Vogts: "Bayern gegen Gladbach immer Saisonhöhepunkt"

Vogts: Ich weiß es nicht. Wir haben immer wieder alles versucht. Sind mal Donnerstag mit dem Bus angereist, dann freitags geflogen oder mit der Bahn unterwegs nach München gewesen. Haben immer wieder das Hotel gewechselt, weshalb, übertrieben gesagt, damals in München so viele neue erstklassige Hotels entstanden sind. Mal haben wir mit drei Spitzen gespielt, mal mit einer. Haben immer wieder was Neues probiert. Und sind immer wieder dort auf die Nase geflogen.

DFB.de: 1979 ging Ihre Spielerkarriere ebenso endgültig zu Ende wie Gladbachs Höhenflug in der Bundesliga. Bei Ihnen nach einer schweren Fußverletzung, bei der Borussia mit einer fatalen 1:7-Heimniederlage ausgerechnet gegen Bayern München. Wie beurteilen Sie diese Situation heute im Rückblick?

Vogts: In jener Saison und schon im Jahr zuvor hatte die Borussia ihren Erfolgsweg verlassen. Man hatte das Scouting nicht mehr richtig vorangetrieben und nicht mehr den starken Draht für die Zusammenstellung der Mannschaft mit jungen Spielern gefunden. Ausgenommen die Verpflichtung des jungen Lothar Matthäus, von dem ich sofort überzeugt war, dass er ein Knaller wird. Udo Lattek war ein Trainer, der es gewohnt war, nur mit fertigen Spielern zu arbeiten. Lattek sollte entlassen werden, ich war verletzt und sagte Grashoff, so lange ich hier Kapitän bin, wird in Gladbach kein Trainer entlassen.

DFB.de: Wie haben Sie das 1:7 im März 1979 auf dem Bökelberg miterlebt?

Vogts: Auf der Tribüne. Ich konnte nach meinem Fußbruch in der Saisonvorbereitung bis dahin kein Spiel bestreiten. Wir gerieten nach dieser Abfuhr endgültig in Abstiegsgefahr. Helmut Grashoff bat mich dann, bei den letzten fünf Spielen noch mal aufzulaufen. Wir haben gleich drei Spiele in Folge gewonnen und waren gerettet. Das war es dann für mich als Spieler in der Bundesliga.

DFB.de: Wie sehen Sie jetzt die Ausgangssituation vor dem 91. Bundesligaduell zwischen Bayern München und Borussia Mönchengladbach?

Vogts: Borussias Pokalniederlage in Darmstadt hat sicherlich sehr wehgetan - auch in Sachen Selbstvertrauen vor so einem Spiel wie jetzt gegen Bayern. Dazu kommt der Münchner 5:1-Finalsieg kürzlich beim Telekom-Cup. Ich hoffe aber gerade deswegen auf eine Trotzreaktion der Spieler, dass sie mutig sind und mit ihren schnellen Stürmern den Bayern solche Stiche versetzen, dass die große Überraschung mit einem Unentschieden möglich sein wird.

DFB.de: Wie lautet generell Ihr Saisonausblick für Mönchengladbach und Bayern?



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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014. Heute: Berti Vogts über die Rivalität zwischen dem FC Bayern und Borussia Mönchengladbach in den 70er-Jahren - das historische Interview.

Bestimmt heutzutage das Duell zwischen Bayern München und Borussia Dortmund das Geschehen an der Spitze der Bundesliga, so drückte in den 1970er-Jahren der Zweikampf zwischen den Bayern und Borussia Mönchengladbach der höchsten Spielklasse seinen Stempel auf. Fünfmal wurde die Borussia und viermal der FC Bayern zwischen 1969 und 1977 Deutscher Meister. Immer dabei war Berti Vogts, der 419-mal, so häufig wie kein anderer Gladbacher, für die Borussia zwischen 1965 und 1979 in der Bundesliga spielte.

Vor dem Start der 51. Bundesligasaison, die am Freitag (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) mit dem Klassiker Bayern gegen Gladbach eröffnet wird, blickt Berti Vogts auf den legendären Schlagabtausch der 70er-Jahre zurück. Im DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteur Wolfgang Tobien beschreibt der 96-malige Nationalspieler und spätere Bundestrainer, der heute als Nationaltrainer in Aserbaidschan arbeitet, denkwürdige Momente, die großen Unterschiede der beiden Klubs sowie das Ende jener Ära. Und der 66-Jährige äußert sich über die Münchner und Mönchengladbacher Perspektiven für die neue Saison.

