Völler: "Wir alle müssen den Bayern dankbar sein"

Völler: Inter war mein Wunschgegner gewesen fürs Achtelfinale. Ein großer Name, aber mit einer veralteten Mannschaft, völlig von der Rolle. Stattdessen bekamen wir Barcelona zugelost. Na ja...

DFB.de: Wie beurteilen Sie Bayern Münchens Chancen im nunmehr wahrscheinlichen Halbfinale gegen Real Madrid?

Völler: Absolut 50-zu-50. Wenn die Mannschaft der Bayern alles an Qualität mobilisiert, was in ihr steckt, dann kann sie mit jedem Gegner in Europa mithalten. Für mich kommen ohnehin nur Barcelona, Bayern und Real für den Champions-League-Titel in Frage.

DFB.de: Bayern konnte sich nur als Bundesliga-Dritter für die diesjährige Champions League qualifizieren, vertritt die Bundesliga jetzt aber als einziger Vertreter ganz souverän in der Runde der letzten Acht. Wie neidisch beziehungsweise wie stolz ist man in Leverkusen auf das internationale Aushängeschild des deutschen Fußballs?

Völler: Ich weiß nicht, ob man neidisch oder stolz sein soll. Nein, die Bundesliga muss den Bayern dankbar sein. Dass die Bundesliga den vierten Startplatz in der Champions League zurückbekommen hat, daran hat Bayern München den größten Anteil. Deswegen drücken gerade wir in Leverkusen den Münchnern immer die Daumen, dass sie weit kommen in der Champions League und viele Punkte holen für die Fünf-Jahres-Wertung der UEFA.

DFB.de: 1993 bestritten Sie mit Marseille das erste Finale der neu gegründeten Champions League. Jetzt findet schon die 20. Saison statt. Wie hat sich diese Königsklasse nach zahlreichen Modus- und Reglementänderungen entwickelt?

Völler: Sensationell gut! Das sieht man an dem immer größer gewordenen Zuspruch der Fans und der Medien. Es ist ein toller Wettbewerb, der sich mehr als bewährt hat. Natürlich ist die Bundesliga das Tagesgeschäft. Doch die Spiele in der Champions League sind absolute Highlights. Attraktiv und lukrativ in jeder Beziehung wie keine andere Konkurrenz im weltweiten Klubfußball.

DFB.de: Unter den bisher 19 Champions-League-Siegern ist Spanien sechsmal, Italien fünfmal, England dreimal sowie Deutschland mit Borussia Dortmund 1997 und Bayern München 2001 zweimal vertreten. Spiegelt dies das Kräfteverhältnis im europäischen Ligabetrieb wider?



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Er hat turbulente Tage hinter sich bei Bayer Leverkusen. Am Sonntag nach dem 0:2 gegen Freiburg ist Trainer Robin Dutt entlassen worden, Sportdirektor Rudi Völler hat mit ernster Miene die Maßnahme begründet. Zum Trainerthema sei damit alles gesagt, der Blick solle sich wieder nach vorne richten.

Für DFB.de schaut der frühere Teamchef der Nationalmannschaft trotzdem noch mal in die Vergangenheit. Aus gutem Grund: Wenn heute (ab 20.45 Uhr, live bei Sat.1 und Sky) Olympique Marseille im Viertelfinalrückspiel der Champions League beim FC Bayern München gastiert, werden bei Rudi Völler schöne Erinnerungen wach. In München hat er beim Sieg im ersten Champions-League-Finale 1993 seinen größten Erfolg als Vereinsspieler errungen - und zwar im Trikot von Marseille.

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Wolfgang Tobien blickt der Weltmeister von 1990 zurück auf seine Zeit bei Olympique, beurteilt die Chancen der Bayern in der Königsklasse und beschreibt Leverkusens Aussichten, im Konzert der ganz Großen mittelfristig mitmischen zu können.

