Weltmeister Scolari: "Ich bewundere Löws Arbeit"

Als Trainer hat Luiz Felipe Scolari schon auf dem ganzen Globus gearbeitet. Brasiliens Nationaltrainer war in Saudi-Arabien, Kuwait, Usbekistan, Japan, Portugal und England tätig. Nun steht der Weltmeister-Coach von 2002 vor dem wichtigsten Ereignis seiner Laufbahn. Er soll den Gastgeber der WM 2014 im eigenen Land zum Titel führen.

Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Mitarbeiter Tobias Käufer redet der inzwischen 65 Jahre alte Scolari über seine Freundschaft zu Bundestrainer Joachim Löw, die Vorfreude auf die Heim-Weltmeisterschaft und seine Bewunderung für die Bundesliga.

DFB.de: Herr Scolari, jedes Jahr wechseln mehrere Hundert Profis aus Brasilien in die Fußball-Ligen dieser Welt. Nicht nur in die traditionellen Ligen nach England, Deutschland, Spanien oder Italien. Mittlerweile auch nach Russland, in die Ukraine oder bis nach Thailand. Wie behalten Sie da den Überblick?

Luiz Felipe Scolari: Wir verfolgen ständig die Leistungen von 50 Nationalspielern, die in unserer Datenbank sind und zum engeren Kreis der Kandidaten für die Auswahl zählen. Und wenn neue Namen auftauchen, dann holen wir uns auch entsprechende Informationen ein. Wir halten immer die Augen offen. Denn oft verlassen Spieler mit 17, 18 Jahren Brasilien, und dann bekommen wir mit, dass sie im Ausland gut spielen, erfolgreich sind.

DFB.de: Wie machen Sie das?

Scolari: Hier im brasilianischen Fernsehen können wir mittlerweile die wichtigsten Ligen der Welt verfolgen. Und von jedem Spiel, in dem aus unserer Sicht interessante Brasilianer mitwirken, machen wir Analysen und Videomitschnitte. Wer heute zum Beispiel in der Ukraine oder Russland spielt und glaubt, nicht von uns bemerkt zu werden, der irrt sich. Er kann sicher sein, dass wir möglichst alle Spiele von ihm verfolgen. Wir vergessen niemanden.

DFB.de: Wie ist Ihr Verhältnis zum deutschen Bundestrainer Joachim Löw?

Scolari: Joachim! Auf ihn halte ich ganz große Stücke. Ich bin ein Freund von ihm seit meiner Zeit in Portugal. Jürgen Klinsmann hat damals den Umbau eingeleitet, Joachim hat diese Reformen so fortgesetzt, dass Deutschland heute einer der WM-Favoriten ist. Joachim hat bei der WM, der EM und in der zurückliegenden WM-Qualifikation alle überzeugt. Ich mag die Art und Weise, wie er arbeitet. Ich finde, dass er die Inspiration hat, das Team stets zu verjüngen. Und das ist gut für den deutschen Fußball. Er liefert eine herausragende Arbeit ab, das bewundere ich. Wenn wir sagen würden, dass es vier Kandidaten für den WM-Titel gibt, liegt die prozentuale Chance Deutschlands sicher bei 30 bis 35 Prozent, also höher als bei den anderen. Das ist sein Verdienst.

DFB.de: Was unterscheidet denn die deutschen Nationalspieler von Spielern anderer Nationen? Gibt es eine typische deutsche Eigenschaft?

Scolari: Die Biometrik, der physische Aspekt, wie sie in den Spielen auftreten, die Art und Weise, wie sie dem Spiel ihren Stempel aufdrücken, den Gegner schon früh attackieren. Die Kraft, die Zielstrebigkeit, die Schnelligkeit bei Kontern. Deutschland hat ein Team, das auf ein starkes Defensivsystem setzt, aber auch auf einen starken Angriff. Ich darf das eigentlich nicht sagen, aber es ist fast ein komplettes Team, unter allen Gesichtspunkten, die sich ein Trainer wünscht. Verraten Sie es den Deutschen nicht! (lacht)

DFB.de: Sie haben im Sommer 2013 in überzeugender Weise den Confed-Cup mit Brasilien gewonnen. Ist Ihr Team jetzt wieder Topfavorit - oder mit welchen Mannschaften rechnen Sie bei der WM 2014?

