Vor 50 Jahren: DDR holt Bronze bei Olympia

An den Olympischen Spielen 1972 in München nahmen zwei deutsche Mannschaften teil. Die westdeutschen Gastgeber scheiterten in der Zwischenrunde auch an der DDR-Vertretung, die heute vor 50 Jahren unter kuriosen Umständen die Bronzemedaille holte. DFB.de wirft einen Blick zurück.

1964 hatte die DDR bei ihrem Olympiadebüt bereits Erfolg gehabt und in Tokio Bronze geholt, 1968 in Mexiko verpasste sie die Qualifikation. In München war sie wieder dabei, nun erstmals unter Nationaltrainer Georg Buschner. In Gruppe D gab es Kantersiege gegen Ghana (4:0) und Kolumbien (6:1) und ein 1:2 gegen Polens Nationalmannschaft.

Dass sich die beiden Ostblockteams in der Vorrunde durchsetzten, verwunderte Experten nicht. Denn es spielten Profis gegen Amateure, bloß dass sich die Profis nicht so nannten. Sie waren alle "Staatsamateure", offiziell in Betrieben oder beim Militär beschäftigt, wo sie in der Regel nur sporadisch ihren Dienst versahen.

Sparwasser hinterlässt ersten Eindruck

In der erstmal bei Olympia ausgetragenen Zwischenrunde kam es zum brisanten ersten offiziellen Länderspiel mit der BRD. Zuvor mussten beide Teams noch zweimal antreten. Der Westen verlor 1:4 gegen Ungarn, der Osten 0:2. Damit war Gold schon weg und weil die BRD auch gegen Mexiko patzte (1:1), während die DDR diesen Gegner 7:0 abfertigte, reichte ihr ein Punkt fürs Halbfinale.

Beeindruckt hatte sie die Westpresse dennoch nicht sonderlich, selbst nach dem Schützenfest gegen Mexiko, das in Ingolstadt stattfand, stand im kicker: "Sie schoß schöne Tore, zeigte aber kein schönes Spiel." Wohl erstmals fiel den westlichen Beobachtern damals der Name Jürgen Sparwasser auf, der Magdeburger erzielte drei Tore.

Geiselnahme beendet fröhliche Spiele

Unmittelbar vor dem Showdown mit Jupp Derwalls Amateuren, die allerdings zumeist in der Bundesliga spielten, wurden die DDR-Spieler Zeugen der großen Tragödie von München. Am Morgen des 5. September drangen palästinensische Terroristen in Hotelzimmer israelischer Sportler ein, ermordeten zwei von ihnen und nahmen neun Geiseln. Es kam zu Verhandlungen mit der Bundesregierung, Innenminister Hans-Dietrich Genscher stand im Hof und sprach mit den Terroristen, die 200 Gefangene freipressen wollten.

Schräg gegenüber wohnte die DDR-Auswahl und Hans-Jürgen Kreische zückte seine Kamera. In 11 Freunde erzählte er 2016 von den dramatischen Momenten: "Wir wohnten in einem oberen Stockwerk direkt gegenüber den Israelis, Luftlinie 40 Meter. Dann kam es zur Geiselnahme, morgens um fünf. Während sich auf den umliegenden Gebäuden Scharfschützen postierten, sollten wir auf den Zimmern ausharren. In dieser angespannten Situation fiel mir meine Kamera ein. Mit ihr kroch ich zum Balkon und habe durch einen Spalt zwischen den Blumentöpfen die Leute fotografiert, die unten vor dem Flachbau miteinander verhandelten. Eigentlich war es sehr riskant, aber in dem Moment habe ich mir nichts dabei gedacht. Ich fotografierte einen vermummten Palästinenser mit einer Maschinenpistole im Anschlag."

