VfB-Torjäger Ibisevic: Mit einem Schuss Demut

Über die Zweikämpfe ins Spiel finden

Wobei, Ibisevic ist kein klassischer Knipser, der nur vor dem Tor herumlungert und auf den einen und möglicherweise einzigen Ball wartet. Ibisevic streunt durch den Strafraum, ihm ist kein Weg zu weit. Bis vors eigene Tor zieht es ihn häufig – und im nächsten Augenblick schlägt er vor des Gegners Tor zu. "Ich brauche Spiele, ich brauche den Rhythmus, und ich konzentriere mich immer erst auf die einfachen Dinge", sagt er: Defensive, Zweikämpfe, Laufwege der Mitspieler. So finde er in ein Spiel. Und daraus entwickelt er seine Gefährlichkeit vor dem Tor. "Man muss sich immer auf den Ball konzentrieren", sagt er. "Dass man sich trotz des großen Einsatzwillens dann immer noch auf den Torschuss fokussieren kann, ist eine Frage der Erfahrung. Diese Fähigkeit lernt man einfach mit der Zeit. Und man muss das Tor eben unbedingt machen wollen."

Diese unbedingte Gier hebt den außergewöhnlichen über den guten Stürmer. Bei Ibisevic kommt als weiterer Charakterzug die Bescheidenheit hinzu. Rührend kümmert er sich um Neuzugänge, er gibt jungen Spielern Tipps, hat hier ein offenes Ohr und dort ein Lächeln parat. Sich selbst ermahnt er immer wieder: "Ich kann mich überall verbessern – das Kopfballspiel, die Vorlagen, das Kombinationsspiel, das Zweikampfverhalten, meinen linken Fuß und so weiter."

Sein Leben hat ihn Demut gelehrt. Ein Leben, das sich lange Zeit zwischen Himmel und Hölle bewegte. Und so sagt er auch diesen bemerkenswerten Satz: "Wenn ich als Fußballer keinen Titel gewinne, mag das schlimm sein. Aber mein Leben war viel schlimmer als das. Dass ich dabei normal geblieben bin, ist wie ein Titel für mich." Was nicht bedeutet, dass er seine Saison nicht liebend gern mit dem Titel "Pokalsieger" schmücken möchte.

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Mit vier Treffern trug VfB-Torjäger Vedad Ibisevic zum Einzug seines Klubs ins DFB-Pokalendspiel bei. Es ist sein erstes großes Finale, und er will es unbedingt gewinnen, dieses besondere Fußballspiel – aber er weiß auch, dass er im Leben schon wichtigere, noch wichtigere Siege errungen hat.

Das Kribbeln hat schon vor Wochen begonnen. Anfangs hat er es noch "nach hinten gedrängt" und sich auf die letzten Bundesligaspiele konzentriert. Irgendwann aber ließ ihn der Gedanke an den großen Tag nicht mehr los. "Es ist das erste Finale meiner Karriere", sagt VfB-Stürmer Vedad Ibisevic, "ich habe schon so oft gehört, wie toll die Atmosphäre in Berlin und die Stimmung im Olympiastadion ist. Jetzt sind wir selbst dabei, und das bedeutet mir sehr viel." Pause. Dann ergänzt Ibisevic: "Aber es ist nur ein Fußballspiel." Nanu, warum plötzlich so sachlich, so nüchtern?

Flucht vor dem Jugoslawien-Krieg

Um Ibisevic näherzukommen, lohnt ein Ausflug in dessen Kindheit. Auf dem Bauernhof seiner Großeltern im bosnischen Vlasenica erlebt der kleine Vedad eine behütete Kindheit. Vater Saban und Mutter Mirsada gehen zur Arbeit, Vedad wächst mit vielen Tieren auf, riecht den Kuhmist, spielt mit Gleichaltrigen. Als er fünf ist, kommt seine Schwester Vedada zur Welt. Heile Welt. Und als er sieben ist, fallen die ersten Bomben.