Scolari: Das ist alles noch zu früh, um eine Prognose zu wagen. Aber bei einer WM gibt es normalerweise immer sechs bis acht Teams, die sich auf den Titel ernsthaft Hoffnung machen können. Im Moment halte ich Deutschland, Spanien, Brasilien und Argentinien, das auf dem südamerikanischen Kontinent derzeit eine herausragende Arbeit abliefert, für die aussichtsreichsten Kandidaten. Und es gibt ja auch noch die Niederlande, Italien, Frankreich, England. Der Kreis ist also sehr groß.

DFB.de: Beim Confed-Cup war zu beobachten, dass es zwischen brasilianischem Publikum und der Mannschaft wieder stimmt. Es scheint, als ob die Spannungen und Enttäuschungen der vergangenen Jahre vergessen und vergeben wären.

Scolari: Wir sind mit einem Team zum Confed-Cup gekommen, von dem niemand wusste, ob es das Zeug zum Titel hatte oder nicht. So wie wir gespielt haben, wie wir taktisch agiert haben, wie die Spieler innerhalb der Seleção und vor der Nation aufgetreten sind, zählen wir zu den Kandidaten mit großen Chancen auf den WM-Titel. Die Fans haben sich nach einer Seleção gesehnt, die vibriert und mit Herz spielt.

DFB.de: Haben Sie Ihre Formation für die WM schon gefunden, oder gibt es für Spieler wie Ronaldinho, Kaká, Robinho, aber auch junge Talente noch die Chance, auf den WM-Zug aufzuspringen?

Scolari: Es sind noch keine Türen verschlossen. Natürlich werde ich neue Spielerm testen und beobachten, um mein Idealteam für die WM zusammenzustellen. Das ist ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist.

DFB.de: Wird Neymar der Star der Heim-WM?

Scolari: Er wird in seinem ersten Jahr in Spanien beim FC Barcelona vor allem lernen, sich einem taktischen Schema unterzuordnen. Beim FC Santos und in der Seleção hat er sich zwar stets an die taktischen Vorgaben gehalten. In Spanien aber muss er damit sogar jeden Tag leben. Wir hier in Brasilien halten uns nicht so streng an taktische Marschrouten wie in Europa. Das ist eine Umstellung für ihn. Wichtig für ihn, wichtig für uns. Er ist aber bereit zu lernen. Und dann spielt er jetzt in der spanischen Liga, in der Champions League, auf einem anderen Niveau als in Brasilien. Vor allem unter taktischen Aspekten ist das eine neue Erfahrung für ihn, etwa wie man gegen ein Team spielt, das sich mit neun Mann hinten reinstellt.

DFB.de: Heute wird in Zürich wieder der Titel des Weltfußballers vergeben. Portugal hofft auf Cristiano Ronaldo, Argentinien auf Lionel Messi und Deutschland wie Frankreich würden sich über Bayern-Profi Franck Ribéry freuen. Und wen würden Sie küren?

Scolari: Ich denke, dass Messi noch die nächsten ein, zwei Jahre der beste Spieler der Welt sein wird. Messi spielt für das Kollektiv, hat aber auch wunderbare individuelle Fähigkeiten. Er kann mit seinen Stärken ein Spiel alleine entscheiden. Die deutschen Stars glänzen mehr als Mannschaftsspieler und nicht so sehr individuell. Sie werden deshalb weniger wahrgenommen als ein Messi. Neymar kann bei Barcelona jetzt seine technischen Qualitäten zeigen und es bei individuellen Aktionen Messi gleichtun.

DFB.de: Erklären Sie uns bitte Ihre Art, eine Mannschaft Fußball spielen zu lassen!

Scolari: Fußball funktioniert ganz einfach: ohne Ball Positionen einnehmen, den Gegner stellen und im Ballbesitz einfach spielen. Fertig, aus. Es gibt kein System, bei dem man im Ballbesitz auf Abwehrarbeit verzichten kann und gewinnt. Das kannst du vergessen. Es ist also ganz einfach. Und der Trainer arbeitet dazu taktische Varianten aus, die den Erfolg bringen können.

DFB.de: Wie stark ist die brasilianische Liga im Vergleich zu den großen europäischen Ligen?

Scolari: Unsere Meisterschaft ist genauso hart umkämpft, wie das in anderen Ligen dieser Welt auch der Fall ist. Sie ist eine gute Liga, aber wir brauchen noch einiges mehr. Vor allem im organisatorischen Bereich müssen wir uns verbessern, um uns der englischen Premier League und vor allem der deutschen Bundesliga anzunähern.

DFB.de: Wie schwer tut sich der brasilianische Fußball, Talente im eigenen Land zu behalten?

