Vor 45 Jahren: Turbine Potsdam gegründet

Immer auf der Suche nach Talenten

Schröder war ständig auf der Suche nach Talenten. Dabei konzentrierte er sich nicht nur auf andere Vereine, sondern auch auf Leichtathletinnen, die verschiedentlich von den Kaderschmieden aussortiert wurden. Die Läuferin Sabine Seidel zum Beispiel wurde nach entsprechenden Lockrufen eine extrem starke Außenstürmerin und später in zahlreichen Funktionen für Turbine aktiv. Von der Schlüsselspielerin über die Platzwartin bis hin zur Mädchentrainerin, später sogar bis zur Betreuerin von DFB-Nachwuchsauswahlen.

An ihre erste Reise zu Turbine Potsdam im Februar 1983 kann sich Simone Römhold (später Thomas, danach Diestel), zuvor Mittelstürmerin bei Motor Halle, noch ganz genau erinnern: "Der Bus von Halle nach Potsdam hat an 167 Stationen gehalten. Ich habe die damals alle mitgezählt." 17-jährig hatte sie Schröders langem und hartnäckigen Werben bei einem Hallenturnier im Dezember davor in Schwarzenberg, dem damals größten in der DDR, nachgegeben. "Bei einem Gespräch auf der Herrentoilette wurde der Wechsel zu Turbine perfekt", erinnert sie sich.

Schröder erklärte sein Interesse: "Simone wurde eine unserer Schlüsselspielerinnen, die den unbedingten Willen zum Siegen hatten. Sie konnte außerdem technisch und läuferisch sofort in Mittelfeld und Angriff eingesetzt werden." Mit einer gehobenen Position im Energiekombinats konnte er gut Arbeitsplätze und Wohnungen besorgen. Geld allerdings war zu jener Zeit knapp und jedwede Eigeninitiative gefragt.

Erster DDR-Titel 1981, Bundesligaaufstieg 1994

1981 gab es den ersten von sechs DDR-Titeln, im heimischen Babelsberg vor Chemie Wolfen und Chemie Leipzig. Der Fall der Berliner Mauer hatte Konsequenzen: Am 1. Januar 1990 wurde die BSG in den SSV Turbine Potsdam überführt. Der düpierte wenige Tage später beim ersten Auftritt im Westen die gesamte Elite bei einem Hallenturnier in Hagen mit dem Turniersieg.

Langsam begannen Westvereine, sich für die Spielerinnen von Turbine zu interessieren. Viele Versprechungen aber waren Luftschlösser. Turbine litt darunter mehrere Jahre, denn die Öffnung war nur in Westrichtung interessant. Nach Osten zog es zunächst niemand. Der Bundesligaaufstieg gelang letztlich erst im Sommer 1994 in die damalige Nordstaffel und 1997/1998 in die neu geschaffene Eingleisigkeit. 1999 verselbständigten sich die Frauen vom SSV zum FFC Turbine. Der erste Meistertitel beim DFB datiert aus der Saison 2003/2004. In der nächsten Dekade folgte mindestens ein Titel pro Jahr und Turbine entwickelte sich, tief verwurzelt in der Stadt, zu einem Krösus, vergleichbar mit dem 1. FFC Frankfurt.

Erste Legionärinnen kamen aus Russland

Inzwischen wurde Turbine bundesweit ohne "Ostmakel" akzeptiert. Vielleicht war es der Wechsel von Nationalspielerin Ariane Hingst aus Berlin 1995, der das Eis zu brechen half. Erste internationale Stars im Turbine-Dress waren 1994 Russinnen: Irina Grigoriewa, Tatjana Jegorowa und Kula Botaschowa, nachdem wenige Monate zuvor Veronika Pimenowa und Natalia Bunduki angekommen waren. Bunduki stammt eigentlich aus Moldawien, war dort vor ihrer Fußballkarriere auch Speerwerferin.

Längst haben zahlreiche Stars den Turbine-Dress getragen, von den späteren Weltfußballerinnen Nadine Angerer und Nadine Keßler bis hin zu internationalen Stars aus verschiedenen Kontinenten, wie etwa Brasiliens Cristiane, Japans Yuki Ogimi oder Genoveva Anonma aus Äquatorialguinea. Daran freilich hatte am 3. März 1971 wohl noch niemand gedacht.

