden 1990 Weltmeister."

Am Trainer lag es ja nicht, dass die Goldene Generation im Bundesligaalltag stagnierte. Weise erinnert sich noch gut, wie er einst versuchte, den damaligen Dortmunder Trainer Branko Zebec am Telefon zu überreden, Ralf Loose und Michael Zorc öfter aufzustellen: "Aber er hielt sie eben für zu unerfahren und ließ sie draußen. Dann entsteht bei jungen Spielern, die gerade noch mit stolzer Brust herummarschierten, ein Bruch im Selbstbewusstsein."

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Kurzer Zoff mit Hölzenbein

Überhaupt erinnert er sich noch an vieles, in Heilbronn stöbert Weise oft in seinen umfangreichen Notizen und schmunzelt über so manches, was in der heutigen Zeit grotesk wirkt. Mit Frankfurts 74er-Weltmeister und damaligem Manager Bernd Hölzenbein etwa war er mal zwei Wochen überkreuz, und sie schwiegen sich an - wegen eines verweigerten Mietzuschusses von Vereinsseite über 200 Mark.

Darüber flachsten sie noch oft, wenn sie sich im Stadion bei der Eintracht sahen. Den Weg fand er aus gesundheitlichen Gründen zuletzt seltener, 2013 musste er einen Termin im Eintracht-Museum, auf den sich auch viele Fans gefreut hatten, kurzfristig absagen. Da wollte er eigentlich aus seinem erfahrungsreichen Leben erzählen. Im Jahr darauf, in diesem August, holte Weise das dann nach, es war ihm eine Herzensangelegenheit.

Kuriose Trainerentlassung: Im Mannschaftsbus gefeuert

Aber auch als noch alles okay war mit seinen Augen, verpasste Dietrich Weise mal ein Spiel. Im Herbst 1976 spielte Fortuna Düsseldorf ohne ihren Trainer in Berlin, denn der wollte nach einer Spielbeobachtung separat anreisen, aber sein Flieger durfte wegen Nebels nicht abheben. So verfolgte er den Spieltag im Studio des WDR und fieberte bei der Radiokonferenz mit.

Weise war auch bei zwei der kuriosesten Trainerentlassungen der Bundesligageschichte dabei. 1973 wurde er in Kaiserslautern im Mannschaftsbus gefeuert nach einem Streit mit dem Vorstand über den Einsatz eines Spielers. Und 1986 trennte sich die Eintracht von ihm, weil er mit dem Spieler Wolfgang Kraus nicht mehr arbeiten wollte. Dumm nur, dass der ab der Rückrunde als Manager sein Vorgesetzter hätte werden sollen. Da sah die Eintracht keine "gedeihliche Zusammenarbeit mehr".

Erster Nationaltrainer in Liechtenstein

Und weiter ging Weises Reise. Mit Al Ahly Kairo gewann er 1988 gleich zum Einstand den Asien-Cup, in Liechtenstein avancierte er auf Vermittlung von Günter Netzer 1993 zum ersten Nationaltrainer überhaupt im kleinen Fürstentum mit nur 25.000 Einwohnern - und baute wieder auf die Jugend. "Bis runter zur C-Jugend habe ich jeden Spieler gesichtet", sagte er mal der FAZ.

Einen Sieg gab es in 17 Länderspielen zwar nicht, aber immerhin ein 0:0 gegen Irland anno 1995. Ohnehin sieht Weise den Bau des ersten Stadions in Vaduz als größten Erfolg an, "dafür haben wir fünf Jahre gekämpft". Seit 1996 lässt er es etwas ruhiger angehen. Nur heute wird es wieder etwas turbulenter werden.