Scolari: Es ist schwer. Vor allem unter finanziellen Aspekten, auch wenn es in Europa derzeit wirtschaftlich kriselt. Die Summen, die Spielern und Klubs bei Transfers offeriert werden, sind um einiges höher als hier in Brasilien. Deshalb wird es diese Verkäufe immer geben, weil auch die Klubs von diesen Einnahmen leben. Und die Spieler ziehen natürlich bei Gehältern, die dreimal höher sind als hier, Europa vor. Auch unter taktischen Aspekten ist es für unsere Spieler interessant, einige Jahre in Europa zu spielen. Ich denke, dass wir so ein, zwei Jahre nach der WM sehen können, ob wir dann die Möglichkeiten haben, diese jungen Spieler im Land zu halten, oder ob der Trend nach Europa anhält.

DFB.de: Auf Ihren Schultern lastet ein gewaltiger Druck. Die ganze Nation erwartet bei der WM 2014 den Titel. Trotzdem machen Sie einen gelassenen, entspannten Eindruck. Wie schaffen Sie das?

Scolari: Ich habe Vertrauen in meine Arbeit, die ich in Zusammenarbeit mit meinem Trainerstab leiste. Und ich habe Vertrauen in unser Land, unsere Fans. Die Menschen in unserem Land begleiten uns und hoffen, dass sich unsere Seleção würdig erweist, eine WM im eigenen Land zu spielen. Und sie träumen natürlich davon, den Titel zu gewinnen. Ohne dieses Vertrauen geht es nicht. Wir freuen uns auf diese WM, denn sie ist für alle eine große Herausforderung, für unser ganzes Land wie für unsere Mannschaft. Ich erinnere mich noch gerne an die WM 2002 in Japan und Südkorea. Der Gewinn der Weltmeisterschaft und die Erinnerungen daran waren auch ein Grund für mich, noch einmal das Angebot anzunehmen, die brasilianische Nationalmannschaft auf die WM 2014 vorzubereiten - neben der Tatsache, dass das Turnier in der Heimat stattfindet.

DFB.de: Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach der WM 2014?

Scolari: Ich hatte schon so meine Vorstellung von meiner Lebensplanung. Aber dann haben sich die Dinge geändert. Heute denke ich allein daran, bei der WM 2014 den Titel zu gewinnen. Und wenn wir dazu wieder, wie im Finale 2002, Deutschland besiegen müssen.

[tk]

Als Trainer hat Luiz Felipe Scolari schon auf dem ganzen Globus gearbeitet. Brasiliens Nationaltrainer war in Saudi-Arabien, Kuwait, Usbekistan, Japan, Portugal und England tätig. Nun steht der Weltmeister-Coach von 2002 vor dem wichtigsten Ereignis seiner Laufbahn. Er soll den Gastgeber der WM 2014 im eigenen Land zum Titel führen.

Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Mitarbeiter Tobias Käufer redet der inzwischen 65 Jahre alte Scolari über seine Freundschaft zu Bundestrainer Joachim Löw, die Vorfreude auf die Heim-Weltmeisterschaft und seine Bewunderung für die Bundesliga.

DFB.de: Herr Scolari, jedes Jahr wechseln mehrere Hundert Profis aus Brasilien in die Fußball-Ligen dieser Welt. Nicht nur in die traditionellen Ligen nach England, Deutschland, Spanien oder Italien. Mittlerweile auch nach Russland, in die Ukraine oder bis nach Thailand. Wie behalten Sie da den Überblick?

Luiz Felipe Scolari: Wir verfolgen ständig die Leistungen von 50 Nationalspielern, die in unserer Datenbank sind und zum engeren Kreis der Kandidaten für die Auswahl zählen. Und wenn neue Namen auftauchen, dann holen wir uns auch entsprechende Informationen ein. Wir halten immer die Augen offen. Denn oft verlassen Spieler mit 17, 18 Jahren Brasilien, und dann bekommen wir mit, dass sie im Ausland gut spielen, erfolgreich sind.

DFB.de: Wie machen Sie das?

Scolari: Hier im brasilianischen Fernsehen können wir mittlerweile die wichtigsten Ligen der Welt verfolgen. Und von jedem Spiel, in dem aus unserer Sicht interessante Brasilianer mitwirken, machen wir Analysen und Videomitschnitte. Wer heute zum Beispiel in der Ukraine oder Russland spielt und glaubt, nicht von uns bemerkt zu werden, der irrt sich. Er kann sicher sein, dass wir möglichst alle Spiele von ihm verfolgen. Wir vergessen niemanden.

DFB.de: Wie ist Ihr Verhältnis zum deutschen Bundestrainer Joachim Löw?