[rh]


Der 1. FFC Turbine Potsdam gehört zu den erfolgreichsten Frauenfußballklubs in Deutschland. Die nationale Siegesliste des Teams, das 2005 den UEFA-Women's Cup und 2010 die Champions League gewinnen konnte, ist bei den Frauen wie bei den Mädchen ellenlang. Mit zehn Titeln bei den B-Juniorinnen ist der Verein sogar Deutscher Rekordmeister. Die Frauen brachten es bislang auf sechs Deutsche Meisterschaften, drei DFB-Pokalsieger, sieben Gewinne des DFB-Hallencups und vor der Einordnung in den DFB zu DDR-Zeiten auf sechs Titel und zwei Silberränge. Zu damaligen Zeiten wurden die Titel in Turnierform durch die Bezirksbesten als sogenannte "Bestenermittlung" ausgetragen.

Gegründet haben sich die Potsdamer Fußballfrauen vor 45 Jahren, genau: am 3. März 1971. Bis zu jenem Datum nämlich gab es eine handgeschrieben Mitteilung am Schwarzen Brett des VEB Energieversorgung in Potsdam in der Hauptverwaltung, Berliner Straße 10. "Gründen Frauen Fußball Mannschaft. Bitte melden. 3. März 1971. 18 Uhr im Klubhaus 'Walter Junker'". "BSG Turbine Potsdam Sektion Fußball“ stand darauf. Dieser Zettel hing dort unbehelligt seit der Jahreswende. Wer genau ihn aufgehängt hat, ist unklar. Aber die Idee entstand eindeutig auf der Betriebsfeier zum Jahresende zuvor. Dort wurde viel getrunken, diskutiert und kritisiert. Auch das schwache Abschneiden des männlichen Fußballteams. Ob Frauen wohl besser kicken könnten anstatt zu meckern?

Spontaner Entschluss: Bernd Schröder wird Trainer

Jedenfalls fanden sich an besagtem 3. März zahlreiche junge Frauen am Versammlungsort ein, wie Bernd Schröder feststellte. Der wollte als mit 29 Jahren noch junger Kollege, in Freiberg lebend, eigentlich nur in der Kantine essen. Angesichts allgemeiner Ratlosigkeit unter den Anwesenden fasste Schröder, ehemals Torhüter unter anderem bei Lok Leipzig und Stahl Silbitz, einen folgenschweren Entschluss. Jedenfalls fand am Abend darauf ein erstes Training mit 38 Frauen und Mädchen in einer Sporthalle in der damaligen "Straße der Jugend" statt.

Aus der Schnapsidee wurde ernst, und in der örtlichen Brandenburgischen Neuesten Nachrichten war dieses ungewohnte Treiben dann zu lesen. Warum Schröder Trainer wurde? "Es waren so viele junge Frauen da, die konnte ich nicht hängen lassen, als ich gefragt wurde", so Schröder. Nein sagen konnte Schröder schon damals nicht wirklich. Jedenfalls stand er fortan im Zwiespalt seiner Gefühle. Er wollte niemanden als untalentiert aussortieren, wusste aber auch, dass nur ein gewisses Engagement zum Erfolg führen würde. Also nahm er seine Schützlinge in der Folge ziemlich ran. Es blieben dennoch genügend Turbinen für ein Team.

Am 25. Mai 1971 dann das erste Spiel. Bei Empor Tangermünde gab es ein 3:0. Am 12. Juni das erste Heimspiel, wieder gegen Tangermünde. Turbine siegte 5:1. Erst Ende des Jahres gab es beim 1:2 in Halberstadt die erste Niederlage im 13. Spiel. Ein Jahr später gewann Turbine die erstmals ausgespielte Bezirksmeisterschaft überlegen. ###more###

Immer auf der Suche nach Talenten

Schröder war ständig auf der Suche nach Talenten. Dabei konzentrierte er sich nicht nur auf andere Vereine, sondern auch auf Leichtathletinnen, die verschiedentlich von den Kaderschmieden aussortiert wurden. Die Läuferin Sabine Seidel zum Beispiel wurde nach entsprechenden Lockrufen eine extrem starke Außenstürmerin und später in zahlreichen Funktionen für Turbine aktiv. Von der Schlüsselspielerin über die Platzwartin bis hin zur Mädchentrainerin, später sogar bis zur Betreuerin von DFB-Nachwuchsauswahlen.

