Von Traum bis Trauma: Europacupfinals auf deutschem Boden

Das Champions-League-Finale 2015 findet in Berlin statt, im Olympiastadion. Für DFB.de blickt der Autor und Historiker Udo Muras zurück auf Europapokalendspiele auf deutschem Boden.

Viel besser hätte die Geschichte der Europapokalfinals auf deutschem Boden kaum beginnen können. Am 3. Juni 1959 sah das Stuttgarter Neckarstadion das erste internationale Endspiel im 1955 gegründeten Europapokal der Landesmeister. Real Madrid, die größte Mannschaft jener Zeit, schickte sich an, ihn zum vierten Mal in Folge zu gewinnen und machte gegen Frankreichs Meister Stade Reims keinen Hehl daraus.

1955: Real siegt im Stuttgarter Neckarstadion

Es lief noch die erste Minute, als Real-Stürmer Mateos den Innenpfosten traf, von wo der Ball ins Tor sprang. Ein Auftakt nach Maß auch nach dem Empfinden der rund 65.000 Zuschauer, die zunächst leicht enttäuscht waren, den großen Ferenc Puskas nicht sehen zu können. Der Ungar, Kapitän der Vize-Weltmeister von 1954, war verletzt angereist und auch ein deutscher Arzt, zu dem ihn der damalige VfB-Trainer Georg Wurzer begleitete, konnte seinen Knöchel nicht mehr heilen.

Doch das Real der Fünfziger konnte selbst diesen Verlust verkraften, sie hatten ja auch noch einen Alfredo di Stefano und der sorgte für die Entscheidung in der 47. Minute. Dabei blieb es und die Kritiker überschlugen sich. "Wenn jede Woche bei uns solch ein Fußballspiel geboten würde, dann wäre jedes Spiel ausverkauft", gab das Sport Magazin den Tenor von den Rängen wieder. Auch die Gäste waren sehr zufrieden mit der Aufnahme. Die Real-Stars lobten ausdrücklich den Rasen und fuhren noch zwei Tage vor dem Finale zur Zerstreuung mit Sammeltaxis in den Schwarzwald.

Auch ein Abstecher ins Baden-Badener Spiel-Casino gehörte zur Spielvorbereitung der Königlichen. Die Atmosphäre im Stadion war eigentümlich, die Deutschen bildeten die schweigende Mehrheit, die Franzosen wurden von 10.000 Fans, darunter vielen Soldaten, Real von 2500 Anhängern unterstützt. "Als deutscher Betrachter muss man vergessen, dass hier keine eigene Mannschaft beteiligt ist. Die Begeisterung ist jedoch die gleiche", findet Hans Fiederer, Chef-Redakteur des Sport Magazins.

1967: Bayern-"Heimspiel" in Franken

In der Geschichte des Europapokals hat es 13 dieser Endspiele auf neutralem deutschem Boden gegeben, auch wenn 2012 die Bayern zufällig Heimvorteil hatten. Nicht immer waren es so gelungene Veranstaltungen wie zu Beginn. 1962 sah Stuttgart die kurzfristig angesetzte Wiederholung im Pokalsieger-Cup zwischen Atletico Madrid und AC Florenz und viele leere Ränge. Bundestrainer Sepp Herberger saß unter den 45.000, die eine einseitige Partie sahen. Atletico gewann mit 3:0.



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Das Champions-League-Finale 2015 findet in Berlin statt, im Olympiastadion. Für DFB.de blickt der Autor und Historiker Udo Muras zurück auf Europapokalendspiele auf deutschem Boden.

Viel besser hätte die Geschichte der Europapokalfinals auf deutschem Boden kaum beginnen können. Am 3. Juni 1959 sah das Stuttgarter Neckarstadion das erste internationale Endspiel im 1955 gegründeten Europapokal der Landesmeister. Real Madrid, die größte Mannschaft jener Zeit, schickte sich an, ihn zum vierten Mal in Folge zu gewinnen und machte gegen Frankreichs Meister Stade Reims keinen Hehl daraus.

1955: Real siegt im Stuttgarter Neckarstadion

Es lief noch die erste Minute, als Real-Stürmer Mateos den Innenpfosten traf, von wo der Ball ins Tor sprang. Ein Auftakt nach Maß auch nach dem Empfinden der rund 65.000 Zuschauer, die zunächst leicht enttäuscht waren, den großen Ferenc Puskas nicht sehen zu können. Der Ungar, Kapitän der Vize-Weltmeister von 1954, war verletzt angereist und auch ein deutscher Arzt, zu dem ihn der damalige VfB-Trainer Georg Wurzer begleitete, konnte seinen Knöchel nicht mehr heilen.

Doch das Real der Fünfziger konnte selbst diesen Verlust verkraften, sie hatten ja auch noch einen Alfredo di Stefano und der sorgte für die Entscheidung in der 47. Minute. Dabei blieb es und die Kritiker überschlugen sich. "Wenn jede Woche bei uns solch ein Fußballspiel geboten würde, dann wäre jedes Spiel ausverkauft", gab das Sport Magazin den Tenor von den Rängen wieder. Auch die Gäste waren sehr zufrieden mit der Aufnahme. Die Real-Stars lobten ausdrücklich den Rasen und fuhren noch zwei Tage vor dem Finale zur Zerstreuung mit Sammeltaxis in den Schwarzwald.

