VfB-Ikone Ohlicher: "Man wird ja nicht jeden Tag Deutscher Meister"

Besondere Begegnungen, besondere Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesliga an ganz spezielle Duelle, passend zu dem jeweils aktuellen Spieltag. Heute: Vor der elften Runde der Bundesliga mit der Partie Werder gegen VfB am Samstag (ab 18.30 Uhr, live bei Sky) erinnert sich der inzwischen 65-jährige Hermann Ohlicher im Interview mit dem Historiker Udo Muras an jenen Tag vor 30 Jahren, als sein Tor in Bremen die Deutsche Meisterschaft zu Gunsten seiner Stuttgarter entschied.

DFB.de: Herr Ohlicher, Sie werden immer wieder zum 19. Mai 1984 befragt und geben detailliert Auskunft. Es scheint, dieser Tag habe sich bei Ihnen fest ins Gedächtnis eingebrannt.

Hermann Ohlicher: Nun ja, man wird ja auch nicht jeden Tag Deutscher Meister und erzielt noch das entscheidende Tor. Aber wissen Sie, was komisch ist?

DFB.de: Nein. Bitte sagen Sie es mir!

Ohlicher: Dass ich auf meine drei Tore 1973 gegen Schalke noch öfter angesprochen werde. Das war mein Bundesligadebüt. Andere wissen noch genau, wie ich den VfB in Turin in der 119. Minute eine Runde weiter geschossen habe oder schwärmen noch von der A-Jugend-Meisterschaft…

DFB.de: Wir nehmen aber doch zu Recht an, dass Bremen 1984 den Höhepunkt Ihrer Karriere markiert, oder?

Ohlicher: Natürlich. Zumal wir nicht mehr damit gerechnet hatten, Meister zu werden - und wenn, dann nicht vorzeitig. Denn in der Woche vorher hatten wir eine 2:0-Führung gegen die Frankfurter Eintracht verspielt, die Abstiegskandidat war. Und das Restprogramm sprach auch gegen uns. Wir dachten alle: "Jetzt wird's aber ganz schwierig."

DFB.de: Aber dann lief alles für den VfB an diesem 33. Spieltag. Haben Sie mitbekommen, dass der HSV gegen jene Frankfurter verliert und auch Bayern in Dortmund nicht gewinnt?



Besondere Begegnungen, besondere Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesliga an ganz spezielle Duelle, passend zu dem jeweils aktuellen Spieltag. Heute: Vor der elften Runde der Bundesliga mit der Partie Werder gegen VfB am Samstag (ab 18.30 Uhr, live bei Sky) erinnert sich der inzwischen 65-jährige Hermann Ohlicher im Interview mit dem Historiker Udo Muras an jenen Tag vor 30 Jahren, als sein Tor in Bremen die Deutsche Meisterschaft zu Gunsten seiner Stuttgarter entschied.

DFB.de: Herr Ohlicher, Sie werden immer wieder zum 19. Mai 1984 befragt und geben detailliert Auskunft. Es scheint, dieser Tag habe sich bei Ihnen fest ins Gedächtnis eingebrannt.

Hermann Ohlicher: Nun ja, man wird ja auch nicht jeden Tag Deutscher Meister und erzielt noch das entscheidende Tor. Aber wissen Sie, was komisch ist?

DFB.de: Nein. Bitte sagen Sie es mir!

Ohlicher: Dass ich auf meine drei Tore 1973 gegen Schalke noch öfter angesprochen werde. Das war mein Bundesligadebüt. Andere wissen noch genau, wie ich den VfB in Turin in der 119. Minute eine Runde weiter geschossen habe oder schwärmen noch von der A-Jugend-Meisterschaft…

DFB.de: Wir nehmen aber doch zu Recht an, dass Bremen 1984 den Höhepunkt Ihrer Karriere markiert, oder?

Ohlicher: Natürlich. Zumal wir nicht mehr damit gerechnet hatten, Meister zu werden - und wenn, dann nicht vorzeitig. Denn in der Woche vorher hatten wir eine 2:0-Führung gegen die Frankfurter Eintracht verspielt, die Abstiegskandidat war. Und das Restprogramm sprach auch gegen uns. Wir dachten alle: "Jetzt wird's aber ganz schwierig."

DFB.de: Aber dann lief alles für den VfB an diesem 33. Spieltag. Haben Sie mitbekommen, dass der HSV gegen jene Frankfurter verliert und auch Bayern in Dortmund nicht gewinnt?