DFB.de: Bayern gegen Gladbach - welche Bedeutung hatte für Sie dieser Dauerhit während Ihrer langjährigen Karriere als Bundesligaspieler?

Berti Vogts: Er war in jenem Jahrzehnt sicherlich immer wieder der Höhepunkt der Saison. Wir waren damals die beiden Topklubs in Deutschland, die sich unterm Strich die Meisterschaft friedlich teilten. Fünfmal wir, viermal die Bayern. Und zwischen uns bestand nicht die Rivalität, die man angesichts der Konkurrenzsituation an der Spitze des damaligen Fußballgeschehens in Deutschland eigentlich hätte erwarten können. Im Gegenteil, wir mochten uns und freuten uns jedes Mal auf dieses Gipfeltreffen - die Bayern noch stärker, weil sie häufiger gegen uns gewonnen haben.

DFB.de: Welches war für Sie das denkwürdigste dieser Gipfeltreffen in den 70er-Jahren?

Vogts: Spontan fällt mir das letzte Spiel der Saison im Mai 1977 ein. Es war ja zugleich auch das letzte von Franz Beckenbauer vor seinem Abschied zu Cosmos New York. Mit Udo Lattek als Trainer, der von den Bayern gekommen war, fuhren wir mit dem 2:2 in München unsere fünfte und bis heute letzte Deutsche Meisterschaft ein, standen sogar angesichts einer 2:0-Führung so nah wie nie zuvor vor dem ersten Auswärtssieg in München. Leider folgte ein bitterer Nachgeschmack.

DFB.de: Welcher?

Vogts: Wir blieben in München, um von dort weiterzufliegen nach Rom zum Finale im Europapokal der Landesmeister gegen Liverpool. Udo Lattek kannte gute Lokale in München, wir sind im gefolgt, feierten unseren Meistertitel und verloren dann kurz danach gegen Liverpool 1:3. Im Nachhinein wäre es besser gewesen, gleich weiterzufliegen nach Rom, oder erst einmal heimzukehren nach Mönchengladbach und uns dort vorzubereiten. Stattdessen kam es zu diesem furchtbaren Kater gegen Liverpool.

DFB.de: Was unterschied die beiden Topteams, die in den Siebzigern die Bundesliga dominierten?

Vogts: Im Grunde war es damals schon, wie auch heute, kein Vergleich auf Augenhöhe. Schon damals waren wir meilenweit entfernt vom Budget und der Vereinsstruktur der Bayern. Wir waren ein kleiner, volksnaher Klub. Die Bayern waren dagegen die großen Bayern mit dem riesigen und damals neuen Olympiastadion im Rücken. Am Bökelberg hatten wir gerade mal rund 2500 Sitzplätze. Daran gemessen, haben die Verantwortlichen um Präsident Dr. Beyer, Geschäftsführer Helmut Grashoff und Trainer Hennes Weisweiler unglaublich viel aus diesem Klub gemacht. Das wir sportlich mit diesen tollen Talenten vom Niederrhein und aus Westdeutschland mithalten konnten, war das große Verdienst von Weisweiler - und von Günter Netzer als unserer Galionsfigur auf dem Spielfeld.

DFB.de: Gladbach gegen Bayern, das war zu Ihrer aktiven Zeit auch immer eine Massenveranstaltung hochkarätiger Nationalspieler. Welche Einzelleistung ist Ihnen bei diesen Duellen bis heute in Erinnerung geblieben?

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Vogts: Vor allem die Zweikämpfe mit Gerd Müller, gegen den ich sehr oft gespielt habe. Das war für den Gerd ebenso eine höchst unangenehme Angelegenheit gewesen wie für mich.

DFB.de: Hennes Weisweiler oder Udo Lattek - wer war der bessere der beiden Gladbacher Meistermacher bei der Titelsammlung zwischen 1970 und 1977?

Vogts: Diese Frage ist nicht ganz gerecht. Beide haben auf ihre Art viel für den Klub geleistet. Weisweiler hat sich mit der Aufbauarbeit unserer damaligen Fohlenelf enorme Verdienste erworben. Er hat alle diese jungen Spieler, Amateure und U-Nationalspieler gesichtet, geholt, integriert und geprägt. Lattek hatte es einfacher, weil er eine fertige und funktionierende Mannschaft vorfand. Ob Günter Netzer, Rainer Bonhof, Jupp Heynckes oder ich - noch heute sind wir alle geprägt von Weisweiler. Er war ein Verfechter der Offensive, während Udo Lattek, geprägt von Bayerns totalem Erfolgsdenken, ganz rational nur auf die zwei Punkte ausgerichtet war. Wo Weisweiler das 3:0 und 4:0 forderte, sagte Lattek: "Jungs sichert das 1:0 ab, haltet den Ball!" Die Art und Weise, mit der Jupp Heynckes in der vergangenen Saison das Triple mit dem FC Bayern erreicht hat, das war die moderne Spielphilosophie von Hennes Weisweiler. Natürlich auf einem viel, viel höherem Niveau in Sachen Schnelligkeit, Athletik und im taktischen Zusammenspiel.