Auch ein Abstecher ins Baden-Badener Spiel-Casino gehörte zur Spielvorbereitung der Königlichen. Die Atmosphäre im Stadion war eigentümlich, die Deutschen bildeten die schweigende Mehrheit, die Franzosen wurden von 10.000 Fans, darunter vielen Soldaten, Real von 2500 Anhängern unterstützt. "Als deutscher Betrachter muss man vergessen, dass hier keine eigene Mannschaft beteiligt ist. Die Begeisterung ist jedoch die gleiche", findet Hans Fiederer, Chef-Redakteur des Sport Magazins.

1967: Bayern-"Heimspiel" in Franken

In der Geschichte des Europapokals hat es 13 dieser Endspiele auf neutralem deutschem Boden gegeben, auch wenn 2012 die Bayern zufällig Heimvorteil hatten. Nicht immer waren es so gelungene Veranstaltungen wie zu Beginn. 1962 sah Stuttgart die kurzfristig angesetzte Wiederholung im Pokalsieger-Cup zwischen Atletico Madrid und AC Florenz und viele leere Ränge. Bundestrainer Sepp Herberger saß unter den 45.000, die eine einseitige Partie sahen. Atletico gewann mit 3:0.

Ungleich spannender ging es im selben Wettbewerb 1967 zu, als Bayern München in Nürnberg gegen die Glasgow Rangers quasi ein Heimspiel hatte. Der Austragungsort war Monate zuvor festgelegt worden und behagte den Schotten natürlich weniger, immerhin 5000 Anhänger kamen dennoch mit ins Franken-Stadion. Einige, erzählte Radioreporter Oskar Klose seinen Hörern, "stiegen schon im Vollrausch aus der Chartermaschine, ohne überhaupt zu wissen, wo sie sind."

Diese Anhänger verpassten ein faszinierendes Spiel. Der FC Bayern gewann am 31. Mai 1967 seinen ersten Europapokal, in der Verlängerung, durch ein artistisches Tor von Franz "Bulle" Roth. Das Gros der 69.500 Zuschauer raste und nach dem Abpfiff stürmten viele den Platz. Trainer Tschik Cajkovski bedankte sich bei den überwiegend fränkischen Zuschauern für ihr Bayern-Herz: "Und wir bitten um Entschuldigung, dass wir von den Ehrenrunden absehen mussten. Die Spieler versuchten es zweimal, sich von den Zuschauern zu verabschieden. Aber sie mussten in die Kabine flüchten, ihre Gesundheit stand auf dem Spiel."

1979: Magerkost zwischen Nottingham und Malmö in München

Weniger enthusiastisch wurde fast genau zwölf Jahre später der englische Klub Nottingham Forest bejubelt. Die Briten hatten im Halbfinale den 1. FC Köln ausgeschaltet, sonst wäre die Finalpaarung für das Münchner Publikum sicher etwas interessanter gewesen. 57.000 fanden sich am 30. Mai 1979 im Olympiastadion ein um den englischen und den schwedischen Meister zu sehen. Malmö FF war krasser Außenseiter und Nottingham hatte auch die größere Unterstützung: 20.000 englische Fans kamen nach München. Sie sahen nur ein Tor, Trevor Francis traf quasi mit dem Pausenpfiff, mehr war nicht zu vermelden. "Dieses 24. Finale wird als eines der schwächsten Endspiele in die Geschichte eingehen", befand der Kicker.

Doch immerhin stimmte der Rahmen noch einigermaßen. Das konnte man von der Partie, die am 13. Mai 1981 im Düsseldorfer Rheinstadion stattfand, nicht sagen. Hier trafen die Pokalsieger der DDR, Carl Zeiss Jena, und der Sowjetunion, Dynamo Tiflis, aufeinander. Acht Jahre hatten sich die Düsseldorfer bei der UEFA um ein Endspiel bemüht und nun trafen zwei eher unattraktive Ostblock-Mannschaften aufeinander. Mit Schlachtenbummlern war kaum zu rechnen in Zeiten des Kalten Krieges, Jena wurde immerhin von 1000 Fans unterstützt. Insgesamt verloren sich nur 9000 Menschen im Stadion, die TV-Übertragung tat ihr Übriges.

Jena ging nach einer Stunde sogar in Führung, verlor aber doch noch mit 1:2. Auf der Bank von Carl Zeiss saß ein gewisser Hans Meyer. Der größte Tag der Klubgeschichte von Carl Zeiss Jena hätte sicher mehr Resonanz verdient, es war ein gutes Endspiel – nur leider zur falschen Zeit am falschen Ort.