DFB.de: Bayern gegen OM in der Champions League – ist dies nach dem 2:0 im Hinspiel nur noch Formsache für den deutschen Rekordmeister auf dem Weg ins Halbfinale?

Rudi Völler: Da dürfte normalerweise nichts mehr Negatives passieren. Man hat ja im Hinspiel gesehen, dass die momentane Qualität von Olympique Marseille nicht ausreicht. Die Bayern müssen natürlich wachsam sein. Doch daheim werden sie nichts mehr anbrennen lassen. Das Halbfinale FC Bayern gegen Real Madrid steht.

DFB.de: Marseille in München, da werden bestimmt auch Erinnerungen wach.

Völler: Ganz klar! Dieses Finale 1993 in München mit dem Sieg über AC Milan war der Höhepunkt eines sensationellen Jahres von Olympique. Wir waren in jener Saison fast unschlagbar und haben in der gesamten Champions-League-Saison kein einziges Spiel verloren, sind Französischer Meister geworden. Den Titel bekam OM ein paar Monate später wegen des Bestechungsskandals wieder aberkannt. Und mein zweites Jahr in Marseille war dann leider nicht mehr so erfreulich. Doch die erste Saison mit dem Endspiel im Münchner Olympiastadion war sensationell.

DFB.de: War der 1:0-Triumph damals gegen Mailand Ihr größter Erfolg als Vereinsspieler?

Völler: Das war sicherlich ein ganz toller Erfolg. Doch ich bin keiner, der die großen Titel automatisch als die größten Erfolge wertet. Es hängt doch immer von den Möglichkeiten und Voraussetzungen ab, die eine Mannschaft hat. Manchmal kann daher auch ein Nicht-Abstieg ein unglaublich schöner Erfolg sein.

DFB.de: Gab es in Ihrer Karriere so eine Situation?

Völler: Klar! Ich werde nie meine allerletzte Partie als Spieler vergessen. Wenn wir damals mit Leverkusen gegen Kaiserslautern verloren hätten und Markus Münch nicht kurz vor Schluss das Tor zum 1:1 gelungen wäre, wären wir abgestiegen – mit unabsehbaren Folgen für den Verein. Das ist ein Erfolgserlebnis, ähnlich schön, wie wenn du den Pokal in die Höhe stemmen kannst.

DFB.de: Zurück zu Marseilles Champions-League-Triumph 1993: Hätten Sie es damals für möglich gehalten, dass es 19 Jahre dauern würde bis zu Olympiques nächster Teilnahme am Viertelfinale in der Champions League?

Völler: In der damaligen Situation war dies fast unvorstellbar. Marseille war und ist eine Fußball-Institution in Frankreich, eine absolut fußballverrückte Stadt. Doch verursacht durch den Skandal und den Zwangsabstieg in die zweite Liga, haben sich andere Vereine an die Spitze gespielt. Lyon, Monaco, Bordeaux, Paris sind an OM vorbeigezogen. Es fehlten dann auch die finanziellen Mittel. So kam es zum Absturz. Inzwischen hat man sich aber erholt. Olympique stand 1999 und 2004 im UEFA-Pokalfinale und wurde 2010 erstmals wieder Französischer Meister. Jetzt aber scheint erst einmal St. Germain Paris mit seinen Ölmillionen die erste Geige zu spielen.

DFB.de: Didier Deschamps war 1993 einer Ihrer wichtigsten Mitspieler bei Marseilles damaligem Höhenflug. Hat er Sie als heutiger Trainer bei Olympique, zumal in der sehr unbefriedigenden Lage in der Liga, vor dem Spiel gegen Bayern angerufen und um Infos gebeten?

Völler: Das braucht er doch gar nicht. Heute ist im Profifußball alles so gläsern. Vor allem bei diesen ganz großen Klubs. Die Spielweise der Bayern, von Real Madrid oder Barcelona kennt man in- und auswendig. Marseille hat die eigene Situation zudem ganz realistisch eingeschätzt. Angesichts der eigenen Möglichkeiten ist das Erreichen des Viertelfinales schon ein großer Erfolg.