Dann gaben ihm die Sicherheitskräfte eindeutige Zeichen in Deckung zu gehen. Das Drama endete bekanntlich noch blutiger, die Geiselbefreiung misslang und zwölf Tote waren zu beklagen. Die Spiele aber mussten weitergehen. Ein Schatten lag nun über ihrem Fortgang, auch über dem deutsch-deutschen Duell. Dennoch war das Olympiastadion am 8. September ausverkauft, wegen der Anschläge wurde es um einen Tag verlegt.

Sieg im Duell mit der BRD

80.000 Zuschauer sahen ein gutes Spiel, für DFB-Trainer Derwall war es "unser bestes". Verloren wurde es dennoch, weil die DDR laut kicker "mannschaftlich geschlossener, körperlich stabiler" war und "mit Jürgen Croy einen der besten Torhüter Europas" besitzt. Dreimal ging der Osten in Führung - durch Jürgen Pommerenke (12.), Joachim Streich (53.) und Joker Eberhard "Matz" Vogel (83.), der als einziger schon in Tokio dabei gewesen war.

Nur zweimal hatte der Westen eine Antwort: Europameister Uli Hoeneß (31.) und der kommende Welttrainer Ottmar Hitzfeld (62.) überwanden Croy. Im DFB-Tor aber stand Hans-Jürgen Bradler vom Aufsteiger VfL Bochum. Die DDR sonnte sich angesichts der ungleichen Kräfteverhältnisse nicht lange in ihrem Erfolg. Trainer Buschner sagte bescheiden: "Wir sind nicht nach München gekommen, um eine Medaille zu holen, sondern hauptsächlich zur Vorbereitung auf die WM 74." An der würden zehn der Olympioniken teilnehmen, auf BRD-Seite nur Uli Hoeneß.

Bronze nach "frühem Gijon"

Die nicht angestrebte Medaille brachte die DDR doch mit nach Hause, auf sehr kuriose Weise. Im Spiel um Platz 3 traf sie auf den großen Bruder Sowjetunion mit dem kommenden Weltstar Oleg Blochin aus Kiew. Es begann schlecht für die Deutschen. Blochin sorgte für das 1:0 (10.) der Russen. Dann schied Frank Ganzera verletzt aus und Churzilawa erhöhte nach einer halben Stunde auf 2:0. Doch kurz darauf gab es Handelfmeter und Hans-Jürgen Kreische verkürzte (33.).

Nach der Pause stach wie schon gegen die BRD Joker Vogel, nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung mit einem satten 30-Meter-Schuss (78.). So stand es nach 90 Minuten 2:2. Die 75.000 Zuschauer, die sich auf eine dramatische Verlängerung freuten, wurden indes bitter enttäuscht. Was an den FIFA-Modalitäten lag, die weder einen Losentscheid noch ein damals zum Beispiel im DFB-Pokal schon übliches Elfmeterschießen vorsahen. Vielmehr galt die Regel: bei Gleichstand gab es zwei Sieger.

Da taten sich die sozialistischen Brüderstaaten nicht mehr sonderlich weh. Der Niedersachsen Sport schrieb: "In der Verlängerung spielten beide Mannschaften betont auf Sicherheit, riskierten überhaupt nichts mehr und hielten minutenlang den Ball in den eigenen Reihen. Die Quittung der aufgebrachten Zuschauer waren Pfuirufe, 'aufhören, aufhören' und ein schrilles Pfeifkonzert für diese auf Erhalt der Bronze-Chancen zielende Taktik." Kreische gestand noch dieser Tage dem kicker: "Wir haben uns vorher nichts geschenkt, aber am Ende des Spiels wollten beide Mannschaften Bronze nicht mehr verlieren." Ein frühes Gijon…

Die Bronzesieger 1972

Croy - M. Zapf, Ganzera (20. Kurbjuweit), Weise, Bransch - Pommerenke, Seguin, Kreische (75. Vogel) - Sparwasser, P. Ducke, Streich.

Ebenfalls eingesetzt im Turnierverlauf: Wätzlich, Schulenberg, Irmscher.

