Vor 25 Jahren: Jena und Aue erweitern die Frauen-Bundesliga

Boom in Jena

Der Erfolg für Uni Jena kommt nicht von ungefähr. "Die Mannschaft war über drei Jahre zusammengewachsen und konnte in dieser Struktur nahezu unverändert alle Spiele bestreiten", erklärte Trainer Hugo Weschenfelder damals. Der 1996 verstorbene Coach spielte selbst für Motor Jena in der DDR-Oberliga. Da er eine Stelle als Hochschulsportlehrer an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena bekam, beendete er seine Fußballkarriere. 1972 begründete er den Jenaer Frauenfußball, indem er in der Universitätszeitung junge Frauen aufrief, sich zum Fußball zu melden.

Verletzungen gab es in Jenas Meistersaison nicht, dafür aber personelle Zuwächse. Beim USV herrschte eine Art Boom. Eine optimale materiell-technische Ausstattung fürs Training, den Platz, selbst den Mannschaftsbus führte Weschenfelder als weitere Gründe für den Ligagewinn auf. "Das viermal wöchentliche Training brachte Leistungszuwächse in allen Belangen, der uns anderen Mannschaften gegenüber deutlich in Vorteil brachte", so der Trainer. "Leistungsbereitschaft, Trainingsfleiß, voller Einsatz aller Spielerinnen und der unbedingte Wille, das große Ziel Bundesliga-Aufstieg und Meisterschaft zu erreichen, waren Motivation und Begründung zugleich für diesen Erfolg."

Mit Doreen Meier, Petra Weschenfelder und Heidi Vater hatten drei Jena-Spielerinnen das einzige DDR-Länderspiel bestritten. Kleine Notiz am Rande: Heidi Vater aus Apolda war damals auch DDR-Tennismeisterin im Doppel für Apoll Jena. 13-mal hatte Jenas Team in der Saison zu Null gewonnen, nur dreimal remisiert (2:2 gegen Aue, 0:0 gegen Potsdam und 1:1 gegen Chemnitz). Gegen Rostock gab es mit 0:1 die einzige Niederlage, höchster Sieg war das 8:1 über Magdeburg. Erfolgreichste Torschützin war mit zehn Treffern die 28 Jahre alte Postangestellte Susann Murr, gefolgt von Sylvia Michel (9), Heidi Vater (8), Doreen Meier (7), Petra Weschenfelder, Bärbel Friedel, Ines Waldhäusel (alle 4), Karen Brese (2) und Silke Blochwitz (1).

Erschwerte Bedingungen

Einen Bus, wie die Konkurrenz aus Jena ihn hatte, gab es für Aues Team zu damaligen Oberligazeiten noch nicht. Aber jede Menge Ehrgeiz, Herzblut und Einsatz. Trainer Dietmar Männel erklärt: "Wir sind mit dem Zug gefahren. Beispielsweise nach Rostock. Anstoß war am Sonntag um 11 Uhr. Da sind wir Samstagabend losgefahren, um gestiegen in Leipzig. Mitunter gab es keine Sitzplätze, sondern wir haben gestanden. Atemlos waren wir nicht, aber die ganze Nacht unterwegs. Morgens sind wir angekommen, haben noch eine Bockwurst auf dem Bahnsteig gegessen und sind schnell in Stadion gefahren mit der Straßenbahn. Um Mitternacht waren wir wieder zu Hause."

Auch die Trainingsmittel waren mit Jena nicht zu vergleichen. "Fast alles scheiterte am Geld", so Männel. "Unsere Bälle waren Klumpen. Wenn es regnete, waren die schwer wie Wackersteine. Aber wir waren damit zufrieden. Das war eben so. Da mussten wir halt durch."

Umso lobenswerter der Einsatz der Spielerinnen, zum Beispiel Anett Viertel, die auch beim DDR-Länderspiel zwischen den Pfosten stand. "Anett kam zu jedem Training aus Chemnitz auf ihrem Moped angereist. Solche Dinge sind heute überhaupt nicht mehr denkbar", erinnert sich Männel, der gerade seinen 77. Geburtstag daheim in Schneeberg im Freundeskreis und ehemaligen Spielerinnen gefeiert hat. Und heute zum Jubiläum ein wenig wehmütig an den 3. Juni 1991 denken wird.