DFB.de: Wobei OM eine Runde zuvor immerhin Inter Mailand ausgeschaltet hatte.

Völler: Inter war mein Wunschgegner gewesen fürs Achtelfinale. Ein großer Name, aber mit einer veralteten Mannschaft, völlig von der Rolle. Stattdessen bekamen wir Barcelona zugelost. Na ja...

DFB.de: Wie beurteilen Sie Bayern Münchens Chancen im nunmehr wahrscheinlichen Halbfinale gegen Real Madrid?

Völler: Absolut 50-zu-50. Wenn die Mannschaft der Bayern alles an Qualität mobilisiert, was in ihr steckt, dann kann sie mit jedem Gegner in Europa mithalten. Für mich kommen ohnehin nur Barcelona, Bayern und Real für den Champions-League-Titel in Frage.

DFB.de: Bayern konnte sich nur als Bundesliga-Dritter für die diesjährige Champions League qualifizieren, vertritt die Bundesliga jetzt aber als einziger Vertreter ganz souverän in der Runde der letzten Acht. Wie neidisch beziehungsweise wie stolz ist man in Leverkusen auf das internationale Aushängeschild des deutschen Fußballs?

Völler: Ich weiß nicht, ob man neidisch oder stolz sein soll. Nein, die Bundesliga muss den Bayern dankbar sein. Dass die Bundesliga den vierten Startplatz in der Champions League zurückbekommen hat, daran hat Bayern München den größten Anteil. Deswegen drücken gerade wir in Leverkusen den Münchnern immer die Daumen, dass sie weit kommen in der Champions League und viele Punkte holen für die Fünf-Jahres-Wertung der UEFA.

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DFB.de: 1993 bestritten Sie mit Marseille das erste Finale der neu gegründeten Champions League. Jetzt findet schon die 20. Saison statt. Wie hat sich diese Königsklasse nach zahlreichen Modus- und Reglementänderungen entwickelt?

Völler: Sensationell gut! Das sieht man an dem immer größer gewordenen Zuspruch der Fans und der Medien. Es ist ein toller Wettbewerb, der sich mehr als bewährt hat. Natürlich ist die Bundesliga das Tagesgeschäft. Doch die Spiele in der Champions League sind absolute Highlights. Attraktiv und lukrativ in jeder Beziehung wie keine andere Konkurrenz im weltweiten Klubfußball.

DFB.de: Unter den bisher 19 Champions-League-Siegern ist Spanien sechsmal, Italien fünfmal, England dreimal sowie Deutschland mit Borussia Dortmund 1997 und Bayern München 2001 zweimal vertreten. Spiegelt dies das Kräfteverhältnis im europäischen Ligabetrieb wider?

Völler: Am Ende werden in diesem europäischen Topwettbewerb die Mannschaften ganz oben stehen, die sich finanziell die besten Spieler leisten können. Das ist das ganze Geheimnis. Und Bayern ist nun mal die einzige Mannschaft, die auf diesem Niveau mithalten kann und sich auch finanziell nicht vor den spanischen und englischen Klubs zu verstecken braucht. Was die Bundesliga daneben auszeichnet, ist ihre Ausgeglichenheit. Deswegen spielen unsere Klubs gerade in der Europa League immer eine gute bis sehr gute Rolle.

DFB.de: Wie sieht es mit Bayer Leverkusens Teilnahme an der Champions League kurz- und mittelfristig aus?

Völler: Wir sind genau der klassische Verein, der auch in den nächsten Jahren stets an der Schnittstelle stehen wird zwischen Champions League und Europa League. Der FC Bayern wird immer eine Sonderrolle spielen. Auch Borussia Dormund wird sich jetzt in den nächsten Jahre oben etablieren. Unser Ziel wird kurz- und mittelfristig der vierte, fünfte Platz in der Bundesliga sein.