Frauen-Nationalmannschaft
Voss-Tecklenburg: "Unsere Mission ist noch nicht beendet"
Als Vize-Europameisterinnen hat sich die deutsche Frauen-Nationalmannschaft unter Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg in die Herzen vieler deutscher Fans gespielt. Das unterstreichen ein Quoten-Jahressieg mit knapp 18 Millionen TV-Zuschauer*innen beim Finale, Zuschauer*innenrekorde in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga, ein neuer TV-Vertrag und reger Zulauf im Amateurbereich. Im DFB.de-Jahresabschlussinterview spricht Voss-Tecklenburg über ihre schönsten Momente, WM-Ziele und Wünsche für 2023.
DFB.de: Frau Voss-Tecklenburg, ein besonderes Jahr mit viel Aufwind für den Frauenfußball ist nun vorüber. Mit welchem Gefühl blicken Sie auf 2022?
Martina Voss-Tecklenburg: Auf jeden Fall mit durchweg positiven Gefühlen! Wir haben eine tolle EM gespielt. Am schönsten ist, dass das Turnier auf vielen Ebenen etwas ausgelöst hat. Das hätten wir uns vor dem Turnier so nicht ausmalen können.
DFB.de: Was war für Sie der schönste Moment im Jahr 2022?
Voss-Tecklenburg: Privat war es die Geburt meiner Enkeltochter.
DFB.de: Und sportlich: Das EM-Finale vor 90.000 Zuschauer*innen im Wembley oder der Empfang nach dem verlorenen Finale am Frankfurter Römer?
Voss-Tecklenburg: Das Finale hatte leider nicht den richtigen Ausgang, um uneingeschränkt sagen zu können, das war der schönste Moment. Es war gleichzeitig der Schwierigste. Daher ist es dann doch eher der Empfang am Römer. Dass nach dem verlorenen Finale so viele Fans kommen würden, um uns zu feiern, hatten wir so nicht erwartet und hat uns sehr berührt. Das Schönste ist, zu sehen, dass diese EM nachwirkt – mehr Zuschauerinnen und Zuschauer in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und Women's Champions League, die tolle Kulisse bei unserem Länderspiel in Dresden sowie vor allem die zahlreichen Neuanmeldungen von Mädchen und Jungen in Amateurvereinen.
DFB.de: Und ein neuer TV-Vertrag für die FLYERALARM Frauen-Bundesliga, der wirtschaftlich in neue Dimensionen vorstößt. Was spricht dafür, dass es nachhaltig nachwirkt?
Voss-Tecklenburg: Es spricht eine Menge dafür. Wir bieten guten Sport und ich bin davon überzeugt, dass sich die Frauen-Bundesliga weiter professionalisieren wird. Es wird auch darauf ankommen, dass wir als Nationalmannschaft performen. Wir werden in diesem Jahr tolle Länderspiele mit sportlich sehr attraktiven Gegnern bestreiten. Wir wollen mit Top-Leistungen zeigen, dass wir bei der WM wieder um Titel mitspielen wollen. Ich denke, die Menschen werden unseren Weg nach der EM weiter begleiten. Wir haben etwas angeschoben, das Rad ein stückweit nach vorne gedreht.
DFB.de: Sie nannten die Europameisterschaft eine EM der Superlative. Warum war es eine EM der Superlative?
Voss-Tecklenburg: England ist das Mutterland des Fußballs. Bei jedem Spiel war eine großartige Stimmung und die Zuschauerinnen und Zuschauer hatten Lust, die Teams anzufeuern. England hat es außerdem in Sachen Werbung, Sichtbarkeit und Fangewinnung herausragend gemacht. Sportlich war es glaube ich das beste Niveau, das wir jemals bei einem Turnier im Frauenbereich hatten. Deswegen war es für mich ein Turnier der Superlative. Weltweit haben immer mehr Menschen eingeschaltet und sind auf diese EM aufmerksam geworden. Das hat sich in Einschaltquoten widergespiegelt, aber auch in Reaktionen bei Medien, Partnern und vor allem Fans.