Mit seinen Eltern flüchtet er 1992 vor dem Jugoslawien-Krieg nach Tuzla, doch dort ist alles noch schlimmer. Ibisevic erinnert sich an viele Bombennächte im Keller, an Hunger und Angst, Todesangst. Fußball spielt er "mit kaputten Schuhen, und wenn es kalt war oder schneite, haben wir Plastiktüten darübergezogen". Drei Jahre lang kämpft die Familie ums Überleben, schließlich macht sich Ibisevic auf zu einer Odyssee. Über die Schweiz (FC Aarau, FC Baden) und die USA (St. Louis University, Chicago Fire) wird er Profi in Frankreich (Paris St. Germain, FCO Dijon). Heute sagt er Sätze wie: "Todesangst relativiert alles im Leben." Auch und erst recht ein Fußballspiel.

Die Sonnenseiten des Profitums genießen

Ibisevic hat viel gelitten, umso mehr genießt er die Sonnenseiten als Fußballprofi, und dazu gehört mit Sicherheit das Pokalfinale 2013. Mit 1899 Hoffenheim ist er 2008 in die Bundesliga aufgestiegen und auf Anhieb Herbstmeister geworden, er führte die Torjägerliste an, wurde gelobt, verehrt, gefeiert – aber den Pokal hatte er nie in den Händen. Da geht es ihm wie den meisten seiner VfB-Kollegen.

Die Sehnsucht nach dem Coup im Cup ist also ungeachtet des scheinbar übermächtigen Gegners aus München riesengroß, und dabei setzt der VfB auf den Mann, der ihn mit seinen Toren zunächst vor dem Abrutschen in die Abstiegszone bewahrte und dann zweimal in die Europa League beförderte. "Ich kann ganz zufrieden sein", sagt er über seine Ausbeute, "aber ich will nicht zufrieden sein. Ich will immer mehr erreichen. Als Stürmer erinnerst du dich an bestimmte Situationen und sagst dir: Da hättest du ein Tor mehr machen können."

Über die Zweikämpfe ins Spiel finden

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Wobei, Ibisevic ist kein klassischer Knipser, der nur vor dem Tor herumlungert und auf den einen und möglicherweise einzigen Ball wartet. Ibisevic streunt durch den Strafraum, ihm ist kein Weg zu weit. Bis vors eigene Tor zieht es ihn häufig – und im nächsten Augenblick schlägt er vor des Gegners Tor zu. "Ich brauche Spiele, ich brauche den Rhythmus, und ich konzentriere mich immer erst auf die einfachen Dinge", sagt er: Defensive, Zweikämpfe, Laufwege der Mitspieler. So finde er in ein Spiel. Und daraus entwickelt er seine Gefährlichkeit vor dem Tor. "Man muss sich immer auf den Ball konzentrieren", sagt er. "Dass man sich trotz des großen Einsatzwillens dann immer noch auf den Torschuss fokussieren kann, ist eine Frage der Erfahrung. Diese Fähigkeit lernt man einfach mit der Zeit. Und man muss das Tor eben unbedingt machen wollen."

Diese unbedingte Gier hebt den außergewöhnlichen über den guten Stürmer. Bei Ibisevic kommt als weiterer Charakterzug die Bescheidenheit hinzu. Rührend kümmert er sich um Neuzugänge, er gibt jungen Spielern Tipps, hat hier ein offenes Ohr und dort ein Lächeln parat. Sich selbst ermahnt er immer wieder: "Ich kann mich überall verbessern – das Kopfballspiel, die Vorlagen, das Kombinationsspiel, das Zweikampfverhalten, meinen linken Fuß und so weiter."

Sein Leben hat ihn Demut gelehrt. Ein Leben, das sich lange Zeit zwischen Himmel und Hölle bewegte. Und so sagt er auch diesen bemerkenswerten Satz: "Wenn ich als Fußballer keinen Titel gewinne, mag das schlimm sein. Aber mein Leben war viel schlimmer als das. Dass ich dabei normal geblieben bin, ist wie ein Titel für mich." Was nicht bedeutet, dass er seine Saison nicht liebend gern mit dem Titel "Pokalsieger" schmücken möchte.