Scolari: Joachim! Auf ihn halte ich ganz große Stücke. Ich bin ein Freund von ihm seit meiner Zeit in Portugal. Jürgen Klinsmann hat damals den Umbau eingeleitet, Joachim hat diese Reformen so fortgesetzt, dass Deutschland heute einer der WM-Favoriten ist. Joachim hat bei der WM, der EM und in der zurückliegenden WM-Qualifikation alle überzeugt. Ich mag die Art und Weise, wie er arbeitet. Ich finde, dass er die Inspiration hat, das Team stets zu verjüngen. Und das ist gut für den deutschen Fußball. Er liefert eine herausragende Arbeit ab, das bewundere ich. Wenn wir sagen würden, dass es vier Kandidaten für den WM-Titel gibt, liegt die prozentuale Chance Deutschlands sicher bei 30 bis 35 Prozent, also höher als bei den anderen. Das ist sein Verdienst.

DFB.de: Was unterscheidet denn die deutschen Nationalspieler von Spielern anderer Nationen? Gibt es eine typische deutsche Eigenschaft?

Scolari: Die Biometrik, der physische Aspekt, wie sie in den Spielen auftreten, die Art und Weise, wie sie dem Spiel ihren Stempel aufdrücken, den Gegner schon früh attackieren. Die Kraft, die Zielstrebigkeit, die Schnelligkeit bei Kontern. Deutschland hat ein Team, das auf ein starkes Defensivsystem setzt, aber auch auf einen starken Angriff. Ich darf das eigentlich nicht sagen, aber es ist fast ein komplettes Team, unter allen Gesichtspunkten, die sich ein Trainer wünscht. Verraten Sie es den Deutschen nicht! (lacht)

DFB.de: Sie haben im Sommer 2013 in überzeugender Weise den Confed-Cup mit Brasilien gewonnen. Ist Ihr Team jetzt wieder Topfavorit - oder mit welchen Mannschaften rechnen Sie bei der WM 2014?

Scolari: Das ist alles noch zu früh, um eine Prognose zu wagen. Aber bei einer WM gibt es normalerweise immer sechs bis acht Teams, die sich auf den Titel ernsthaft Hoffnung machen können. Im Moment halte ich Deutschland, Spanien, Brasilien und Argentinien, das auf dem südamerikanischen Kontinent derzeit eine herausragende Arbeit abliefert, für die aussichtsreichsten Kandidaten. Und es gibt ja auch noch die Niederlande, Italien, Frankreich, England. Der Kreis ist also sehr groß.

DFB.de: Beim Confed-Cup war zu beobachten, dass es zwischen brasilianischem Publikum und der Mannschaft wieder stimmt. Es scheint, als ob die Spannungen und Enttäuschungen der vergangenen Jahre vergessen und vergeben wären.

Scolari: Wir sind mit einem Team zum Confed-Cup gekommen, von dem niemand wusste, ob es das Zeug zum Titel hatte oder nicht. So wie wir gespielt haben, wie wir taktisch agiert haben, wie die Spieler innerhalb der Seleção und vor der Nation aufgetreten sind, zählen wir zu den Kandidaten mit großen Chancen auf den WM-Titel. Die Fans haben sich nach einer Seleção gesehnt, die vibriert und mit Herz spielt.

DFB.de: Haben Sie Ihre Formation für die WM schon gefunden, oder gibt es für Spieler wie Ronaldinho, Kaká, Robinho, aber auch junge Talente noch die Chance, auf den WM-Zug aufzuspringen?

Scolari: Es sind noch keine Türen verschlossen. Natürlich werde ich neue Spielerm testen und beobachten, um mein Idealteam für die WM zusammenzustellen. Das ist ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist.

DFB.de: Wird Neymar der Star der Heim-WM?

Scolari: Er wird in seinem ersten Jahr in Spanien beim FC Barcelona vor allem lernen, sich einem taktischen Schema unterzuordnen. Beim FC Santos und in der Seleção hat er sich zwar stets an die taktischen Vorgaben gehalten. In Spanien aber muss er damit sogar jeden Tag leben. Wir hier in Brasilien halten uns nicht so streng an taktische Marschrouten wie in Europa. Das ist eine Umstellung für ihn. Wichtig für ihn, wichtig für uns. Er ist aber bereit zu lernen. Und dann spielt er jetzt in der spanischen Liga, in der Champions League, auf einem anderen Niveau als in Brasilien. Vor allem unter taktischen Aspekten ist das eine neue Erfahrung für ihn, etwa wie man gegen ein Team spielt, das sich mit neun Mann hinten reinstellt.