DFB.de: Auch zu den besten Zeiten konnte Mönchengladbach nie im DFB-Pokal gegen den FC Bayern gewinnen - und erst nach 30 Bundesligajahren, im Oktober 1995, erstmals ein Auswärtsspiel in München. Die Gründe?

Vogts: Ich weiß es nicht. Wir haben immer wieder alles versucht. Sind mal Donnerstag mit dem Bus angereist, dann freitags geflogen oder mit der Bahn unterwegs nach München gewesen. Haben immer wieder das Hotel gewechselt, weshalb, übertrieben gesagt, damals in München so viele neue erstklassige Hotels entstanden sind. Mal haben wir mit drei Spitzen gespielt, mal mit einer. Haben immer wieder was Neues probiert. Und sind immer wieder dort auf die Nase geflogen.

DFB.de: 1979 ging Ihre Spielerkarriere ebenso endgültig zu Ende wie Gladbachs Höhenflug in der Bundesliga. Bei Ihnen nach einer schweren Fußverletzung, bei der Borussia mit einer fatalen 1:7-Heimniederlage ausgerechnet gegen Bayern München. Wie beurteilen Sie diese Situation heute im Rückblick?

Vogts: In jener Saison und schon im Jahr zuvor hatte die Borussia ihren Erfolgsweg verlassen. Man hatte das Scouting nicht mehr richtig vorangetrieben und nicht mehr den starken Draht für die Zusammenstellung der Mannschaft mit jungen Spielern gefunden. Ausgenommen die Verpflichtung des jungen Lothar Matthäus, von dem ich sofort überzeugt war, dass er ein Knaller wird. Udo Lattek war ein Trainer, der es gewohnt war, nur mit fertigen Spielern zu arbeiten. Lattek sollte entlassen werden, ich war verletzt und sagte Grashoff, so lange ich hier Kapitän bin, wird in Gladbach kein Trainer entlassen.

DFB.de: Wie haben Sie das 1:7 im März 1979 auf dem Bökelberg miterlebt?

Vogts: Auf der Tribüne. Ich konnte nach meinem Fußbruch in der Saisonvorbereitung bis dahin kein Spiel bestreiten. Wir gerieten nach dieser Abfuhr endgültig in Abstiegsgefahr. Helmut Grashoff bat mich dann, bei den letzten fünf Spielen noch mal aufzulaufen. Wir haben gleich drei Spiele in Folge gewonnen und waren gerettet. Das war es dann für mich als Spieler in der Bundesliga.

DFB.de: Wie sehen Sie jetzt die Ausgangssituation vor dem 91. Bundesligaduell zwischen Bayern München und Borussia Mönchengladbach?

Vogts: Borussias Pokalniederlage in Darmstadt hat sicherlich sehr wehgetan - auch in Sachen Selbstvertrauen vor so einem Spiel wie jetzt gegen Bayern. Dazu kommt der Münchner 5:1-Finalsieg kürzlich beim Telekom-Cup. Ich hoffe aber gerade deswegen auf eine Trotzreaktion der Spieler, dass sie mutig sind und mit ihren schnellen Stürmern den Bayern solche Stiche versetzen, dass die große Überraschung mit einem Unentschieden möglich sein wird.

DFB.de: Wie lautet generell Ihr Saisonausblick für Mönchengladbach und Bayern?

Vogts: Bayern München spielt, das muss man sehen, in einer anderen Liga. Dortmund und auch Schalke traue ich eine Menge zu. Leverkusen und Wolfsburg sollte man ebenfalls nicht aus den Augen verlieren. Gladbach, das sage ich ausdrücklich, hat sehr gut investiert in die Mannschaft. Sie ist gereifter, auch wenn sie völlig überraschend und sehr leichtfertig die Pokalchance verspielt hat. Trainer Lucien Favre hat mit Raffael seinen Lieblingsspieler bekommen. Dazu wurde mit Max Kruse ein weiterer Klassemann und Nationalspieler für den Angriff verpflichtet. Und auch Christoph Kramer aus Bochum macht bisher einen sehr guten Eindruck. Gladbach muss man für einen Platz unter den ersten Acht auf dem Zettel haben.