Ohlicher: Nicht so genau, aber nach meinem Tor zum 2:1 (in der 82. Minute; Anm. d. Red.) wurde die Aufregung auf der Bank immer größer. Man war ja damals noch auf Radios angewiesen, und die gab es wohl auch in der Nähe unserer Bank. Erst als mich Trainer Helmut Benthaus nach dem Abpfiff in den Arm nahm, wussten wir, was los war auf den anderen Plätzen.

DFB.de: Wobei eine endgültige Entscheidung noch nicht gefallen war. Theoretisch hätte der HSV mit einem 5:0 im verkappten Finale am letzten Spieltag in Stuttgart noch Meister werden können. Trotzdem kreisten in der VfB-Kabine schon die von Werder-Manager Willi Lemke herbeigeschafften Sektflaschen. Wie zerrissen war Ihre Gefühlswelt damals?

Ohlicher: Angeblich habe ich ja mein Trikot in den Fanblock geworfen vor lauter Freude, ich weiß es aber nicht mehr. Das hundertprozentige Glücksgefühl, das man nach einem Pokalsieg oder dem Ende einer Saison hat, fehlte in der Tat. Aber wir dachten uns: Ein 0:5 im Heimspiel, das konnte einfach nicht mehr sein.

DFB.de: Es gab dann ja auch nur ein 0:1…

Ohlicher: Wobei uns das immer noch ein bisschen weh tut. Wer wird schon gern mit einer Niederlage Meister? Aber es war nur ein kleiner Wermutstropfen, der der Feier nicht geschadet hat.

DFB.de: Wie überraschend kam die erste Bundesliga-Meisterschaft des VfB für Sie? Mit welchen Zielen sind Sie 1983 in die Saison gegangen?

Ohlicher: So genau weiß ich das nicht mehr, aber als wir das letzte Vorrundenspiel beim Meister HSV in Eiseskälte 2:0 gewonnen hatten, merkten wir: Es ist was möglich dieses Jahr.

DFB.de: Wenn man sieht, wie enttäuschend die folgende Saison endete: Wären Sie nicht besser auf dem Höhepunkt zurückgetreten?

Ohlicher: Das sagt man immer so leicht hinterher. Fakt ist: Ich wollte noch nicht aufhören, und ich hatte ja noch ein Jahr Vertrag. Wir sind 1984/1985 daran gescheitert, dass wir uns nicht mit ein, zwei Hochkarätern verstärkt haben, wie das andere Meister bis heute tun. Den Fehler hat der VfB noch öfter begangen.

DFB.de: Sie haben immer nur für den VfB gespielt - und dann schießen Sie auch noch das Meister-Tor. Sind Sie für die Fans ein echtes Idol?

Ohlicher: Das weiß ich nicht. Um ehrlich zu sein: Ich hatte nur ein Angebot von Schalke. Das hat der VfB abgelehnt, sonst hätte ich an der Seite von Klaus Fischer gestürmt.

DFB.de: Sie haben 96 Tore in der Bundesliga erzielt, zweimal waren es 17 in einer Saison. Aber sie haben kein A-Länderspiel. Waren Sie nie ein Kandidat?

Ohlicher: Das mag banal klingen, aber es war eben eine andere Zeit. 17 Tore waren in Zeiten von Gerd Müller, Klaus Fischer oder Jupp Heynckes nichts Besonderes, und unseren Abstieg haben sie 1975 auch nicht verhindert. Und als Zweitligaspieler war es natürlich ganz vorbei. Immerhin habe ich mal in der B-Nationalmannschaft gespielt.

DFB.de: Sie sind heute Vorsitzender des VfB-Ehrenrats. Wie viel Sorgen machen Sie sich aktuell um Ihren Klub?

Ohlicher: Wenn ich sehe, wie viele Tore wir schießen, dann nur wenige. Wenn ich die Gegentore sehe, werden die Sorgenfalten größer. Die Saison ist ja noch lang, in Bremen entscheidet sich gar nichts. Auch wenn wir nach dem Spiel Letzter sein könnten, wenn es schlecht laufen sollte. Aber generell sorge ich mich um die Traditionsvereine. Die Schere zwischen denen, die in der Champions League viel Geld verdienen, und dem Rest geht immer weiter auseinander. Diese Diskrepanz ist beängstigend.

Hermann Ohlicher spielte in der Bundesliga nur für den VfB Stuttgart (1973 bis 1985) und schoss in 318 Spielen 96 Tore. Heute ist er als Bezirksdirektor für 340 Lotto-Toto-Annahmestellen im Neckar-Raum zuständig. Im Februar 2015 geht er in Rente.