DFB.de: Heute wird in Zürich wieder der Titel des Weltfußballers vergeben. Portugal hofft auf Cristiano Ronaldo, Argentinien auf Lionel Messi und Deutschland wie Frankreich würden sich über Bayern-Profi Franck Ribéry freuen. Und wen würden Sie küren?

Scolari: Ich denke, dass Messi noch die nächsten ein, zwei Jahre der beste Spieler der Welt sein wird. Messi spielt für das Kollektiv, hat aber auch wunderbare individuelle Fähigkeiten. Er kann mit seinen Stärken ein Spiel alleine entscheiden. Die deutschen Stars glänzen mehr als Mannschaftsspieler und nicht so sehr individuell. Sie werden deshalb weniger wahrgenommen als ein Messi. Neymar kann bei Barcelona jetzt seine technischen Qualitäten zeigen und es bei individuellen Aktionen Messi gleichtun.

DFB.de: Erklären Sie uns bitte Ihre Art, eine Mannschaft Fußball spielen zu lassen!

Scolari: Fußball funktioniert ganz einfach: ohne Ball Positionen einnehmen, den Gegner stellen und im Ballbesitz einfach spielen. Fertig, aus. Es gibt kein System, bei dem man im Ballbesitz auf Abwehrarbeit verzichten kann und gewinnt. Das kannst du vergessen. Es ist also ganz einfach. Und der Trainer arbeitet dazu taktische Varianten aus, die den Erfolg bringen können.

DFB.de: Wie stark ist die brasilianische Liga im Vergleich zu den großen europäischen Ligen?

Scolari: Unsere Meisterschaft ist genauso hart umkämpft, wie das in anderen Ligen dieser Welt auch der Fall ist. Sie ist eine gute Liga, aber wir brauchen noch einiges mehr. Vor allem im organisatorischen Bereich müssen wir uns verbessern, um uns der englischen Premier League und vor allem der deutschen Bundesliga anzunähern.

DFB.de: Wie schwer tut sich der brasilianische Fußball, Talente im eigenen Land zu behalten?

Scolari: Es ist schwer. Vor allem unter finanziellen Aspekten, auch wenn es in Europa derzeit wirtschaftlich kriselt. Die Summen, die Spielern und Klubs bei Transfers offeriert werden, sind um einiges höher als hier in Brasilien. Deshalb wird es diese Verkäufe immer geben, weil auch die Klubs von diesen Einnahmen leben. Und die Spieler ziehen natürlich bei Gehältern, die dreimal höher sind als hier, Europa vor. Auch unter taktischen Aspekten ist es für unsere Spieler interessant, einige Jahre in Europa zu spielen. Ich denke, dass wir so ein, zwei Jahre nach der WM sehen können, ob wir dann die Möglichkeiten haben, diese jungen Spieler im Land zu halten, oder ob der Trend nach Europa anhält.

DFB.de: Auf Ihren Schultern lastet ein gewaltiger Druck. Die ganze Nation erwartet bei der WM 2014 den Titel. Trotzdem machen Sie einen gelassenen, entspannten Eindruck. Wie schaffen Sie das?

Scolari: Ich habe Vertrauen in meine Arbeit, die ich in Zusammenarbeit mit meinem Trainerstab leiste. Und ich habe Vertrauen in unser Land, unsere Fans. Die Menschen in unserem Land begleiten uns und hoffen, dass sich unsere Seleção würdig erweist, eine WM im eigenen Land zu spielen. Und sie träumen natürlich davon, den Titel zu gewinnen. Ohne dieses Vertrauen geht es nicht. Wir freuen uns auf diese WM, denn sie ist für alle eine große Herausforderung, für unser ganzes Land wie für unsere Mannschaft. Ich erinnere mich noch gerne an die WM 2002 in Japan und Südkorea. Der Gewinn der Weltmeisterschaft und die Erinnerungen daran waren auch ein Grund für mich, noch einmal das Angebot anzunehmen, die brasilianische Nationalmannschaft auf die WM 2014 vorzubereiten - neben der Tatsache, dass das Turnier in der Heimat stattfindet.

DFB.de: Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach der WM 2014?

Scolari: Ich hatte schon so meine Vorstellung von meiner Lebensplanung. Aber dann haben sich die Dinge geändert. Heute denke ich allein daran, bei der WM 2014 den Titel zu gewinnen. Und wenn wir dazu wieder, wie im Finale 2002, Deutschland besiegen müssen.