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An den Olympischen Spielen 1972 in München nahmen zwei deutsche Mannschaften teil. Die westdeutschen Gastgeber scheiterten in der Zwischenrunde auch an der DDR-Vertretung, die heute vor 50 Jahren unter kuriosen Umständen die Bronzemedaille holte. DFB.de wirft einen Blick zurück.

1964 hatte die DDR bei ihrem Olympiadebüt bereits Erfolg gehabt und in Tokio Bronze geholt, 1968 in Mexiko verpasste sie die Qualifikation. In München war sie wieder dabei, nun erstmals unter Nationaltrainer Georg Buschner. In Gruppe D gab es Kantersiege gegen Ghana (4:0) und Kolumbien (6:1) und ein 1:2 gegen Polens Nationalmannschaft.

Dass sich die beiden Ostblockteams in der Vorrunde durchsetzten, verwunderte Experten nicht. Denn es spielten Profis gegen Amateure, bloß dass sich die Profis nicht so nannten. Sie waren alle "Staatsamateure", offiziell in Betrieben oder beim Militär beschäftigt, wo sie in der Regel nur sporadisch ihren Dienst versahen.

Sparwasser hinterlässt ersten Eindruck

In der erstmal bei Olympia ausgetragenen Zwischenrunde kam es zum brisanten ersten offiziellen Länderspiel mit der BRD. Zuvor mussten beide Teams noch zweimal antreten. Der Westen verlor 1:4 gegen Ungarn, der Osten 0:2. Damit war Gold schon weg und weil die BRD auch gegen Mexiko patzte (1:1), während die DDR diesen Gegner 7:0 abfertigte, reichte ihr ein Punkt fürs Halbfinale.

Beeindruckt hatte sie die Westpresse dennoch nicht sonderlich, selbst nach dem Schützenfest gegen Mexiko, das in Ingolstadt stattfand, stand im kicker: "Sie schoß schöne Tore, zeigte aber kein schönes Spiel." Wohl erstmals fiel den westlichen Beobachtern damals der Name Jürgen Sparwasser auf, der Magdeburger erzielte drei Tore.

Geiselnahme beendet fröhliche Spiele

Unmittelbar vor dem Showdown mit Jupp Derwalls Amateuren, die allerdings zumeist in der Bundesliga spielten, wurden die DDR-Spieler Zeugen der großen Tragödie von München. Am Morgen des 5. September drangen palästinensische Terroristen in Hotelzimmer israelischer Sportler ein, ermordeten zwei von ihnen und nahmen neun Geiseln. Es kam zu Verhandlungen mit der Bundesregierung, Innenminister Hans-Dietrich Genscher stand im Hof und sprach mit den Terroristen, die 200 Gefangene freipressen wollten.

Schräg gegenüber wohnte die DDR-Auswahl und Hans-Jürgen Kreische zückte seine Kamera. In 11 Freunde erzählte er 2016 von den dramatischen Momenten: "Wir wohnten in einem oberen Stockwerk direkt gegenüber den Israelis, Luftlinie 40 Meter. Dann kam es zur Geiselnahme, morgens um fünf. Während sich auf den umliegenden Gebäuden Scharfschützen postierten, sollten wir auf den Zimmern ausharren. In dieser angespannten Situation fiel mir meine Kamera ein. Mit ihr kroch ich zum Balkon und habe durch einen Spalt zwischen den Blumentöpfen die Leute fotografiert, die unten vor dem Flachbau miteinander verhandelten. Eigentlich war es sehr riskant, aber in dem Moment habe ich mir nichts dabei gedacht. Ich fotografierte einen vermummten Palästinenser mit einer Maschinenpistole im Anschlag."