DFB.de: Einschaltquote ist ein gutes Stichwort. 17,952 Millionen Zuschauer*innen sahen das EM-Finale in Deutschland – Jahresbestmarke unter den Sportsendungen im deutschen Fernsehen. Sind Sie stolz darauf, Quoten-Königinnen zu sein?
Voss-Tecklenburg: Ich bin stolz auf alle, die eingeschaltet und das möglich gemacht haben. (lacht) Das zeigt nur nochmal, dass es diesen Markt gibt. Wir haben mehrheitlich sehr gut gespielt und die Menschen begeistert. Wenn man dann auch noch die Quoten-Jahressiegerinnen sein darf, ist das eine tolle Bestätigung dafür, dass wir emotional mit diesem Turnier etwas bewegt haben. Das ist auch das, was wir uns vorgenommen hatten. Es ist schön, dass das mit so einer herausragenden Quote belohnt wird.
DFB.de: Wurde das Kapitel EM zum Jahresende nun geschlossen oder wird es 2023 fortgeschrieben?
Voss-Tecklenburg: Beides. Einerseits schließt man dieses Kapitel ein stückweit ab, weil wieder neue Aufgaben, andere Gegner und Herausforderungen anstehen. Die WM in Australien und Neuseeland wird ein ganz anderes Turnier als die EM im Sommer werden. Dennoch werden wir diese Erfahrungen als Basis für Analyse und Weiterentwicklung nutzen, aber auch, um unser Selbstbewusstsein zum Ausdruck zu bringen. Wir haben gute Leistungen gezeigt. Unsere Mission ist noch nicht beendet. Daher spielt die EM mit dem verlorenen Finale natürlich noch eine Rolle, um uns weiterzuentwickeln.
DFB.de: Zuletzt haben Sie in zwei Spielen (Anm. d. Red., 2:1 und 1:2) gegen den amtierenden Weltmeister USA getestet. Den Kreis für potenzielle Titelanwärter fassen Sie jedoch größer. Wen zählen Sie zum Favoritinnenkreis für die WM?
Voss-Tecklenburg: Neben den europäischen Teams, die auch bereits bei der EM als Favoritinnen galten, zählen wir auf jeden Fall die USA dazu. Ich glaube auch, dass die Brasilianerinnen eine gute Rolle spielen können, weil sie eine sehr gute Trainerin und sich in vielen Facetten des Spiels weiterentwickelt haben. Es wird interessant, wie Japan auftreten wird, auch wenn sie zuletzt nicht so gute Ergebnisse erzielt haben. Vielleicht wird es auch bei uns mal eine Überraschung geben, dass ein Team, zum Beispiel aus Afrika, über sich hinauswächst.
DFB.de: Wann starten Sie in die WM-Vorbereitung und worauf wird es besonders ankommen?
Voss-Tecklenburg: Wir starten im Februar mit einem Trainingslager in Marbella. Wir haben uns bewusst für ein Trainingslager und gegen ein Vorbereitungsturnier entschieden, um eine Mischung aus viel Trainingszeit, guten Bedingungen und anschließendem Länderspiel in Deutschland zu haben. Das wird gegen Schweden in meiner Heimatstadt Duisburg sein. Wir freuen uns darauf! Weiter geht es dann mit Länderspielen im April und Juni sowie einer direkten Vorbereitung vor der WM.
DFB.de: Ist es für Sie besonders, mit einem Länderspiel in Ihrer Heimat Duisburg ins WM-Jahr zu starten?
Voss-Tecklenburg: Natürlich ist es schön, sei es als Spielerin oder als Teil des Trainer*innenteams, an einem Spielort zu sein, an dem man viele Menschen kennt. Die Vorfreude ist groß. Ich hoffe, dass die Duisburgerinnen und Duisburger vielleicht auch sagen: Da gehen wir hin, Martina ist ein Mädchen unserer Stadt. (lacht) Ich hoffe, dass viele zum Spiel kommen werden. Am liebsten wäre mir ein ausverkauftes Stadion. Das wäre echt cool!
DFB.de: Mit welchen Zielen gehen Sie in das WM-Jahr?