1988: Stuttgarts drittes Europapokalfinale

1988 sah Stuttgart schon sein drittes Europapokalfinale und diesmal gab es keine Probleme mit der Kulisse. Das Landesmeisterfinale zwischen dem PSV Eindhoven und Benfica Lissabon verfolgten 70.000 Menschen, darunter 35.000 Holländer und 15.000 Portugiesen. Die Polizei fürchtete in Zeiten des Hooliganismus Ausschreitungen und setzte 1500 Beamte ein, hatte aber wenig zu tun und freute sich über über Verbrüderungsszenen. Über das Spiel freuten sich nur Freunde des Rasenschachs, nach 120 Minuten stand es noch immer 0:0 und erst im Elfmeterschießen fielen Tore. PSV gewann mit 6:5, Trainer Guus Hiddink gewann seinen ersten Europapokal.

Kaum besser war das Niveau im ersten offiziellen Champions League-Finale überhaupt – 1993 zwischen Olympique Marseille und dem AC Mailand. Es fand in München statt. "Dem Spiel fehlte die Kreativität, das Ideenreichtum", analysierte Franz Beckenbauer. Es fiel nur ein Tor – für Außenseiter Marseille, dem schon deshalb die Sympathien galten, weil Rudi Völler dessen Trikot trug.

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1997: Dortmund jubelt in München

Nur in Superlativen spricht man dagegen noch heute vom dritten Münchner Europacup-Finale 1997. In der Champions League standen sich vor 69.000 Zuschauern Borussia Dortmund und Juventus Turin gegenüber. Der "Heimvorteil" der Schwarz-Gelben änderte wenig an der Favoritenrolle der Italiener. Aber Karl-Heinz Riedle köpfte zwei Treffer und nach dem Anschlusstor del Pieros sorgte ein 20-Jähriger alsbald wieder für Entspannung. 14 Sekunden war Lars Ricken gerade auf dem Feld, da nahm er einen aufspringenden Ball mit dem ersten Kontakt volley und schlenzte ihn aus rund 25 Metern über Peruzzi ins Tor. Das war die Entscheidung, der Pott blieb im Lande, nicht aber in der Stadt.

Vier Jahre später war Dortmund selbst Gastgeber eines Europacup-Finales – eines mit rasantem Verlauf. Der FC Liverpool forderte im Uefa-Cup den spanischen Emporkömmling CD Alaves. 50.000 Zuschauer sahen ein unglaublich dramatisches 5:4 nach Verlängerung für die Engländer, in deren Reihen mit Markus Babbel und Dietmar Hamann zwei Deutsche standen.

Babbel war das frühe 1:0 gelungen und noch zur Pause (3:1) sprach alles für die "Reds". Doch Moreno glich per Doppelschlag aus und selbst Fowlers 4:3 konterte Alaves – Jordi Cruyff, der Sohn des großen Holländers Johann Cruyff, köpfte mit Abpfiff das 4:4. Erst ein Eigentor beendete die wilde Jagd in der 117. Minute. So sah Dortmund das einzige Europacup-Finale, das durch ein Golden Goal entschieden wurde.

2004: Mourinho triumphiert mit Porto "auf Schalke"

Drei Jahre später stieg das nächste Finale beim Rivalen Schalke 04. In der neuen Veltins-Arena kämpften AS Monaco und der FC Porto um die Champions League. Obwohl beide Klubs nicht sonderlich populär waren, war die Partie wieder ausverkauft. Franz Beckenbauer fand angesichts des Favoritensterbens in der Saison 2003/2004 ohnehin: "Es tut gut, wenn nicht immer die Gleichen vorne sind." Ganz vorne war am Ende Porto, das 3:0 gewann. Auf der Bank des Siegers saß ein gewisser Jose Mourinho.

2010 träumte der HSV bis wenige Wochen vor Saisonende vom Europa-League-Finale im eigenen Stadion, dann unterlag er im Halbfinale dem FC Fulham. Die Engländer hatten am 12. Mai 2010 aber auch kein Glück und mussten sich in der Verlängerung Atletico Madrid 1:2 geschlagen geben. Beide Tore erzielte der blonde Uruguayer Forlan.

2012: Münchner "Drama dahoam"

Bliebe noch das durch seine tragischen Momente schon legendär gewordene "Finale dahoam" der Bayern am 19. Mai 2012 in der Champions League. Gegen Chelsea führten die hochüberlegenen Bayern ab der 83. Minute dank eines Kopfballs von Thomas Müller 1:0, doch die Freude währte nicht lange: nach einer Ecke glich Didier Drogba per Kopf aus, es war die einzige Chance der Engländer. In der Verlängerung vergab Arjen Robben dann einen Elfmeter, Petr Cech parierte seinen Schuss (95.) und auch im Elfmeterschießen gaben die Bayern den Vorteil, der nach Matas Fehlschuss entstand, aus der Hand.

Ivica Olic und Bastian Schweinsteiger zeigten Nerven, Cechs Fingerkuppen lenkten den Ball des deutschen Nationalspielers an den Pfosten. Dann überwand Didier Drogba Manuel Neuer, der in Ermangelung mutiger Kollegen zuvor selbst schon einen Elfmeter geschossen hatte. Es half nichts, Chelsea gewann im Wohnzimmer der Bayern die Champions League. Ein viel dramatischeres Finale kann es auf deutschem Boden kaum noch geben, wohl aber eines mit besserem Ausgang.