[rh]


Der 3. Juni 1991 markiert einen historischen Einschnitt im Frauenfußball. An jenem Tag, heute vor 25 Jahren, fand der 18. und letzte Spieltag in der Oberliga Nordost statt. Die Teams von Uni Jena als Meister und Wismut Aue als Tabellenzweiter stiegen zur Saison 1991/1992 in die Bundesliga auf. Jena in die Staffel Nord, Aue in die Staffel Süd - als jeweils elftes Team in den beiden Staffeln des Oberhauses, das 1990/1991 die Debütsaison mit zweimal zehn Mannschaften gefeiert hatte und gegründet nach Bewerbungen von 32 Teams aus den einzelnen regionalen oberen Ligen.

Die Oberliga Nordost erlebte 1990/1991 ihre erste Saison überhaupt, zusammengestellt nach der Vereinigung der bei bisherigen beiden Verbände, sprich: der Eingliederung des DFV mit seinen Vereinen in den DFB. Es war eine Art Übergangssaison. Die beiden Zehnerstaffeln aus DDR-Zeiten wurden aufgrund der Resultate der letzten fünf Spielzeiten zusammengefasst zu einer Zehnerstaffel mit BSG Turbine Potsdam, BSG Post Rostock, BSG Motor Halle, SG Handwerk Magdeburg und Union Berlin als Nachfolger von KWO Berlin aus dem Norden sowie aus dem Süden Wismut Aue als Nachfolger der BSG Rotation Schlema, BSG Wismut Chemnitz (zuvor Karl-Marx-Stadt), SV Johannstadt Dresden 90 (ehemals BSG Aufbau Dresden-Ost), Concordia Erfurt (ehemals BSG Fortschritt Erfurt) und HSG Uni (heute USV) Jena.

Staffelleiterin war die Potsdamerin Sabine Seidel, die auch am Verhandlungstisch saß, als es galt, den deutsch-deutschen Frauenfußball zusammen zu führen. Über die Zahl der Ostteams für die neue Bundesliga wurde intensiv beratschlagt und verhandelt. Es gab verschiedene Überlegungen in der Kommission, deren entscheidende Leute auch heute noch das Sagen haben: Hannelore Ratzeburg aus Hamburg, heute DFB-Vizepräsidentin, und Margit Stoppa aus Berlin, heute Spielleiterin der Allianz Frauen-Bundesliga, als Gesprächspartnerin aus dem Osten.

Idee einer dritten Bundesliga-Staffel schnell vom Tisch

Sehr schnell zu den Akten gelegt wurde die Idee, aus dem Nordosten eine dritte Bundesliga-Staffel zu machen. Die Modelle, vier Teams aufsteigen zu lassen, je zwei in den Norden und in den Süden, unterlagen am Ende dem Beschluss, je ein Team zuzulassen. Die Spielerinnen aus Jena konnten die Saison klar für sich entscheiden, die am 16. September 1990 gestartet wurde. Gespielt wurden damals noch zweimal 40 Minuten. 150 Mark waren pro Team als Startgebühr für die Liga zu zahlen. Am Ende bedeuteten 31:5 Punkte und 49:5 Tore aus 18 Spieltagen den Meistertitel für Jena. Aue folgte mit 29:7 Punkten und 67:15 Toren als Vize einen Punkt vor Turbine Potsdam, das wiederum acht Zähler vor Post Rostock auf Platz drei das Ziel verfehlte.

Zu viele Abgänge in den Westen hatten damals das Team des erst kürzlich nach 45 Dienstjahren in den Ruhestand getretenen Trainers Bernd Schröder geschwächt. Torhüterin Ines Kulick zum Beispiel war zum damaligen Megateam TSV Siegen abgewandert, Abwehrchefin Beate Reuer und Jaqueline Seyde zu TuS Ahrbach in den Westerwald. Das konnte selbst das erfolgreichste Team des Ostens, damals auch Finanzkrösus mit rund 100.000 Mark, nicht verkraften, trotz der Rückenstärkung im Hintergrund von Leichtathletikmeisterin Ulrike Bruns, der ehemaligen Hallen-Europameisterin über 800 Meter und Olympiateilnehmerin der Spiele 1976 in Montreal.

Auch Rostocks Frauen hatten Hilfestellung einer Leichtathletin: Die legendäre Leichtathletin Marita Koch mit ihrem Sportgeschäft trat als Sponsorin auf, hatte sogar eine Erfolgsprämie ausgelobt. "Ich habe selbst am eigenen Leib erfahren, daß ohne Unterstützung nichts läuft", wertete die einstige Weltklassesprinterin damals ihr Engagement als Beitrag zur Emanzipation gegenüber den Randsportarten in der Medienwelt und öffentlichen Wahrnehmung. "Frauen haben es ohnehin schwerer, ihren Sport darzustellen. Ich finde das ziemlich ungerecht. Dabei gibt es etwa im Frauenfußball viele Idealistinnen, die es verdient haben, unterstützt zu werden."