Voss-Tecklenburg: Wir wollen um Titel mitspielen. Das ist uns bei dieser EM gelungen, indem wir im Finale waren. Wir haben es nicht gewonnen. Klar ist, wir werden zur WM fahren, um auch um den Titel mitzuspielen. Genau dieses Ziel können wir offensiv formulieren. Dass das herausfordernd wird und viele Teams dabei sind, die das ebenfalls schaffen können, steht außer Frage und ist uns bewusst.
DFB.de: Mit der UEFA Nations League erwartet Sie im Herbst 2023 außerdem ein neues Format.
Voss-Tecklenburg: Das stimmt. Ich bin gespannt darauf. Wir brauchen Spiele auf diesem Niveau, um uns permanent weiterzuentwickeln. Es ist etwas anderes, in der Nations League zu spielen und dort regelmäßig gefordert zu werden, als in einer Qualifikation mit etwas anderen Gegnerinnen. Von daher freuen wir uns auf dieses neue Format. Gleichzeitig wird es eine Herausforderung. Denn es wird schwieriger, auf Belastungssituationen Rücksicht zu nehmen. Wir werden unsere Erfahrungen sammeln. Insgesamt glaube ich, dass es ein gutes Format ist.
DFB.de: Zunächst steht der Jahreswechsel auf dem Programm. Ist es auch für die Bundestrainerin eine Zeit, um den Akku wieder aufzuladen?
Voss-Tecklenburg: Ja, die Zeit muss man sich auch nehmen. Die Weihnachtstage im Kreise der Familie habe ich sehr genossen. Nun geht es in den Urlaub mit meinem Mann. Wir werden viele gute Bücher lesen, schlafen, essen, ein bisschen spazieren gehen und Sonne tanken. Dann sind wir Mitte Januar wieder gestärkt und bereit, für das, was 2023 auf uns zukommen wird.
DFB.de: Was wünscht sich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sportlich für 2023?
Voss-Tecklenburg: Ich wünsche mir, dass alle Spielerinnen gesund sind und gesund bleiben sowie aus ihren schweren Verletzungen gesund zurückkommen. Dann wissen wir nämlich, dass wir eine ganz, ganz tolle, einerseits immer noch entwicklungsfähige, aber auch zu großen Taten bereitstehende Mannschaft haben. Gesundheit ist die Basis von allem, auch von Leistung. Deswegen wünsche ich das nicht nur den Spielerinnen, sondern auch unserem Trainer*innenteam, Staff-Mitgliedern und überhaupt allen, die rund um die Frauen-Nationalmannschaft arbeiten. Ich wünsche mir, dass sie mit viel Freude und Energie weiter mit uns zusammenarbeiten und gemeinsam mit uns wachsen.
DFB.de: Und die Privatperson Martina Voss-Tecklenburg?
Voss-Tecklenburg: Privat wünsche ich mir auch Gesundheit. Ich habe eine große Familie, die mir sehr wichtig ist und sehr viel bedeutet. Ich wünsche mir, dass alle gesund bleiben und wir auch in 2023 trotz des engen Terminkalenders immer wieder wertvolle, schöne Zeit miteinander verbringen können.
Kategorien: Frauen-Nationalmannschaft, Fan Club
Autor: sal
Jetzt Tickets für das Nations-League-Spiel in den Niederlanden sichern!
Das Länderspieljahr 2025 startet für die DFB-Frauen mit einem echten Härtetest - am 21. Februar trifft das Team von Christian Wück um 20.45 Uhr in Breda auf die Niederlande. Tickets für das Auswärtsspiel sind ab sofort erhältlich.
DFB-Ticketkontingent zur Frauen-EM 2025: öffentlicher Verkauf ab Montag
Seit dem 17. Dezember läuft für Mitglieder des Fan Club Nationalmannschaft der Ticketverkauf für das deutsche Kontingent der UEFA Women’s EURO 2025 in der Schweiz. Ein Teil dieses exklusiven Kontingents geht am Montag in den öffentlichen Verkauf.
EM-Vorrunde: DFB-Frauen treffen auf Dänemark, Schweden und Polen
Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft trifft in der Vorrunde der EURO 2025 in der Schweiz im kommenden Sommer in Gruppe C auf Dänemark, Schweden und Polen. "Es handelt sich um eine sehr herausfordernde Gruppe", sagt Bundestrainer Christian Wück.