An ihre erste Reise zu Turbine Potsdam im Februar 1983 kann sich Simone Römhold (später Thomas, danach Diestel), zuvor Mittelstürmerin bei Motor Halle, noch ganz genau erinnern: "Der Bus von Halle nach Potsdam hat an 167 Stationen gehalten. Ich habe die damals alle mitgezählt." 17-jährig hatte sie Schröders langem und hartnäckigen Werben bei einem Hallenturnier im Dezember davor in Schwarzenberg, dem damals größten in der DDR, nachgegeben. "Bei einem Gespräch auf der Herrentoilette wurde der Wechsel zu Turbine perfekt", erinnert sie sich.

Schröder erklärte sein Interesse: "Simone wurde eine unserer Schlüsselspielerinnen, die den unbedingten Willen zum Siegen hatten. Sie konnte außerdem technisch und läuferisch sofort in Mittelfeld und Angriff eingesetzt werden." Mit einer gehobenen Position im Energiekombinats konnte er gut Arbeitsplätze und Wohnungen besorgen. Geld allerdings war zu jener Zeit knapp und jedwede Eigeninitiative gefragt.

Erster DDR-Titel 1981, Bundesligaaufstieg 1994

1981 gab es den ersten von sechs DDR-Titeln, im heimischen Babelsberg vor Chemie Wolfen und Chemie Leipzig. Der Fall der Berliner Mauer hatte Konsequenzen: Am 1. Januar 1990 wurde die BSG in den SSV Turbine Potsdam überführt. Der düpierte wenige Tage später beim ersten Auftritt im Westen die gesamte Elite bei einem Hallenturnier in Hagen mit dem Turniersieg.

Langsam begannen Westvereine, sich für die Spielerinnen von Turbine zu interessieren. Viele Versprechungen aber waren Luftschlösser. Turbine litt darunter mehrere Jahre, denn die Öffnung war nur in Westrichtung interessant. Nach Osten zog es zunächst niemand. Der Bundesligaaufstieg gelang letztlich erst im Sommer 1994 in die damalige Nordstaffel und 1997/1998 in die neu geschaffene Eingleisigkeit. 1999 verselbständigten sich die Frauen vom SSV zum FFC Turbine. Der erste Meistertitel beim DFB datiert aus der Saison 2003/2004. In der nächsten Dekade folgte mindestens ein Titel pro Jahr und Turbine entwickelte sich, tief verwurzelt in der Stadt, zu einem Krösus, vergleichbar mit dem 1. FFC Frankfurt.

Erste Legionärinnen kamen aus Russland

Inzwischen wurde Turbine bundesweit ohne "Ostmakel" akzeptiert. Vielleicht war es der Wechsel von Nationalspielerin Ariane Hingst aus Berlin 1995, der das Eis zu brechen half. Erste internationale Stars im Turbine-Dress waren 1994 Russinnen: Irina Grigoriewa, Tatjana Jegorowa und Kula Botaschowa, nachdem wenige Monate zuvor Veronika Pimenowa und Natalia Bunduki angekommen waren. Bunduki stammt eigentlich aus Moldawien, war dort vor ihrer Fußballkarriere auch Speerwerferin.

Längst haben zahlreiche Stars den Turbine-Dress getragen, von den späteren Weltfußballerinnen Nadine Angerer und Nadine Keßler bis hin zu internationalen Stars aus verschiedenen Kontinenten, wie etwa Brasiliens Cristiane, Japans Yuki Ogimi oder Genoveva Anonma aus Äquatorialguinea. Daran freilich hatte am 3. März 1971 wohl noch niemand gedacht.