###more###

Boom in Jena

Der Erfolg für Uni Jena kommt nicht von ungefähr. "Die Mannschaft war über drei Jahre zusammengewachsen und konnte in dieser Struktur nahezu unverändert alle Spiele bestreiten", erklärte Trainer Hugo Weschenfelder damals. Der 1996 verstorbene Coach spielte selbst für Motor Jena in der DDR-Oberliga. Da er eine Stelle als Hochschulsportlehrer an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena bekam, beendete er seine Fußballkarriere. 1972 begründete er den Jenaer Frauenfußball, indem er in der Universitätszeitung junge Frauen aufrief, sich zum Fußball zu melden.

Verletzungen gab es in Jenas Meistersaison nicht, dafür aber personelle Zuwächse. Beim USV herrschte eine Art Boom. Eine optimale materiell-technische Ausstattung fürs Training, den Platz, selbst den Mannschaftsbus führte Weschenfelder als weitere Gründe für den Ligagewinn auf. "Das viermal wöchentliche Training brachte Leistungszuwächse in allen Belangen, der uns anderen Mannschaften gegenüber deutlich in Vorteil brachte", so der Trainer. "Leistungsbereitschaft, Trainingsfleiß, voller Einsatz aller Spielerinnen und der unbedingte Wille, das große Ziel Bundesliga-Aufstieg und Meisterschaft zu erreichen, waren Motivation und Begründung zugleich für diesen Erfolg."

Mit Doreen Meier, Petra Weschenfelder und Heidi Vater hatten drei Jena-Spielerinnen das einzige DDR-Länderspiel bestritten. Kleine Notiz am Rande: Heidi Vater aus Apolda war damals auch DDR-Tennismeisterin im Doppel für Apoll Jena. 13-mal hatte Jenas Team in der Saison zu Null gewonnen, nur dreimal remisiert (2:2 gegen Aue, 0:0 gegen Potsdam und 1:1 gegen Chemnitz). Gegen Rostock gab es mit 0:1 die einzige Niederlage, höchster Sieg war das 8:1 über Magdeburg. Erfolgreichste Torschützin war mit zehn Treffern die 28 Jahre alte Postangestellte Susann Murr, gefolgt von Sylvia Michel (9), Heidi Vater (8), Doreen Meier (7), Petra Weschenfelder, Bärbel Friedel, Ines Waldhäusel (alle 4), Karen Brese (2) und Silke Blochwitz (1).

Erschwerte Bedingungen

Einen Bus, wie die Konkurrenz aus Jena ihn hatte, gab es für Aues Team zu damaligen Oberligazeiten noch nicht. Aber jede Menge Ehrgeiz, Herzblut und Einsatz. Trainer Dietmar Männel erklärt: "Wir sind mit dem Zug gefahren. Beispielsweise nach Rostock. Anstoß war am Sonntag um 11 Uhr. Da sind wir Samstagabend losgefahren, um gestiegen in Leipzig. Mitunter gab es keine Sitzplätze, sondern wir haben gestanden. Atemlos waren wir nicht, aber die ganze Nacht unterwegs. Morgens sind wir angekommen, haben noch eine Bockwurst auf dem Bahnsteig gegessen und sind schnell in Stadion gefahren mit der Straßenbahn. Um Mitternacht waren wir wieder zu Hause."

Auch die Trainingsmittel waren mit Jena nicht zu vergleichen. "Fast alles scheiterte am Geld", so Männel. "Unsere Bälle waren Klumpen. Wenn es regnete, waren die schwer wie Wackersteine. Aber wir waren damit zufrieden. Das war eben so. Da mussten wir halt durch."

Umso lobenswerter der Einsatz der Spielerinnen, zum Beispiel Anett Viertel, die auch beim DDR-Länderspiel zwischen den Pfosten stand. "Anett kam zu jedem Training aus Chemnitz auf ihrem Moped angereist. Solche Dinge sind heute überhaupt nicht mehr denkbar", erinnert sich Männel, der gerade seinen 77. Geburtstag daheim in Schneeberg im Freundeskreis und ehemaligen Spielerinnen gefeiert hat. Und heute zum Jubiläum ein wenig wehmütig an den 3. Juni 1991 denken wird.

###more###