Dann gaben ihm die Sicherheitskräfte eindeutige Zeichen in Deckung zu gehen. Das Drama endete bekanntlich noch blutiger, die Geiselbefreiung misslang und zwölf Tote waren zu beklagen. Die Spiele aber mussten weitergehen. Ein Schatten lag nun über ihrem Fortgang, auch über dem deutsch-deutschen Duell. Dennoch war das Olympiastadion am 8. September ausverkauft, wegen der Anschläge wurde es um einen Tag verlegt.

Sieg im Duell mit der BRD

80.000 Zuschauer sahen ein gutes Spiel, für DFB-Trainer Derwall war es "unser bestes". Verloren wurde es dennoch, weil die DDR laut kicker "mannschaftlich geschlossener, körperlich stabiler" war und "mit Jürgen Croy einen der besten Torhüter Europas" besitzt. Dreimal ging der Osten in Führung - durch Jürgen Pommerenke (12.), Joachim Streich (53.) und Joker Eberhard "Matz" Vogel (83.), der als einziger schon in Tokio dabei gewesen war.

Nur zweimal hatte der Westen eine Antwort: Europameister Uli Hoeneß (31.) und der kommende Welttrainer Ottmar Hitzfeld (62.) überwanden Croy. Im DFB-Tor aber stand Hans-Jürgen Bradler vom Aufsteiger VfL Bochum. Die DDR sonnte sich angesichts der ungleichen Kräfteverhältnisse nicht lange in ihrem Erfolg. Trainer Buschner sagte bescheiden: "Wir sind nicht nach München gekommen, um eine Medaille zu holen, sondern hauptsächlich zur Vorbereitung auf die WM 74." An der würden zehn der Olympioniken teilnehmen, auf BRD-Seite nur Uli Hoeneß.

Bronze nach "frühem Gijon"

Die nicht angestrebte Medaille brachte die DDR doch mit nach Hause, auf sehr kuriose Weise. Im Spiel um Platz 3 traf sie auf den großen Bruder Sowjetunion mit dem kommenden Weltstar Oleg Blochin aus Kiew. Es begann schlecht für die Deutschen. Blochin sorgte für das 1:0 (10.) der Russen. Dann schied Frank Ganzera verletzt aus und Churzilawa erhöhte nach einer halben Stunde auf 2:0. Doch kurz darauf gab es Handelfmeter und Hans-Jürgen Kreische verkürzte (33.).

Nach der Pause stach wie schon gegen die BRD Joker Vogel, nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung mit einem satten 30-Meter-Schuss (78.). So stand es nach 90 Minuten 2:2. Die 75.000 Zuschauer, die sich auf eine dramatische Verlängerung freuten, wurden indes bitter enttäuscht. Was an den FIFA-Modalitäten lag, die weder einen Losentscheid noch ein damals zum Beispiel im DFB-Pokal schon übliches Elfmeterschießen vorsahen. Vielmehr galt die Regel: bei Gleichstand gab es zwei Sieger.

Da taten sich die sozialistischen Brüderstaaten nicht mehr sonderlich weh. Der Niedersachsen Sport schrieb: "In der Verlängerung spielten beide Mannschaften betont auf Sicherheit, riskierten überhaupt nichts mehr und hielten minutenlang den Ball in den eigenen Reihen. Die Quittung der aufgebrachten Zuschauer waren Pfuirufe, 'aufhören, aufhören' und ein schrilles Pfeifkonzert für diese auf Erhalt der Bronze-Chancen zielende Taktik." Kreische gestand noch dieser Tage dem kicker: "Wir haben uns vorher nichts geschenkt, aber am Ende des Spiels wollten beide Mannschaften Bronze nicht mehr verlieren." Ein frühes Gijon…

Die Bronzesieger 1972

Croy - M. Zapf, Ganzera (20. Kurbjuweit), Weise, Bransch - Pommerenke, Seguin, Kreische (75. Vogel) - Sparwasser, P. Ducke, Streich.

Ebenfalls eingesetzt im Turnierverlauf: Wätzlich, Schulenberg, Irmscher.

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